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Erschienen am 24.04.02
im Tagesspiegel, Berlin
.Traumjob statt Knast
- Dass Ex-Pay-TV-Hacker jetzt für Rupert Murdoch arbeiten, sorgt für Unmut bei der Konkurrenz.

Ein Kampf der Giganten: Jean- Marie Messier klagt gegen Rupert Murdoch. Messier ist der Leo Kirch Frankreichs. Sein Konzern Vivendi Universal beschuldigt Murdochs Firma NDS Group, die Pay-TV.Docoder der französischen Konkurrenz und deren Verschlüsselungssystem Mediacrypt gehackt zu haben und die Codes über Mittelsmänner ins Internet gestellt zu haben. Konkreter Anlass: In einschlägigen Kreisen wird das Gerücht verbreitet, der englische Hacker Lee Gibling (thoic.com und irde.to) soll Hacker ausspioniert und deren Daten an NDS weitergeleitet haben. Gibling soll veranwortlich dafür sein, dass die gehackten Codes von Vivendi sich in der Szene verbreitet haben. Die Klage von Vivendi gegen Murdoch fußt auf der Annahme, dass deutsche Hacker maßgeblich daran beteiligt gewesen seien, NDS einen technischen Vorsprung vor der Konkurrenz zu verschaffen.

Websites mit illegaler Software, den so genannten "Piratenkarten", tauchen schnell auf. Ihre Adressen werden in geheimen Foren, im WWW und im Internet Relay Chat, verbreitet. Sie sind oft nach wenigen Wochen wieder verschwunden. Diejenigen, die Pay-TV-Programme "schwarz" freischalten und gratis sehen, laden die Codes dort herunter. Die großen Konzerne haben bisher gegen diese Homepages und Foren mit ihren "warez" und "toolz" wenig unternommen: Ruhe bewahren schien das beste Mittel gegen die wenigen schwarzen Schafe, die keine Mühe scheuten, stundenlang an ihren Rechnern, den Decodern und der Software zu basteln, um die Kosten für ein Abonnement eines Pay-TV-Programms zu sparen.

Der britische Sender BSkyB, der zu Murdochs Imperium gehört, hat am meisten Erfahrungen mit Hackern. Schon vor zehn Jahren tauchte die Software "The KENtucky Fried chip" im Internet auf, mit der Hacker Porno-Programme und vor allem die SF-Serie "Star-Trek", die nur im englischen Bezahlfernsehen lief, auch in Deutschland sehen konnten. Der Erlanger Student Markus Kuhn stellt schon damals eine FAQ-TV-Crypt ("häufig gestellte Fragen") ins Internet und moderierte eine Mailingliste für Hacker. Dort schrieb auch der Berliner Student Boris F., genannt "Tron", der 1998 auf tragische Weise ums Leben kam. Tron hatte das Irdeto-System gehackt hatte. Dessen Code war die Basis für die Smartcards, mit denen man den Sender Premiere freischalten musste. Markus Kuhn arbeitet heute Computerspezialist an der Universität Cambridge: schon damals, sagt er, seien die Verantwortlichen bei BSkyB bemüht gewesen, "gute Leute aus der Pay-TV-Szene anzuheuern."

Diese Methode war erfolgreich. Dem englischen Medienkonzern ist es gelungen, fast alle begabten Pay-TV-Hacker Deutschlands aufzukaufen und für sich arbeiten zu lassen. Das hat die europäische Konkurrenz versäumt - mit dem Resultat, dass das System, mit dem Murdochs Sender arbeiten, als fast „unknackbar" gilt. Eine zentrale Rolle spielt die Firma NDS und ihre Filiale Jerusalem. Dort werden die Algorithmen entwickelt, die die Smartcards sicher machen sollen. Prominenter Berater ist Adi Shamir, der dem legendären RSA-Algorithmus den mittleren Buchstaben verlieh.Die israelische Zeitung "Yedioth Ahronoth" schätzt den Umsatz von NDS auf Dutzende von Millionen Dollar, der Hauptkunde kommt aus dem eigenen Haus der englische SenderBSkyB.

Der wichtigste Headhunter für Hacker im Auftrag von NDS ist der ehemalige Scotland-Yard Agent Ray Adams. Adams reiste, mit Zuckerbrot und Peitsche im Gepäch, quer durch Europa und verspricht denjenigen Hackern, die die hochbezahlten Ingenieure in den Konzernen das Fürchten lehren, gut dotierte Aufträge, wenn sie für die Gegenseite arbeiten. Auch der Berliner "Tron", Ende der 90er Jahre einer der besten Hacker Deutschlands, bekam ein Universitätsstipendium in Israel in Aussicht gestellt und "mögliche spätere Einstellung".

Adams nahm auch Kontakt zu zwei der schillernsten Figuren der deutschen Hacker-Szene auf: zu Oliver Kömmerling und „Dr. Overflow" alias Uli Hermann. Auch „Dr. Overflow" arbeitete für Murdoch. Der süddeutsche Hacker ist eine lebende Legende, kaum jemand hat ihn zu Gesicht bekommen. Aber Dutzende von Websites feiern ihn als jemanden, dessen diverse Gratis-Software es jedem erlaubt, fast jeden Fernsehsender der Welt zu empfangen. "Dr. Overflow" arbeitete mit dem Berliner "Tron" zusammen und diskutierte mit ihm den legendären "Irdeto"-Hack. Heute ist er abgetaucht, seine Website abgeschaltet.

Kömmerlings Karriere startete Anfang der neunziger Jahre in einer Art Garage. Der spätere Chef der Firma "Advanced Digital Security Research" spezialisierte sich - wie nur wenige Hacker - auf Chipkarten, deren innere Geheimisse damals noch leicht zu erforschen waren. Wer heute professionell arbeiten will, braucht dazu ein technisches Equipment im Wert von mehreren zehntausend Dollar, inklusive Mikroskopen, die die Eingeweide von Chipkarten auf Mikrometer-Ebene anzeigen. Kömmerling kennt jeden in Europa, der das Innere von Smartcards aus "wissenschaftlichen" Motiven erforscht - bulgarische Computerfachleute, die den "grauen Markt" der Smartcards mit ebensolcher Software beliefern, belgische Chipkarten-Händler, die den oft naiven Hackern die aktuellen Codes für wenig Geld abkaufen, englische Internet-Firmen wie "Paul Maxwell King", die nicht müde werden zu betonen, dass die Software, die sie anbieten, nicht für "illegale" Zwecke benutzt werden dürfte, obwohl man das könnte Murdochs Unternehmen NDS-Group kaufte sich bei Oliver Kömmerlings Ein-Mann-Unternehmen ADSR ein. Die Firma sitzt heute in London und hat ein weltweit einmaliges Patent auf ein Verschlüsselungsverfahren, dass den Chip sich selbst zerstören lässt, wenn ein Hacker versucht, die Codes zu verändern. Davon können die französische Konkurrenz Murdochs oder der südafrikanische Konzern Mindport, einer der Marktführer in Smartcards für Pay-TV, nur träumen.

Murdochs Headhunter haben erreicht, wovor Hacker sich fürchten: dass ihre ehemaligen "Kollegen", die" jetzt für die "Gegenseite" arbeiten, immer schon vor ihnen da sind - wie im Wettrennen zwischen dem Hasen und dem Igel. Der beste Schutz vor Hackern ist die Methode, ihnen einen Job anzubieten und nicht, sie zu verklagen.

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