FISCHER GOES FREEDOM Joschka for Bundeskanzler?Von Burkhard Schröder
Da alle herumspekulieren, darf ich das auch tun. Warum also und zu welchem Ende hat Joschka Fischer bei den Grünen den Bettel hingeworfen? Die FAZ schreibt: "Es hatte etwas Endgültiges, wie er das sagte, und so sollte es wohl auch klingen, als Joseph Fischer am Dienstag seinen Rückzug aus der ersten Reihe der Politik verkündete - falls die Grünen nicht in einer rot-gelb-grünen Ampel oder in einer schwarz-grün-gelben Koalition weiter regieren sollten."
Die taz denkt laut nach: "Die Motive für Fischers Entscheidung liegen an diesem Tag natürlich noch im Dunkeln. Will er wirklich "nur" den Generationswechsel in seiner Partei einleiten? Oder will er bestimmten Koalitionen nicht im Wege stehen? Will er dem Kanzler ein Zeichen geben, dass zu einem großen Politiker auch ein großer Abgang gehört?"
Mit der Taschenlampe ins Dunkel der Motive geleuchtet: Vielleicht hat der Tagesspiegel ja doch und zufällig Recht, wenn er der Nachwelt den Schröderschen Satz aus der Elefantenrunde nach der Wahl überliefert. Der Kanzler habe nebenbei den Außenminister verabschiedet, den alten Kampfgefährten Joschka, indem er von dessen 'Nachfolgern' redet. Man kann sich vorstellen, dass diese Sentenz und Fischers Abgang vorher beredet und angesprochen waren und dass Schröder das Wort "Nachfolger" nur versehentlich herausgerutscht ist - obwohl er schon wusste, dass es bald einen Nachfolger geben würde.
Aber auch das bleibt Spekulation. Es geht weiter wie gewohnt: Alle distanzieren sich von allen. Was sagt der König von Kreuzberg? Die Pressemeldung im Original:
Der Berliner Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele hat sich klar gegen eine mögliche Regierungskoalition von Union, FDP und Grünen ausgesprochen. Ströbele, der einzige Bundestagsabgeordnete der Grünen mit einem Direktmandat, heute (Dienstag) im Nachrichtensender N24: 'Das passt inhaltlich nicht zusammen. In einer Reihe von Punkten stehen wir für das Gegenteil von dem, was CDU/CSU und FDP wollen.' Als Beispiele nannte Ströbele den Atomausstieg, die Debatte um den
EU-Beitritt der Türkei und Fragen der sozialen Gerechtigkeit.
Bei einer Regierungs-Zusammenarbeit der Grünen mit Union und FDP wäre nicht Jamaika der richtige Vergleich, vielmehr würden die Grünen 'im Bermuda-Dreieck untergehen'. Ströbele sagte: Unsere Wähler würden sich entsetzt von uns wenden, wenn wir dazu beitragen würden, die soziale Kälte über Deutschland zu bringen.' Die 'übergroße Mehrheit' der Grünen, so Ströbele, lehne eine 'Jamaika-Koalition ab.
Für wenig wahrscheinlich hält Ströbele auch eine 'Ampel-Koalition'
aus SPD, Grünen und FDP: 'Da sehe ich die FDP als Hinderungsgrund. Zwischen der FDP und den Grünen liegen Welten.'
Eine Kooperation mit der Linkspartei wollte Ströbele hingegen nicht kategorisch ausschließen. "Ich sehe eine linke Wahlmehrheit in Deutschland." Diese Mehrheit lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht politisch umsetzen. Eine rot-rot-grüne Koalition sei 'im Augenblick unrealistisch', weil es viele 'Verletzungen und Animositäten gebe.Ja, da kommen einem die Tränen. Verletzungen und Animositäten. Damit kann man aber nicht Politik machen, sondern nur Männer- und Frauengruppen. Die PDS alias Linkspartei bemüht sich, einen weiteren Beitrag zum Linkssektierertum abzulassen. Petra Pau tönt laut:
"Richtig muss es heißen: Noch (!) gibt es bei den Grünen ein paar Positionen, die der Linkspartei ähnlich sind. Die werden aber überschattet vom Grünen Ja zur Agenda 2010, vom Grünen Ja zu Hartz IV und vom Grünen Ja zu immer mehr Auslands- und Kriegseinsätzen der Bundeswehr. Hinzu kommt ein Grünes Nein zu mehr Demokratie auf Bundesebene rund um die EU-Verfassung. Deshalb: Koalitions-Spekulatius à la Ströbele sollte man ideenlosen Journalisten überlassen. Mit realer Politik haben sie nichts zu tun."Ideenlos bin ich gar nicht. Es wird eine Koalition geben - oder Neuwahlen, solange, bis der Wähler abstimmt, wie es den Politikern gefällt. Ein Schmarrn, Petra Pau, und mitnichten "reale Politik". Wo ist sie denn, die reale Politik der Linkspartei?
Vielleicht sollte man Fischer zum Kanzler wählen und Merkel und Schröder rauswerfen. Warum eigentlich nicht? Er könnte sich als überparteilich gerieren. Und wenn jemand aufmuckt, dann brauchte Joschka nur daran zu erinnern, dass er auch ganz anders kann - mit Helm und so.
Ich darf mich ausnahmsweise selbst zitieren - weil ich teilweise Unrecht hatte: Im März 2004 schrieb ich in Telepolis:
"Das wichtigste Argument kann eine Abspaltung ohnehin nicht widerlegen: Eine neue Partei links von Gerhard Schröder würde nur der CDU dienen. Angesichts der gegenwärtigen Umfragen, die die SPD bundesweit unter 30 Prozent sehen, spielte das aber kaum eine Rolle. Ein Argument für eine Neugründung wäre daher: Die SPD in der Opposition, die wohl kaum abzuwenden ist, könnte sich durch eine ähnliche Konkurrenz auf das besinnen, was sie in ferner Zukunft vielleicht wieder mehrheits- und regierungsfähig machen könnte. Wer sich heute politisch glaubwürdig abspaltet, muss die Wiedervereinigung in das Parteiprogramm aufnehmen. Oder erklären, mit allen Parteien koalieren zu wollen."Am Letzteren scheitert es, und auch daran, dass es eine Vereinigung von Linkspartei und SPD in den nächsten zwei Jahrzehnten nicht geben wird.
Man kann sich - wieder eine Kaffeesatzleserei - vorstellen, dass der "Sozialismus", was auch immer im Detail gemeint sei, eine Renaissance erleben wird. Die Kluft zwischen Reich und Arm vertieft sich, darin sind sich cie meisten Ökonomen einig. Und dann könnte das Leninsche "Wer wen?" wieder auf die Tagesordnung kommen: Übernimmt im Jahr 2020 die SPD die Linkspartei - oder gar umgekehrt?
Ich muss in meine Prognose, welche Koalition es gebe, aber noch eine Version mehr aufnehmen. "Denkbar sei, so Ströbele, dass die rot-grüne Koalition bis auf weiteres als Minderheitsregierung im Amt bleibt." |