HAUSMITTEILUNG Als ich einmal eine Digitalkamera kaufteVon Burkhard Schröder Vorgestern bin ich im Wendland gewesen bei alten Freunden. Das Thema lautete (Rechtschreibung korrigiert): "Veranstaltung zu Lauschangriff, Observation, Hausdurchsuchung, Kriminalisierung mit Berichten von Betroffenen aus Göttingen und dem Wendland und dem Journalisten Burkhard Schröder über technische Möglichkeiten des Überwachungsstaates."
Das aber ist heute nicht das Thema, sondern dass ich auf der Autobahn ein nettes Foto meiner üblichen politisch und ökologisch inkorrekten Raserei machen wollte. Meine Digitalkamera verweigerte sich und zeigte mir einen Bildschirm, der einer allgemeinen Schutzverletzung ähnelte und mich aufforderte, die Karte zu formatieren. Mit einer Hand und 180 km/h ist das schwierig. Es endete damit, dass die Olympus keinen Piep mehr von sich gab und nur noch "Kartenfehler" meldete.
Erster Tag. In so einem Fall geht man in den Elektronikfachhandel seines Vertrauens. Dem Verkäufer gelang es nicht, die Kamera zum Einlenken zu bewegen. Karte raus, andere hinein: tilt. Akkus raus, anderer hinein: tilt. Akkus raus, Karte raus, neuer Akku, neue Karte: tilt. "Die Kamera ist hinüber." Garantie und Rechnung suchen, einschicken, vier Wochen, "vielleicht kann man die reparieren". Das Übliche eben. Man ist verstimmt. Ich mag nicht ohne Fotoapparat sein.
Also kaufte ich mir eine neue Kamera, eine Lumicron LDC-524Z3. Das Handbuch hat 94 Seiten. Alles auspacken. Schnellstart: "Legen Sie eine SD-Karte ein. Siehe Seite 17." Da ist ein Schlitz im Gerät, aber nirgendwo ist eine Speicherkarte. (Warum die unbedingt "SD-Karte" heißen muss, weiß ich nicht.) Ein Freund, ein ausgewiesener Fachmann, sagt am Telefon: Das sei heute ein beliebter Trick, einem einen Fotoapparat ohne Speicherkarte anzudrehen.
Die Stimmung steigt. Zu spät, um anzurufen. Dann wenigstens die Akkus aufladen. Sieben Stunden. Alle Lampen auf grün. Immerhin.
Zweiter Tag. Eine sympathische Frauenstimme (keine Warteschleife! Gelobt sei Saturn!) sagt am Telefon: "Bei dem Modell ist die Karte schon eingebaut." Aufatmen. Aber warum soll ich sie laut Handbuch einbauen, wenn sie schon drin ist? Andere Leute bekommen in vergleichbaren Situationen einen Herzinfarkt oder werfen Gegenstände aus Fenstern.
Lieferumfang: bla bla bla. Ein Netzteil: Wo ist das Netzteil? Das fehlt. Aaaaaargh. Zweiter Anruf. Eine andere, sehr nette Frauenstimme. "Haben Sie den kleinen weißen Zettel gelesen?" Habe ich nicht, kleine weiße Zettel werfe ich immer sofort in den Mülleimer. Das Netzteil darf in Deutschland nicht ausgeliefert werden. Irgendein TÜV hat etwas dagegen. Haben die das erst gemerkt, als sie das Handbuch schon fertig hatten? Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs.
Dritter Tag. Eine Stunde das fucking manual studiert, mit dem Gerät herumgespielt. Wenn man die Dienstanweisungen begriffen hat, bietet es zahllose Möglichkeiten. Sehr hübsch. Wer sich für Berliner U-Bahnen interessiert und für den interessanten Sound, den diese produzieren, wenn sie über hohe und enge Brücken fahren, sollte sich das Video (mpg, 8,2 MB) ansehen.
Übrigens: Meine alte Kamera funktioniert wieder. Ich habe gar nichts gemacht, sondern sie nur drei Tage in Ruhe gelassen. Vielleicht hat sie künstliche Intelligenz entwickelt, ist klüger, als man denkt und erlaubt sich ihrem Besitzer gegenüber zu scherzen. Bei der modernen Technik von heute weiß man ja nie. | |