Die Lage an allen Fronten

ukraine

Ich muss das Publikum schockieren dergestalt, dass ich Dinge zusammenposte, die gar nicht zusammengepostet gehören.

1. Wir sind bekanntlich im Krieg. Die Lage an der Ostfront:

Die geleakten Pentagon-Papiere zeigen, dass Washington offenbar nicht mit einem durchschlagenden Erfolg der Ukrainer im Sommer rechnet. Auch der renommierte Militärstratege Markus Reisner vom Verteidigungsministerium in Österreich sagt: „An einen vollständigen Zusammenbruch der russischen Verteidigung glaube ich aktuell noch nicht.“ Die Ukraine hat vor allem Probleme mit dem Munitionsmangel, es fehlen ausreichend gut ausgebildete Soldaten und eine schlagkräftige Luftwaffe.

Erstens: Schon jetzt glauben weder europäische noch amerikanische Spitzendiplomaten daran, dass die Ukraine jemals die annektierte Halbinsel Krim und den gesamten Donbass wieder zurückerobern wird. Das sagt aus Rücksicht auf die ukrainische Regierung niemand offen. In Wahrheit hat der Westen an einer Rückeroberung auch kein ernsthaftes Interesse – die Nato fürchtet Vergeltungsschläge des Kreml, der den Verlust der Krim zur „roten Linie“ erklärt hatte.

Zweitens: Die Kämpfe in diesem Sommer dürften einen hohen Blutzoll fordern, Militärexperten erwarten eine Ermattung auf beiden Seiten. Gleichzeitig wird sich im Westen die Einsicht durchsetzen, dass dann der richtige Zeitpunkt für einen Waffenstillstand gekommen sein dürfte. (Mehr hinter der Paywall der Qualitätsmedien)

Ich füge hinzu: Der Krieg wird spätestens 2024 beendet werden.

statista

2. Wir sind im Kapitalismus. Die Lage an der Front:

Leider hat sich Marx nicht vorstellen können, dass ein kapitalistischer Staat selbst seine Ökonomie aus pseudoreligiösen ideologischen Motiven heraus ruiniert, ohne dass jemand auch nur theoretisch in der Lage wäre zu benennen, was danach käme, geschweige denn die Macht an sich zu reißen, um eine Alternative durchzusetzen. Es wäre bestimmt lustig zu lesen, wie Marx seine Häme über den Ausschuss ausgeschüttet hätte, der die Geschäfte der Bourgeoisie organisieren will.

Man muss einschränken, dass das Bruttoinlandsprodukt (GDP) nicht viel aussagt für die Fragen, die sich denkende Bürger stellen. Wie ist der Reichtum verteilt? Welche Branchen haben Zukunftschancen, und wird in die investiert? Was macht die Konkurrenz? Ich sehe schwarz, vor alle bei der Digitalisierung, die uns bald auf das Niveau der so genannten Welt hinabdrücken wird – im Gegensatz etwa zu Israel (auch wenn es da manchmal oder deswegen teuer sein kann). Außer im Gendern und beim Denunzieren, Canceln, Framen, Empören, Strafen, Umerziehen, Ausstoßen, Zensieren, Entlassen, Einschüchtern, Moralisieren, Politisieren sind die Deutschen nirgendwo wirklich gut. (Ich lasse mich gern eines Besseren belehren.)

Ich füge hinzu: Es hängt an der Bildung der Arbeiter der Faust und der Stirn und an der Emanzipation der Frauen. Wir werden bald – in den Ballungsgebieten – eine große arabischstämmige und ungebildeete Unterschicht haben, so wie Israel, aber wir haben die positiven Seiten nicht, die das Lumpenproletariat konterkarieren können.

Womit wir beim nächsten Thema wären:

powerty report israel

3. Wir sind immer noch im Kapitalismus. Die Lage an einer ganz speziellen Front:

Over one in five Israelis, a total of 22.7%, are currently living in poverty, according to a report by the country’s Social Security Institute. In 2019 the poverty rate was 21.6% and in 2020 it had dropped to 21%, but provisional estimates show that it has risen again in 2021. The same trend was seen among children, whose poverty rate in 2019 was 29.2%, in 2020 dropped to 28.7%, and estimates show rose to 31.2% in 2021.

Media reports said poverty levels are particularly high in the Arab minority and among Orthodox Jews.

The Israeli economy’s 2021 growth was not felt equally in the various sectors of society. (Ich habe eine italienische Quelle genommen, die sich aber auch auf den vom mir verlinkten Report bezieht.)

Ganz einfach: Die prozentuale Größe der Klassen in Israel ist ähnlich wie überall („Mittelklasse“ ca. 60%). Die Armut findet man bei Orthodoxen (hohe Kinderzahl und freiwillig keine Arbeit) und bei Arabern. Die Jerusalem Post hat dazu einen differenzierenden Artikel:

Jerusalem is one of the poorest cities in Israel and some 42% of the city’s residents live under the poverty line – double the national level of 21%. The poverty, however, is not equally distributed. A stunning 60% of the city’s Arab residents live under the poverty line, compared to 31% of Jewish residents (the Jewish poverty rate is driven in large part by poverty in the city’s haredi community, which is at 43% – still significantly below the rate among Arab Jerusalemites).

Was müsste also eine „Linke“ tun und mit wem? Die so genannte Kommunistische Partei Israels, eine Politsekte mit ähnlicher Massenbasis wie hierzulande die MLPD, ist auf dem völkischen Irrweg – ähnlich wie viele Linke in Lateinamerika – und könnte sich genausogut in „nationalsozialistische palästinensische Partei“ umbenennen. Kein Wunder, dass die dort niemand wählt. Diese „Linken“ fallen noch weiter hinter Rosa Luxemburg zurück, so wie die hiesige „Linke“, was Religion angeht, noch auf dem Stand vor der russischen Revolution ist.

Die Frage hatte ich schon gestellt. Ich kann sie immer noch nicht beantworten. Vielleicht erfahre ich in Israel mehr.

bard google

4. Wir sind im Internet. Die Lage an der KI-Front:

Ich müsste mein virtuelles Deutschtum verschleiern, aber bard.google.com wirft mich sogar raus, wenn ich per Tor-Browser komme. Ich könnte mir jetzt die Mühe machen, einen neuen undeutschen Account bei Google anzuschaffen, aber das ist es zur Zeit nicht wert. Heise hatte mich angefixt.

Ich hatte eh Discord (für Secondlife), aber bisher keine Zeit, das mit Midjourney auszuprobieren. Ich lese zur Zeit ein paar fucking manuals. Aber ist das acht Dollar im Monat wert? Das sehe ich noch nicht.

girl
Diese Foto ist hier nur durch ein bedauerliches redaktionelles Missgeschick hineingerutscht.

5. Die Affäre Faeser interessiert mich nicht besonders. Sie bestätigt nur, was ich eh schon dachte. Auch die Journalistenverbände halten dazu das Maul, was mich ebenso überrascht. Wenn ich mich langweile, hätte ich da ein Thema vorbereitet.

6. Wahlumfragen sind irrelevant, solange nicht klar ist, ob die Wagenknecht den Laden aufmischt.

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Herrentag

deutsche Bahn neukölln

Bewaffnete Arbeiter und Soldaten auf dem Weg in das Berliner Zeitungsviertel während des Januaraufstands 1919, Foto: Willy Römer, 5. Januar 1919 (Deutsches Historisches Museum, Berlin)

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Unter unregelmäßigen Flowerwatchern

deutsche Bahn neukölln

Zugverkehr unregelmäßig. Immerhin bis zum Bahnhof geschafft…Danke, deutsche Bahn!

toscana tempelhof

Trattoria Toscana: Ich aß Tagliolini con Filetto d’Agnello e Verdurine und danach Banana-Split.

arbeitszimmer

Ich liebe den Blick vor dem Frühstück auf meine Blümlein (die Sansiverie habe ich versehentlich zu viel gegossen, sorry). Fast wie eine Lodge im Urwald, nur eine anderen Geräuschkulisse (aber die erzeugt notfalls Alexa).

Was jetzt? Nur noch morgen arbeiten, dann eine Woche Urlaub bis nach Pfingsten. Aber das Programm ist schon wieder übervoll… Jetzt alles für die neuen Armaturen im Bad vorbereiten, den Krieg gegen die Ameisen, die vom Balkon aus zu oft hier hereinwandern, intensivieren, Hebräisch lernen, mehr als 14 Liegestütze am Stück schaffen und eine halbe Stunde gynastikisieren usw….

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Tel-O-Fun

tel-o-fun

Ha! Guckst du hier!

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Unterwürfige nackte Männer

kajirii

(Den Titel musste ich unbedingt unterbringen.) Es gibt auch männliche Rollenspieler, die Sklaven spielen, obwohl man natürlich nicht weiß, ob sich nicht doch Frauen hinter dem Avatar verbergen. In der Gor-Community in Secondlife werden sie Kajirii (Plural) oder Thrall genannt. Wer sich gerne virtuell herumkommandieren lasst. sollte diese Rolle wählen.

Ich hatte eine Karawane mit Sand nach Isfahan geschickt, und die Kerle mussten die Fässer abladen.
#roleplay #secondlife #gor #fantasy

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Estrella Fluvial Del Orinoco [Update]

amanaven

Auf einem Boot auf dem Rio Guaviare kurz vor dessen Mündung in den Orinoco, von San Fernando de Atabapo (Venezuela) nach Amanaven in Kolumbien, März 1998. Amanaven in der Reserva Natural Moru ist bei Google nicht markiert; es ist die Spitze des linken Ufers bei „Estrella Fluvial Del Orinoco“. Dort waren damals nur rund zwei Dutzend Holzhütten.

Ein Passkonstrolle geb es auch nicht. Das wundert mich nicht, man kommt von dort aus zu Fuß nirgendwohin, nur mit einem Boot den Guaviare aufwärts nach Puerto Inirida. Die Gegend ist abenteuerlich und großartig, aber nicht ungefährlich wegen der Guerilla und Schmuggler und überhaupt.

amanaven

[Update] Ich habe noch ein weiteres Foto aus Amanaven gefunden. Die hatten hübsch angemalte Häuschen da, ganz anders als auf der venezolanischen Seite des Flusses. Doe Kolumbianer sind irgendwie fitter als ihre Nachbarn im Süden und Osten, leider auch in ihren schlechten Seiten, zum Beispiel im Sich-gegenseitig-Umbringen. Vielleicht ist das ein Vorurteil, aber auch die Venezolaner sagten mir grinsend: „Wenn du hier irgendjemanden arbeiten siehst, ist es garantiert ein Kolumbianer.“

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Erbsensuppe an [bitte selbst ausfüllen]

erbsensuppe

Welche Lektüre passt am besten zur selbstgemachten Erbsensuppe?

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Geisterfahrer und Rechtsruckende

geisterfahrer
Deutsche Journalisten und die Wähler in Europa (Symbolbild)

Man muss sich Sorgen machen um die deutsche Journaille. Vielleicht sollte man Telefonnummern von Seelsorgern und Psychotherapeuten bereit halten Allüberall wählen die Wähler nicht so, wie sie sollen wie es die Journalisten hierzulande gern hätten. Woran kann das nur liegen? Geht die Welt bald unter? Naht Armageddon? Ist der altböse Feind übermächtig?

Israel: Rechtsradikale an der Regierung. Ungarn: Rechtsruck. Italien: Faschisten in höchsten Staatsämtern. Polen: Rechte und Nationalisten. Dänemark: rechtsliberale Einwanderungspolitik. Schweden: Rechtspopulisten. Frankreich: Rechtsextreme auf dem Vormarsch. Türkei: Rechtsruck und niederschmetternde Wahlergebnisse. Finnland: Rechtsruck. USA: Das Ende ist nahe, wenn Trump wieder Präsident wird.

Irgendwie ist das doch komisch? Sind unsere Anstalten ihrem weltweiten Erziehungsauftrag nicht nachgekommen? Das Mäkeln und Jammern deutscher Journalisten erscheint mir wie die Beschwerde eines Geisterfahrers, dass ihm so viele entgegenkämen. Oder wie die „Linke“, die ihre diversen Wahldesaster damit erklärt, dass die dummen Wähl die Weisheiten der Partei noch nicht begriffen hätten, statt einzusehen, dass man dummes Zeug verbreitet hat, das niemand hören will. Oder, wie ein sich links fühlender Türke meiner Schwester das Wahlverhalten der Deutschtürken erklärte: Es sei nicht die intellektuelle Elite nach Deutschland ausgewandert.

Schon klar. Die Wähler sind dumm, wenn sie die zentralen Themen aus Wokistan ablehnen oder diese uninteressant finden, weil sie mit ihrem Leben nichts zu tun haben: Diversity, was auch immer das sei, offenen Grenze für alle, [irgendeine Abkürzung mit vielen Buchstaben, die ich mir nicht merken kann], Tunten sind Frauen, Man darf nicht mit den Russen saufen, man muss Bandera Krieg gut finden, und Klima und Kapitalismusreparierei.

So einfach ist es natürlich nicht. Aber man könnte sich natürlich ein bisschen mehr anstrengen und nachdenken und analysieren, ob man nicht selbst das Falsche meint. Oder das Richtige nicht richtig gendert formuliert.

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Unter Eselsbrückenbauern

blue cat

Das kann man sich gut merken: „Blaue Katze“ heisst חתול כחול, ausgesprochen chatul kachol.

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Vor 15.080 Tagen

Amazonas

Der Amazonas, dessen Oberlauf in Brasilien Solimões genannt wird; hier der Anflug auf Leticia im Süden Kolumbiens (ungefähr hier, vgl. etwas näher und noch näher).

Die betreffende Passage aus meinem Reisetagebuch hatte ich schon am 11.08.2020 gepostet: „In den Spelunken Leticias“. Wie ich meinem alten Reisepass entnehme, muss ich das Foto am 30 Januar 1982 gemacht haben. Alexa sagt mir gerade: Zwischen damals und heute liegen 15.080 Tage.

Reisepass

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Kunst am Stromkasten

Kunst

Gesehen in Berlin-Kreuzberg

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75 Jahre Israel

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Gestern wurde bzw. heute wird Israel 75 Jahre alt. (By the way: Wer sind eigentlich exakt diese „Palästinenser“?)

Eine Diskussion über das Thema israelisch-arabische Beziehungen scheitert meistens schon im Ansatz, weil die meisten Leute, die meinen, ihr Maul „kritisch“ über Israel aufreißen zu müssen, die historischen Fakten weder kennen noch wissen wollen. Ich habe auch keine Lust mehr, mit „Israel-Kritikern“ zu diskutieren, auch wenn diese Juden sind.

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Israelischer Unabhängigkeitskrieg 1947-1949

„Das Ziel der arabischen Allianz, die den UN-Teilungsplan nicht akzeptierte und das Existenzrecht Israels bestritt, war die Beseitigung des entstehenden jüdischen Staates.“ Noch Fragen?

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Sechs-Tage-Krieg 1967. Credits: BBC

„Unmittelbare Auslöser des Krieges waren die ägyptische Sperrung der Straße von Tiran für die israelische Schifffahrt am 22. Mai, der vom ägyptischen Präsidenten Nasser erzwungene Abzug der UNEF-Truppen vom Sinai und ein ägyptischer Aufmarsch von 1.000 Panzern und fast 100.000 Soldaten an den Grenzen Israels.“ Noch Fragen?

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„Der Krieg begann mit einem Überraschungsangriff Ägyptens und Syriens am 6. Oktober 1973, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, auf dem Sinai und den Golanhöhen, die sechs Jahre zuvor von Israel im Zuge des Sechstagekrieges erobert worden waren.“ Noch Fragen, wer angefangen hat?

Die Araber werden sich damit abfinden müssen, dass das gesamte Gebiet, das 1948 sowohl Israel als auch den Staat „Palästina“ umfassen sollte, heute Israel ist und bleiben wird, inklusive der Golan-Höhen, Judäa und Samaria. Ägypten kann froh sein, dass es den Sinai behalten durfte und dass Kairo damals nicht besetzt wurde.

Das Konzept Land für Frieden ist komplett gescheitert, obwohl die deutschen Journalisten noch daran glauben, und sollte einfach entsorgt werden.

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Wollt ihr oder wollt ihr nicht?

Hoffentlich raten Selenskijs Berater davon ab, dass der ukrainische Präsident die Deutschen fragt, ob sie den totalen Krieg gegen die Russen wollten. Vermutlich würde die Mehrheit, einstimmig orchestriert von den Qualitätsmedien, versehentlich mit „ja“ antworten. Sie sind es halt so gewohnt.

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Erziehungsmaßnahmen der Sprachpolizisten

Berliner Zeitung: „Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern entkommt man der Gendersprache nicht, obwohl die meisten Zuschauer sie ablehnen. Unsere Autorin fühlt sich diskriminiert.“

„Kritiker der Gendersprache sind sich einig, denn es geht hier nicht um Meinungen, sondern – Achtung – um Fakten. Sie liegen alle auf dem Tisch, nur Gender-Apologeten ignorieren sie wie Trump sein letztes Wahlergebnis: Es gibt keine haltbaren Gründe für den Gebrauch der Gendersprache. Keine, die nicht widerlegt worden wären. (…) Dafür sollen durch Doppelpunkt oder Stern auch andere Identitätsgruppen mitgemeint sein – das haben sich Gender-Aktivisten ausgedacht. Sie unterstellen der organisch gewachsenen deutschen Sprache, Kollektive von Männern hätten sich über Jahrhunderte zusammengerottet, um Frauen mit dem generischen Maskulinum auch sprachlich zu unterdrücken. Und heute endlich ist die Gesellschaft aufgeklärt genug, diese kranke, reparaturbedürftige deutsche Sprache zu „heilen“?“

Dazu der österreichische Exxpress: „81 % der Österreicher lehnen das Gendern ab!“

Hilft alles nichts, es handelt sich um eine säkulare esoterische Religion wie das Fressen von Globuli.

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Unter Männern oder: Zu Besuch bei der Kleinbourgeoisie, Venezuela-style

San Fernando de AtabapoSan Fernando de Atabapo

Hier nun die voraussichtlich letzen Fotos aus San Fernando de Atabapo am Orinoco, Venezuela, fotografiert im März 1998

Typisch für Lateinamerika sind die winzigen Läden am Ortseingang oder in Seitenstraßen, bei denen man sich fragt, ob eine und welche Geschäftsidee dahintersteckt. In Russland würde diese Kleinbourgeoisie vermutlich auf der Straße sitzen und dreieinhalb Kartoffeln aus Eigenanbau verkaufen. Ich habe nicht gefragt, ob die Leute für die Bretterbuden Miete zahlen. Ich vermute, dass sie vom Ort unterhalten werden.

Hinter dem Foto unten steckt eine Geschichte. Der Mann ist ein US-amerikanischer Tourist, der ausgerechnet hier Urlaub machte. Ein Frau hatte er nicht. Finanziell gesehen war das damals vermutlich für ihn halb geschenkt – aber warum ausgerechnet in dem Kaff am Orinoco? Er sagte, es sei schön dort – ich konnte nur zustimmen. Abenteuerlich war es auch, an der Grenze zur grünen Hölle.

Es waren noch zwei Deutsche im Ort, zwei Künstler aus dem Beitrittgebiet, die gezielt keinen Fotoapparat dabei hatten, weil sie sich von den außergewöhnlich Farben inspirieren lassen wollen: Das satte Grün der Bäume, die merkwürdige Tönung des pisswarmen Rio Atabapo, in dem wir jeden Tag stundenlang saßen oder herumschwammen und über die Weltläufte plauderten, die exotische Landschaft. Auf dem Foto sieht man rechts und links die Hände der beiden.

Jeden Abend trafen wir uns an dem einzigen Stand, an dem es eine Art Abendessen gab, Reis mit Fleisch, und Bier. Und immer gesellte sich ein älterer Venezolaner (oder war es sogar ein US-Amerikaner? Ich habe es vergessen) zu uns, weil es nach Einbruch der Dunkelheit nichts gab, womit man sich hätte beschäftigen können. Für Männer ohne Frauen ist es immer kompliziert, weil Familien einen nicht einladen.

Es ist, als lebte man in einem Dorf: Man kann sich nicht, wie in der Stadt, die Freunde und Bekannten aussuchen, sondern muss das nehmen, was da ist, oder man bleibt allein. Vielleicht fördert das die Toleranz?

Natürlich redeten wir auch über Frauen. Wir waren uns einig, dass eine Dorfschönheit, der wir alle schon einmal begegnet waren, sehr attraktiv sein. Ich warf ein, dass ihre Mutter aber aussah wie ein Fass ohne jedwede Taille und dass ihre Tochter vielleicht, wenn sie älter geworden sei, auch so würde. Der Venezolaner nickte mir zu und sagte anerkennend: „Du hast ein gutes Auge.“ So sind sie, die Gespräche unter Männern, wenn keine Frau zuhört.

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Zwei Sippen

parzival
Scrollen, scrollen und immer an die Wissenschaft denken!

Irgendwann vor langer, langer Zeit, als Studenten noch wissbegierig waren und lernen wollten, und zwar möglichst viel und alles, sagten sich zwei marxistisch denkende Altgermanistik-Dozenten, von denen beide, die mich damals für das Thema begeisterten, schon gestorben sind (einer von ihnen taucht im weltweiten Internet überhaupt nicht auf), man müsse da etwas anbieten, jenseits des normalen Angebots an Seminaren, weil das die besagten Studenten unterfordere, was in der Tat der Fall war. Und es begab sich, dass ein Oberseminar veranstaltet wurde für diese beiden Dozenten und ein halbes Dutzend Studenten (darunter nur eine Frau, aber eine ausnehmend attraktive, von der ich noch ein winziges Andenken irgendwo habe, was sie mir zugesteckt hatte – wir saßen in den Veranstaltungen nebeneinander).

Das Thema war gesetzt: Wir waren die Elite, besuchten notfalls auch Seminare von 20 bis 22 Uhr (in so einem – freiwilligen! – Seminar lernte ich Ludwig Feuerbach kennen und lieben), und hochmotiviert im Superlativ. Also musste es das schwierigste und anspruchsvollste altgermanistische Thema sein, das es gibt – den Parzival von Wolfram von Eschenbach, dergestalt, dass wir das Epos, welchselbiges die bürgerliche Literaturwissenschaft rein überhaupt nicht in den Griff bekommen hatte, marxistisch analysieren wollten, was wir schon bei anderen Werken – wie dem Herzog Ernst, dem Rolandslied und vor allem dem Helmbrecht – unseres Wissen nach erfolgreich getan hatten, mit enormem Erkenntnisgewinn, und was uns in der Meinung bestärkte, die bisherige Forschung sei in Gänze dem Inhalt nicht gerecht geworden, sondern – wir vermaßen uns das zu behaupten! – irre vollständig und sei komplett auf dem Holzweg.

Die Notiz – teilweise mit einer Schreibmaschine geschrieben! – ist mir von diesem Seminar geblieben: Wir mussten die tribalistischen Verwandtschaftsbeziehungen auseinanderdröseln, um einen Überblick zu bekommen, wer warum auftauchte und in welcher Funktion. Man muss sich vergegenwärtigen, dass Wolfram das alles im Kopf hatte und das Epos natürlich mündlich vorgetragen wurde.

Das würde alles zu weit führen. Mittelhochdeutsche Literatur darf man nicht wie heutige Romane rezipieren. Feudalismus, wie die Stammleser schon wissen, unterscheidet sich fundamental vom Kapitalismus, eine orale und magische Gesellschaft, die sich komplett anders konstituiert und auch darstellt. Die Handlung ist weitaus weniger wichtig als in moderner Literatur. Sie ist eher mit der „Handlung“ einer katholischen Messe vergleichbar, die man nicht verstehen würde, wenn man nur fragte, warum der Kerl wo und wie schnell am Altar herumlaufe.

Aber wir geraten ins Plaudern. Das Stammpublikum weiß, wie das alles endete.

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אני רוצה ללמוד מהר יותר

hebräisch lernen

Ich hätte nichts dagegen, mir einen Chip implementieren zu lassen, damit das schneller geht…

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Einstweilig oder: Schützende Schriften

holding hands
Keine Einstweilige Verfügung (Symbolbild). Nein, das sind auch nicht Heidi Klum und ihre Tochter.

Fefe wies darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht die Pressekammer des Berliner Landgerichts gerüffelt hat – und das zum achten Mal, wie die üblichen Verdächtigen herumposaunen. Es gab vergleichbare Fälle. (Ich finde übrigens den Beschluss/das Urteil des BVerfG nicht, und die Qualitätsmedien verlinken bekanntlich selten zur Quelle. Vermutlich ist es noch gar nicht online.)

Ich sehe das anders. Es ist kompliziert.

Becker forderte die Zeitung daraufhin auf, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen, was diese aber ablehnte. Daraufhin wandte er sich an das LG Berlin und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Mit Erfolg. Ohne den Verlag anzuhören und „wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung“ erließ die Kammer zwei Tage später die begehrte Verfügung.

Ein Gericht ist bei einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz keineswegs verpflichtet, beide Parteien anzuhören. Das ist ja der Sinn einer „einstweiligen Verfügung“: Sie ist nicht ein Urteil in der Sache.

In den zitierten Fällen ging es offenbar nur um die Eile (im Juristenjargon: Eilbedürftigkeit). Wenn es nicht eilig ist, gilt das Prinzip der Waffengleichheit vor Gericht oder audiatur et altera pars. Ich habe selbst genug einstweilige Verfügungen erhalten und auch erlassen (lassen); ich maße mir an, jeden Fallstrick bei dem Thema zu kennen.

Der Verlag wirft dem Gericht vor, diese Verfahrenshandhabung hätte bei der Berliner Pressekammer System. Das ist Bullshit. Das Berliner Landgericht hat eben öfter mit Pressesachen zu tun als etwa das Amtsgericht Monschau. Wenn ein Pressebericht online ist, sollte es eigentlich immer eilig sein.

Wem das nicht gefällt und wer ein Risiko sieht, der sollte eine Schutzschrift hinterlegen. Aber dazu war der Springer-Verlag zu arrogant, oder sie haben es vergessen.

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Möge beschließen

Il nous faut de l’audace, encore de l’audace, toujours de l’audace! (Georges Danton)

Am 10. Juni 2023, um 9:30 Uhr findet die Mitgliederversammlung des DJV Berlin – JVBB statt. Ich habe dazu drei Anträge gestellt, deren Text auf dem Recherchegruppe-Blog nachzulesen ist.

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Hyperventilierende Katharsis

bücherverbrennung

Es regnete in Strömen, doch Carl Schmitt spürte weder die Tropfen in seinem Gesicht noch die kleinen Rinnsale im Nacken, während er wie gebannt in die Flammen starrte, die vor ihm in den Himmel aufschlugen. Der Abend hatte mit der Antrittsvorlesung eines neu berufenen Professors für Philosophie und politische Pädagogik begonnen, in deren Anschluss ein Fackelzug, eskortiert von berittener Polizei, von der Friedrich-Wilhelms-Universität Unter den Linden zum Opernplatz marschiert war, den nun eine vieltausendköpfige Menschenmenge füllte: ein überwältigendes nächtliches Schauspiel, dargeboten von Professoren in ihren Talaren, NS-Studenten mit Hakenkreuzarmbinden und Korporierte im Verbindungswichs sowie Heerscharen von SA und SS und Hitlerjugend, die sich alle gemeinsam um einen riesigen, funkenspeienden Scheiterhaufen drängten, der eines Savonarola würdig gewesen wäre.

Ein Vertreter der Studentenschaft trat ans Feuer, hob ein Buch in die Höhe und rief: „Gegen Klassenkampf und Materialismus! Für Volksgemeinschaft und idealistische Lebenshaltung. Ich übergebe der Flamme die Schriften von Karl Marx!“

Unter tosendem Beifall warf er das Werk ins Feuer. Hunderte Studenten und Uniformierte machten es ihm nach. Bündelweise wurden Bücher von Lastwagen gehoben und in Menschenketten weitergereicht, von Leiterwagen und Handkarren flogen sie in die Flammen, die gierig an den Einbänden leckten.

Der Deutsche an sich mag das Feuer im Wald in der Dunkelheit. Man muss als Anthropologe fragen: Was soll das? Und was soll dabei herauskommen bei dem Verbrennen? Schon klar: Man befreit sich symbolisch von dem, was die Führer als das Böse definiert haben, und die Mitläufer fühlen sich hinterher besser. Das Primäre an der Struktur dieser Gruppendynamik ist nicht das Verbrennen, sondern der Ausschluss des Bösen. Lichterketten sind auch nur eine andere Version des Fackelzuges, der wiederum ist eine Teilmenge des Scheiterhaufens.

Man kann physisch vernichten wie bei den Hexenverbrennungen, man kann Symbole für das Unerwünschte verbrennen (es geht nicht um die Bücher, sondern um die Ideen, die sie verbreiten), man kann abstrakt ausschließen, indem das Unerwünschte ignoriert und verfemt wird. Die Zeugen Jehovas haben dieses gruppendynamische Prinzip vervollkommnet: Die höchste Strafe für Sünden wider die Regeln der Gruppe ist der „Gemeinschaftsentzug“. Da Böse ist nicht weg, sondern wird allen sinnfällig vorgeführt, ist aber nicht mehr gefährlich, weil es das Maul halten muss bzw. alle weghören.

Ich schrieb schon vor einiger Zeit: „Der kategorische Imperativ in der protestantisch geprägten Alltagskultur lautet: Habe die richtigen Gefühle, dann wird alles gut.“ Die richtigen Gefühlslagen müssen immer wieder hergestellt werden, besonders in Zeiten der Krise. Warum sind die Führer der jeweiligen kleinen und großen Massen so verunsichert, dass sie das Böse nicht einfach ignorieren können? Warum braucht man noch zusätzlich Rituale?

katharsis
José Clemente Orozco: „Katharsis“ (Ausschnitt), 1934

„Gegen Frechheit und Anmaßung! Für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen deutschen Volksgeist! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Tucholsky und Ossietzky!“

Wegen des Regens hatte das Feuer erst nicht brennen wollen, Feuerwehrleute hatten Benzinkanister auf den durchnässten Scheiterhaufen leeren müssen, um es zu entfachen. Doch jetzt loderten die Flammen haushoch in den Nachthimmel hinauf.

„Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkriegs, für Erziehung des Volkes im Geist der Wehrhaftigkeit! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Erich Maria Remarque.“

Wie alle hier versammelten Professoren trug auch Carl seinen Talar, um als Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Bücherverbrennung beizuwohnen, die an diesem Abend nicht nur in der Reichshauptstadt, sondern in allen deutschen Universitätsstädten veranstaltet wurde und von langer Hand vorbereitet worden war. Schon im April hatten der Völkische Beobachter „12 Thesen“ abgedruckt, an denen auch Carl mitgewirkt hatte, um die zersetzende Kraft des jüdisch vergifteten Liberalismus anzuprangern. Seitdem waren alle Bibliotheken des Reichs systematisch nach verbrennungswürdigen Schriften durchsucht worden, um sie auf den Scheiterhaufen zu werfen und nun dieses Purgatorium zur Austilgung des undeutschen Geistes mit der gesamten Volksgemeinschaft zu zelebrieren.

Purgatorium des putinschen Geistes Man muss sich fragen, was in den Köpfen derjenigen vorgeht, die fordern, jemand solle aus der Volksgemeinschaft aufgestoßen werden. Heute formuliert man das nur anders, wie Stephan-Andreas Casdorff, der Herausgeber der Berliner Zeitung „Tagesspiegel“: „Der ehemalige Kanzler Gerhard Schröder schadet sich, dem Staat und seiner Partei. Ihn zu ächten, liegt jetzt nahe.“

Das ist ekelhaft. Ächten? Also symbolisch verbrennen? Exorzieren? Was für eine verkommene Mischpoke. Kontaktverbot zu allen Russen? Kai Dieckmann im vermutlich „autorisierten“ Interview: „Ich schreibe von der hyperventilierenden Gesellschaft. In der Art und Weise, wie Schröder jetzt niedergemacht wir, ist jedes Maß verloren gegangen. Selbst Schröders Friseur wollte ihm nicht mehr die Haare schneiden.“

Die Menschheit lernt nie und nichts dazu.

„Gegen Dekadenz und moralischen Zerfall! Für Zucht und Sitte in Familie und Staat! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Heinrich Mann und Erich Kästner!“

Eine Trommel wurde gerührt. Carl lief ein Schauer über den Rücken. Obwohl Bücher ihm heilig waren, auch Bücher geistiger Widersacher, faszinierte ihn der Gedanke, für eine Idee, die größer als alle anderen Ideen war, sogar den Geist selbst zu vernichten. Was für ein kühner, großartiger Frevel! Der Anblick des Flammenopfers, die laut in die Nacht verkündeten Feuersprüche, der glühende Fanatismus der Studenten – all das erfüllte ihn mit einer Erregung, die nach Entladung drängte.

Ein letztes Mal trat der Vertreter der Studentenschaft ans Feuer.
„Gegen die seelenzerfasernde Überschätzung des Trieblebens! Für den Adel der menschlichen Seele! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Sigmund Freud!“
[Aus: Peter Prange, Eine Familie in Deutschland, Bd. 1, Kapitel 49]

Surreal Urban Space
Surreal Urban Space, Till Nowak

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