HAUSMITTEILUNG Magazin für NestbeschmutzerVon Burkhard Schröder Im Wiki des Jonet-Tages habe ich vor einigen Tagen in der Rubrik "Workshop für Magazingründer" folgende unmaßgebliche Zeilen gepostet: "Berliner Journalisten - gegründet im Oktober 2004 von vier Kolleginnen und Kollegen in Berlin. Grundausstattung: 5000 Euro, Wut im Bauch über unseriöse Berichterstattung in real existierenden Medienmagazinen über die Querelen im DJV, jede Menge Herzblut.
Ziel: Ein verlags- und auch verbandsunabhängiges Medienmagazin aus Berlin (aber nicht nur für Berlin), das allen Kolleginnen und Kollegen garantiert, ihre Interessen wahrzunehmen, wenn nötig, auch die Journalisten-"Gewerkschaften" anzugreifen, im Zweifel gegen die Chefredaktion und für die Freien einzutreten.
Motto: 50 Prozent Service, 50 Prozent Hetzblatt für Nestbeschmutzer. Bisher erreicht: Vier Ausgaben, bundesweites Erscheinen (ab Nr. 3), die Seitenzahl wurde jedes Mal erhöht, immer noch nicht viel Geld, abhängig von Anzeigen (ohne die erscheint das Heft nicht), vermutlich zahllose Feinde (Funktionäre des DJV, der Journalist, DJV Berlin, die Kader des Vereins "Berliner Journalisten" u.v.a.m.), viele Freunde (u.a. jungejournalisten.de, Leipziger Journalisten).
Hehre Ziele (media fiction): Im nächsten Jahr Geld zu verdienen, ordentliche Honorare an alle zahlen zu können, über 100 Seiten, mehr als 1000 Abonennten, Anzeigenvolumen kontinuierlich über 15000 Euro."
Soweit der Anspruch und die Ideale. Ob wir das erreichen, was wir wollen, wissen wir noch nicht. Aber die Probe auf's Exempel ist immer hilfreich. Soeben ist die vierte Ausgabe mit dem Schwerpunkt Europa erschienen. Und offenbar hat unser Motto seine Wirkung nicht verfehlt: Einige der Funktionäre in Journalisten-Organisationen sind sehr irritiert. Nehmen wir zum Beispiel den Presseausweis. auf der Website des Deutschen Journalisten-Verbands finden sich sehr kühne Thesen: "Momentan dürfen nur vier Verbände bzw.ihre Landesorganisationen den bundeseinheitlichen Ausweis ausstellen: der DJV, ver.di/dju sowie die Verleger-Organisationen BDZV und VDZ. " Das ist so nicht richtig. Es gibt keinen so genannten "bundeseinheitlichen" Presseausweis, sondern nur einen "Geschmacksmusterschutz" für den, den die bisherigen Monopolisten ausstellten. Ein Urteil, das die Fotografen-Organisation Freelens erstritt, besagt, dass auch deren Ausweis anerkannt werden muss. Ob ein Ausweis "echt" ist, entscheiden weder Behörden noch der DJV noch die DJU. Auch andere Presseausweise, die der des DFJV, sind "echt" und nicht gefälscht oder "unecht".
Der renommiert Medienanwalt Helmuth Jipp schreibt in der aktuellen Ausgabe von Berliner Journalisten: "Presseausweise können nicht nur, wie bisher in interessierten Kreisen angenommen, von den Verlegerverbänden - BDZV und VDZ - und ausgewählten Gewerkschaftsverbänden - DJV und Deutsche Journalisten Union in ver.di - ausgestellt werden. (...) Einsichtige hatten es bisher ohnehin erkannt: Presseausweise sind keine "amtlichen Dokumente". Das Recht, Presseausweise auszustellen, ist gesetzlich nicht geregelt. Es gibt also keine Vorschrift, die die Ausstellung von Presseausweisen "bestimmten Berechtigten vorbehält".
Offenbar war das von FreeLens eingeleitete Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gegen das Land Nordrhein-Westfalen erforderlich, um den Monopolisten diese Rechtslage zu verdeutlichen.
Es darf schon verwundern, dass dieses Verfahren überhaupt erforderlich wurde. Es gilt die Zulassungsfreiheit der Pressetätigkeit. Das ist in den Landespressegesetzen ausdrücklich vorgeschrieben. Der Staat darf also Pressearbeit nicht von einer Zulassung abhängig machen. Die Pressetätigkeit kann daher auch nicht abhängig sein vom Besitz eines Presseausweises. Es ist aber hinreichend bekannt, dass die Vorlage eines Presseausweises die Pressearbeit erheblich erleichtert. Die Behörden sind nach den Landespressegesetzen etwa zur Auskunft nur "Vertretern der Presse" gegenüber verpflichtet. Der Presseausweis stellt die entsprechende Legitimation dar."
Und, nach einer ausführlichen Würdigung der Entscheidungsgründe: "Bemerkenswert ist schließlich, dass das Verwaltungsgericht das Vorbringen der "bisher berechtigten" Journalistenverbände zurückgewiesen hat, die das Hinzukommen eines weiteren ausstellungsberechtigten Verbandes nicht für erforderlich hielten. Nüchtern weist das Verwaltungsgericht daraufhin, dass das Hinzukommen eines einzelnen weiteren Verbandes die Kommunikation unter den Verbänden mit den Behörden ernsthaft nicht erschweren könne. Bei der Stellungnahme dieser Verbände fällt die Abwesenheit von ernstzunehmenden berechtigten Argumenten auf. Dies nährt den Verdacht, dass lediglich die einmal zugestandenen Pfründe und der damit erworbene Wettbewerbsvorteil geschützt werden sollten."
Warum gibt es jetzt Heulen und Zähneklappern, nachdem "das Monopol gefallen" ist? Attraktiv ist der Presseausweis, weil es Presserabatte gibt. Mit Journalismus hat das weniger zu tun. Auch der Rechtsschutz, den die real existierenden Journalistenverbände anbieten, ist in deren Ermessen gestellt und hängt oft von Willkür des jeweiligen Vorstands ab. Er ist nicht einklagbar. Professionelle Anbieter wie die ARAG haben die Nachfrage erkannt und bieten einen vergleichbaren Rechtsschutz an. Wenn "bundeseinheitlicher" Presseausweis und Rechtsschutz aber kein Monopol der großen Verbände mehr, sondern deren Angebote dem scharfen Wind des Wettbewerbs ausgesetzt sind, werden sich vor allem vor allem die freien Journalisten überlegen, ob sie überhaupt in eine "Gewerkschaft" eintreten und ob ihnen das etwas nützt. Und das hört man selbstredend nicht gern. Wer unbequeme Wahrheiten ausspricht oder gar Kritik übt, gilt als Nestbeschmutzer und wird gemobbt. Der Autor dieser unmaßgeblichen Zeilen hat reichhaltige und einschlägige Erfahrungen mit der deutschen Journalistenvereinskultur gemacht.
Deshalb muss es ein Medienmagazin geben, das von Verbänden und Verlagen unabhängig ist. Und das, nach gutem Journalistenbrauch, auf alle rücksichtslos einprügelt, auch auf die Guten. Genau so, wie Roger Boyes, Deutschland-Korrespondent der Londoner Times, in Berliner Journalisten Nr. 3 schrieb: "Meinungsumfragen zeigen, dass das öffentliche Ansehen von Journalisten in Großbritannien gegen unter Null tendiert, gleich dem von Immobilienmaklern und minimal über dem von Kinderschändern. Das ist gesund. Journalisten sollten gefürchtet, nicht geliebt werden, so die angelsächsische Lektion."
Man kann es auch mit Klaus Störtebeker prägnant ausdrücken: Viel Feind', viel Ehr'. Und das bundesweit.
Update 22.11.2005: Ots-Meldung | |