Karneval ist gut, nur nicht, wenn er von White Anglo Saxon oder German Protestants veranstaltet wird. Kulturen - das ist schlecht, weil es das a) gar nicht gibt und b) bei den Deutschen immer etwas Rassistisches dabei herauskommt.
"Volk" klingt irgendwie nicht so hip. Daher sagt man als politisch korrekter Gutmensch "Ethnie" - obwohl das eben "Volk" meint. Spiegel Online, der Tagesspiegel und andere Zeitungen drucken eine nur leicht veränderte Agenturmeldung mit dem hübschen Begriff "multi-ethnisch". Das erinnert an den österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaat. Leben in Deutschland also viele Völker, die zu Pfingsten einen Karneval feiern?
Nein. In Deutschland leben die Deutschen, das Volk der Sorben, die nationale Minderheit der Dänen, die Nation der Zigeuner und das Volk der Friesen. Alle Mitglieder der vier Nationen sind auch deutsche Staatsangehörige. Und dann sind da noch die Einwanderer, denen die Deutschen aus unerklärlichen Gründen die Staatsbürgerschaft verweigern und die sie als "Ausländer" beschimpfen. Die Juden bezeichnen manche Leute auch als "Volk". Wenn man nach den Details der Definition fragt, kommen sie aber ins Stottern - die hiesigen Juden sind eben Deutsche oder Israelis oder beides. Wer Nationen oder Völker biologisch bestimmt, ist schlicht ein Rassist und dämlich dazu.
Die Zeit schreibt, der Karneval sei "ein Fest der Begegnung, der Integration und Toleranz." Bullshit und unerträgliches Gefasel. Die Intoleranten kommen da gar nicht erst hin. Der Anblick dessen, wogegen man Vorurteile hat, bestärkt in der Regel diese Vorurteile. So simpel ist es also nicht. Und wer ist wem gegenüber tolerant? Die Deutschen ihren Immigranten gegenüber? Die gegenüber den Deutschen? Deutsche Katholiken sind tolerant gegenüber den Juden? "Fest der Begegnung" - ja, das zelebriert die Bundeswehr auch jeden Tag in Kabul.
Beim Kreuzberger Karneval fehlen also mindestens die Juden und die Zigeuner. Die haben bekanntlich auch irgendwie eine "Kultur". Es gehört jedoch nicht zur "Kultur" der Sinti und Roma, ihre Frauen in Tschechien auf den Strich zu schicken, sondern das ist ein soziales Problem. Und die Mehrheit der Juden in Deutschland ist eher säkular geprägt und hat mit den Schläfenlocken-Trägern nicht viel zu tun. Da man den Juden das Jüdische nicht ansehen kann, wird es also schwierig, das Karnevaleske an der Folklore öffentlich darzustellen. Nicht alle Juden mögen Klezmer, genausowenig wie alle Afrikaner gerne trommeln oder musikalisch sind, obwohl die Deutschen ihnen das immer einreden wollen.
Fazit: Der Berliner Karneval der Kulturen reduziert die Einwanderer auf unpolitische Folklore, die man kommerziell ausschlachten kann. Er kann auch überhaupt nicht verglichen werden mit dem Notting Hill Carnival: Dessen Ursprung war politisch, er musste erkämpft werden - und die Einwanderer haben den britischen Pass. Niemand würde auf die abwegige Idee kommen, von ihnen als den "lieben ausländischen Mitbürgern" oder gar von "Ausländern" zu sprechen. Die Deutschen sind sogar so verrückt, dass sie jemanden, der Afrodeutsche anpöbelt, als "Ausländerfeind" titulieren. Aber gegen die kollektive Ignoranz der Krauts ist bekanntlich kein Kraut gewachsen. Da helfen keine Pillen und kein Karneval.
Fotos: Die weiße deutsche Frau filmt die Kulturen (oben) beim Kreuzberger
Karneval (2005). Der deutsche Mann mit deutschem Hund auf dem Weg zum Karneval (Mitte, 2006). Ein Auto voller Kultur undefinierter Sorte (Sonnenanbeter?). ©Burks |