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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
Beiträge: 6757
Wohnort: Berlin-Neukoelln
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Verfasst am:
05.12.2004, 12:47 |
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| HAUSMITTEILUNG | | Aktuell | 05. Dezember 2004 |
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| | | | DAS BILD DES TAGES | | Das Haus meiner Urgroßeltern | | |
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| HAUSMITTEILUNG Die Kinder der HausbesetzerVon Burkhard Schröder | | Schön, dass es Vorurteile gibt. Sie erleichtern das Leben. Man muss sich die Welt nicht immer neu erklären, sondern hat immer schon ein Urteil vor dem Urteil parat. Über Berlin, insbesondere Kreuzberg, heisst es: "SO 36 und die Oranienstraße galten bis vor wenigen Jahren als der heißeste Teil Berlins. Hier lieferten sich Hausbesetzer, Punks, Anarchos erbitterte Straßenschlachten mit den "Bullen". Berühmt geworden sind auch die Kreuzberger Nächte.
Leider ist der Dezember die Zeit der Kreuzberger Nächte. Man ist gezwungen, will man das soziale Umfeld in dieser schnellebigen Zeit einigermaßen stabil halten, an allen möglichen oder unmöglichen Feiern teilnehmen: Geburtstagsfeiern, pseudo-christlichen Weihnachtsfeiern von Redaktionen und an anderen Jubiläen. Was unter anderem dazu führt, dass Weblogs zeitweilig verwaisen, weil der Autor unter dem Einfluss schöngeistiger Getränke dazu weniger gut in der Lage ist, kommt er von einer der oben angeführten Feiern allzu spät in sein trautes Heim zurück.
Spiggel.de ist bekanntlich kein journalistisches Weblog, sondern versammelt neben verleumderischen Hetzartikeln gegen die kackbraunen Kameraden und metatheoretischen Abhandlungen über den jämmerlichen Zustand der Medien vor allem allzu Privates, das die Welt rein gar nicht interessiert, sondern nur die geneigten Stammleserinnen und die wohlwollenden Stammleser. Heute begeben wir uns virtuell und a posteriori ins hinterste SO ("Südost") 36 in die Cuvrystrasse. Ehemalige Hausbesetzer, inzwischen etabliert, aber immer noch der Geruch von Großfamilie, Hausgemeinschaft, verschärfter Gruppendynamik. Eine Freundin feiert Geburtstag. Die übliche Fete mit Musik, gutem Essen und viel sinnfreiem Smalltalk. Und eine Dame führt einen vorgeblich orientalischen Schleiertanz auf, unter den Klängen traditioneller Weihnachtsmusik, um das Ganze aufzulockern. Zu diesen Anlässen darf man eben alles, wenn es gut gemeint ist. Geschmacksfragen werden nicht diskutiert.
Und dann die Kiddies. Als die Steine flogen, das Privateigentum an Wohnungen kurzfristig und massenhaft in Frage gestellt wurde und man sich kennenlernte, waren sie noch gar nicht geboren. Und jetzt sind sie schon in der Pubertät, kichern herum, tanzen ebenso nach derselben Musik und amüsieren sich. Und dann geben sie ein singendes Geburtstagsständchen. Ist das nicht süß?
Freunde sind dazu da, dass man sich gegenseitig beisteht und fördert. Deshalb hier ein kurzer Werbehinweis. (Und noch einer.) Was aus Hausbesetzern in Berlin nicht alles werden kann! Was die Presse verschweigt: Babs und ich hatte auch einmal ein gemeinsames Taxi-Unternehmen. Im Spätkapitalismus muss man flexibel sein, insbesondere das Dienstleistungsgewerbe betreffend. Und wo ist eigentlich der Unterschied zwischen Journalisten, Zahnarzthelferinnen, Taxifahrern, Hausbesetzern und Hotelbesitzerinnen? Alle dienen irgendwie dem Gemeinwohl. Und das war schon immer so, auch damals, als die Steine flogen.
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