HAUSMITTEILUNG Leider das falsche HemdVon Burkhard Schröder Man wird älter. Da das aber jeder sagen kann, ist die pessimistische Aussage sinnfrei. Aber wie alt man werden, sehe ich an meine Eltern, die quietschvergnügt im Grunewald leben und keinesfalls die Absicht haben, dort zu versauern. Meine Mutter beliebte sogar neulich - mit 79! - zu schnell mit dem Fahrrad (!) eine Böschung (!) hinunterzufahren und sich den Knöchel zu brechen. Aber es ist schon alles verheilt.
Das merkte man gestern, als sie ihren achtzigsten Geburtstag feierte. Zahllose Verwandte, Freunde und Bekannte reisten aus Westdeutschland an und machten Lichterfelde unsicher. Dort war das Etablissement, in dem die festliche Angelegenheit stattrand. Im Nachhinein kann ich nur werben: Essen, Trinken und das Personal waren hervorragend.
By the way achtet man heute wieder auf die Etiquette. Ich zwar nicht, aber man kann ja aus Spaß so tun. Dazu gehört eine Kleiderordnung. Zum Smoking darf man zum Beispiel kein Polohemd tragen. (Lassen Sie sich nicht beirren, wenn Wikipedia sie zum Drogenkonsum verleiten will.) Im richtigen Wikipedia-Eintrag steht: "Ein Smoking ist der so genannte 'kleine Abendanzug', bestehend aus einem Sakko mit seidenbelegten Revers oder Schalfasson, zusätzlich kann eine gleichfarbige oder hechtgraue Weste oder ein Kummerbund (breites Gürtelband) getragen werden, dazu eine Krawattenschleife. Bei einem klassischen Smoking ist nur eine schwarze Fliege angemessen. Das farblich, zur Krawattenschleife, passende Einstecktuch (Pochette) darf auf keinen Fall fehlen. In neuerer Zeit tauchen jedoch auch häufiger kontrastreichere Varianten auf. Eine weiße Fliege stellt allerdings einen außerordentlichen Fauxpas dar, ist sie doch für den festlicheren Frack vorbehalten. Wird ein Kummerbund bzw. die Smokingweste getragen, sollten diese auf die Farbe der Krawattenschleife abgestimmt sein. Zu einem Smoking-Jackett trägt man eine aufschlaglose Hose mit einem Besatzstreifen (Galon) pro Bein. Diese Dinge besitze ich alle, und wenn ich sie anlege, ist das so kompliziert, als streifte ich eine Ritterrüstung über.
Leider bemerkte ich gestern früh, als ich mich korrekt gekleidet auf den Weg zur Feier machen wollte, dass mein weißes Hemd, das ich zum Smoking anziehen wollte, irgendwie noch verschmutzt in der Wäsche lag. Wenn man eine Fliege trägt, sind bei normalen Hemden die Knöpfe zu sehen, was wiederum mega-daneben ist. Und der Kragen muss geknickt sein, sonst sitzt die Fliege komisch. Der Ersatz ist, obzwar weiß, also ein falsches Hemd.
Selbstredend, liebe wohlwollende Leserin und verehrter geneigter Leser, halte ich diese Art von Vorschriften allesamt für Quatsch. Meinetwegen kann jeder auch als Punk kommen.
Wieder zum Thema: Wenn man 80 wird, hat man als Kind sogar die Weimarer Republik erlebt, natürlich nicht besonders bewusst. Meine frühesten Erinnerung reichen aber zurück bis in meine Kindheit, bevor ich zur Schule ging. Und ich bin heilfroh, dass ich meine Kindheit nicht in der Nazi-Zeit verbingen musste und meine Jugend nicht im Bombenhagel des Weltkriegs.
Wir haben also fröhlich gezecht und gefeiert, bis in die Nacht, und wegen der Nachwirkungen war ich heute noch nicht in der Lage, auch nur einen müden Euro zu verdienen. Aber vielleicht bin ich noch lange genug wach, damit sich das ändert.
Bild unten: Das Haus meiner Urgroßeltern. Vorn rechts meine Urgroßmutter Emma Weiß, das Mädchen in der Mitte ist meine Mutter. | |