EXKURS ÜBER DIE FRAGE, OB EINE SCHLANGE ZUR ENTE WIRD Schlange beißt SchlangenbeschwörerVon Burkhard Schröder
Baby beißt Mutter. Nein, Mann beißt Hund. Auch nicht. Nicht sensationell genug. Mücke beißt Elefant. Ganz normal, und der Elefant spürt es nicht. Jetzt kommt es - und die deutschen Medien beißen an: Schlange beißt Priester. Das allein reicht nicht. Bei Priester denkt man an die eingeborenen Verehrer höherer Wesen. Aber wenn ein bayerischer Pfaffe von einer Schlange gebissen wird, kommt er damit auch nicht in die Zeitung. Es muss noch eine Prise Exotik her.
Afrika? Da gibt es keine Priester wg. Naturreligion. Die Neger dort unten sind nicht so hoch entwickelt, also sagt der Deutsche Zauberer dazu. Ein Fall für VoxTours und die Tourismus-Industrie. Nein - Asien! Da wimmelt es vor Schlangen, und wo sonst gibt es einen Terminus technicus, der gefährliche Tiere und Pfaffen vereint - den Schlangenbeschwörer! Auch der Papst beschwört, aber eben keine Tiere. Wg. höherer geistig-geistlicher Entwicklung eben. Wo kämen wir denn da hin.
Und schon haben wir die gewohnt linkfreie Meldung des investigativesten alle Nachrichtenmagazine: "Der Angriff auf einen hinduistischen Priester in einem Tempel im ostindischen Bundesstaat Jharkand ist einer Schlange nicht gut bekommen. Der Geistliche ist wohlauf, das Tier ist tot. [...] Die Schlange habe nach dem Biss Blut erbrochen und sei gestorben, meldete die Nachrichtenagentur IANS unter Berufung auf lokale Zeitungen." Die Badische Zeitung und die Berliner Morgenpost lassen die vagen Quellen ganz weg. Die taz bemüht sich immerhin noch um eine ironische Version.
By the way: Ein Schlangenbiss, ist diese nicht giftig, schadet so wie der Biss eines Hundes oder eine Katze, also relativ wenig. Er ist nur schmerzhaft. Unsere "Online"-Medien finden die kleine Meldung offenbar interessant, weil die Schlange anschließend gestorben sein soll. Ob der "Geistliche", was auch immer das in Indien sei, höhere Wesen für seinen guten Gesundheitszustand verantwortlich macht, interessiert eher weniger. Als "Geistlicher" muss er das tun, genau so wie eine evangelische Bischöfin.
Aber fragen wir einmal nach: Ist das alles überhaupt wahr? "Unter Berufung auf örtliche Zeitungen": Google hilf! Die Nachrichtenagentur IANS (Indo-Asian News Service") hat die Story verbreitet: "it all happened in a Jharkhand village and is being attributed to Lord Shiva's blessings. The man who was bitten and lived to tell the tale was the priest of the Nag Devta - snake god - temple in Badapaghar village of Dumka district, 450 km from here."
Die Suche nach Nag Devta ergibt, dass der Tempel Bhadraj Temple heißen könnte. (Das erweist sich später als falsch.) Und eine Meldung von expressindia: "Viswanath Kunwar (35) of Barhabaghar near Hansdadih in Dumka district was bitten by the cobra in his home late Saturday evening and it died after a while."
Outlookindia.com verrät mehr Details: "The villagers brought Kunwar to Dumka Sadar Hospital alongwith the dead creature this morning. Dr Nirmal Kumar Singh, who is attending the patient, said Kunwar was alright and did not lose his conscious after the bite. The villagers said Kunwar, being the priest of the 'nag' temple, was used to handling snakes. He did not even react after noticing the cobra crawling past him, thinking that it would not harm him. But the cobra bit him on his right hand. According to Dr Singh, such a case, in which the snake dies, is possible if the snake-bite victim is addicted to drugs. But the villagers insisted that Kunwar was not addicted to either drugs or alcohol. "
Es war also eine Kobra, und der Doktor des örtlichen Krankenhauses vermutet nüchtern, dass der Schlangenpriester etwas im Körper hatte, was der Schlange den Garaus gemacht hat. Die Dörfler bestreiten das, aber niemand kann das nachprüfen.
Jetzt wollen wir es aber wissen. Dumka Sadar Hospital kann auch Sadar Hospital Dumka heißen. Die meisten Karten sind zu klein. Wikipedia sagt, Dumka sei ein Distrikt im indischen Bundessaat Jharkhand. Der indische map locater hilft nicht weiter. Was noch?
Man könnte jemanden im Dumka District anrufen, ob an der Schlangengeschichte etwas dran ist. Die Sehenswürdigkeiten der Gegend geben nicht viel mehr her. Auf jeden Fall müsste man, wenn man recherchierte, die örtlichen Medien kontaktieren, den Ranchi Express (mrityunjay@ranchiexpress.com) und den Prabhat Khabar. (Au weia, welcher Zeichensatz gilt da?) Immerhin haben die eine Telefonnummer angegeben (Vorwahl: Indien: 0091).
Jetzt höre ich einfach auf, mehr als eine halbe Stunde google ich nicht wegen eines Schlangenbisses herum. Mir reicht, was der Arzt sagt. Ein Schlangenbeschwörer (namentlich bekannt), in deutschen Medien ein "Geistlicher" (har har), wird von einer Kobra in die rechte Hand gebissen. Die Schlange stirbt aus unbekannten Gründen. Der Arzt macht beim Patienten keinen Drogentest, obwohl der offenbar angebracht gewesen wäre. (Wir sind in Indien und nicht in Bayern!) Ein Ammenmärchen aus dem Dorf eben - über die Macht Shivas. Und deshalb berichten deutsche Medien darüber, ohne die Hintergründe zu überprüfen. Aber dazu müsste man im Internet recherchieren können.
Die Abbildung Mitte zeigt den Schlangenbeschwörer Burks, der nicht gebissen wurde, weil der Betreffende nicht an höhere Wesen glaubt. Außerdem war es eine Anaconda, und die würgt nur.
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