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Das war jetzt ein langer und uninteressanter Satz. Ich wollte über etwas ganz anderes schreiben: Über die mitteleuropäischen Tischsitten der Bourgeoisie und verwandter oder mit dieser sympathisierenden Klassen der Gesellschaft. Für die an humanistischer Bildung Interessierten: Pflichtlektüre wäre "Der Prozess der Zivilisation" von Norbert Elias. Aber man kann nicht alles voraussetzen, noch nicht einmal bei der hiesigen medienkompetenten Stammleserschaft.
Wussten Sie, liebe wohlwollende Leserin und lieber geneigter Leser, was ein Messerbänkchen ist? "Das waren kleine, meist silberne Böckchen, auf welchen man das Besteck, vor allem das schon benutzte, halb schräg platzierte, um den Teller frei zu haben und das (schmutzige) Besteck nicht auf dem blütenweißen Tischtuch ablegen zu müssen. Also berührte das Ende der Messer-, Gabel- und Löffelgriffe den Tisch direkt, und die Bestecke ruhten ungefähr an der Stelle, an welcher der Griff in die Klinge bzw. den Essteil von Löffel und Gabel übergehen, so auf dem Messerbänkchen, dass die schmutzigen Enden des Bestecks über die Messerbänkchen hinaus in die Luft ragten. Viele hielten das für spießig, so waren diese Messerbänkchen stets umstritten, aber praktisch waren sie allemal." Von diesen Teilen gibt es Versionen, über die man sich krank lachen kann, und Vorschriften, die sich so anhören, als seien die 50er Jahre noch nicht vorbei - es riecht unter den Talaren respektive den Tischdecken wie nach dem Muff von 1000 Jahren....
Meine Schwester Judith besitzt Messerbänkchen und setzt sie auch rigoros bei Festtagen und großen Gelagen (siehe Abbildungen) ein. Heute gab es Ente an Rotkohl, Orangen und Klößen (als dritten von fünf Gängen), obwohl ich eigentlich noch von vorgestern satt war. So etwas nennt man in kulturkritischen Kreisen Dekadenz und in religiösen Völlerei. Aber es schmeckte hervorragend.
Soziologisch interessant ist natürlich, um wieder zu Elias zu kommen, warum der Mensch der neuen Mittelschichten in Mitteleuropa im Spatkapitalismus die Tischdecke nicht beschmutzen darf, indem er ein Messer dort deponiert, das vor brauner oder andersfarbiger Soße nur so trieft? Levi-Strauss sagt dazu einiges, auch über das Rohe und das Gekochte (Hallo Moderator nemesis: This Link is dedicated to you!), und meine Lieblingsethnologin Mary Douglas schreibt: "Nach der Regel der Distanzierung vom physiologisch Ursprünglichen (bzw. der 'Reinheitsregeln') gilt, dass mit wachsendem Durck der sozialen Situation auf die an ihr beteiligten Personen das soziale Konformitätsverlangen dahin tendiert, sich durch die Forderung nach strikter Kontrolle der körperlichen Funktionen auszudrücken. (...) Soziale Distanz drückt sich also als Distanzierung vom physiologisch Ursprünglichen aus." (in: "Ritual, Tabu und Körpersymbolik").
Alles klar? Und mit diesen messerscharfen Thesen der großen alten Dame der Sozialanthropologie (lesen!) kann man viel erklären, zum Beispiel die Renaissance der Kurzhaarfrisur, der Benimmregeln und, wenn man sich intellektuell richtig anstrengt, auch den Gebrauch von Messerbänkchen. In diesem Sinne wünsche ich alles Leserinnen und Lesern ein angenehmes und ruhiges Restjahr! | ------------------------------------------------------------ BURKS ONLINE 27.12.2005 Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des BurksVEB.
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