Liest man die deutschen Zeitungen zum aktuellen Krieg im Libanon, ist man überrascht: Die Berichte sind meistens objektiv und der Sache gerecht. Die FAZ schreibt: "Es gibt keine Rechtfertigung für den Angriff, den die Hizbullah letzte Woche - von libanesischem Gebiet - auf Dutzende friedlicher israelischer Ortschaften unternahm. Kein Staat der Welt kann seine Bürger schweigend preisgeben, wenn das Nachbarland - ohne jede Provokation - einen solchen Überfall ausführt. Vor sechs Jahren hat sich Israel aus allen libanesischen Gebieten, die es 1982 erobert hatte, an die anerkannte Staatsgrenze zurückgezogen. Die Vereinten Nationen hatten dem Abzug damals ihren Segen erteilt und bestätigt, daß die israelische Besatzung des Libanons beendet und die Grenzfrage zwischen den beiden Staaten geregelt war. Gleich danach begann die Hizbullah-Miliz, gegen den UN-Beschluß zu verstoßen. Sie nahm Stützpunkte entlang der Grenze ein, erklärte den Grenzverlauf an einem Punkt (Schab'a Farm) für ungültig und baute ihre Militärmacht mit syrischer und iranischer Hilfe aus."
Die Fakten: Die Resolution 1559 der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2004 ist ganz eindeutig: "the Council called for the disbanding and disarmament of all Lebanese and non-Lebanese militias." Um so mehr verwundert es, was man im Tagesspiegel über Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul liest: "Dass mittlerweile zivile Einrichtungen und Zivilisten in einem anderen Staat bombardiert werden, ist völkerrechtlich völlig inakzeptabel“. Soll das heißen, dass die Entführung israelischer Soldaten durch Milizen, die der Libanon völkerrechtswidrig auf seinem Gebiet duldet, dem Völkerrecht gemäß sind? Wie kann eine Ministerin so doof sein, mit Verlaub? Der Kritik jüdischer Organisationen, wie sie die Netzeitung referiert, ist also völlig berechtigt.
Jetzt das Aber. Der israelische Schriftsteller David Grossman schreibt in der FAZ: "Die libanesische Regierung ist schwach, und der Libanon könnte wieder dem totalen Zusammenbruch und einem Bürgerkrieg entgegengehen." Man sollte also nicht fragen, ob der Angriff Israels auf den Libanon richtig oder falsch ist. Krieg ist immer moralisch falsch. Sondern: Kann die Regierung des Libanon die Milizen wie die Hamas und die Hizbullah überhaupt auflösen? Hat sie die militärische und politische Macht dazu - und hätte sie das in der Vergangenheit gekonnt? Und warum greift Israel gerade jetzt an, obwohl es in den letzten zwei Jahren nach der UN-Resolution genug Anlässe gegeben hätte?
Der Zeitpunkt ist geschickt gewählt: Die Hizbullah [Link zu rotten.com für LeserInnen aus NRW leider zensiert, bitte Anonymizer benutzen] wird vom Iran unterstützt; dessen Präsident hat sich jüngst politisch eindeutig als jemand geoutet, der Israel am liebsten von der Landkarte vertilgen möchte, ob im Ernst oder aus rein propagandistischen und innenpolitischen Gründen, sei dahingestellt. Man schmiedet also das Eisen, da es noch heiß ist.
Ich glaube jedoch, dass der Militärschlag Israels letztlich scheitern wird. Auch die Eroberung Beiruts 1982 hat Arafat und die Palästinenser nicht entscheidend militärisch geschwächt. Niemand wird annehmen, dass Israel den offenen Krieg mit dem iran wagt. Es ist also von beiden Seiten ein Stellvertreterkrieg: Israel meint den Iran, wenn es die Hisbollah angreift, der Iran will Israel schaden, indem er die Milizen im Libanon unterstützt, und die Milizen wollen Israel und den Iran möglichst in einen offenen Konflikt gegeneinander hetzen. Das Ergebnis wird also kein Hornberger, sondern ein libanesisches Schießen sein. |