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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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Verfasst am:
29.06.2004, 14:18 |
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| [NETZ]KULTUR | | Aktuell | 29. Juni 2004 |
| | | "CASA" VON DEBORAH COLKER Streiten, Sex, Tanzen, DuschenVon Burkhard Schröder |
Freiwillig wäre ich nicht in die Komische Oper Berlin gegangen. Tanztheater, Ballett: Menschen mit schlanken Körpern tanzen auf Zehenspitzen nach vermutlich kitschiger Musik und man fragt sich ständig: was will einem der Künstler damit sagen? Im Gegensatz zu den Videoclips in den einschlägigen Sendern für Berufsjugendliche halten Tänzer wenigstens den Mund. Aber die suggestive Kraft der Frauen war wieder mal stärker: ich habe mir gestern in angenehmer Begleitung "Casa" (span.: Haus) von Deborah Colker angesehen. Und musste mein Kulturbanausentum glatt widerrufen.
Tanz: eine Art, das alltägliche Tun anders darzustellen. Im Gegensatz zu einem Theaterstück ist Tanz Körperpantomime: Leute reden, streiten, lieben sich, aber das alles wird nicht direkt gezeigt. Tänzer reden, ohne den Mund zu öffnen, sie streiten, ohne dass man Partei ergreifen kann, weil man nicht weiß, wer Recht hat, und natürlich ist Sex auf der Bühne tabu. Warum also sich das Indirekte antun, wenn man doch das Direkte woanders viel realistischer bekommt?
"Casa" ist anders: ein nach vorn offenes dreistöckiges Gebäude dominiert die Bühne. Man fühlt sich an eine Fabriketage erinnert. Dazu "gute Schreinerarbeit" (Zitat meiner Begleitung): überall Leitern, Luken, Türen und Quergänge. Das Tanzensemble tobt tanzend durch die Etagen, klettert die Leitern auf und ab, lässt sich fallen, die Szene verwandelt sich in ein Freibad, Männer entkleiden sich, sonnen auf dem Handtuch, eine Frau duscht ganz real, Paare schmiegen sich aneinander, verfolgen sich, pöbeln wortlos herum, Türen knallen, man verträgt sich wieder, ein Dutzend Menschen kocht, backt und brät gleichzeitig wie beim Synchronschwimmen und nur als Luftnummer - und alle tanzen ununterbrochen. Das ist große Unterhaltung und für selbst für Berufsnörgler wie mich keine Sekunde langweilig.
Nur die Musik ist gewöhnungsbedürftig. Nicht jeder kennt und mag Henryk Mikolaj Górecki - eher ein Geheimtip für Choreografen und weniger ein Ohrwurm. Und Maurice Ravel hasste ich schon vor vierzig Jahren beim Klavierunterricht.
Leider war gestern die letzte Vorstellung. Das Publium tobte vor Begeisterung, und die Tänzerinnnen und Tänzer freuten sich. Vorurteile, das ist bekannt, ändern sich nicht durch Argumente, sondern, wenn überhaupt, durch reales Erleben. Ich muss daher zugeben: Balett kann richtig klasse sein.
Die Abbildung ganz oben zeigt Deborah Colker in einem Interview während ihrer Tournee durch England. Colker hat zwei Kinder, ist von von ihrem langjährigen Freund und Manager geschieden, lebt in Rio de Janeiro und besitzt mindestens fünf Hunde.
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