Wissen Sie, wohlwollende Leserin und geneigter Leser, was ein Sandalenfilm ist? Vor wenigen Tagen habe ich mir, in angenehmer weiblicher Begleitung, den Film "Königreich des Himmels [Rezensionen] angesehen. In saloppem Deutsch sagt man auch "ein Schinken" dazu. Thema: die Kreuzzüge. Ein Sandalenfilm spielt vor der Neuzeit, vorzugsweise besetzt mit Römern, Griechen, Juden, Hunnen, Dakern oder anderen leicht bekleidetem Kriegsvolk. Ein Sandalenfilm beginnt ab rund 5000 Komparsen und spielt, wie der Name nahelegt, nie im Schnee (sonst wäre es vermutlich ein Stiefelfilm).
Ich war enttäuscht, obwohl ich bereit gewesen wäre, die qualitative Meßlatte an Plot und Sinngehalt tiefer zu hängen, wenn zahllose edle Ritter zu Pferde und zu Fuß aufeinander eindreschen. Das liegt natürlich auch daran, dass ich befangen bin und mich im 11. und 12. Jahrhundert fast besser aufkenne als im DJV Berlin. Während meines Studiums hatte ich mich sowohl im Germanistischen als auch im Geschichtlichen auf eben jene Epoche spezialisiert. Einige der Standardwerke(1) über die Kreuzzüge stehen noch in meinem Bücherregal.
Von einem Film, der kein Dokumentarfilm ist, darf man selbstredend nicht erwarten, dass er sich an die historischen Fakten hält. Hollywood ruduziert ohnehin alles auf einfache Botschaften, und der Rest ist wie beim Western nur Staffage. Der Held arbeitet als Handwerker, seine Frau bringt sich um. Sein Vater, vom dem er nichts wußte, taucht auf, macht ihn zum Ritter und zu seinem Erben. Der Held reist ins so genannte Heilige Land und zeigt den blöden Arabern auf seinen Ländereien, wie man ordentlich einen Brunnen baut. Er ist edel, hilfreich und gut. Die Bösen metzeln herum und provozieren einen Krieg mit dem Sultan Saladin - der ist auch edel, hilfreich und gut. Der Held liebt Sybille, die Königin von Jerusalem. Beim Showdown in Krak wird gezeigt, wie ein Anführer die wehruntüchtigen Massen begeistert, um für die Obrigkeit zu sterben. Die Guten verlieren, dürfen aber nach Hause gehen, weil auch Saladin irgendwie zu den Guten gehört - alles andere wäre araberInnenfeindlich.
Die Schlachtszenen kennt der geübte Kinobesucher schon aus anderen Streifen. Man kann darauf warten, dass alle Monumental-, Kolossal- und eben Sandadalenfilme jetzt neu gedreht werden, weil die moderne Tricktechnik mindestens 100000 Krieger auf einem Schlachtfeld suggeriert. Es spielen also vermeintlich nur wesentlich mehr Leute mit als früher, die Plots sind jedoch gleich geblieben.
Ich habe gerade ein wenig geblättert. Beide Seiten hatten ihre literarischen Propagandisten, man kann sich also ein recht realistisches Bild machen. Emir Abulfeda schreibt zum Beispiel über den Fall Akkons: "Die Muslime richteten in Akkon ein ungeheures Blutbad an und machten unermeßliche Beute. Der Sultan zwang alle, die sich in den Türmen verschanzt hatten, zur Übergabe; sie kamen heraus und wurden bis auf den letzten Mann vor der Stadt enthauptet."
Vermutlich hat vor allem die Schilderung des Ibn al-Athir über die Schlacht von Hattin beim Verfassen des Drehbuchs Pate gestanden: "Als alle gefangen waren, setzte sich Saladin in seinem Zelt nieder und ließ den Frankenkönig und den Fürsten, Herrn von Krak, vorführen; dem König bot er an, neben ihm zu sitzen. Da der vor Durst bald starb, ließ er ihm eisgekühltes Wasser reichen; er trank und gab den Rest dem Fürsten: der trank auch, aber Saladin sagte: 'Dieser Verfluchte hat nicht mit meiner Erlaubnis getrunken, so daß ich ihm das Leben zugesichert hätte!' Darauf redete er den Fürsten an, warf ihm seine Vergehen vor und zählte ihm seine Schandtaten auf; schließlich erhob er sich und schlug ihm mit eigener Hand das Haupt ab." Genau so geschieht es im Film.
Wer den Gladiator und Alexander mag, sollte auch "Das Königreich der Himmel" ansehen. Man kann es aber auch lassen und hätte nichts versäumt. Was in einem gewohnt prüdem Hollywood-Film nicht gezeigt wird, beschreibt der arabische Gelehrte Usmah Ibn Munqidh (1095-1188), den wir in diesem kleinen familien- und frauenfreundlichen Forum zu Wort kommen lassen wollen:
"Bei den Franken findet man keinerlei Ehrgefühl oder Eifersucht. Wenn einer von ihnen mit seiner Frau auf der Straße geht und einen anderen trifft, nimmt der die Frau bei der Hand und zieht sie beiseite, um mit ihr zu sprechen, während der Mann dabeisteht und wartet, bis sie ihre Unterhaltung beendet hat. Wenn es ihm zu lange dauert, läßt er sie mit ihrem Gesprächspartner allein und geht. [...] ...wurde mir von einem Bademeist mit Namen Salim aus Ma'arra erzählt, der in einem Bade meines Vaters angestellt war: 'Ich eröffnete in Ma'arra ein Bad, um mir damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ein Ritter der Franken - sie mißbilligen es, wenn jemand im Bad einen Schurz um die Hüften trägt - kam herein, streckte die Hand aus, riß mir meinen Schurz von den Hüften und warf ihn fort. So sah er, daß ich mir vor kurzem die Schamgegend rasisert hatte. 'Salim!' rief er; ich näherte mich, und er streckte meine Hand nach meiner Blöße aus. 'Salim!' rief er aus, 'großartig! Bei meiner Seel', mach das auch bei mir!' und legte sich auf den Rücken. Er hatte an der Stelle Haare so lang wie sein Bart. Ich rasierte ihn also, er berührte die Stelle mit der Hand, fand sie schön glatt und sagte: 'Salim! Bei meiner Seel', tu das gleiche bei der Dama!' Dama heißt in ihrer Sprache Herrin, das heißt seine Frau. Er befahl einem seiner Pagen: 'Sag der Dama, sie soll kommen!' Der Page ging, kam mit ihr zurück und brachte sie herein; sie legte sich auf den Rücken, und er sagte: 'mach es so, wie du es bei mir gemacht hast.' Ich rasierte das Haar, während ihr Mann dabeiblieb, um mich zu beobachten. Dann bedankte er sich bei mir und entlohnte mich für meinen Dienst."
Alle Bilder 21th Century Fox
(1) Francesco Gabrieli, Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht, Artemis Verlag Zürich und München, 1973. Und: Steven Runciman: Geschichte der Kreuzzüge, München, 1951ff. ---------------------------------------------------------------------------------------BURKS ONLINE 19.05.2005 Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des BurksVEB.
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