POLITIK | | Aktuell | 25. November 2004 |
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HELMUT SCHMIDT SPRICHT AUS, WAS ALLE DENKEN In die Tonne mit Multikulti!Von Burkhard Schröder |
Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat dem Hamburger Abendblatt ein Interview gegeben, dessen Ruf wie ein Donnerhall durch die Presse rauscht. Salopp formuliert: Multikulti sei out. Genau das steht übrigens auch als Kapitelüberschrift in meinem Büchlein "Nazis sind Pop". Die Diskussion über die Schmidtschen Thesen lehrt nur eins: es gibt keinen, aber auch nicht den geringsten Unterschied zwischen Mainstream und "Rechtsextremismus". Insofern ist das mediale Getöse pure Symbolik und Heuchelei dazu.
Die Kernsätze: "Mit einer demokratischen Gesellschaft ist das Konzept von Multikulti schwer vereinbar. Vielleicht auf ganz lange Sicht. Aber wenn man fragt, wo denn multikulturelle Gesellschaften bislang funktioniert haben, kommt man sehr schnell zum Ergebnis, daß sie nur dort friedlich funktionieren, wo es einen starken Obrigkeitsstaat gibt. Insofern war es ein Fehler, daß wir zu Beginn der 60er Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen ins Land holten."
"Fremde Kulturen": da gibt es ein Problem. Wenn man einen beliebigen der zahllosen mit Textbausteinen an der Diskussion Beteiligten fragte: Was ist eigentlich Kultur?, bekäme man keine intelligente Antwort. Genausowenig auf die viel schwierige: was sind multiple Kulturen alias Multikulti? So etwas wie der k.u.k.-Vielvölkerstaat? Oder ein allgemeines Tohuwabohu, angesiedelt irgendwo zwischen Klezmer-Musik, sorbischen Osterreitern, Sabrina Setlur und Currywurst? Und alle sind unerbittlich tolerant zueinander - will sagen: es wäre grauenvoll, wie bei Pfarrers zu Hause und das Ende aller Tage müsste sehnlichst herbeigewünscht werden?
Hören wir die üblichen Verdächtigen: Michael Glos, selbst bei der CSU extrem rechtsaußen, zu Fulda.info: "Eine Demokratie braucht ein Band gemeinsamer Werte und eine gemeinsame Sprache, damit Konflikte friedlich ausgetragen werden und alle an öffentlichen Debatten teilnehmen können." Wie meint er das nur? Soll es sein wie in den USA, Indien oder Ex-Jugoslawien? Im Stern vom Januar 1999 wurde er deutlicher: "Wir wollen nicht, dass sich hier Lebensformen etablieren, die nicht deutsche sind, wo man nicht unsere Bräuche pflegt." Vermutlich passt Glos auch nicht die Lebensform der Neger, die bei Multikulti für frohe Farben und das Trommeln vorgesehen sind.
Ein Vertreter des Kapitals sieht Immigration unter dem nüchternen Gesichtspunkt, ob es eine gefügige industrielle Reservearmee gibt: "Wir brauchen auch in Zukunft bei Engpässen die Möglichkeit, Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben". Der Mensch muss dorthin, wo der Kapitalist Profite machen will. Wenn nicht, wird er wieder in die Pampa abgeschoben. So steht es schon bei Karl Marx.
Peter Glotz, SPD, wird in Focus zitiert: er bemängelt insbesondere den Zustrom von Ausländern aus moslemischen Ländern. Man hätte bei der Anwerbung von Moslems vorsichtiger sein sollen. Ach ja? Seit wann ist die Türkei ein moslemischer Staat? Und hat Herr Glotz schon einmal etwas von den Aleviten gehört? Und warum sind die Moslems jetzt böser als Christen, Juden und andere Verehrer höherer Wesen? Immerhin führt der oberste extrem gottesfürchtige Bushkrieger gerade einen Kreuzzug des Guten gegen das Böse. Und die Kollateralschäden sind recht erheblich. Die Muslime müssen dran glauben, weil sich das bei den anderen nicht so gut anhörte: Glos und Glotz kritisierten den Zustrom von Juden? Ganz schlecht.
Noch einmal ganz langsam: Multikulti ist out, weil es Kulti gar nicht gibt. Und "Kulturen" können nicht zu anderen tolerant sein. Die Juden nicht tolerant gegenüber den Christen, die Afrodeeutschen nicht gegenüber den Rassisten, und die Atheisten nicht gegenüber Jehovas Zeugen und anderen Sekten.
Die Deutschen hatten die eine Idee, wie eine Nation politisch hätte gedacht werden können. Zuerst suchten sie in der Antike, ob dort etwas zu finden sei, was sie als weltanschauliches Zwangskollektiv hätte legitimieren können, dann bei den Germanen und Nibelungen. Und das reaktionäre obrigkeitsstaatliche Preußen kämpfte in den so genannten "Freiheitskriegen" gegen den Code Civil des viel aufgeklärteren Frankreich.
Eine deutsche Kultur ist Fiktion. Eine türkische übrigens auch. Kultur ist immer Mischmasch. Man lese nur die Satanischen Verse von Salman Rushdie. Das ist wahr Kultur, aus allen Traditionen, die eine moderne kapitalistische Gesellschaft versammelt, etwas Neues zu schaffen. Die Idee einer Kultur ist ein politisches Programm: anhand willkürlich gezogener Grenzen bestimmen zu wollen, wer dazugehören darf und wer nicht. Also: Glos und Schmidt raus aus der deutschen Kultur, Asamoah und Amewu Mensah rein.
Die Abbildungen zeigen fremde multiple Kulturen, die tolerant und lieb zueinander sein müssen.
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BURKS ONLINE 25.11.2004 Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des BurksVEB.
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