DER GRACCHUS DER SOZIALDEMOKRATIE Volkstribun OskarVon Burkhard Schröder
Es macht doch immer wieder Spaß, die Google News nach Stichworten zu durchsuchen. Man stellt fest, dass alle deutsche Medien mehr oder minder das Gleiche schreiben. Das spricht entweder für die Banalität des Alltags oder die mangelnde Phantasie der Verfasser. Beim Stichwort Oskar Lafontaine häufen sich zwei Begriffe: Volkstribun (FAZ) und Populist (Süddeutsche). Was will uns der Schreibkünster damit sagen?
Der Zyniker beobachtet mit Interesse, dass Politik noch recht archaisch funktioniert und sich seit der Weimarer Zeit kaum verändert hat. Ein Haufen von Leuten, die ähnlich denken (wollen), trifft sich in einem Gebäude. Jemand redet zu ihnen. Und je nachdem, ob das Gesagte gut oder schlecht ist, handeln die Leute. Wer gut reden kann, gewinnt, ganz gleich, was er oder sie sagt. Aber ist das etwa sinnvoll?
Populist von lateinisch: populus, das Volk, bedeutet: jemand redet volkstümlich, in einfacher Sprache, also wie eine vertonte Boulevard-Zeitung. Schön - aber warum reden denn nicht alle so? Auch Volkstribun hat einen merkwürdigen Beigeschmack: Es kommt darauf an, wer dieses Wort benutzt, ob es abwertend oder wie ein Lob gemeint ist. Wenn ein Bonze Volkstribun sagt, bedeutet das "die Straße", der Mob, an den sich der "Tribun gewendet und die er aufgehetzt hat. Oder: Es handelt sich um jemanden, der sich die Wünsche der einfachen Leute zu Herzen genommen und diese laut verkündet - ein Lobbyist also.
Die Süddeutsche berichtet von einem Strategiepapier der WASG: "'Die Agitation und Propaganda muss populär, klar und einfach sein.' Anzusprechen seien die Enttäuschten dieser Gesellschaft, die 'in erheblichen Teilen auch gar kein im Selbstverständnis linkes Potenzial' seien. Kurz: Es gehe 'auch um einen linken Populismus, der notwendig ist, um Massen zu mobilisieren'." Schöne Diktion: Agitprop, Massen mobilisieren - aber wohin? An die Urne, auf die Straße, an den Strand? Und warum geht es nicht immer darum, linke, das heißt die guten Inhalte so zu verbreiten, dass das Volk sie begeistert aufnimmt?
In Wahrheit ist natürlich alles viel schlimmer - wie im richtigen Leben. ein Populist lügt. Er verspricht etwas, und die Leute glauben ihm, weil es sich so nett anhört und weil sie es glauben wollen. Es geht um Gefühle, und in der Massensind Gefühle bekanntlich völlig irrational. Ein Volkstribun ht vorher Elias Canettis "Masse und Macht" gelesen und weiß die geistig armen Zuhörer zu manipulieren. Ihr seid die Besten, die Tollsten, die Größten, es wird alles gut werden, der Gegener ist stark, aber gemeinsam werden wir ihn besiegen, jetzt zusammenrücken und zusammenhalten, alles wird gut. Was man als Machivellist so sagt. Natürlcih ist kein Wort wahr und alles sinnfrei, aber die Leute sollen anschließend eine Lichterkette zum Andenken an ihre erhabenen Gefühle anzünden. Ein sehr hübscher Film zum Thema ist "Der Papagei" (1992) mit Harald Juhnke.
Ein Populist wie Oskar Lafontaine ist nie politisch "korrekt", weil das langweilig wäre. Ein langweiliger Volkstribun ist jedoch ein schwarzer Schimmel. Deswegen muss man im bräsigen Medien-Mainstream nur auf die richtigen Knöpfe drücken, und alle Feuilletons heulen auf wie ein Pawlowscher Reflexhund. Fremdarbeiter: der geschätzte Kollege Christian Semler blickt da in der taz gleich sehr streng aus der Wäsche. Man darf wieder etwas nicht sagen. Aber genau das wußte der Politprofi Lafontaine doch vorher: Zunächst muss man Aufmerksamkeit erregen, und danach kann man etwas sagen, weil die Leute zuhören. "....die schroffe Abgrenzung gegenüber jeder Form des rechten Populismus gehören."
Ach was. Mein Ex-Genosse Christian hat Mao offenbar völlig verdrängt. Es geht um die Macht und nicht darum, was man sagen darf. Und solange man in Deutschland dämliche Unworte wie "Ausländerfeindlichkeit" oder "Fremdenfeinlichkeit" benutzt oder denkt, man könne mit Kerzen und Tüchern gegen Rassismux vorgehen, ist Fremdarbeiter so öffentlich ruhestörend wie fremd gehen.
|