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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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Wohnort: Berlin-Neukoelln
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Verfasst am:
07.10.2004, 14:33 |
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| [NETZ]KULTUR | | Aktuell | 07. Oktober 2004 |
| | | MÜSSEN DEUTSCHE JUGENDSCHUTZWARTE NACH MALLORCA? Sex im SandkastenVon Burkhard Schröder |
Heute eine aufregende Nachricht aus dem investigativsten aller Online-Nachrichtenmagazine, aufbereitet insbesondere für das Stammpublikum: lüsterne Greise, schwer leidend unter dem Johannistrieb, und pubertierende Jünglinge, bis zur Halskrause voll Testosteron. Aus Mallorca wird ein Sex-Skandal gemeldet. Eine Taskforce der deutschen Jugendschutzwarte ist vermutlich schon auf dem Weg zum Flughafen, um auf der Ferieninsel Sitte und Ordnung wiederherzustellen. Was ist geschehen? Spiegel online berichtet: "Auf der spanischen Ferieninsel Mallorca hat die Polizei ein Liebespaar festgenommen, das seiner Leidenschaft allzu freien Lauf gelassen hat. Die Liebenden waren vor den Augen zahlreicher Kinder halb nackt übereinander hergefallen."
Natürlich ist das nicht selbst recherchiert worden, sondern schlicht eine Übersetzung der Meldung des Diario de Mallorca (der Link funktioniert nur bei ausgeschaltetem Javascript). Für die geneigten Leserinnen und wohlwollenden Leser, die des Spanischen nicht mächtig sind, das Wichtigste in Kürze: Die Polizei hat ein Paar festgenommen, das auf einem Spielplatz "relaciones sexuales", also "sexuelle Beziehungen" unterhielt. Ein paar Dutzend Kinder sollen zugeschaut haben. Einige besorgte Bürger riefen die Polizei: "que dos personas estaban en pleno acto sexual". Es habe sich also um einen öffentlichen Sexualakt gehandelt. Die Ordnungshüter trafen eine 36jährige Frau an, die vom Gürtel an nackt war und Arme und Beine von sich gestreckt hatte, daneben ein 33jähriger Mann mit heruntergelassenen Hosen. Die Delinquenten schienen "en plena penetración" zu sein.
Worüber die Weltöffentlichkeit unbedingt informiert werden muss - sonst hätte der Spiegel sich nicht die Mühe gemacht zu berichten - ist die frappierende Tatsache, dass das Paar offenbar kein Unrechtsbewusstsein zeigte. Nach einer strengen Ermahnung, das für die Umstehenden sittlich gefährdende Tun zu unterlassen, habe der Mann nicht sofort reagiert, sondern cool entgegnet: "Wir sind gleich fertig." Der Herr habe dann seine Hose heraufgezogen, wobei sein Gemächt kurz zu sehen war.
Auf der Wache erklärten die beiden Liebenden, sie hätte mitnichten den Akt als solchen vollzogen. Das sei nur ihre Art zu küssen. Auch Alkohol oder andere Drogen hatten sie nicht konsumiert. Beneidenswerte Menschen: diese Leidenschaft! Diese Gefühle! Das musste hier mal gesagt werden.
Doch wie die Angelegenheit bebildern? Im Gegensatz zu allen Epochen vor Erfindung der protestantischen Askese und der dazu passenden Ökonomie, dem Kapitalismus, ist man heute der Meinung, Kinder dürften nicht zusehen, wenn Erwachsene sich körperlich lieben, und schon gar nicht auf einem Spielplatz. Im Mittelalter ging man nicht davon aus, dass der "obzöne" Anblick einer natürlichen Verrichtung "die kindliche Entwicklung beeinträchtigen" würde, um einen der Textbausteine der Jugendschutzwarte zu zitieren. Warum das so ist, hat sich aber noch niemand erkühnt beweisen zu wollen.
Ohnehin sieht man nie, was wirklich passiert. Auch in diesem Fall - wir plädieren wie gewohnt auf in dubio pro reo - ist die Tat nicht bewiesen. Man sieht nur, was man sehen will. Und die Leserinnen und Leser dieses kleinen Familienforums werden aufgefordert, an den kleinen, hier dargereichten Exempeln ihre Medienkompetenz auszuprobieren.
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