Wandern gegen die Bösen [Update]

„Neue Überwachungsgesetze und Kontrolltechnologien zerstören unsere Freiheit und Selbstbestimmung. Demokratie lebt durch angstfreie Meinungsäußerung und überwachungsfreie Rückzugsräume. Diese zu verteidigen liegt in der Verantwortung von uns allen!

Das kann man auch ins Deutsche übersetzen.

Fünf Mal ung bei 27 Wörtern – das sind fast 20 Prozent des Satzes. Kein Wunder, dass das gemeine Volk sich weder dafür interessiert noch die Aussage versteht. So redet niemand. Oder kann man sich ein Kneipengespräch vorstellen, beim Bier, das so beginnt: „Neue Überwachungsgesetze und Kontrolltechnologien zerstören unsere Freiheit und Selbstbestimmung“?

Wer so faselt, hat nicht nachgedacht. Außerdem erscheinen mir auch die Inhalte fragwürdig, wenn man da genauer hinsieht.

Wer überwacht wen? Gesetze fallen nicht vom Himmel, sie werden gemacht. Dahinter stehen Interessen. Ross und Reiter müssen benannt werden. Das Parlament verabschiedet Gesetze, sonst niemand. Ich wüsste auch gern, warum die Regierung das Volk überwacht? Weil sie boshaft ist? Es bestünde doch gar kein Grund, da die Deutschen doch selbst dann nicht aufbegehren, wenn ein Drittel der Bevölkerung in Armut lebt, obwohl die so genannte „freie Marktwirtschaft“ doch durch ständiges Wachstum(TM) alle reich und glücklich macht?

„Kontrolltechnologien“? Auch wieder falsch. Das deutsche Wort „Technik“ heißt im Englischen „technology“; es besteht kein hinreichender Grund, ein englisches Wort unübersetzt ins Deutsche zu übernehmen, zumal „Technik“ vom griechischen τεχνικός (technikós) stammt und sich von téchne (Kunst, Handwerk, Kunstfertigkeit) ableitet. Wer „Technologie“ sagt, spricht eitles und gespreiztes Furzdeutsch und schaut dem Volk nicht aus Maul.

„Unsere Freiheit“? Welche eigentlich? Der Untertan ist im Kapitalismus total frei und möchte auch so bleiben? Das ist doch Schwachsinn. Ich kann nur dringend einen Blick in Jürgen Habermas „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (1972) empfehlen:

Die entfaltete bürgerliche Öffentlichkeit beruht auf der fiktiven Identität der zum Publikum versammelten Privatleute in ihren beiden Rollen als Eigentümer und Menschen schlechthin.

„Fiktiv“ deshalb, weil die Mehrheit des Publikums auf dem Markt nichts mehr zu verkaufen hat als denn die eigene Arbeitskraft, die von den Eigentümern der Produktionsmittel genommen und benötigt wird, um damit Profit zu erwirtschaften. Der Proletarier ist zwar frei und darf selbst bestimmen, wem er seine Ware Arbeitskraft verkauft; verweigert er sich aber dem Markt, muss er verhungern oder ist heute in Deutschland Hartz-IV-Empfänger. Diese Art, frei zu sein, zu bejubeln, ist zynisch.

„Demokratie lebt durch angstfreie Meinungsäußerung“. Allein schon das holperige „Meinungsäußerung“ lässt sich mir die Rückenhaare sträuben. Ich meine etwas, aber ich „außere“ nicht eine Ung. Kann ich auch eine Ung verinneren? Was ist das für eine verquaste Sprache? Ich darf etwas sagen, ohne befürchten zu müssen, dafür bestraft zu werden. Das ist aber in Deutschland nicht unbedingt so. Wir sind Zensurweltmeister. Ein Hartz-IV-Empfänger dürfte sogar meinen, dass der Sozialismus eine bemerkenswerte Idee sei, aber niemand würde das drucken, noch nicht mal als Leserbrief.

„Rückzugsräume“ – auch ein Wort, das niemand so sagt, höchstens in einem Soziologie-Seminar. Ist damit mein Schlafzimmer gemeint? Meine Truecrypt-Container? Was meinen Einwanderer aus Bangladesh oder Rumänien dazu? Oder ist das ein Zauberwort für einen bestimmten Teil der Kleinbourgeoisie und der „alternativen“ neuen Mittelschichten und nur für die, weil alle anderen nur Bahnhof verstehen? Kann man sich die Luther-Bibel oder das Kommunistische Manifest mit dem Wort „Rückzugsraum“ vorstellen?

„In der Verantwortung von uns allen“. O mein höheres Wesen – das hat garantiert ein Pfaffe formuliert. Wir verantworten was? Wir müssen [bitte selbst ausfüllen] etwas verteidigen. Und das veranworten wir – wem gegenüber? Wie meinen?

Burks‘ Rat: Wer die Leute aufhetzen will, das Gute zu tun und das Böse zu lassen (der Sinn einer Demonstration), der benutze Tuwörter!

[Update] „Ungefähr 5000 Demonstranten waren dabei, die Veranstalter sprechen von 6500. Die Mitte der Gesellschaft hatte offenbar etwas anderes vor.“ (Spiegel online)

Das Mädchen und der Soldat

mädchen

Illustration (Ausschnitt): Heinz Kruschel: Das Mädchen Ann und der Soldat, Militärverlag Berlin 1964 (Illustrationen von Rudolf Grapentin; auch auf russisch) (Kleine Erzählerreihe Nr. 63)

Nein, ich hatte nicht erwartet, gleich zu Beginn eines Buches, das im Militärverlag der DDR erschienen ist, eine nackte Frau zu sehen, und dazu noch eine so hübsch gezeichnete, die eine Sex-Szene illustriert. Die Heldin ist eine selbstbewusste, politisch denkende und emanzipierte junge Frau, die einen Alt-Nazi zum Vater hat, der ihr verbieten will, einen Soldaten der Nationalen Volksarmee als Freund und Mann zu nehmen, der wiederum sozialistisch bis zur Schablone im Sinne der DDR denkt und meint.

Das hört sich langweilig an, ist es aber nicht. Ganz im Gegenteil: Ich habe das Buch mit Vergnügen gelesen, obwohl es irgendwie „trivial“ ist. Man hat das Gefühl, ein eingeschlossenes Insekt in einem Bernstein zu betrachten. So etwas wird es nie wieder geben, aber man muss das als Linker kennen, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Ich würde Lehrern das Buch auch für den Deutschunterricht empfehlen. Man kann damit wunderbar die DDR erklären – und die Hoffnungen, die mit ihr verbunden waren. Aber vermutlich würde man heute Probleme mit der Schulaufsicht, den Kollegen und den Eltern bekommen, wenn man derartige Bücher durchnähme. So „frei“ sind wir im wiedervereinigten Deutschland.

Nach dem Sex sagt das Mädchen: „Kommt jetzt der übliche Schmus? Ich liebe dich, ach Gott. Laß dir doch was anderes einfallen. Lieben ist eine Erfindung der Alten. Die Insel, der Mond, das Mädchen, was? Und schon steckte der Soldat eine neue Eroberung in die Brusttasche seines Ehrenkleides, pipapo… eine Zigarette könnte ich jetzt rauchen.“

Ganz schon abgebrüht. Solche Dialoge muss man im Jahr 1975, als das Buch in der DDR erschien, in der Literatur der West-BRD erst einmal suchen. (Damals durfte man im Westen noch nicht einmal „BRD“ schreiben – das war verboten, es musste „Bundesrepublik“ heißen.) Das Buch hat mir eine Freundin geliehen, weil ich als Wessie die Schriftsteller der DDR, die nicht zu den im Westen gefeierten „Kritikern“ gehörten, gar nicht kannte und kenne. Als DDR-Schriftsteller wurde man im Westen nicht bekannt, wenn man gut schrieb, sondern wenn man etwas gegen den „Sozialismus“ und seine typisch deutschen Risiken und Nebenwirkungen hatte (ausufernde und lähmende Bürokratie, Zensur, „verkirchte“ Parteidisziplin, Gewalt gegen Reformenansätze usw.), oder wenn man – wie Stefan Heym und Christa Wolf – in einer eigenen Liga spielte.

Die Volksstimme schrieb am 16.12.2011 zu Heinz Kruschels Tod:
„Er förderte junge Poeten und schreibende Arbeiter, kümmerte sich um Schaffensprobleme und um Wohnungsnöte der Kollegen, setzte sich für sie ein und bezog einen klaren Standpunkt im Verband der Schriftsteller, in den Verlagen und später auch in den Vereinen.“

Ein klarer Standpunkt an sich ist nicht unbedingt etwas Gutes. Jehovas Zeugen haben auch einen klaren Standpunkt. Ich hätte doch zu gern gewusst, um welchen es sich bei Kruschel handelte. Vielleicht wissen ja die wohlwollenden Leser und geneigten Leser aus dem Beitrittsgebiet mehr.

Sehr geehrte Hinterwäldler aka Österreicher!

Österreich

Erst hatten wir diesen Kerl aus Braunau von Euch, dann den, der zu viel Gas gab. Dazwischen belästigtet Ihr die Welt mit einen Nazi-Kavalleristen, dessen Stimme leider auf dem Weg zu den Außerirdischen ist. Dann das Skandalurteil ohne Beweise gegen einen Demonstranten. Dann werden Juden vom Platz geprügelt. Dann erklärt ihr Internet-Zensur für rechtmäßig, frei nach Gutdünken der Content-Mafia.

Wisst Ihr was, Ihr kackbraunen Hinterwäldler aka Österreicher? Ich werde Euer Land nicht mehr betreten. Ihr solltet von den ungarischen Faschisten eingemeindet werden; da wüchse zusammen, was schon einmal zusammen war und immer noch zusammen passt.

Früchte des Zorn oder: Hooverville ist überall

steinbeck„Hast du schon mal ’nen Polizisten gesehen, der keinen fetten Hintern hat? Und sie wackeln damit, daß ihre Revolver auf und ab hüpfen. Mutter“, sagte er, „wenn’s das Gesetz wär‘, das uns was will, dann würde ich mir’s gefallen lassen. Aber ’s ist nicht das Gesetz. Sie hauen auf uns ein und wollen uns die Seele aus dem Leib hauen. Sie wollen, daß wir kriechen und uns krümmen, wie’n geschlagener Hund. Sie wollen uns kaputtmachen. Und, mein Gott, Mutter, da kommt ’ne Zeit, wo einer nur noch seine Anständigkeit behalten kann, wenn er so ’nem Bullen eine in die Fresse schlägt. Sie haben’s auf unsre Anständigkeit abgesehn.“

Kann man sich vorstellen, dass ein deutscher Schriftsteller so etwas schriebe? Dass ein deutscher Verlag so etwas druckte? Man kann nur anständig bleiben, wenn man einem Bullen in die Fresse schlägt? Nein, das ist undenkbar. So etwas ließe die freiwillige politische Selbstzensur hierzulande nicht durchgehen.

Es finge schon viel früher an: Deutsche Schriftsteller beschäftigen sich zwar viel mit den emotionalen Befindlichkeiten der alten und neuen Mittelschichten, die Arbeiterklasse kommt aber gar nicht vor, und schon gar nicht die Frage, ob der Kapitalismus als System fragwürdig sei und ob es eine Alternative gebe. Das zu thematisieren ist nicht erlaubt.

Ich empfehle heute also einen ausländischen (!) Schriftseller und Nobelpreisträger und eines der besten Bücher, das jemals geschrieben wurde und das ein mehrsemestriges Studium der Geschichte der USA ersetzt: John Steinbecks Grapes of Wrath (deutsch: „Früchte des Zorns„, erschienen 1939).

steinbeck

Der deutsche Wikipedia-Eintrag zum Roman ist übrigens grober Unfug und lässt völlig außer acht, dass es nicht um „Menschlichkeit“ an sich geht, sondern um eine ätzende Kritik am kapitalistischen System.

Das englische Wikipedia schreibt: Set during the Great Depression, the novel focuses on the Joads, a poor family of tenant farmers driven from their Oklahoma home by drought, economic hardship, agricultural industry changes and bank foreclosures forcing tenant farmers out of work. Due to their nearly hopeless situation, and in part because they were trapped in the Dust Bowl, the Joads set out for California. Along with thousands of other „Okies“, they sought jobs, land, dignity, and a future. (…)

Part of its impact stemmed from its passionate depiction of the plight of the poor, and in fact, many of Steinbeck’s contemporaries attacked his social and political views. Bryan Cordyack writes, „Steinbeck was attacked as a propagandist and a socialist from both the left and the right of the political spectrum. The most fervent of these attacks came from the Associated Farmers of California; they were displeased with the book’s depiction of California farmers‘ attitudes and conduct toward the migrants. They denounced the book as a ‚pack of lies‘ and labeled it ‚communist propaganda‘. Some accused Steinbeck of exaggerating camp conditions to make a political point. Steinbeck had visited the camps well before publication of the novel and argued their inhumane nature destroyed the settlers‘ spirit.

Flüchtlingscamps. (Im Buch nennen die Fküchtlinge alle derartigen Camps „Hooverville„). Das haben wir doch schon mal gehört? Armutsflüchtlinge! Nur dass die im Buch von Oklahoma nach Kalifornien ziehen, somit keine „Ausländer“ sind; heute ziehen die Armutsflüchtlinge von Südosteuropa und Afrika in die reichen Länder. „Früchte des Zorns“ ist ein hochaktuelles Buch: Man sieht, dass sich fast gar nichts geändert hat, und dass auch die Leute, die Bücher lesen, daraus wenig lernen. Alles kommunistische Propaganda.

Manche Bücher kann ich nicht in einem Zug durchlesen, obwohl ich rasend schnell lese. „Früchte des Zorns“ regt mich so auf (obwohl ich es schon kenne), dass ich das Buch zwischendurch eine Weile weglegen muss, um nachzudenken.

steinbeck

Der Roman beginnt in Sallisaw, Oklahoma, im sogenannten Dust Bowl. (Ich übersetze den Wikipedia-Eintrag in lesbares Deutsch:) Die Bauern hatten das Präriegras gerodet, um vornehmlich Weizen anzubauen. Die tiefen Wurzeln des Grases, dessen Halme den Staub auffingen, hatten die oberen Bodenschichten vor Erosion bewahrt. Jetzt setzte eine massive Erosion ein, jahrelange Dürren vernichteten die Ernten. Staubstürme wehten die Menschen in ihren Häusern ein. Viele Farmer mussten ihren Äcker verlassen, als sie kein Geld mehr hatten. Sie suchten oft in anderen Regionen der USA nach Arbeit.

Genauso sieht es heute in der Sahel-Zone in Afrika aus – mit ähnlichen Ursachen und exakt den gleichen Folgen.

Ein Plot sähe heute also so aus: Der Roman spielt während der so genannten „Finanzkrise“ in den USA und Europa ab 2007. Das Buch beschreibt die Abeekus, eine arme Bauernfamilie, die von ihren Feldern in Libyen [wahlweise: Syrien, Irak] vertrieben wurde – durch Dürre und die Folgen des von den imperialistische Mächten geschürten Bürgerkrieges. Wegen ihrer fast ausweglosen Situation flüchtet die Familie nach Deutschland, zusammen mit tausenden anderer Afrikanern [wahlweise: Südosteuropäer, Syrer, Iraker]. Sie suchen eine neue Heimat, Arbeit, Würde, und eine Zukunft.

Was folgt, ist bekannt. Lest „Früchte des Zorn“ selbst – oder noch besser das englische Original.

Bundespräsident Gauck schlägt Ursula von der Leyen als Bundeskanzlerin vor

Zensursula

Stern.de (15.04.2013): „Nikolaus Blome, Chef des „Bild“-Hauptstadtbüros, hatte in seinem neuen Buch geschrieben, Angela Merkel wolle 2015 aufhören. Weil sie dann 60 wird.“

Spiegel online (13.07.2014): „Nach Einschätzung mehrerer Kabinettsmitglieder und hochrangiger Unionspolitiker ist Bundeskanzlerin Angela Merkel entschlossen, als erste deutsche Regierungschefin seit 1949 freiwillig aus dem Amt zu scheiden und nicht auf eine Wahlniederlage oder eine parteiinterne Ablösung zu warten. Das berichtet der SPIEGEL unter Berufung auf Partei- und Regierungskreise.“

Klar, dann braucht Ursula von der Leyen nicht vom Volk gewählt zu werden. Wikipedia gibt dazu folgende Auskunft:
„Ist das Amt des Bundeskanzlers vakant, etwa durch den Zusammentritt eines neuen Bundestages, aber auch durch Tod, Rücktritt oder Amtsunfähigkeit des alten Bundeskanzlers, schlägt der Bundespräsident innerhalb einer angemessenen Frist dem Bundestag einen Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers vor. In dieser Entscheidung ist der Bundespräsident rechtlich frei. Politisch ist jedoch schon lange vor dem Vorschlag klar, über wen der Bundestag abstimmen wird, da der Bundespräsident vor seinem Vorschlag eingehende Gespräche mit den Partei- und Fraktionsspitzen führt. Bisher ist auch stets der von der mehrheitsführenden Koalition ins Spiel gebrachte Nachfolgekandidat vom Bundespräsidenten vorgeschlagen worden. Der Kandidat benötigt zu seiner Wahl die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, also die absolute Mehrheit. Wählt der Bundestag den vom Bundespräsidenten vorgeschlagenen Kandidaten nicht, so beginnt eine zweite Wahlphase. Dieser Fall ist in der Geschichte der Bundesrepublik bisher noch nie eingetreten.“

Bei der nächsten Bundestagswahl hat die Amtsinhaberin dann den Amtsbonus. So wird es laufen. Man kann Merkel viel vorwerfen, aber doof ist die nicht. Mich würde es ja auch reizen, den Nachfolger in meinem Amt selbst bestimmen zu können und nicht das Risiko einer Wahl oder gar Wahlniederlage einzugehen.

Tharna

Tharna

Nein, die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser dürfen sich nicht beschweren, dass ich trotz der interessanten politischen Weltläufte etwas Sinnloses poste – das letzte Mal kam Gor hier am 14. Mai vor. Also bitte nicht jammern! Da müsst Ihr jetzt durch.

Da das deutsche Wikipedia das Thema „Gor“ für irrelevant ansieht, muss burks.de etwas publizieren. Immerhin ist John Norman zwar ein Trash-Schriftsteller, aber auch ein Bestseller-Autor mit Millionen-Auflage, dessen Bücher der Mainstream-Buchhandel in Deutschland wegen freiwilliger Selbstzensur weder führt noch liefert. Das muss man als Autor erst einmal hinkriegen. (Ich habe es selbst bei Dussmann – nur aus Neugier – in der fremdsprachigen Abteilung versucht – Fehlanzeige. Das nennt man dann vermutlich „freie“ Büchermarktwirtschaft.)

The City of Tharna [Der Screenshot oben zeigt die Secondlife-Sim Tharna – „adults only“] is the subject of the second of the Gor novels, Outlaw of Gor. Tarl Cabot has returned to Gor after seven years and found Ko-ro-ba to have been destroyed by the Priest-Kings. He then decides to journey to the Sardar to confront the Priest-Kings and stops in Tharna on the way. Tharna is located far to the northeast of Corcyrus and Venna. It is surrounded by many other cities. Tarl arrives in Tharna in 10116 C.A. and remains around there until 10117 C.A. When he finally leaves Tharna, it is a much changed city.

Tharna was once like any other Gorean city. But, over many generations, female dominance became the norm. Originally, the city had a certain Rite of Submission by which the men enslaved women. Part of the Rites involved binding the female captive with yellow cords and placing her on a scarlet rug. The color yellow symbolized talendars, a sign of feminimity and love. The color red symbolized blood and possibly passion as well. After that, the man would place a sword to the woman’s chest and utter the ritual phrases of enslavement. (…)

The city was ruled by a Tatrix, a queen. She wore a gold mask of a beautiful but cold face. Her Robes of Concealment were also gold in color. All women in the city wore similar masks though their masks were made of silver. The women of the High Council of the city would wear silver robes to match their masks. In 10113 C.A., Lara ascended the throne to become Tatrix. This was the year after their war with Thentis. Lara ruled Tharna when Tarl arrived in 10116 C.A. Her second in command was Dorna the Proud.

Tharna was known for providing hospitality to strangers unlike most other cities. Most cities view strangers as enemies. But, Tharna had a sinister motive for such hospitality. Anyone who remained in the city for more than ten hours could never leave. They would become slaves working in the fields or the mines. Despite its open door policy, the city is not very inviting once you enter its gates. The gates are made of black wood, bound with bands of steel and studded with brass plates. Two giant beams lock the gate, each beam so large that it takes a team of tharlarions or one hundred slaves to move it. The gates are only open during the day. (…)

Das Ministerium für Wahrheit informiert

Das Ministerium für Wahrheit informiert: Zensur heißt jetzt: „übereifrige Algorithmen“.

Snowpiercer oder: Wie man die Revolution nicht verfilmt

snowpiercerGestern habe ich mir den Film Snowpiercer angesehen. Fazit: Solides Action-Kino, hervorragendes und ästhetisch anspruchsvolles Ambiente, der Plot aber nicht herausragend, und der Schluss ist sehr unbefriedigend. Was will man von der Verfilmung eines französischen Comic-Strips („Le Transperceneige„) schon erwarten…

Immerhin bekam das „Road-Movie“ auf Schienen des koreanischen Regisseurs Bong Joon-ho eines der gößten Vorab-Komplimente, das man sich denken kann: Laut Tagesspiegel ist das „US-Kinopublikum zu dumm für den Film“.

Plot: Der Film spielt in einer postapokalyptischen Zukunft, in der ein misslungenes Experiment, das die globale Erwärmung stoppen sollte, eine Eiszeit nach sich zieht und fast alles Leben auf der Erde zerstört. Die einzigen Überlebenden der Menschheit sind auf engstem Raum im Snowpiercer zusammengepfercht, einem massiven Zug, der rund um den Planeten reist und durch ein Perpetuum mobile angetrieben wird.

snowpiercer

Im Zug herrscht von Anfang an ein Zweiklassensystem, wobei die Elite im vorderen Teil des Zuges im überschwänglichen Luxus lebt, während die ‚Schmarotzer‘ ihr erbärmliches Dasein ganz hinten fristen müssen. Der schlechten Lebensbedingungen überdrüssig, starten sie einen Aufstand und versuchen, die Kontrolle über die Maschine zu erlangen.“

Der Guardian rezensiert den Film ausführlich und vergleicht sehr klug: „Basically, this is the exact plot of Neill Blomkamp’s Elysium, but on a train and a bit cheaper looking. (…) To take down the aristocracy once and for all, they find Song Kang-ho, a noted security specialist. (…) The moral of Snowpiercer is that everyone should know their place. The end.“

snowpiercer

Ein klassischer Revolutions-Plot also. Wirklich? Wie es sich gehört, sieht sich der Anführer der Revoluzzer am Schluss vor das Problem gestellt, ob er nur den bösen Tyrannen ersetzen oder das System – metaphorisch: den Zug – verlassen will. So weit denkt noch nicht einmal die „Linke“ in Deutschland. Das Problem erinnerte mich an Bertolt Brechts Gleichnis des Buddha vom brennenden Haus: „Wem der Boden noch nicht so heiß ist, dass er ihn lieber Mit jedem andern vertausche, als dass er da bliebe, dem Habe ich nichts zu sagen“. Nur ist es hier nicht ein brennendes Haus, sondern eine genauso unwirtliche Eiswüste.

snowpiercer

Sehr hübsch auch eine „Schule“ im Zug, in der die Kinder auf das Lob des Systems („die Maschine“) und ihres Schöpfers indoktriniert werden. Man glaubt sich in eine Vorlesung der Volkswirtschaftslehre versetzt, in der der Freie Markt(TM) gepriesen und gelobhudelt wird. Das ist aber nicht neu, und von Goerge Orwell schon besser erzählt worden. Wer sich den Wirtschaftsteil der Mainstream-Medien und das Gefasel der Gesundbeter des Kapitalismus anschaut, kann auch gleich in die AfD eintreten oder die wählen.

snowpiercer

Leider stellt keiner der bisherigen Rezensenten die einzig interessante Frage: Wenn man das Thema Revolution behandelt, warum muss man dann ein „Science-Fiction“-Ambiente nehmen? Warum behandelt man nicht die realen Klassenkämpfe? Das müsste doch auch ähnlich unterhaltsam und mit genug Action zu machen sein?

Spontan dachte ich, dass die kapitalistische Unterhaltungsindustrie natürlich auch eine Teilmenge des Opium für’s Volk ist und somit dazu beitragen muss, dass die Untertanen das System an sich nicht in Frage stellen, sondern ihre Kritik auf die Charaktermasken des Kapitals | das Finanzkapital | die pöhsen Oligarchen richten. Andererseits muss die unterdrückte, aber unterschwellig vorhandene Sehnsucht, dass sich etwas ändere und die da unten zumindest theoretisch die Chance haben, weiter nach oben zu kommen, irgendwie bedient werden. Der „Förster im Silberwald“ (1954) und ähnlicher Schwachsinn reicht eben nicht mehr.

snowpiercer

Schon klar. Den Plot von Goldsborough als Action-Movie zu verfilmen, würde Hollywood nicht zulassen, und das hiesige Feuilleton würde darauf herumtrampeln, weil die politischen Konsequenzen verheerend wären: Wo kämen wir denn da hin, wenn im Kino der Kapitalismus die freie Marktwirtschaft(TM) nicht als Endlösung der Geschichte dargestellt würde? Und wenn dann noch die Revolutionäre, wie im „Snowpierce“, gewalttätig sind und die Bösen umbringen, muss die Zensur eingreifen der Jugendschutz derartige Machwerke unter den Ladentisch oder besser gleich in den Giftschrank verbannen. Das würden die Pfaffen und andere Gaucke nicht erlauben.

Es ist immer erhellender zu sehen, was nicht verfilmt wird.

Klassenkampf, literarisch gesehen, oder: Der Feind im Inneren

klassenkampf

Neu in meiner Bibliothek: David Peace: „GB84“ bei Liebeskind.

Wikipedia: „This is a fictional portrayal of the year of the UK miners‘ strike (1984–1985). It describes the insidious workings of the British government and MI5, the coalfield battles, the struggle for influence in government and the dwindling powers of the National Union of Mineworkers. The book was awarded the James Tait Black Memorial Prize for literature in 2005.“

(Tut mir leid, die deutschen Wikipedia-Artikel zum Thema „Klassenkampf“ sind meistens unpolitisch und treffen auch nicht den Kern der Sache. Allein die Tatsache, dass der Begriff „Klassenkampf“ offenbar nicht vorkommen darf, sagt schon genug aus. Der Deutsche wird eben mit der antikommunistischen Schere im Kopf schon geboren – die muss später erst duch das Lesen von Burks‘ Blog operativ entfernt werden.)

Euan Ferguson hat das Buch im Observer rezensiert:
His research has been scrupulous, comprehensive, awesome. Working from cuttings libraries in Japan, where he now lives, he has painstakingly reconstructed the ways in which the strike was provoked and fought and broken. (…) We learn, or we remember, how the strike was provoked: how the 1983 election majority gave the Tory government carte blanche to change the country in any way it decided

Sukhdev Sandhu schreibt im Telegraph:
GB84 is a horrible novel. Dark to the point of being dystopic. Joyless and unremittingly nasty. A bloated profanosaurus that seems even longer than its 460 pages, it is obscene, almost entirely lacking in humour, and repetitive to the point that most readers‘ eyes will glaze over. (…) He wants us to feel the era viscerally as much as to understand it intellectually. Reportage soon gives way to jeremiads. There’s barely a comma in the whole book. Each sentence is like a jab between the eyes. We search in vain for someone with whom we can identify, but it’s almost impossible.

Ich glaube, das Buch wird mir gefallen. „Jeder Satz ein Stoß in die Augen.“ Har har. Dass es überhaupt solche Bücher gibt und dass es sie nicht in Deutschland gibt, beweist wieder einmal den jämmerlichen Zustand der deutschen Literatur, die die Arbeiterklasse und den Klassenkampf total ignoriert und sich stattdessen mit den Befindlichkeiten der Mittelklasse beschäftigt.

Das Buch sollte eigentlich auch Pflichtlektüre eines jeden deutschen Gewerkschaftlers sein; die sind aber vermutlich zu sehr mit ihren „Tarifpartnern“ beschäftigt. „Wilde Streiks“ und Klassenkampf sind bei deutsche Gewerkschaftsfunktionären so populär wie Kinderpornografie.

Auf meiner Einkaufsliste für den nächsten Monat steht Rafael Chirbes: „Am Ufer„. Chirbes hatte ich hier schon zitiert: „Die Lektüre von Marx hat mir geholfen zu begreifen, was jede Gesellschaft am meisten bewegt. Um ein guter Schriftsteller zu sein, sollte man sich einen Standpunkt erarbeitet haben. Ich bin, trotz aller Verbrechen, die in Marx‘ Namen verübt wurden, Marxist und Materialist. In einer Zeit, in der die Religion den meisten Leuten egal ist, in der es keine Ideale mehr gibt, bleibt einem keine andere Wahl.“

Ein deutscher Schriftsteller, der so etwas öffentlich zu sagen wagte, würde hierzulande sofort geächtet und vom Feuilleton ignoriert. Genau so funktioniert die Schere im Kopf. Ich nenne das freiwillige Selbstkontrolle Zensur. Die funktioniert viel effektiver als Zensur seitens der Obrigkeit.

Kampf um Schwarzerde oder: freiwillige Selbstkontrolle

Telepolis: „Ukraine am Abgrund“ (Danke für den Hinweis).

Der Kreml will die Ukraine in das Projekt einer Eurasischen Wirtschaftsunion integrieren, um so ein Gegengewicht zur EU zu schaffen. Die Verhinderung dieser östlichen transnationalen Konkurrenzstruktur dürfte auch die Intervention des Westens in dem osteuropäischen Land teilweise erklären. Zudem sei das Assoziierungsabkommen Teil des „von Deutschland geführten Bemühens, die Ukraine für westliche Unternehmen zu öffnen“, wie es der Guardian in dankenswerter Offenheit formulierte. (…)

Denn selbstverständlich spiegelt sich in der nun anbahnenden ukrainischen Tragödie die objektive Systemkrise des kapitalistischen Weltsystems, das aufgrund permanent voranschreitender Produktivitätssprünge an eine innere Schranke seiner Reproduktionsfähigkeit stößt und eine „überflüssige Menschheit“ auf globaler Ebene produziert.

Der beste Artikel zum Thema, den ich bisher gefunden habe. Mehr muss man eigentlich nicht dazu sagen.

Ich frage mich nur, warum man in anderen Medien so einem Mumpitz lesen muss. Vermutlich deshalb, weil niemand sich traut, die Fakten („objektive Systemkrise des kapitalistischen Weltsystems“) auszusprechen – Zensur im Kopf aka freiwillige Selbstkontrolle wirkt allemal besser als ein Zensor.

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lol

Pornoanwalt: „League of Legends (LoL) zählt zu den umsatzstärksten Free-to-Play-Spielen im Jahr 2013. Nun wurde bekannt, dass britische Spieler auf das letzte Update von League of Legends verzichten mussten, denn der Pornofilter des Landes verhinderte den Download“.

Was sagen eigentlich die oberste deutsche Zensurbehörde, jugendschutz.net und Alice Schwarzer zu diesem Thema?

Ingeburg aka Tom und das stille Haus

Tom wittgen

Ich las gerade die kurze „Blaulicht“-Erzählung „Das Stille Haus“ von „Tom Wittgen„, der in Wahrheit kein Mann ist, sondern Ingeburg Siebenstädt.

Blaulicht“ ist übrigens offenbar ein DDR-Wort für „Kriminalgeschichten“.

Ich wollte den Inhalt rezensieren, als mir auffiel, dass das noch niemand getan hat. Wirklich? Da müssen die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser ran. Wieso soll ich immer alles machen… Außerdem ist das Sujet extrem selten und wäre so im Westen ohnehin nicht veröffentlicht worden (wegen der politischen Selbstzensur der Verlage in der alten BRD [sic]).

Originell ist auch das Autorinnenfoto: Warum und zu welchem Ende lässt ich jemand mit einem Telefonhörer in der Hand ablichten? Rätselhafte DDR-Sitten und Gebräuche!

Natürlich wäre auch im Westen eine Frau, die ein männliches Pseudonym wählte, öffentlich gesteinigt von der Political correctness gebrandmarkt worden. Das tut man frau nicht.

Das stille Haus

Postdemokratie

was tun?

„Die Mehrheit der Bürger spielt dabei eine passive, schweigende, ja sogar apathische Rolle, sie reagieren nur auf die Signale die man ihnen gibt. Im Schatten dieser politischen Inszenierung wird die reale Politik hinter verschlossenen Türen gemacht: von gewählten Regierungen und Eliten, die vor allem die Interessen der Wirtschaft vertreten (…) Die wichtigsten politischen bzw. wirtschaftlichen Prozesse finden auf einer Ebene statt, welche die nationale Demokratie nicht mehr erreichen kann. Immer mehr erkennen wir, dass die Bürgerrechte, die national verteidigt werden, gegen übernationale Gebilde auf verlorenem Posten stehen.“ (Colin Crouch, Postdemokratie, Frankfurt/M. 2008, S. 10 + 16, via Carta)

Man könnte dazu aber Lenin zitieren: „Warum zeigt der russische Arbeiter noch so wenig seine revolutionäre Aktivität in bezug auf die bestialische Behandlung des Volkes durch die Polizei, in bezug auf die Verfolgungen der Sektierer, die Mißhandlungen der Bauern, das Wüten der Zensur, – die Soldatenschindereien, die Verfolgung selbst der harmlosesten kulturellen Bestrebungen usw.? Darum etwa, weil ihn der ‚ökonomische Kampf‘ nicht da rauf ’stößt‘, weil ihm das keine ‚greifbaren Resultate verheißt‘ und wenig ‚Positives‘ gibt? Nein, eine solche Ansicht ist, wie gesagt, nichts anderes als der Versuch, die eigene Schuld anderen in die Schuhe zu schieben, das eigene Philistertum (…) auf die Arbeitermasse abzuwälzen.“ (W.I. Lenin: „Was tun? Brennende Fragen unserer Bewegung“ (1902)

Rechnen und Raumlehre

Zeugnis

Das Abschlusszeugnis (1915) meines Großvaters (Vater meines Vaters) Hugo Reinhold Schröder, Bergmann, geb. 07.01.1902 in Mittenwalde (Klein Dombrowo, nördlich von Elsendorf im Kreis Thorn), gest. 26.4.1992 in Unna.

Ich habe 1982, als ich durch Polen und das ehemalige Westpreußen gewandert bin, das Gebäude der ehemalien Volksschule von Mittenwalde fotografiert, ich finde es nur gerade nicht.

Ich musste überlegen: Was ist denn der Unterschied zwischen „Rechnen“ und „Raumlehre“ und warum gab es getrennte Zensuren dafür?

Oasis of Sand Sleen, revisited

Oasis fo Sand Sleen

Mein langjähriger Streit mit dem Sim-Besitzer der Oasis of Sand Sleen ist jetzt endlich beigelegt, und ich nehme meine virtuelle „Reisewarnung“ (vom September 2009) zurück.

Die Oasis of Sand Sleen ist eine Wüsten-Sim in Gor (Second Life), also ein Rollenspiel-Environment (nur für Erwachsene, Alters-Verifikation erforderlich) nach den mittlerweile 32 Romanen von John Norman.

Norman ist der einzige Bestseller-Autor der USA, dem es gelungen ist, in Deutschland bis vor wenigen Jahren verboten zu sein, und einige seiner Werke sind ungekürzt noch immer nicht in deutscher Sprache erhältlich – und schon gar nicht im Mainstream-Buchhandel. Die deutsche Zensur und die deutschen Jugendschutzwarte lassen grüßen.

Class Warfare

In deutschen Medien ist das Wort „Klassenkampf“ verboten (freiwillige Selbstkontrollezensur), aber die, die ihn führen, wissen sehr wohl, was läuft:

„Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen“. – „There’s class warfare, all right,…] but it’s my class, the rich class, that’s making war, and we’re winning.“ (Warren Buffet in der New York Times)

Vorfabrizierte klinisch reine Phrasen und die Nicht-Existenz einer Opposition

blockparteien

Unter denen, die sich vom Leben noch irgendetwas Aufregendes erwarten, schreibt Timothy Garton Ash, möchte niemand ein Deutscher sein.

Ash beschäftigt sich mit der Rolle Deutschlands in Europa und stellt einige interessante Thesen auf, die man so in deutschen Medien noch nicht gelesen hat. Helmut Kohl, das steht in einigen Gesprächsprotokollen, hat sich damals für den Euro entschieden, weil er meinte, die fiskalische und politische Union würde sich quasi automatisch einstellen. „He had taken this decision [to commit to the monetary union] against German interests“. Nun hatte Kohl sicher genauso wo wenig Ahnung, wie Ökonomie funktioniert, wie 99 Prozent aller heutigen Bundestagsabgeordneten. Das Ergebnis der gemeinsamen Währung kann sich aber sehen lassen: Die gegenwärtige Krise des Kapitalismus (die eine ganz normale und fast vorhersagbare Vernichtung unproduktiven Kapitals ist) nützt nur der deutschen Wirtschaft und „subventioniert“ indirekt die deutschen Exporte. Die gute Nachricht für den Berufsrevolutionär ist jedoch, dass die Krise damit nicht beseitigt wird – sie wird nur auf andere abgewälzt. „This is a ‚European Germany‘ of which Thomas Mann could be proud.“

Ash beschreibt auch sehr einleuchtend, dass die staatlichen Organe, die nach Hitler in Deutschland implementiert wurden, eigentlich Demokratie garantieren. Alle kontrollieren sich gegenseitig, etwa durch die – im Vergleich zu anderen Ländern – starke Stellung des Bundesverfassungsgerichts. Das mache aber „ecutive leadership very difficult“. Das ist auch gut so, möchte man hinzufügen, wenn „Ledership“ wirklich nötig wäre.

Das bedeutet aber auch: Politischer Streit findet nicht mehr statt. Ich habe selten die sinnfreien Textbausteine der deutschen Politik, wie sie unverdaut in Talkshows und anderen Politik-Simulationen dargeboten und von den Mainstream-Medien unkritisch übernommen werden, besser beschrieben bekommen: „The entire German political class uses a kind of sanitized Lego-language, snapping together prefabricated phrases made of hollow plastic.“

Das erklärt auch, warum sich kein Ökonom oder „Wirtschaftsexperte“, der mehr als einmal ins Fernsehen eingeladen werden will, jemals trauen würde, Marx‘ Thesen über Ökonomie positiv zu erwähnen. Das regelt schon die Schere im Kopf. Man darf den allergrößten Blödsinn in grottenschlechtem Deutsch daherfaseln, es darf nur nicht etwas sein, das die Glaubenslehren der „Volkswirtschaft“ in Frage stellt. Ich finde es immer wieder sehr spannend zu beobachten, wie sich diese Selbst-Zensur der Medien, die das Lego-Sprech der politischen Klasse zum Volk transportiert, durchsetzt: Niemand befiehlt, aber alle folgen.

Die Briten sind, im Gegensatz zu den Deutschen, in der Lage, eine Art heitere Gelassenheit und Selbstironie zu zeigen. Zusätzlich verhält sich die angelsächsische Presse zu deutschen Medien, was den Mut und die Recherche angeht, wie ein Bullterrier zum Mops. Dennoch gibt es dort kaum Widerstand gegen die Wahn der totalen Überwachung. Meine These war schon immer: Die Briten glauben nicht, dass ihre politischen Klasse wirklich schlimme Dinge macht; die Deutschen wären zwar die allerletzten, die aufbegehren würden, sie trauen aber ihren FührerInnen (sic) theoretisch alles Ekelhafte zu, weil wir das schon mal hatten. Die Deutschen beschreiben sich nicht zufällig als „schlafmützig„, bieder, gemütlich und nach dem Motto lebend: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.

Wenn die Deutschen aufbegehren, tun sie das nie, um das politische System zu stürzen, sondern weil etwas gegen ihre (protestantisch geprägte) Moral geht oder weil sie vor irgendetwas Angst haben. Enzensberger und Schirrmacher reden von „postdemokratischen Zuständen“. Dahinter steht wieder nur ein Gefühl, kein politisches Programm. Diejenigen, die jetzt vor den pöhsen Geheimdiensten Angst haben, waren genau dieselben, die es gut hießen, dass die Obrigkeit private Computer ausspähen will, die noch nie eine vertrauliche E-Mail geschrieben haben, die nicht wissen, was Truecrypt ist, und die den freien Markt Kapitalismus als das Ende der Geschichte ansehen, nach dem nichts mehr kommt. [Übrigens: Von Glenn Greenwald lernen, heißt verschlüsseln siegen lernen!]

Ich frage mich mittlerweile, ob es möglich ist, dass sich eine formale Demokratie in ihr Gegenteil verkehrt, ohne das es jemand merkt, also ohne Putsch, Ermächtigungsgesetz oder Faschismus. Unstrittig hat das Kapital zur Demokratie ein nur taktisches Verhältnis, Demokratie ist nur gut, wenn die Massen ruhiggestellt werden und/oder sich verdummen lassen. [Wenn das ägyptische Militär islamistischen Terror bekämpft, ist das irgendwie schlecht, aber man nimmt es hin; wenn der syrische Diktator Assad islamistischen Terror bekämpft, muss man den Terroristen noch Waffen schicken. Wenn „Muslimbrüder“ in Mail das Land übernehmen wollen, kommt die französische Fremdenlegion. Undsoweiter.]

Ich beurteile eine Gesellschaft weniger nach dem, was die herrschende Klasse und ihre Helfershelfer aka „PolitikerInnen“ machen, sondern nach dem Zustand der „Wählerinnen und Wähler draußen im Lande“. Wenn die breite Masse sich mit allem abfindet, was geschieht, brauchte das Kapital keine Militärdiktatur. Die Nazis mussten noch die kommunistische Opposition umbringen oder in Lager stecken. Was aber, wenn es keine Opposition gibt? Die Partei „Die Linke“ stellt ja auch nicht den Kapitalismus in Frage, und ihre „linken“ Protagonisten verehren Ludwig Erhard, den Säulenheiligen der so genannten „Freien sozialen Marktwirtschaft“.

Mal ganz im Ernst: Noch nie gabe es, seitdem Deutschland als Staat existiert, eine Epoche, in der die Opposition so schwach, unfähig und vor allem auch unwissend war. Da kaum jemand aus der Vergangenheit etwas lernst, müssen wir, so fürchte ich es, noch hundert Jahre warten, bis sich das ändert.

barrierefrei

„Reporter Ohne Grenzen“ will es offenbar den Pappnasen vom DJV-Bundesverband nachmachen: Die wissen aucht nicht, wie man eine E-Mail so schreibt, dass die von jedem Ausgabegerät korrekt angezeigt wird, was unter Fachleuten als „barrierefrei“ bezeichnet wird. Ich komme mir vor wie Don Quichotte: Ich predige vernünftiges Verhalten in meinen Seminaren und weise auf die Risiken und Nebenwirkungen hin, wenn man meine Ratschläge nicht befolgt, aber niemand hält sich daran. Manchmal wünsche ich mir, kurzzeitig das Mittelalter mit Folter und Peitschenhieben zurück; manche Leute verstehen offenbar keine andere Sprache.

Pressefreiheit in Ecuador?

Das Portal america21.de hat einen erhellenden Hintergrundbericht über die angebliche Pressezensur in Ecuador.
Reporter ohne Grenzen (ROG) übernimmt auf ihrer Homepage fast wörtlich die Kritik der interamerikanischen Menschenrechtskommission der US-dominierten Organisation Amerikanischer Staaten, der CIDH.

Die Süddeutsche ist das einzige deutsche Medium mit einer kritischen Sicht der Dinge:
…mit den Presse-Organen der alteingesessenen Elite Ecuadors liegt der Präsident über Kreuz. Er hat sich nichts Geringeres vorgenommen, als die gesamte Medienlandschaft des Landes neu zu ordnen. Sie soll „demokratisiert“ werden, das heißt, die monopolartigen Kartelle privater Unternehmen sollen aufgebrochen werden durch mehr Konkurrenz, also durch staatliche Sender oder Bürgerradios. (…) Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Quito analysierte, aus der Sicht der Regierung sei „Kommunikation ein öffentliches Gut, das nicht dem Privatsektor überlassen werden dürfe“.

Man fragt sich, warum die Lobby-Organisation „Reporter ohne Grenzen“ kritiklos eine Position wiederkäut, die offenbar den – und nur den – US-amerikanischen Interessen dient und verschweigt, dass es um einen Machtkonflikt zwischen dem linken Präsidenten und den alten Eliten des Landes geht?

Reminder: Die Regeln bestimme ich

Marcus Pössel auf scilogs:
Was geht im Kopf von jemandem vor, der „Zensur, Zensur!“ ruft, weil sein bzw. ihr Kommentar nicht freigeschaltet wurde? Wenn wir mal den Fall außen vorlassen, dass der- oder diejenige die Gelegenheit schlicht zu einem persönlichen Anwurf nutzt (da bin ich mittlerweile leider inzwischen einiges gewohnt): Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass da im Hintergrund nicht selten eine Verwechslung des Rechts auf freie Meinungsäußerung mit einer Art „universellem Verbreitungsrecht“ der eigenen Meinung vorliegt.

Indem ich die Kommentarfunktion freischalte, biete ich Lesern dieses Blogs ein ganz bestimmtes Forum an. Die Regeln dazu bestimme ich…

Die Idioten, die meinen, mich auf’s Dümmlichste beschimpfen zu müssen, sollten nicht glauben, dass ich ihren geistigen Unrat hier freischalte.

Sollen die Idioten doch in ihr Unglück rennen

Aus einem Posting im Heise-Forum:
„Das Ausmaß und die Tatsache der Schnüffelei ist schon recht heftig – was mich aber an der ganzen Sache am meisten ankotzt, ist die Tatsache, wievielen Menschen das absolut egal ist oder sogar von ihnen befürwortet wird. Man hat ja nichts zu verbergen und so.

Das nervte mich schon immer, aber ich dachte: hey, wenn irgendwann rauskommt wie sehr wir überwacht werden, wachen die Leute auf. Falsch gedacht. Viele befürworten ja die Überwachung und freuen sich, daß dadurch total viele Terroranschläge auf ihre Nachbarschaft verhindert werden. Ja ne ist klar.

Ich habe keine Lust mehr. (…) Ich habe keinen Bock mehr den Leuten zu erklären, daß Zensur und Überwachung niemals gut ist. Sollen doch die Millionen Facebook-Idioten und Stasi-Befürworter in ihr Unglück rennen.“

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