DIE DEUTSCHE JUSTIZ UND DAS INTERNET, DIE 567STE Das Landgericht Hamburg hat entschiedenVon Burkhard Schröder
Das Landgericht Hamburg hat entschieden. So beginnt der berüchtigte "Landgericht Hamburg-Hoax, ein juristisch völlig wertloser Disclaimer des vorauseilenden Gehorsams, der, neben der "Meldestelle", als einzer, aber dafür umso typischerer Beitrag Deutschlands zur Internet-Folklore gilt.
Jetzt hat eben dasselbe Gericht eine einstweilige Verfügung bestätigt. Vorab, für die der Juristerei Abholden: Es handelt sich anscheinend gar nicht um ein so genanntes Hauptsacheverfahren. Wer sich sachlich und unaufgeredet über die Details informieren will, studiere die Meldung der Kanzlei.Dr. Bahr und den Bericht auf gulli.com
Börse Online schreibt: "Das Hamburger Landgericht verlangt vom Onlinedienst Heise, rechtswidrige Diskussionsbeiträge vor dem Erscheinen in Foren auszufiltern. Bei monatlich 200.000 Beiträgen ist dies eine kaum erfüllbare Auflage." Auch die Zuständigen für das Mahnen und Warnen - wie der DJV - äussern sich dementsprechend.
Nun ist das alles gar nicht wahr oder - noch schlimmer - halb oder so nicht wahr. Komplizierte Sachverhalte gelangen immer nur in Kurzform in der Presse, und dann fehlt meistens das Wesentliche. "Der DJV weist zudem darauf hin: 'Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem letzten Jahr (Az.: I ZR 304/01) war die Haftung auf zumutbare Kontrollmöglichkeiten beschränkt. Eine vorherige Prüfung aller Beiträge hatten die Bundesrichter als unzumutbar bezeichnet.'" Aber geht es eigentlich darum?
Ich meine: Die meisten Diskutanten haben gar nicht verstanden, was im Urteil steht und urteilen ihrerseits vorschnell. Im R-Archiv wird die Angelegenheit ganz anders interpretiert: "Eine Verallgemeinerung des Urteils würde nichts weiteres aussagen - als: 'Wer aus gewerblichen, gewinnorientierten Gründen ein presseähnliches Produkt im Internet anbietet, den Lesern die Möglichkeit eröffnet redaktionelle Beiträge direkt zu kommentieren und aus der Erfahrung weiß, dass diese seine Leser – bei bestimmten Berichten – zu rechtswidrigen Handlungen neigen – hat eine erhöhte Haftung gegenüber dem Verletzten – Wiederholungen der Verletzungshandlungen zu vermeiden.'
'...Forenbeiträge zu verbreiten, in denen dazu aufgerufen wird, durch den massenhaften Download eines Programms den Server-Betrieb der Klägerin zu stören....' – lautet sinngemäß der Tenor des ergangenen Urteils." Heise haftet - auch ohne Kenntnis für Forenbeiträge in dem speziellen Fall – nicht generell – Eine Auswirkungen des Urteils auf andere Foren – erscheint im Moment – nicht gegeben zu sein. Unabhängig davon sei angemerkt, dass sich das Landgericht Hamburg ausdrücklich auf das Urteil des BGH, Urt. v. 11.03.2004, AZ: I ZR 304/01 bezog und klar stellte, dass – bei Unterlassungsansprüchen - § 11 TDG (wegen § 8 Abs. 2 TDG) nicht zur Anwendung käme.
Im Gesetz heisst es: "(2) Diensteanbieter im Sinne der §§ 9 bis 11 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen." Das ist unstrittig.
In diesem Fall ist es so, dass der Heise-Verlag ohnehin verpflichtet wurde, etwas zu unterlassen, und das Landgericht hat nur darauf bestanden, dass der Beklagte dafür sorge müssen, dass das nicht wiederholt werde. Das Argument, das ginge technisch nicht, ist nicht so sehr überzeugend. Die Frankfurter Rundschau schreibt: "Mario Dolzer sieht diese Gefahr nicht. Er erklärte gegenüber der FR, das Urteil gelte nur für Internetforen von Verlagen und sei nur unter engen Bedingungen anzuwenden."
Was bedeutet das Urteil für dieses kleine familien- und frauenfreundliche Forum? Zunächst einmal gar nichts. Die Moderatoren löschen strafrechtlich relevante Beiträge ohnehin sofort - und der User wird dann gesperrt. Und ansonsten bleiben wir ultraliberal und beamen Flamewars der ekligen Art zunächst eine Weile in eines der öffentlich nicht zugänglichen Unter-Foren, wo die Herrschaften sich abkühlen können oder sie laienpsychologisch betreut werden. |