Non-E-Scooter im Wirtschaftswunder

tretroller ballonreifen kettler

Meine Schwester war noch nicht geboren, also muss das vor 1958 sein. Ich habe etwas recherchieren müssen, um welches Gerät es sich handelt: Vermutlich um einen Kettler Tretroller mit Ballonreifen. Diese Roller gibt es heute noch (Amazon), aber die damals sahen cooler aus.




Namen für die Rinnenden

hixterwald sölderholzhixterwald sölderholzhixterwald sölderholzhixterwald sölderholzhixterwald sölderholzhixterwald sölderholzhixterwald sölderholzhixterwald sölderholzhixterwald sölderholzhixterwald sölderholz

Ich muss schon wieder belehren, ich kann nicht anders. Die Frage, die im Ruhrgebiet diskutiert wird, seitdem es Tourismus gibt, werde ich jetzt für immer und ewig beantworten: Wo entspringt die Emscher? In einem Quellteich (Foto ganz unten)? Ab da wird das Gewässer so genannt. Kann man tun. Sie „entspringt“ aber nicht dort, sondern im Hixterwald, der eher ein Wäldchen ist und zwischen Dortmund-Sölde und Holzwickede liegt. Die kleine Gegend heißt aus westlicher Perspektive „Sölderholz„.

„Genau genommen existieren mehrere kleinere Rinnsale, die in besagten Teich münden und hier den Ursprung bilden“. Also nein! Ich habe als Kind in diesen „Rinnsalen“ gespielt – die Rinnsale rannen ganz schön, man konnte sie sogar erlebnispädagogisch zeitweilig stauen. Geben wir den Rinnenden einen Namen: Wir reden über das Siepensystem des Selbachs.

Der Wald lebt. Wenn ich einmal im Jahr da herumlaufe bzw. fahre, ist vieles immer wieder neu und anders. Deutsche Kinder sollten nicht ohne Wald aufwachsen. Zusammen mit meinem Opa habe ich Ameisen beobachtet und gelernt, dass man deren Haufen nicht kaputtmacht, gelernt, dass die Vögel sich gegenseitig vor Störenfrieden warnen und dergleichen mehr. Das zweite Foto zeigt übrigens eine Pinge.

Aber das alles hatte ich schon vor zehn Jahren geschrieben. Es schadet aber nicht, es für die Nachgeborenen zu wiederholen.




Geheimrezepte oder: Carpe Diem

massener heide

Gestern bin ich rund 50 Kilometer geebiket – nicht immer auf Asphalt – und fiel nach dem abendlichen Mahle (Foto unten) schlicht ins Bett, ohne – schändlich! – gebloggt zu haben. Lob und Preis dem Küchenchef meines Hotels, dem ich persönlich meine Komplimente wegen der Bratkartoffeln, die ich bisher zwei Mal genoss, mit jeweils unterschiedlichem Arrangement, überbrachte, hoffend, er werde mir sein Geheimrezept verraten, das es aber gar nicht gab. Vermutlich nur die Erfahrung, die man um so mehr zu schätzen weiß, als man mit fortgeschrittenem Alter merkt, wie wichtig sie sein kann – und wichtiger als bloßes Faktenwissen.

bahnhof unna

In diesem kleinstädtischen Ambiente kann man natürlich anthropologische Studien betreiben, die das Chillen an sich trefflich ergänzen. Das Andere beschreiben zu können, schärft den Blick für sich selbst – ein Geheimrezept des Reisens seit Alexander von Humboldt. Ein alleinstehender Mann im Restaurant ist hier nicht vorgesehen, nur zur Nahrungsaufnahme, weil Monteur oder sonstwie dienstlich unterwegs. Noch seltener alleinstehende Frauen. Man ist und isst immer in Gesellschaft. Vermutlich fände man bei Elias Canetti mehr dazu.

restaurant camillorestaurant camillo

Das kleinkarierte Männerhemd ist hier noch nicht ausgestorben. Ohnehin macht man sich nicht fein, wenn man ausgeht, sondern wechselt noch nicht mal die Funktionskleidung. Schaut man aber genauer hin, fallen die Kontoren der sozialen Grenzen durchaus auf: Alles muss „ordentlich“ sein, keine subkulturellen Accessoires, kein Aufdonnern à la reiche Russen, keine tyrannischen Kinder mit hijabistischen Eltern, keine muslimistischen Barttrachten. Aller sind hellhäutig, obwohl Quotenneger*Innen selbtredend toleriert würden. Die Hautfarbe spielt hier und jetzt keine Rolle, weil man sich Toleranz leisten kann. (Ich möchte aber nicht wissen, was die allein reisenden Herren anstellen würden, säße eine attraktive Afrodeutsche irgendwo solo herum. Der Firnis der Ziviliation ist – wie überall – sehr dünn.)

Man weiß, was man hat und wer man ist und ruht in sich. Der Pöbel, den es natürlich auch hier gibt, kann sich die Preise des Restaurants ohnehin nicht leisten. Der jugendliche Abschaum lungert am nächtlichen Bahnhof herum und lässt sich sogar durch Stimmen, die im Notaufnahme-Modus aus dem vierten Stock des Hotels – Ruhe anmahnend – erschallen, einschüchtern, was in Berlin undenkbar wäre.

altstadt unna

Ganz nebenbei: Nach der Revolution würde Don Alphonso im obigen Haus zwangseinquartiert, zusammen mit Anabel Schunke, und beide müssten eine Weile von dort aus zusammen bloggen, nur aus ethnologischem Interesse, was dabei herauskäme. Nach ein paar Monaten würden sie wieder entlassen und dürften publizistisch an der Konterrevolution basteln.

currywurst

Die Weltläufte verfolge ich am Rande. Gut, dass ich nichts mit dem Jugendamt Neukölln zu tun haben, oder, wenn doch, würde ich meinen Füller herauskramen und schönster Schreibschrift auf Pergament formulieren. Manchmal ergötze ich mich auch am kalten Medienkrieg und noch mehr an Vertretern der Journaille, die mit Schaum vor dem Mund reagieren, wenn man sich nur über die Heuchelei der Mainstrem-Medien bürgerlichen Presse lustig macht.

Siehe die taz, die Zensur natürlich nicht verwerflich findet: „War die Löschung der Kanäle deshalb falsch? Natürlich nicht.“ Der Autor ist auch noch Vorsitzender (m)einer Journalisten-Gewerkschaft. Man fremdschämt sich in Grund und Boden. Man kann von russischen Propaganda-Sendern halten, was man will, aber wer einmal den Wirtschaftsteil deutscher Medien studiert hat, weiß, was Kapitalismus-affine Propaganda ist.

Dann haben wir noch die schrecklichen alten „weißen“ Männer. „Was wir aktuell erleben, ist die Dehnung des Rassismusbegriffs ins Unendliche.Alles wird über die Rasse definiert: Religionen, Kulturen, sexuelle Vorlieben, Ernährungspräferenzen“, sagt Pascal Bruckner. Das müsste man von den Parteifunktionären der „Linken“ diskutieren lassen, aber die Linksidentitären hüllen sich dann auch noch in trotziges Schweigen, wenn sie schon auf dem Müllhaufen der Geschichte verrotten.

altstadt unna

A propos Kleinbürgertum: Hier ist es nett, aber wehe, wenn man sich das, was das Nette ausmacht, nicht mehr leisten kann – wenn man am Tropf staatlicher Unterstützung hängt oder mit einer Minimalrente auskommen muss. Ich weiß nicht, wie lange einen die gutsituierte ehemalige peer group mit dem Façon- oder wohlondulierten Haarschnitt dann noch mit durchziehen würde. Sogar die Currywurst würde dann unbezahlbar.

camillo-Pfanne




Rio Hondo, revisited

rio Hondo

Den Ort hatte ich vor drei Jahren schon beschrieben: Grenze zwischen Mexiko und Belize am Rio Hondo, nordöstlich der Höfe der mennonitischen Bauern in Tres Leguas, bei denen ich 1979 ein paar Tage gewohnt habe. Auf der anderen Seite ist Mexiko. Und einer der kleinen Kerle tauchte vor neun Jahren hier schon einmal auf.

Die Geschichte hinter dem Foto ist kompliziert. Am 28.09.1979 standen wir in Cuauhtémoc im mexikanischen Bundesstaat Chihuahua auf dem Bahnhof, der eigentlich keiner war, sondern nur aus ein paar Geleisen bestand. So etwas kannte ich noch nicht. Wir wollten mit der Ferrocarril Chihuahua al Pacífico an die Pazifikküste. Ein älterer Mennonite sprach uns an; er hatte offenbar gehört, dass wir uns auf Deutsch unterhielten. Er lud uns ein. Von ihm bekamen wir die Adresse seine Sohnes in Belize. Der Mann hieß Aaron Redekop. Seine Vorfahren stammten aus Russland, vermutlich war David Redekop sein Vater. (1982 war ich noch einmal bei ihm und seiner Frau.)

Am 21.10.1979 überquerten wir die Grenze zwischen Mexiko und Belize. Aus meinem Reisetagebuch:
„Mit ordinario zur Grenze. Kein Trouble, auch nicht mit den Grenzern in Belize. Chetumal [Mexiko] ist ein verschlafenes Nest, fast nur Schwarze. Trampen nach Corozal [Belize]. Tauschen Geld. An der Wand einer Kneipe das Schild: „Beautify America – eat a Redneck„. Trampen von Corozal nach Orange Walk. Leute sehr freundlich, sprechen fast alle nur Spanisch.

Von Orange Walk nach Yo Creek, nur ein paar Hütten. Ein Mennonite nimmt uns mit dem Pickup mit nach Blue Creek und setzt und vor dem Haus von Redekops ab.“

Jetzt muss ich vorgreifen. Blue Creek gibt es nicht mehr, auf der Karte sieht man noch, dass die Gegend besiedelt war. Damals waren dort einzelne Gehöfte, keine geschlossene Siedlung, alle in Sichtweite eines anderen. 1982 erfuhr ich, dass der Hof des jungen Redekop von Mexikanern angesteckt und seine Familie vertrieben worden war – die Redekops kehrten wieder nach Mexiko zurück. Der Grund: Die Mennoniten zerstörten die Felder der Mexikaner (aus Belize), die an der Grenze Marihuana anbauten. Es gab wohl einen Kleinkrieg, den die Mennoniten verloren. Fast alle weigern sich ohnehin, Militärdienst zu leisten. Sie sind eigentlich friedliche und fromme Leute.

War standen vor dem Hof, der nur aus einem Haus und einigen Nebengebäuden bestand und hatte nur den Zettel mit dem Namen. Ein ziemlich attraktive blonde Frau (die oben auf dem Foto) kam mit einem Gewehr heraus und zielte auf uns und fragte, was wir wollten. Als wir auf Deutsch antworteten, ließ sie das Gewehr sinken und bat uns herein. Ihr Mann (oben) kam später von der Feldarbeit und staunte über den Besuch, war aber sehr neugierig, was wir zu erzählen hatten.

Viel interessanter war das, was wir über das Leben dort erfuhren.

Mann und Frau hatten klar zugewiesene Rollen. Wenn er am Tisch saß, rief er seine Frau aus dem Garten, um ihm Kaffee einzuschütten. Alles im Haus kommandierte sie. Alles draußen regelte er. Die Mennoniten war nicht viele und eine verschworene Gemeinschaft mit harten und klaren Regeln. Ich kann mich heute noch an die Geschichten erinnern, die wir abends, wenn wir draußen unter dem Sternenhimmel zusammensaßen, zu hören bekamen. Die Mennoniten sprachen Plautdietsch, was nicht immer einfach zu verstehen war, gemischt mit „modernen“ deutschen Wörtern.

„Wenn der Jakob seine Frau prügelt, dann wissen das ein paar Tage später alle. Und wenn der Jakob dann unterwegs ist, dann lauern ihm der Aaron und der Josef und der Matthias mit dem Ochsenziemer und zeigen ihm, wie sich ein Mann zu benehmen hat. Der Jakob schlägt seine Frau nie mehr.“

Einer hatte es gewagt, eine Mexikanerin zu heiraten – eine Katholikin! Er durfte sich bei den Mennoniten nicht mehr blicken lassen. Die Alten sind alle Pazifisten. Manche fahren noch mit Pferd und Wagen und halten Traktoren für Teufelszeug. Der junge Redekop ist aus der Art geschlagen, war sogar bei der US-Armee, und hat deswegen vermutlich Stress mit seinem Vater.

Was müssen diese Leute wissen, um in der Wildnis zu überleben? In der Schule lernt man das nicht. Redekop war von einer Schlange gebissen worden – auf dem Foto sieht man noch den Verband. Sein Rezept: Man muss die Schlange zuerst töten. Dann nimmt man ein Messer und schneidet den Biss kreuzförmig auf (das hatte er selbst gemacht). Dann bestreicht man die Wunde mit roter Wagenschmiere. Dann spricht man ein Gebet und denkt nicht mehr an die Wunde. Es schien zu funktionieren.

Dieser Menschenschlag würde hier nicht immer auf Sympathie stoßen. Mennoniten sind eine Art erzkonservativer Calvinisten. Sie arbeiten eigentlich immer, wenn sie nicht schlafen. Der Mexikaner an sich ist genau das Gegenteil. Und das sagen die Mennoniten auch unverblümt. Redekop hatte ein paar Knechte, die aus Mexiko stammten. Wenn die Sonne unterging, spendete ein Generator noch Strom. Am ersten Abend war er kaputt, und die Mexikaner fummelten lange erfolglos daran herum. Sie kriegten auch die Kurbel nicht richtig in Schwung. Der junge Redekop sah sich das nicht lange an, scheuchte sie zur Seite und bekam das Gerät mit nur seinem gesunden Arm zum Laufen. Es war sonnenklar, wer die dicksten Cojones hatte der Boss war.

Am Sonntag zieht man keine Jogging-Hose an, sondern das beste Zeug, was man hat. Am Sonntag wird auch nicht gearbeitet. Einmal im Monat treffen sich alle Mennoniten zu einem Fest – da wird ausgeguckt, welcher Hans welche Grete kriegen soll. Wir machten eine Fahrt mit dem Pickup zum Rio Hondo – dort ist das Foto am 21.10.1979 entstanden.

Aus meinem Reisetagebuch:
Essen echt deutsch, viel Fleisch. Toronjas. Zitronen fürchterlich sauer, Pampelmusen sehr süß. Wagenschmiere und Alkohol helfen auch gegen Mücken, warme Milch gegen Vergiftungen. Spazierfahrt zum Blue Creek [gemeint ist der Rio Hondo].

Mittags zeigt uns Redekop sein neues Haus, etwas windschief. Er hat jede Menge Maya-Scherben gefunden. Fast direkt unter dem Hause ist eine ziemlich größe Höhlung, die er irgendwann ausgraben will. Abends Schnack über Gott und die Welt. Redekop begreift nicht, dass in Deutschland nicht alle Farmer werden wollen. Seine Kinder würden gegen Russland [gemeint war die Sowjetunion] in den Krieg ziehen. Er sei früher Scharfschütze mit einer 44er Magnum gewesen. Er sagt, was die Frau tun soll.“




Das ist eine unauffällige Äußerung

wählerwanderung

Die „Linke“ hat rund 100.000 Wähler an die AfD verloren. Was lehrt uns das jetzt? Sind die froh, dass die diese Leute los sind? Das würde ich der Partei, die nicht recht hat, zutrauen: Freiwillig auf relevante Wählerschichten zu verzichten. Das war 2017 nicht anders. Man hat rund eine Million nach rechts verloren. Was kann man da tun? Noch mehr Identitätscheißpolik! Noch mehr Gendersprache! Noch mehr das Thema „Grenzen auf für alle“ wie eine Monstranz vor sich her tragen! (Vorsicht! Ironie!)

Ich hoffe nichts. Wenn es eine parteiinterne Revolution gäbe, müsste man die Leute, die bisher nur die Grünen imitieren wollten (Echo: Klima! Klima!), rauswerfen oder ihnen das Maul verbieten. Eine wahrhafte Linke kann nur die gesellschaftlichen Strömungen widerspiegeln, die es real gibt – wie etwa in Peru. In Deutschland existieren soziale Bewegungen, die diesen Namen verdienen, nicht, nur Kinderkacke mit reaktionären Mädchen aus reichen Elternhäusern, die sich „fortschrittlich“ fühlen, die aber dann doch die Liberalen wählen, weil ihr Klasseninstinkt funktioniert.

wählerwanderung

„Die Linkspartei verbucht ausschließlich Verluste. Sie gibt Wähler an alle anderen Parteien ab, besonders viele an die SPD, die Grünen und die kleineren Parteien. Ehemalige Linken-Wähler sahen außerdem besonders häufig keine Alternative mehr für sich im Spektrum und wurden zu Nichtwählern.“

Ich fühle mich angesprochen. Übrigens – ruft da jemand im Hintergrund Wagenknecht (Link geht zu Facebook)? Dann rufe ich zurück: Erst mal ein sehr langes Praktikum im Kibbuz machen und den Antisemitismus exorzieren!

Übrigens: Wann treten Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow zurück? Frage für einen Freund.




Squid game oder: Das Richtige tun

squid game
Credits aller Bilder: Netflix – Squid Game

Wer schon schon einmal koreanische Filme gesehen hat, was ich auf Anraten guter Freunde vor längerer Zeit schon tat, der weiß: Jetzt wird es anspruchsvoll, der Intellekt strafft und reckt sich voll Vorfreude, etwas zu tun zu bekommen, und die US-Amerikaner muss samt Hollywood draußen bleiben. Sorry, das versteht ihr nicht.

Lob und Dank den Mathematikern, die Algorithmen erfunden haben! Eben einer dieser spülte mir auf Grund meines vorher von Netflix ausspionierten Rezeptionsverhaltens Squid Game in mein peudointelligentes TV. Ich habe erst ein paar Folgen gesehen – trotzdem empfehle ich die Serie uneingeschränkt. Einer der seltenen Fälle übrigens, in den ich, den Zeigefinger pädagogisch wertvoll erhebend, rate: Nichts für schwache Nerven, und sensible Nachgeborene könnten verstört werden. (Keine Ironie!)

Here you go, sagt marie claire: „Would you risk your life playing kids‘ games if it meant winning a literal fortune? The surprise hit Korean drama Squid Game has captivated audiences, depicting a brutal competition for 456 billion Korean won (about $38 million). The nine-episode drama has hit No.1 on the Netflix Top 10, with millions of viewers following its cast of all-star Korean actors as they form alliances and enemies through deadly versions of Red Light, Green Light, and other children’s games.“

squid game

Die Hauptdarstellerin HoYeon Jung ist nicht nur supermodelmäßig hübsch, sondern spielt mit ihrer physischen Präsenz die meisten Kerle an die Wand. Ihr moralischer „Counterpart“ Kim Joo-Ryung macht sich hässlich und gibt die zänkische amoralische Zicke, aber ist als Schauspielerin ebenso herausragend. Die dritte auffällige Mimin Lee Yoo Mihat leider nur einen kurzen Auftritt, von ihr hätte ich gern mehr gesehen.

Forbes falls den eigentlich simplen Plot so zusammen: „If you told me a Korean drama where people compete in murderous children’s games would become the number one offering on Netflix in the US, I probably wouldn’t have believed you. But that’s what Squid Game has just accomplished, unseating Sex Education season 3 for the top spot, and securing itself as what may be Netflix’s most popular Korean series ever.“

Oder, in einem Satz, bei kinofans.com: Die Serie sei „Sie ist im Grunde eine fiese Übersteigerung dessen, was Reality-Shows wie das Dschungelcamp bieten.“ Das ist stark untertrieben, Squid Game ist noch zynischer, noch schwärzer, noch aufwühlender als alle Filme, die ich mit einem ähnlichen Plot jemand gesehen habe. Dagegen ist „1984“ ein Kindergarten. Gewalttätig und trotzdem sehr unterhaltsam!

Bitte, bitte, bitte: Wenn sich das Publikum durch meine Eloge ungeturnt fühlt – schaut den auf Koreanisch mit Untertiteln! Nur so kriegt man das Gefühl richtig mit, und die Töne und Sprache passend zur Mimik. Das macht alles ziemlich fremd, verfremdet das, was man erwartet: Nein, die Akteure handeln mitnichten so, wie man das kennt, und auch die Geschichte wäre von deutschen Filmemachern unmöglich – sie würden sich das nicht trauen.

squid game

Um zu beruhigen: Der Film ist eine Art Science Fiction, die in einem „totalitären“ Ambiente spielt – das aber auch als Parabel für den Kapitalismus durchgehen könnte: Das Spiel, bei dem nach und nach alle Verlierer eliminiert werden, soll „fair“ ablaufen: In einer Szene sieht man blutüberströmte Gehängte, die aber zum Sicherheitspersonal gehörten und die Regeln gebrochen hatte. Fairer Sozialdarwinismus – und dann sieht man, wie die Wachmannschaft die Särge der Getöteten in Öfen schiebt in einem Ambiente, was einen sofort an Konzentrationslager denken lässt. Zum Gruseln, und ich grusele mich eigentlich fast nie.

squid game

Das ist aber noch nicht alles. Koreanisch klingt nicht nur wie eine Alien-Sprache, auch die Mimik und Körpersprache hat nur wenig mit dem zu tun, was bei uns üblich ist. Damit muss man erst einmal klarkommen (daher noch einmal: Eine Synchronisation ruiniert das alles!) Mit großer Spannung studierte ich die Gruppendynamik: Wer macht was warum? Auch hier: Von Dschungelcamp (kenne ich nur vom Hörensagen) oder „Lost“ keine Spur. Eine dröge deutsche Rezension versucht, das Unübliche auf den Punkt zu bringen: „Für eine Serie mit einer relativ abgedroschenen Prämisse schafft es das “Squid Game” von Netflix tatsächlich, eine Menge Überraschungen in seinen Schluss zu packen. Das liegt vor allem daran, dass der Erfolg der Serie nicht so sehr davon abhängt, wer das Spiel gewinnt, sondern davon, wie sie es gewinnen und was das alles bedeutet.“

squid game

Was soll das alles also bedeuten? Der Held ist zu Beginn ein Tunichtgut der allerdämlichsten Art; man hofft inständig, dass ihn irgendetwas wieder auf die Bahn oder was auch immer bringen wird. Squid Game kommt aber nicht mit dem moralischen Holzhammer, wie das hierzulande im „Tatort“ üblich ist. Die Protagonisten lassen das Finsterste und Ekelhafteste aus sich heraus, und die, von denen man das nicht erwartet, agieren ganz unerwartet und für uns auch nicht immer logisch – aber dennoch nicht inkonsequent. Absolut grandios: der alte Mann Oh Young-soo – noch besser als der Hauptdarsteller.

Bei jeder Zeile, die ich schreibe, fällt mir noch mehr ein, aber das würde dem Publikum zu viel verraten. Hausaufgabe: Warum verhalten sich Koreaner wann und wie oft ganz anders als Europäer, und wie könnte man das beschreiben?

Das Finale habe ich noch nicht gesehen. Aber ich weiß schon, dass ich mir alle Staffeln, wie viele es auch sein mögen, anschauen werde.




In den Markt integrierte Saat des Bösen

Thieves of State
Neue Lektüre und neuer Salat: Thieves of State: Why Corruption Threatens Global Security

Was haben wir denn da, passend zur Überschrift? Wieder einmal den Reichsarbeitsdienst erzwungenen Dienst am Gemeinwesen: „Menschen, die Leistungen vom Staat erhalten und nicht bereit sind, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren“. Das kennen wir schon aus der Diskussion über Drogen: Wer sich immer zudröhnt, verweigert sich irgendwie dem Kapitalismus. Wo kämen wir denn da hin. Nur um das klarzustellen: Arbeit im Steinbruch für bestimmt Leute als Therapie, um das Leben kennenzulernen, halte ich klammheimlich für eine gute Idee; leider würden mir aber ganz andere Leute einfallen, die in Frage kämen, als etwa der Arbeits(sic)agentur.

Zum Thema „bunt“, „divers“, „Vielfalt“ und dem Land, in dem wir gut und gerne leben: „Iraker schlug Hotelangestellten und randalierte mit Eisenstange“ – „Der Mann ist seit Jahren ausreisepflichtig, 2018 wurde sein Asylantrag abgelehnt. (…) Ebenfalls am Sonnabend hatte, wie berichtet, ein Afghane in Wilmersdorf einer ehrenamtlichen Gärtnerin in den Hals gestochen. Die Frau hatte in einer Grünanlage Büsche gestutzt. Der Täter kritisierte, dass eine Frau arbeitete, und stach mit einem Küchenmesser“.

Das hat natürlich nichts mit dem Islam zu tun. Man könnte viel dazu schreiben. Ich empfehle wieder einmal Rian Malans Mein Verräterherz – das Kapitel über den „Hammermörder“.

Zum Erinnern und auf Empfehlung des hiesigen Publikums: Es gibt durchaus westliche Werte, die es zu verteidigen gilt – inklusive der Shorts der Sängerinnen! (Sehr süß!)

die Saat des Bösen
Die Saat des Bösen. Credits: Christian Y. Schmidt auf Fratzenbuch

Die BBC hat Fake news zum Thema „Giftgasangriff in Syrien“ verbreitet (via Telepolis). „Nach dem angeblichen Angriff mit chemischen Waffen in Douma waren die Leichen von rund 50 Zivilisten geborgen worden. Die USA, Großbritannien und Frankreich bombardierten bereits wenige Tage nach den Ereignissen – noch während der OPCW-Ermittlungen – Einrichtungen der Assad-Regierung und der syrischen Armee. (…) Demnach hatte die OPCW-Führung systematisch alle Erkenntnisse übergehen oder gar zensieren lassen, die der Giftgasthese zuwiderliefen“. Westliche Werte eben. Kann man nichts machen.

Das ist doch die alte Western-Parole: Erst schießen, dann fragen. Passt auch zu den deutschen Qualitätsmedien, die damals gewohnt seriös berichteten.

dune

Erholen wir uns. Nun zum Feuilleton. Ja, ich werde mir Dune im Kino ansehen.

Die FAZ rezensiert ganz unterhaltsam: „Der thematischen Schwere dieses Themas gehorsam, baut Villeneuve seinen Film aus Bildergebirgen, Hans-Zimmer-Getöse, gewaltigen Fabrikraupen, prächtigen Or­nithoptern, flatternder Flucht, funkensprühenden Zweikämpfen, uralten Prophezei­ungen und Trugspiegelungen.“

(Merke: Wolf Schneider hatte in Deutsch für Profis: Wege zu gutem Stil empfohlen, mit Adjektiven äußerst sparsam umzugehen. Ich füge hinzu: Bricht der Stab nicht, wenn wir ihn reimen? fragten fünfzig funkensprühende falsche Fuffziger.)

Vermutlich wird man gut unterhalten so ähnlich wie mein Avatar, der sich auch meistens in den virtuellen Dünen herumtreibt, obwohl ich alle Filmversionen schon mehrfach gesehen habe und auch die Ballerei eines gleichnamigen Computerspiels nächtelang genoss. Ach nein, das war ein ganz anderes: „Lets Play Dune 2000“. Würde ich heute sofort noch mal bis zum höchsten Level durchziehen. So gut wie Privateer!

Ich schweife ab. Natürlich ist der Plot Fantasy und nicht Science (!) Fiction und genauso albern wie die Bücher John Normans. Man kann über die Ikonografie räsonnieren oder das Werk, wozu ich meistens neige, als Kinderfilm abzutun (die Bücher sind definitiv nichts für die lieben Kleinen).

Jenny Jecke fasst das auf Moviepilot treffend zusammen:
– „Ein junger Kerl schlurft wie eine bedröppelte Arrested Development-Figur durch die Wüste.
– Zahlreiche Oberkörper in extravaganten Kostümen schauen erwartungsvoll auf unsere Geldbeutel oder in die unsichere Franchise-Zukunft.
– Die Tagline „It begins“ sitzt als überlagerte Kirsche auf dem zutiefst originellen Sahnehäubchen dieses Posters.“

Vermutlich wird das so grün ökologisch moraltriefend und divers herüberkommen wie die pseudorevolutionären Witzfiguren in der Matrix: Quotenmaximalpigmentierte, Wursthaare und Pseudo-Obdachlosen-Chic. Aber natürlich besser als der schlechteste Film, den ich mir jemals reingezogen haben. Demnächst mehr in diesem Theater.




Quatschomat oder: Ich berate gern

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War mir schon klar, dass nur gequirlte Kacke dabei herauskommt, aber dass es so schlimm ausgehen würde, ahnte ich nicht. Bei einem anderen Versuch stand die FDP ganz oben.

1. Auf allen Autobahnen soll generelles Tempolimit gelten.
[Ja] Warum eigentlich nicht? Die Frage ist unsinnig, weil das Tempo nicht vorgegeben ist. Was ist, wenn ich für ein Limit bei 200 Stundenkilometern wäre?

2. Deutschland sollte seine Verteidigungsausgaben erhöhen.
[neutral] Der Satz, so dämlich er ist, stammt vermutlich von der AfD. Die Linke“ würde immer dagegen sein, egal wie hoch die Ausgaben für das Militär sind. Es kommt doch darauf an, was genau man mit der Bundeswehr machen will. Vermutlich könnte man die Hälfte des Etats einsparen, wenn man keine „externen“ Berater zuließe. Mehr Geld heißt nicht automatisch, dass die Schiffe schwimmen, U-Boote tauchen, Flugzeuge fliegen und Panzer fahren.

Meine Meinung kommt ohnehin nicht in keinem der Parteiprogramme vor: Das militärische Konzept müsste sich langfristig an dem der Schweiz oder Costa Rica orientieren. Im Kapitalismus dient das Militär auch immer dazu, das Volk einzuschüchtern und dagegen eingesetzt zu werden. Eine bewaffnete Volksmiliz könnte da gegensteuern. Ich will ja nicht gleich die alte linke Forderung nach einer generellen Volksbewaffnung erheben.

Kriege gibt es heute nur noch asymmetrisch (vgl. Afghanistan). Dagegen kann eine konventionell aufgerüstete Armee ohnehin nicht viel ausrichten.

3. Bei Bundestagswahlen sollten auch Jugendliche ab 16 wählen dürfen.
[Nein] Dann kommt wieder nur was mit Klima und Tieren raus. Ich bin ohnehin für ein Wahlalter erst ab 21.

4. Die Förderung von Windenergie soll beendet werden.
[Nein] Ich bin für Staatskapitalismus auf dem Weg zum Kommunismus (har har).

5. Die Möglichkeiten der Vermieterinnen und Vermieter, Wohnungsmieten zu erhöhen, sollen gesetzlich stärker begrenzt werden.
[Ja] Obzwar Gendersprache, also „grün“ oder „links“: Ich bin Mieter und suche eine Lobby, die meine Interessen unterstützt.

6. Impfstoffe gegen Covid-19 sollen weiterhin durch Patente geschützt werden.
[Nein] Darüber gibt es gar nichts zu diskutieren. Kapitalisten, die sich sträuben, kommen in den Steinbruch.

7. Der für das Jahr 2038 geplante Ausstieg aus der Kohleverstromung soll vorgezogen werden.
[Neutral] Warum ist das so wichtig? Die Frage riecht mir zu „grün“.

8. Alle Erwerbstätigen sollen in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sein müssen.
[Ja] Sind Großkapitalisten und Couponschneider erwerbstätig? Oder gar Blogger, die nur deshalb die Miete zahlen können, weil die Lebensabschnittsgefährtin sie durchfüttert? Das ist schon wieder zu vage formuliert: Obdachlose nicht?

9. Das Recht anerkannter Flüchtlinge auf Familiennachzug soll abgeschafft werden.
[Nein] Eindeutig von den blauen Salonfaschisten. Was ist mit den Familien der Glücksritter aus den afrikanischen failed states oder denen der Einwanderer, die vor nichts geflüchtet sind? So kann man das Thema nicht diskutieren.

10. Auf den Umsatz, der in Deutschland mit digitalen Dienstleistungen erzielt wird, soll eine nationale Steuer erhoben werden.
[Ja] Das klingt irgendwie „links“, ist aber auch selbstverständlich. Ich frage mich nur, wie ein „digitaler Dienst“ „national“ definiert werden könnte und sollte. Wenn es aber darum geht, internationale Konzerne, die in Deutschland etwas anbieten, stärker zur Kasse zu bitten, bin ich natürlich dafür, ganz gleich, ob der Firmensitz auf den Cayman Islands oder auf Jersey ist.

11. Die traditionelle Familie aus Vater, Mutter und Kindern soll stärker aus andere Lebensgemeinschaften gefördert werden.
[Nein] Idioten. Das förderte die Gebärfreudigkeit bestimmter Bevölkerungsgruppen, von denen ich gar nicht so viele tyrannische Blagen sehen will. Oder unterstützt die AfD jetzt arabische Clans?

12. Spenden von Unternehmen an Parteien sollen weiterhin erlaubt sein.
[Neutral] Ich bin gegen Parteispenden, aber die werden im Falle eines Verbots drei Fantastilliarden Wege finden, das zu umgehen. Vollständige Transparenz ist viel besser.

13. Studentinnen und Studenten sollen BAfÖG unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern erhalten.
[Nein] Schwachsinn: Das BAfÖG ist dazu da, Studenten aus armen Familien zu unterstützen.

14. In Deutschland soll es generell möglich sein, neben der deutschen eine zweite Staatsbürgerschaft zu haben.
[Neutral] Das riecht schon wieder nach der Lobby, die die Erdogan-Wähler hierzulande unterstützt. Im internationalen Vergleich sind mehrere Staatsbürgerschaften nicht exotisch. Es kommt aber darauf an, wo man wählt. Ich würde das nur einmal erlauben – Einwanderer müssten sich entscheiden.

15. Bundesbehörden sollen in ihren Veröffentlichungen unterschiedliche Geschlechtsidentitäten sprachlich berücksichtigen.
[Nein] Wenn ich diese bürokratischen Wort-Monstren sehe, wird mir übel – Deutsch des Grauens und allein schon deshalb zum Göbeln.

16. Die Ostsee-Pipeline „Nord Stream 2“, die Gas von Russland nach Deutschland, soll wie geplant in Betrieb gehen dürfen.
[Ja] Wer ist denn dagegen – außer den Grünen?

17. Der Solidaritätszuschlag soll vollständig abgeschafft werden.
[Ja] Ich hasse es, „solidarisch“ mit dem Beitrittsgebiet sein zu müssen.

18. Das Tragen eines Kopftuchs soll Beamtinnen im Dienst generell erlaubt sein.
[Nein] Das ist auch gegen das gesetzliche Gebot, der Staat müsse neutral sein. Ich würde das Kopftuch generell für alle verbieten, die in staatlichen oder städtischen Einrichtungen arbeiten. Wer fordert denn so einen Unfug? Ich musste nachschauen: Die „Grünen“ natürlich und die „Linke“. (Ist das wirklich wahr? Unfassbar! Wer „grün“ oder „links“ wählt, unterstützt also die Religiotisierung.)

19. Die Zulassung von neuen Autos mit Verbrennungsmotor soll auch langfristig möglich sein.
[Nein] Langfristig hat Individualverkehr in der Stadt gar keine Zukunft, und die Industrie soll sich ohnehin etwas einfallen lassen, sonst wird sie international noch mehr abgehängt.

20. Der Bund soll mehr Zuständigkeiten in der Schulpolitik erhalten.
[Ja] Diese Kleinstaaterei ist doch so was von frühes 19. Jahrhundert.

21. Der Bund soll Projekte zur Bekämpfung des Antisemitismus stärker finanziell unterstützen.
[Neutral] Diese Projekte sich doch ohnehin nicht wirksam, oder es lässt sich nicht prüfen, ob und wie sie das sind. Und wer soll das wie evaluieren? „Bitte kreuzen Sie an, dass sie kein Antisemit mehr sind, weil unser Projekt sie mit einer Maßnahme beglückt hat“?

22. Chinesische Firmen sollen keine Aufträge für den Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur in Deutschland erhalten dürfen.
[Nein] Damit Deutschland weiter europäisches Schlusslicht beim Digitalen sein kann? Weil die deutsche Regierung ihre Untertanen gar nicht ausspionieren will wie die pöhse chinesische Regierung? Ihr habt doch den Schuss nicht gehört. Oder hat das Donald Trump geschrieben?

23. Der Staat soll weiterhin für Religionsgemeinschaften die Kirchensteuer einziehen.
[Nein] Der Staat sollte Religionen ins Private zurückdrängen.

24. Der kontrollierte Verkauf von Cannabis soll generell erlaubt sein.
[Ja] Auch der unkontrollierte Verkauf, sagt der Marktwirtschaftler. Gebt das Hanf frei!

25. Deutschland sollte aus der Europäischen Union austreten.
[Nein] Friedrich List ist auch dagegen.

26. Die Landeslisten der Parteien für die Wahlen zum Deutschen Bundestag sollen abwechseln mit Frauen und Männern besetzt werden müssen.
[Nein] Das ist gegen das Grundgesetz und würde vom BVerfG in die Tonne getreten. Geschlecht bedeutet auch nicht Qualifikation.

27. Stationäre Behandlungen im Krankenhaus sollen weiterhin über eine Fallpauschale abgerechnet werden können.
[Nein] Das Gesundheitssystem vergesellschaften!

28. Auf hohe Vermögen soll wieder eine Steuer erhoben werden.
[Ja] Wait a minute. Wieder? Jetzt muss man für hohe Vermögen keine Steuern zahlen?

29. Bei der Videoüberwachung öffentlicher Plätze soll Gesichtserkennungssoftware eingesetzt werden dürfen.
[Ja] Vorausgesetzt, sie funktionierte. Vorausgesetzt, die Leute wüssten davon. Vorausgesetzt, mit den Daten würde professionell umgegangen. Oder: Kauft beim Chinesen! Wenn schon, denn schon. Was man nicht verhindern kann, kann man auch gleich begrüßen.

30. Auch Ehepaare ohne Kinder sollen weiterhin steuerlich begüstigt werden.
[Neutral] Vgl. Frage 17.

31. Ökologische Landwirtschaft soll stärker gefördert werden als konventionelle Landwirtschaft.
[Ja] Freilaufende Schweine und Rinder schmecken einfach besser, wenn sie abgeschlachtet wurden.

32. Islamische Verbände sollen als Religionsgemeinschaften staatlich anerkannt werden können.
[Nein] Wer so etwas fordert, hat vom Islam keine Ahnung. Der ist nicht „verkircht“, es gibt also keine „offizielle“ Lehrmeinung. Was glauben die (vermutlich wieder die Grünen), was los wäre, wenn der Staat die Ahmadiyya anerkennte?

33. Der staatlich festgelegte Preis für den Ausstoß von CO2 beim Heizen und Autofahren soll stärker steigen als geplant?
[Neutral] Wie kann eine Partei fordern, wie sich Preise entwickeln? Muss ich erst in Lohn, Preis und Profit nachsehen. Ich habe keine Ahnung.

34. Die Schuldenbremse im Grundgesetz soll beibehalten werden.
[Ja] Allein schon deshalb, weil es sehr unterhaltend ist zuzuschauen, wie das von der EU überschrieben wird.

35. Asyl soll weiterhin nur politisch Verfolgten gewährt werden.
[Ja] Ich finde auch den Ägyptisch-Hethitischer Friedensvertrag ganz o.k.. Aber de facto ist das Asylrecht in Deutschland schon abgeschafft. Einwanderer wurden in der Vergangenheit zum Lügen gezwungen, weil es keine andere Option außer „Asyl“ gab, legal nach Deutschland zu kommen. Der Punkt stammt vermutlich von der AfD, lässt sich aber leicht unterlaufen, wenn man andere Motive erlaubt als die Flucht vor irgendetwas.

36. Der gesetzliche Mindestlohn soll spätesten im Jahr 2022 auf mindestens 12 Euro erhöht werden.
[Ja] Schon klar, dass die „Linke“ auf dem Weg zur Robinhoodisierung ihrer Politik das fordert. Aber warum nicht 13 oder 14 Euro? Oder gar: Nehmt euch die Betriebe?

37. Der Flugverkehr soll höher besteuert werden.
[Ja] Wieder so ein Unsinn. Wenn schon, dann muss jeder Cent in den Ausbau der Bahn fließen. Natioale Flüge und Flughäfen gehören langfristig ganz abgeschafft. Fordert aber niemand.

38. Unternehmen sollen selbst entscheiden, ob sie ihren Beschäftigten das Arbeiten imHomeoffice erlauben.
[Nein] Die Beschäftigten sollen das entscheiden.

Und was soll ich jetzt mit meiner Zweitstimme wählen?




Opium für das kleine Volk

the honor of kings

Telepolis: „Außer Freitag, Samstag und Sonntag von 20 bis 21 Uhr sind Online-Spiele in der Volksrepublik China fortan Erwachsenen vorbehalten“.

Gut oder schlecht? Ein Kommentator schreibt dort: Der Vergleich zu Opium ist sicher nicht zufällig gezogen, wenn man auf die chinesische Geschichte schaut: Opium hatte China geschwächt und die Opium-Kriege führten u.a. zur britischen Besetzung Hongkongs, Plünderung des Sommerpalasts durch britische Truppen und kolonialer Fremdbestimmung.

Der Vergleich zu Opium ist aber überaus passend, wenn man bedenkt, welche perfiden Mechanismen viele Online-Spiele einsetzen, um Suchtverhalten hervorzurufen und welchen schädlichen Teufelskreis sie in Gang setzen können, wenn sie einerseits schnelle Erfolgserlebnisse bieten, andererseits aber durch die beanspruchte Zeit Erfolgserlebnisse im realen Leben zunehmend verhindern. (Vgl. Wall Street Journal.)

Als langjähriger Gamer vermutet man natürlich sofort ein größeres Bullshit-Bingo. Hierzulande sollten sogar Spieler bestraft werden. Die Reaktionen der Qualitätsmedien sind daher verhalten, da man vermutlich weiß, dass die Glashäuser, in denen man sitzt, völlig entglast werden würden, entgegnete jetzt mit den üblichen Textbausteinen à la: Die pöhse Diktatur in China schränkt wieder die Freiheiten ein.

Also gemacht. Erstens geht es um Jugendliche. Zweitens: Soll der Staat so etwas anordnen oder die Eltern oder irgendeine „Jugendschutzbehörde“ – und wer soll das wie kontrollieren? Spielen die lieben chinesischen Kleinen The Honor of Kings auf dem Smartphone, auf der Konsole, auf dem PC oder in Internet-Cafes? Online-Spiele ohne vorherige Nutzerregistrierung unter Klarnamen seien in der Diktatur (har har) seit 2019 illegal, schreibt Telepolis sehr „neutral“. Zahlungen dürfen nur über bestimmte, staatlich vorgegebene Schnittstellen erfolgen. Letzteres find ich übrigens völlig ok, wenn es um Jugendliche geht.

By the way: Was machen eigentlich HiPiHi (ein chinesischer Klon von Second Life, burks.de berichtete)? Oder Entropia Universe? (Die einschlägige wissenschaftliche Presse gibt es noch.) Vielleicht will die chinesische Regierung die Kinderchen nicht mit etwas Japanischem behelligen – wegen weltanschaulicher Bedenken?

Mir weht da viele heiße Luft entgegen. Ich sehe in der staatlichen chinesischen Propaganda gegen „Online-Spiele“ auch keinen Unterschied zu dem, was einem hier aus den Anstalten Qualitätsmedien mehrheitlich entgegenschwallt. Man darf vermuten, dass die übergroße Mehrheit der chinesischen Eltern ohnehin hinter den aktuellen Gesetzen steht. Hierzulande fordern die Grünen genau das, was in China umgesetzt wurde. So what?




Kriegerische Bevölkerung und aufgezwungener Feminismus

„In jeder Gesellschaft, die es je gegeben hat, sind Frauen (und Kinder) bei weitem das Wichtigste, was die Krieger haben und wofür sie kämpfen. Jeder Versuch von außen, sich an den Frauen und Kindern des Gegners zu vergreifen, wird daher zwangsläufig zu heftigstem Widerstand führen. Lieber sterben, als seine Frau in den Armen des Eroberers zu verlieren, sagte schon der homerische Held Hektor! Indem sie versuchten, dem Land den westlichen Feminismus aufzuzwingen, sorgten die USA dafür, dass sich ein Großteil der einheimischen Bevölkerung, sowohl der männlichen als auch – oft genug – der weiblichen, mit Händen und Füßen wehren würde. Und genau das taten sie, vor allem auf dem Lande.“ (Martin van Creveld, Militärwissenschaftler, hinter der Paywall der Welt)

Bei Wikipedia sollte man aber die Kritik an seinen´Thesen zur Kenntnis nehmen.




Vorhersehbar, revisited

„Wir haben gewusst, dass es so kommen wird. Ich habe Dorfbewohner mal gefragt: Was ist besser, die Zeit unter den Taliban, oder die Zeit jetzt mit uns? Die Antwort lautete: die Taliban.

Weil die berechenbar seien und es keine Korruption gegeben habe. Weil eine Ruhe ohne Freiheiten und mit Scharia erträglicher sei als dauernder Krieg mit Angst um das Leben von Frau und Kindern. Das zeigte mir, wie verzweifelt die Leute sind. Die Afghanen mögen ein kriegerisches Volk sein, aber sie sind des Kriegs müde. (…)

Ja, wir haben versucht, die Soldaten gut auszubilden. Aber es bringt nichts, wenn die Kommandeure den Sold bekommen, sich den Großteil in die eigene Tasche stecken und bei den einfachen Soldaten unten nichts ankommt. Um ihre Familien durchzubringen, holen die sich dann ihr Geld, indem sie die Zivilbevölkerung ausbeuten. (…)

Wir haben letztlich eine Handvoll Leute reich gemacht, aber die Mehrheit hat nicht profitiert.“ (Ein Hauptfeldwebel der Bundeswehr, der in Afghanistan war, hinter der Paywall der „Welt“)

Noch Fragen?




Die Lage auf dem bitteren Feld und auch anderswo

schreibmaschine

Schadsoftwarebefall – wenn ich das schon höre. „Befall“ ist anschaulich, also zu begrüßen aus sprachpuristischer Sicht, aber suggeriert, es handele sich um eine Art Naturereignis wie Blattlausbefall oder Pilzbefall. Bei Malware oder schädlicher Software spielt jedoch immer der Nutzer („DAU“) mit – der auch ein „IT-Experte“ sein kann. Von selbst kommt nix.

So auch aktuell bei Heise: „Nach Malware-Infektion: Katastrophenfall im Landkreis Anhalt-Bitterfeld“. „Aus bislang unbekannter Quelle seien mehrere Server infiziert worden, hieß es. In der Folge sei eine noch nicht genau spezifizierte Zahl von Dateien verschlüsselt worden.“ Also wieder mal Ransomware. (Ich lese solche Beiträge bei Heise mehr wegen der Kommentare.) Bei Wikipedia braucht man nur einen Halbsatz, um alles zu wissen: “ Zu diesen Wegen zählen präparierte E-Mail-Anhänge“… usw.. Da lobe ich dir doch meine Orga.

Räusper. Ich kenne eine Firma, einen internationalen Konzern, bei der die Leute, die die digitale Infrastruktur verantworten, wirklich fit sind, obwohl die Nutzer gezwungen werden, Outlook zu benutzen. Bei der Firma geht es um Daten – wenn es da ein Leck gibt, könnten sie den Laden gleich zumachen. Diese IT-Leute schicken in unregelmäßiger Folge Mails an alle Mitarbeiter (mehrere Tausend), die Phishing simulieren, vertrauenswürdig und so. Die sind recht phantasievoll dabei. Und immer wieder fällt jemand darauf rein, sogar die obersten Bosse. Und dann werden sie belehrt, müssen das bestätigen, und es spricht sich rum, wer so blöd war. Das finde ich gut. Eben praxisorientiert. Für die „Opfer“, die in Wahrheit Täter sind, peinlich. Und sogar dort wird man bestaunt, wenn man sich E-Mails im Textformat anzeigen lässt. Aber dann sieht man doch das Logo gar nicht? Tja.

And now for something completely different. Oskar Lafontaine nennt Karl Lauterbach eine „Covid-Heulboje“. Ich weiß nicht, was in diese Leute gefahren ist. Man kann von den Maßnahmen des Ausschusses der herrschenden Klasse, der die Geschäfte der Bourgeoisie organisiert, halten, was man will, aber hinterher weiß man sowieso immer mehr. Wenn die deutschen Medien nicht solche Kommunistenfresser Siniphoben wären, könnte man die Effizienz, wie man eine Seuche bekämpft, vergleichen, etwa zwischen staatskapitalistischen Länder wie der VR China und den Marktgläubigen. Ee zählt, was hinten raus kommt.

Natürlich bestimmt die Pharma-Industrie, wo es seuchenpolitisch langgeht und wird auch nichts goutieren, was ihren Profit schmälert. Die Interessen der Regierung und einzelner Sektionen des Kapitals sind aber nicht unbedingt identisch. Viele Dinge, die Lafontaine sagt, etwas über die Inzidenzen, sind richtig, aber ich verstehe die Botschaft nicht. „Der Lockdown hat bei den Kindern mehr Schaden angerichtet und ihnen mehr Leid zugefügt, als es eine Infektion mit Covid je könnte“. Das ist, mit Verlaub, einfach Bullshit-Bingo, weil man den eventuellen „Schaden“ ohnehin nicht messen kann. Besser man macht zuviel als zu wenig. Verharmlosen ist wohlfeil.

And now for something completely different. Don Alphonso ist wirklich lesenswert, weil er recherchiert (leider Paywall): „Im Inneren der angeblichen Kampagne gegen Baerbock“. Fazit: Es gibt keine Kampagne gegen Baerbock. Das dachte ich mir schon, aber es zu behaupten, ist legitim im Rahmen von Wahlpropaganda. Nicht neu ist auch, dass die Medien wolkige Thesen der Grünen zu diesem Thema einfach kritiklos wiederkäuen. Das alles kann man einfacher auf den Punkt bringen – wie ein bekannter Autovermieter.

And now for something completely different. Bei der Taz ist offenbar das deutsche Verb „hassen“ abgeschafft. Vielleicht erzeugt das zu viel Mikroaggressionen. Ich speak immer worse Denglisch.

balkonien




Schule des Haushalts

haushaltungschule

Meine Mutter (ganz rechts) im Jahr 1941 beim Nähunterricht in der „Haushaltungsschule“ in der ehemaligen Märkischen Kinderklinik.




Bunte Heuchelei

katheoy

Das Stammpublikum kennt mein Misstrauen: Wenn ich das Gefühl habe, durch die Mainstream-Medien in eine Volksgemeinschaft einen vermeintlichen gesellschaftlichen Konsens eingemeindet zu werden, den es bei näherem Hinsehen gar nicht gibt, stimmt etwas nicht. Warum jetzt die allgemeine Schnappatmung über ein ungarisches Gesetz, das vermutlich niemand im Wortlaut gelesen hat? Warum wieder Fackelzüge und Lichterketten Gesicht zeigen für Homosexuelle und Transgender-Personen?

Müssen wir bald vor der so genannten Regenbogenfahne strammstehen, die ich eher mit dem Bauernkrieg oder Cusco verbinde, weil ich nicht nach „links“identitärer Art unentwegt nur an Geschlechtliches denke?

Allüberall schwallt einem das Thema entgegen. Ich finde die Entscheidung der UEFA, welche Motive sie auch immer haben mag, korrekt. (Ich vermute, dass mir niemand aus der Journaille beipflichtet außer den rechten Pappkameraden, und die aus ganz anderen Gründen – und das macht mich stutzig). Wenn die gutmenschliche gefühlte Masse auch einmal „Zeichen“ gegen die kapitalistische Ausbeutung setzen würde, etwa rote Fahnen schwenkte, – aber nein, es geht immer nur um skurrile Minderheiten Sex.

Hintergrund ist ein vergangene Woche vom ungarischen Parlament verabschiedetes Gesetz, das „Werbung“ für Homosexualität oder Geschlechtsangleichungen bei Minderjährigen verbietet, schreibt der Tagesspiegel. Dazu gibt es nur wenige besonnende Stimmen wie die Gerhard Papkes, dem Vorsitzenden der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft: Das Ganze war eben nicht geplant als allgemeine Aktion für Diversität und Liberalität, sondern als politische Demonstration gegen Ungarn. Und damit hätte man die Ungarn vor der Weltöffentlichkeit entwürdigt und bloßgestellt. (…) Aber es kann auch nicht sein, dass jetzt alle Leute ständig vor der Regenbogenflagge salutieren müssen. Mit ihr verbindet sich inzwischen ein Machtanspruch, dem auch einmal Grenzen zu setzen sind. In der Politik traut sich das aber kaum noch jemand. (…) Viele, die Ungarn Homophobie vorwerfen, kennen scheinbar die Sachlage überhaupt nicht. Es gibt in Ungarn das Institut der eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, ähnlich wie in Deutschland. Schwule und Lesben können in Ungarn sicher leben, ganz im Gegenteil zu vielen islamischen Ländern, wo Frauenrechte und Homosexuelle nichts gelten.

Ach? Dann war alles nur heiße Luft? In einem Land mit sehr fragwürdigen Paragrafen zum „Kinderschutz“ sollte man sich bedeckt halten, eine andere Regierung zu kritisieren, die verbietet, etwas Minderjährigen zuzumuten – natürlich unter dem propagandistischen Deckmantel, es gehe gegen Pädophilie. Kein Mensch sollte glauben, dass den ungarischen Präsidenten Schwule und Lesben interessieren – es handelt sich um reine Innenpolitik nach der Methode Donald Trumps: Sollen die Leute sich über mich aufregen, dann beschäftigen sie nicht mit den wirklich wichtigen Dingen (wie zum Beispiel dem Verfahren der EU gegen Ungarn wegen Verletzung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips). Ich würde es genau so machen, wäre ich Diktator von Deutschland oder von anderswo.

Warum also die unerträglich medial gleichgeschaltete heuchlerische Aufregung? Heuchlerisch? Dann schauen wir dorthin, wo es nicht nur zwei Geschlechter gibt, sondern Transgender-Personen anerkannt sind – und warum das so ist. (Man muss nicht Treechada Petcharat fragen.)
Matt Chauveau, an expat and the co-founder of MojoSons Events in Bangkok observes that Buddhism permeates Thai society, and despite the fact that to an outsider looking in Thailand seems remarkably open, the country is actually quite conservative culturally. The catch is that Buddhism is vastly different than the Abrahamic faiths. Tolerance and understanding are central Buddhist tenants, and there is even an explanation for transgender people in Buddhist mythology. Thai Buddhists believe that kathoey are women who were born as men in order to atone for sins committed in a past life; they are thus looked upon with pity and empathy rather than hatred or disgust. Another factor Matt notes stems from Thailand’s history: Thailand was the only country in Southeast Asia to avoid being wholly colonized and influenced by the Western Powers during the 19th century. In the nations Europe colonized European values were partially forced on native populations; this did not happen in Thailand.

Umkehrschluss: Toleranz und Verständnis sind eben nicht Teil der abrahamitischen Religionen. Und das Christentum, das mit dem Kolonialismus und späteren Imperialismus meist zwangsweise anderen Nationen aufgedrückt wurde, exportierte damit auch seine intolerante und prüde Sexualmoral. Nur eben nicht nach Thailand. Vielleicht haben unsere Regenbogenfahnenschwingerglottisschlaginnen nur heimlich ein schlechtes Gewissen und machen deshalb so einen Radau, weil sie hoffen, sich und ihrer Peer Group zu zeigen, dass sie die Guten sind.




Weniger vages Räsonnement

„Ich forderte auf, weniger vages Räsonnement, großklingende Phrasen, selbstgefällige Bespiegelungen und mehr Bestimmtheit, mehr Eingehn in die konkreten Zustände, mehr Sachkenntnis an den Tag zu fördern. (…) Ich begehrte dann, die Religion mehr in der Kritik der politischen Zustände, als die politischen Zustände in der Religion zu kritisieren, da diese Wendung mehr dem Wesen einer Zeitung und der Bildung des Publikums entspricht, da die Religion, an sich inhaltslos, nicht vom Himmel, sondern von der Erde lebt, und mit der Auflösung der verkehrten Realität, deren Theorie sie ist, von selbst stürzt. Endlich wollte ich, daß, wenn einmal von Philosophie gesprochen, weniger mit der Firma: „Atheismus“ getändelt (was den Kindern ähnlich sieht, die jedem, der’s hören will, versichern, sie fürchteten sich nicht vor dem Bautzenmann), als vielmehr ihr Inhalt unter’s Volk gebracht würde.“ (Karl Marx über die Presse und Religionskritik, an Arnold Ruge, 30. Nov. 1842, MEW 27, 412)




Wg.: Respekt und fromme Verehrer des höheren Wesens „Allah“

Sawsan Chebli sagte: „Wir dürfen die Integrationsdebatte nicht mit der Diskussion über Muslime und Islam oder Religion insgesamt vermengen. Mein Vater ist ein frommer Muslim, spricht kaum Deutsch, kann weder lesen noch schreiben, ist aber integrierter als viele Funktionäre der AfD, die unsere Verfassung in Frage stellen.“…..

Katja Schneidt, Autorin und seit zwei Jahrzehnten ehrenamtlich für Flüchtlinge tätig, hat eine Anwort an die Dame geschrieben:

„Sehr geehrte Frau Sawsan Chebli.
Ich habe lange überlegt, ob ich Ihnen wirklich ein eigenes Posting widmen möchte aber ich mache es in der Hoffnung, dass ich mich hinterher besser fühle, wenn ich mir die Seele frei schreibe!

Das Sie vor Scham nicht im Boden versinken, wird mir immer unbegreiflich bleiben und ich als Muslimin sage Ihnen, dass ich mich für Sie gleich doppelt schäme und das Wort „Glaubensschwester“ mir im Zusammenhang mit Ihnen im Halse stecken bleiben würde!

Ihre Familie kam 1970 als Flüchtlinge nach Deutschland und obwohl Ihnen keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, haben Ihre Eltern hier munter weiter Kinder in die Welt gesetzt, obwohl die Zukunft der Familie völlig unsicher und im unklaren war. Unter diesen Voraussetzungen 13 Kinder in die Welt zu setzen und die finanzielle Verantwortung dem Deutschen Steuerzahler zu übertragen, ist einfach nur dreist und verantwortungslos. Ich habe keine Ahnung, was in ihren Eltern vorging.

Ihr Vater hat die Deutschen Gesetze von Anfang an mit Füßen getreten. Drei mal wurde er Rechtmäßig ausgewiesen und drei mal ist er illegal wieder eingereist! Das weder ihre Mutter noch ihr Vater sich die Mühe gemacht haben, die Sprache des Landes zu erlernen, das immerhin eine fünfzehnköpfige Familie über viele, viele Jahre versorgte und ernährte, ist an Respektlosigkeit kaum zu überbieten.

Das Sie, Frau Chebli aber nicht müde werden, immer und immer wieder Respekt für Muslime und Migranten einzufordern, zeigt schon das ganze Dilemma auf!

Wo bleibt der Respekt, den Sie den Menschen entgegen bringen, die sie und ihre Familie mit Wohnraum, Nahrung, Kleidung und Medizin versorgt haben? 15 Personen über 18 Jahre mit genau diesen Dingen zu versorgen, kostet ungefähr 90.000 Euro im Jahr und in 18 Jahren über 1,6 Millionen. Und selbst wenn es nur 10 Jahre gewesen wären, hätte ihre Familie den Steuerzahler ein Vermögen gekostet! (500,00 Euro pro Person an Leistung, Krankenversicherung, Wohnraum, etc.pro Monat)!!!

Und sie haben wirklich den Nerv die Menschen, die für Sie und Ihre Familie so viel ermöglicht haben, zu jeder Gelegenheit als Rassisten zu bezeichnen? Sie haben den Nerv und fordern noch mehr Toleranz?

Sie spalten seit Anbeginn ihrer „Politischen Tätigkeit“ (Wobei nicht nur ich mich frage, worin diese eigentlich besteht, denn Ihr Gestammel welches Sie bei jeder Pressekonferenz von sich geben, ist das bestbezahlteste Gestammel welches ich jemals gehört habe!) die Bevölkerung und heizen mit so Tweets wie „Wir sind zu wenig Radikal“, die Stimmung auf. Das Sie diesen nach Kritik gelöscht haben, macht es nicht besser!
Sie bezichtigen Hinz und Kunz der sexuellen Belästigung und vergessen dabei völlig, das Sie in einem freien Land leben und unsere Männer nicht so triebgesteuert sind, dass sie jede Frau betatschen, die sich nicht bis zur Unkenntlichkeit verhüllt hat.

Und das Sie eine Stewardess unterschwellig des Rassismus bezichtigen, weil sie die Dreistigkeit besaß, sie in Englisch anzusprechen und Sie ja Deutsch sind, setzt dem ganzen noch die Krone auf! Tipp von mir: Tackern Sie sich ihren Deutschen Pass doch sichtbar an Ihre Bluse, dann passiert das nicht mehr. Es kann niemand etwas dafür, dass Sie ein fremdländisches Aussehen haben und es könnte daran liegen, dass Sie Eltern mit einem Migrationshintergrund haben! Meine Österreichische blonde und blauäugige Freundin ist in die Türkei ausgewandert und hat dort einen Sohn geboren. Glauben Sie, dass der Junge jetzt automatisch schwarzhaarig ist und für einen Türken gehalten wird? Eher nicht!

Wissen Sie was? Ich bin es leid, dass Menschen wie Sie, von der Weltoffenheit und Hilfsbereitschaft der Deutschen profitieren aber trotzdem bei jeder Gelegenheit die Rassismuskeule schwingen. Denken Sie mal drüber nach was aus ihnen geworden wäre, wenn Sie in dem Heimatland ihrer Eltern leben müssten und dann werden Sie hoffentlich ganz demütig!

Die meisten Menschen die hier leben sind herzlich, weltoffen, tolerant und wollen nur eines: Friedlich und sicher leben und keine Bevorzugung von Bevölkerungsgruppen und Religionen! Und das ist kein Rassismus, sondern das 1 X 1 eines guten Miteinander!“
#Katjaschneidt“

Mir ist es übrigens schnurzpiepegal, ob irgendwelche rechten Honks den Brief auch gut finden.




Tomyris die Barbarin

Tomyris

Irgendein Algorithmus spülte mir den kasachischen (!) Film Tomiris in meine Amazon-Prime-Timeline. Man weiß nach fünf Minuten beim gelangweilten Zappen, worum es sich handelt. Hier also auf den ersten Blick: Conan die Barbarin, mit besseren Kostümen. (Mongolisch? Hunnisch? Dschingiskhanisch? Kasachisch?) Auch der zu vermutende Plot ließ meinen Finger schon über der Aus-Taste schweben. Vater eines Mädchen wird ermordet. Tochter wird laracroftmäßig Kämpferin (nein, Mönche spielen nicht mit). Die Pöhsen werden massakriert. Heute, dem Mainstream gehorsam folgend, noch schön divers und pseudofeministisch aufgehübscht.

Ich habe mir das Werk dann doch bis zum Schluss angetan. Ein Hinweis zu Beginn ließ mich stutzen: Die Geschichte stammt von Herodot? Ist also keine Fantasy? Fünftes Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung niedergeschrieben – die Herrscherin eines Reitervolkes aus der südrussischen Steppe killt den Perserkönig Kyros II.? Ist das wirklich wahr? Also habe ich mir die Historien auch sofort besorgt. Die nicht zu kennen war ohnehin eine klaffende Bildungslücke.

Es war nun, nachdem ihr Mann gestorben war, seine Frau Königin der Massageten; Tomyris war ihr Name. Zu ihr schickte Kyros und hielt um ihre Hand an, indem er vorgab, die zur Frau haben zu wollen. Tomyros aber begriff, dass er nicht um sie, sondern um die Herrschaft über die Massageten warb, und lehnte seinen Besuch ab.

HistorienHerodot

Iranisches Reitervolk? In meiner Ausgabe schildert Herodot die Region, um die es hier geht. Von diesem Volk aber wird berichtet, dass es sowohl groß als auch wehrhaft ist und gegen Osten und zum Aufgang der Sonne hin wohnt, jenseits des Flusses Araxes gegenüber den Issedonen. Es gibt jedoch Leute, die behaupten, dass dieses Volk auch ein skythisches ist.

Die Namen klingen exotisch und geheimnisvoll – der längste Nebenfluss der Kura. Kaukasus! Wieso sagt mir das alles nichts? Das hätten mir meine Geschichtslehrer vermitteln können, sind doch die Großregionen der Antike nicht so kompliziert zu verstehen: Östlich des Römischen Reiches lag das Sassanidenreich, mit dem die Römer irgendwie immer im Krieg waren wie mit ihren Vorläufern, den Parthern. Ich finde es faszinierend, dass die römischen Legionen am Euphrat standen! Jenseits der Perser kommt dann Indien; nur Alexander der Große schaffte es bis dahin. Und danach liegt „rechts“ davon China, das aber mit Zentraleuropa vermutlich mehr über die nördlicher gelegene Seidenstrasse handelte. So könnte man das Schülern schnell begreiflich machen – das schon damals alles mit allem zusammenhing und – trotz der unendlichen Weiten – Gelehrten wie Herodot bekannt war. Herodot schildert nicht unbedingt validierte Fakten, aber für einen Geschichtsschreiber, der vor zweieinhalbtausend Jahren lebte, ist er großartig informiert und war in Geographie vermutlich besser als die meisten heutigen Bundestagsabgeordneten.

massageten

Ich sehe mich als Jungen über ein dickes Abenteuerbuch gebeugt, dessen Titel ich leider vergessen habe, versunken in Erzählungen von fernen Ländern, die auch auf einem anderen Planeten oder in Mittelerde hätten liegen können. Da war vom Khaiber-Pass die Rede, und ich schwor mir, dass ich den aufsuchen würde, wenn ich erwachsen wäre, wie schon der legendäre Alexander. Den Plan hätte ich noch verwirklichen können, als ich stattdessen nach Südamerika reiste. Heute wäre es mir nicht mehr möglich aus vielen Gründen – ich kann immerhin drüberzoomen. Nur-Sultan wäre vielleicht eine fast so exotische Alternative. (Hat jemand Astana gesagt?)

Es geht also um einen bewaffneten Konflikt zwischen dem persischen Großreich und einem Stammesverbund von Reiternomadenvölkern der eurasischen Steppen, die vermutlich eher unter dem Begriff Skythen bekannt sind. Mehr als ein halbes Jahrtausend später tauchen diese Völker dann unter dem Namen Hunnen im Westen auf.

Tomyris

Der Film „Tomiris“ ist aus meiner Sicht natürlich eher ein Kinderfilm. Die Details sind oft albern. Aber man könnte Mädchen oder jungen Frauen damit zeigen, dass Frauen zu alle dem imstande sind, was auch Männer können. Die geringen körperlichen Unterschiede, was Ausdauer und Physis angehen, sind irrelevant. Das galt eben nicht nur für die Wikinger. (So verschweigt uns zum Beispiel die Populärkultur, dass es auch Frauen gab, die in Rom als Gladiator auftraten.) Mein Urteil fällt daher insgesamt – und für mich selbst überraschend – eher positiv aus.

Ich sah den Film im Original mit Untertiteln – die Darsteller sprechen eine alte Turksprache, was nicht unbedingt historisch korrekt sein muss und die sich so hart anhört wie Althochdeutsch; die Perser modernes Farsi. Über die Hauptdarstellerin Almyra Tursin gibt es kaum aussagekräftige Websites, was mich wundert. Positiv: Sie isst Fleisch. (Gibt es in Kasachstan Vegetarier?)

Tomyris

Da wurde der größte Teil des persischen Heeres dort im Land vernichtet, und auch Kyros selbst kam ums Leben, nachdem er insgesamt neunundzwanzig Jahre lang König gewesen war. Tomyris aber füllte einen Schlauch mit Menschenblut und suchte unter den toten Persern den Leichnam des Kyros; und als sie ihn gefunden hatte, steckte sie seinen Kopf in den Schlauch….

Nachtrag: Produzentin des Films ist Aliya Nazarbayeva, die Tochter des ehemaligen kasachischen Diktators Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Was von Tomyris als Warrior Queen zu halten ist, sollte besser Alice Schwarzer beantworten. „The novel was so successful that Tomyris remains a popular name for newborn girls in Kazakhstan.“




Agrarisch und revolutionär II

wassermühle
Credits: Stadt Zeven (Wikipedia)

Zweiter Teil von Agrarisch und revolutionär I: Die Ausgangsfragen waren: Warum entstand der Kapitalismus in Europa zuerst, was genau ist der Feudalismus, der ihm vorausging? Bedarf das einer Sklavenhalterwirtschaft – oder ist letztere ein historische Sonderfall, also ein Zufall? Entwickelt sich jede Gesellschaft weltweit (!) nach immer ähnlichen Schemata, bei denen der Feudalismus offenbar nie fehlt, wohl aber oft eine Ökonomie, auf der das römische Weltreich fußte – wie etwa in Japan oder China?

Einer der interessantesten Aspekte, den Mitterauer einführt, ist die ökologische Grenze. Die Arab Agricultural Revolution kam Ende des 12. Jahrhunderts zum Erliegen. Warum? Die Bewässerungsanlagen, die für eine hoch spezialisierte Landwirtschaft braucht, wurden vernachlässigt und verfielen. Die Produktionsverhältnisse, die im Orient wie im Europa „frühfeudal“ waren, ließen auch von der Aristokratie organisierte kollektive Arbeitsformen wie in der Asiatischen Produktionsweise nicht zu.

Die Bauern wurden nicht – wie im mitteleuropäischen Frühfeudalismus – in der Grundherrschaft „organisiert“, sondern von ihrem Land vertrieben. Mitterauer sieht die Ursachen des Niedergangs der islamische Welt in der Ökonomie in den „politischen Verhältnissen“, zum Beispiel in der „Vergabe von Staatsdomänen in Steuerpacht zum Zweck der Besoldung, die zur Überausbeutung“ führte. Das aber ist weder logisch und zwingend, weil „Politik“ als Teil der Überbaus dann mehr oder weniger zufällig und losgelöst von den materiellen Bedingungen agierte.

wassermühle
Credits: Feudale Bockwindmühle, aus einem Alexanderroman, 14. Jh.,Bodleian Libraries

Wenn man Zentral- bzw. Nordeuropa mit dem Orient und China vergleicht, wird die jeweilige ökologische Grenze klarer: Die „grüne Revolution“ zur Zeit der Song Dynastie fußte im Süden Chinas vorwiegend auf dem Reis-Anbau; im Norden dominierte zunächst Hirse, dann Weizen und Gerste. Die Chinesen revolutionierten den Reis-Anbau kontinuierlich. Aber: „Aus der Intensivierung des Nassreisbaus ergab sich für die chinesische Landwirtschaft eine ganz andere Entwicklung als für die europäische durch deren Kulturpflanzen Roggen und Hafer.“ Beim Reis geht es vor allem um Bewässerungstechnik; tiefes Pflügen wie in Nordeuropa mit seinen nassen Böden spielt keine Rolle. Auch wurde kein Zugvieh gebraucht. Großviehhaltung wurde in Landwirtschaft nicht integriert. In Europa schuf der Einsatz von Wagen für schwere Güter – für den man eben Zugvieh brauchte – langfristig bessere Chancen für das Transportwesen als etwa das im Orient dominierende Kamel.

wassermühle
Credits: Chinesisches Dorf mit Reisfeldern, Chinatours.de

Das gilt auch für Wassermühlen: Während im Frankenreich, also im Frühfeudalismus, die Wasserkraft, eine Form, die Gesetze der Mechanik auszunutzen, um Energie zu gewinnen, immer wichtiger wurde, ließen in China zur selben Zeit die Herrscher Wassermühlen, vor allem in buddhistischen Klöstern, zerstören. Die chinesische Agrarrevolution blieb von den Niederschlägen des Sommermonsums abhängig. Der intensiviere Reisanbau kam aber bald an seine Grenze – nach Zerfall der Song_Dynastie stagnierte die Landwirtschaft. „Die Höhe der Zuwachsraten in den einzelnen Großregionen des Kontinents entspricht deutlich den dort jeweils eingeführten landwirtschaftlichen Innovationen. West- und Mitteleuropa liegt hier [ab der Jahrtausendwende] bei weitem an der Spitze.“

Interessant ist, dass sowohl das Kalifenreich als auch China Anfang des Jahrtausend Mitteleuropa technisch haushoch überlegen waren: „In der Langzeitperspektive Industrialisierung betrachtet, kam diesen technischen Innovationen allerdings keine entscheidende Bedeutung bei.“ Die industrielle Revolution im 19.Jahrhundert setzte voraus, dass die Wasserenergie durch andere Energieformen ersetzt wurde. Die ökologische Basis schaffte hier Europa einen entscheidenden Entwicklungsvorsprung.

wagen im Mittelalter
Credits: Schwerer zweirädriger Wagen, Luttrell Psalter, 1325-1340, British Library, London

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Bisher zum Thema Feudalismus erschienen:
– Reaktionäre Schichttorte (31.01.2015) – über die scheinbare Natur und die Klasse
– Feudal oder nicht feudal? tl;dr, (05.05.2019) – über den Begriff Feudalismus (Fotos: Quedlinburg)
– Helidos, ubar hringa, do sie to dero hiltiu ritun (08.05.2019) – über die Funktion der verdinglichten Herrschaft in oralen Gesellschaften (Quedlinburger Domschatz I)
– Tria eburnea scrinia com reiquis sanctorum (09.05.2019) – über Gewalt und Konsum der herrschenden Feudalklasse als erkenntnistheoretische Schranke (Quedlinburger Domschatz II)
– Die wâren steine tiure lâgen drûf tunkel unde lieht (10.05.2019) – über die Entwicklung des Feudalismus in Deutschland und Polen (Quedlinburger Domschatz III)
– Authentische Heinrichsfeiern (13.05.2019) – über die nationalsozialistische Märchenstunde zum Feudalismus (in Quedlinburg)
– Der Zwang zum Hauen und Stechen oder: Seigneural Privileges (15.06.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [I] (24.07.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [II] (03.05.2020)
– Agrarisch und revolutionär (I) (21.02.2021)
– Trierer Apokalypse und der blassrose Satan (17.03.2021)
– Energie, Masse und Kraft (04.04.2021)
– Agrarisch und revolutionär II (15.05.2021)
– Gladius cum quo fuerunt decollati patroni nostri (Essener Domschatz I) (28.10.2021)
– Magische koloniebildende Nesseltiere mit kappadokischem Arm und Hand (Essener Domschatz II) (14.11.2021)
– Ida, Otto, Mathilde und Theophanu, kreuzweise (Essener Domschatz III) (27.11.2021)
– Hypapante, Pelikane und Siebenschläfer (Essener Domschatz IV) (17.12.2021)
– Pantokrator in der Mandorla, Frauen, die ihm huldigen und die Villikation (Essener Domschatz V) (23.12.21)
– Jenseits des Oxus (09.01.2022)
– Blut, Nägel und geküsste Tafeln, schmuckschließend (Essener Domschatz VI) (18.04.2022)
– Missing Link oder: Franziska und kleine Könige (28.05.2022)
– Die Riesen von Gobero (Die Kinder des Prometheus Teil I) (18.07.2022)
– Die Liebhaber von Sumpa, Ackergäule und Verhüttung (Die Kinder des Prometheus Teil II) (25.07.2022)

Zum Thema Sklavenhaltergesellschaft:
Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil I]) 05.11.2020)

Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil II]) 27.12.2020)




In der eigenen Filterbubble

Berliner Zeitung

Franz Sommerfeld schreibt auf Facebook: „Die Berliner Zeitung verabschiedet sich von der Zeitung. Am Wochenende heisst sie nur noch so, ist aber keine mehr, sondern wurde in ein Magazin verwandelt. Damit verzichtet das einst auflagenstärkste Aboblatt der Hauptstadt darauf, an den beiden Tagen der Woche, an denen am längsten und meisten gelesen wird, mit dem Anspruch einer Zeitung den aktuellen öffentlichen Diskurs durch Reportagen, Analysen und Kommentare zu prägen. Die neuen Verleger kehren damit als erste in Berlin der grossen Tradition der Zeitung den Rücken, die über lange Zeit die Öffentlichkeit entscheidend bestimmte.“

„Die alten Leserinnen und Leser der Berliner Zeitung werden ihre Erwartungen am ehesten mit der Wochenendbeilage der taz erfüllen können. Das ist keine Frage von Rechts oder Links. Die taz liefert eine gelungene Mischung aus aktueller Berichterstattung und Zeitgeist-Themen, publiziert dicht am Nerv der Zeit und spürt den Grundströmungen der Gesellschaft nach. Ihre Texte sind relevant, während viele durchaus gute Stücke des Magazins der Berliner Zeitung auch letzten Monat oder nächsten Herbst erscheinen könnten.“

Ich teile Sommerfelds positive Meinung über die „taz“ nicht, aber die Entwicklung ist typisch. Wieder eine Zeitung weniger. Das muss man nicht bedauern, es ist konsequent. Das Sterben der klassischen Printmedien wird weitergehen.

Die „taz“ hat sich als Organ der neuen konservativen Mittelschichten etabliert, die sich mit „Klima retten“ und Gendersternchen ihr schlechtes Gewissen aufpolieren. Da aber zum Beispiel auch der „Tagesspiegel“ in Berlin in demselben Milieu nach Lesern fischt und einen auf „queer“ macht, ist noch nicht ausgemacht, ob das Konzept aufgeht. Viele ehemalige Konsumenten der klassischen Medien informieren sich jetzt woanders, auch bei Nischenprodukten. Die müsste man zurückholen. Die „taz“ hat dazu keinen Plan. Alle anderen offenbar auch nicht. Journalismus wird durch Haltung ersetzt.

Die Berliner Zeitung beschäftigt sich jetzt mit der weltbewegenden Frage, welche Kinderbücher man lesen „dürfe“. Der Schwerpunkt der Wochenendausgabe ist „Transgender“. Da kann man nur viel Spaß beim Sterben wünschen und noch einen Tritt in den Abgrund beisteuern.




Farewell, Teal Razor!

Teal Razorteal razor
Das Avatar-Profil Teal Razors, so, wie es andere sehen konnten. Ganz oben ihr tanzender Avatar.

Ich berichte über eine virtuelle Trauer- und Gedenkfeier. Am 16. März starb Teal Razor (Avatarname), im realen Leben Edith James. Sie war acht Jahre eine „Korrespondentin“ meiner Zeitung The Voice of Gor in Second Life und verfasste wöchentlich Kolumnen für englischsprachige Rollenspieler der Gor-Community. Sie schrieb in sehr anspruchsvollem Englisch, sarkastisch, witzig und voller Phantasie. Immer, wenn das „Blättchen“ erschient, jahrelang wöchentlich, hatte ich Leute in meinem privaten Chat, die sich beklagten, jammerten, drohten. Ich habe mich köstlich amüsiert und nie ein Wort ihrer Kolumnen zensiert. Bis zu ihrem Tod wusste ich nicht, wie sie in Wahrheit hieß, obwohl ein ein paar Mal mit ihr geskypt hatte. Ich kannte sie nur als die „Sklavin“ Teal Razor mit eigenem Youtube-Channel (auf dem noch ihre Stimme zu hören ist).

About (…) by Teal Razor. She experienced a Cardiac Arrest on August 22nd 2019 at 6:30 pm shortly after starting up her newspaper. She had written for the Voice of Gor since 2012 and was excited about this new endeavor. Due to her Cardiac Arrest, she was never able to return to Gor. Teal Razor, or as she was known in real life as Edith James, passed away peacefully on March 16th 2021 at about 11:20 pm, in her home. Her husband was with her as she left our world. There will be a Memorial Service held in Port Olni on April 3rd 2021 at noon.
Teal Razor, Rest In Peace
Mariko Marchant

Am Samstag fand ein „Memorial“ in Second Life statt, im „Adult“-Segment, was man als Avatar nur betreten kann, wenn man sein Alter hat überprüfen lassen.

teal razor
Teal RazorTeal Razor

A memorial for Teal Razor took place in Olni. Many Goreans gathered and showed her their respect. [Memorial Teal Razor chatlog]

Man kann sich natürlich über virtuelle Trauerfeiern und virtuelle Friedhöfe (vgl. unten) lustig machen. Ich bitte aber das abgebrühte Publikum höflich, einen Moment nachzudenken. Es existieren auf Youtube sogar Filme über ähnliche Events, zu denen mehr Leute zusammenkommen als auf vielen Beerdigungen im realen Leben.

Frage: Ist man allein, wenn man allein ist, aber Zugang zu dieser virtuellen Welt hat? Dort halten sich zum Beispiel Leute auf, die im realen Leben nicht mehr so einfach das Haus verlassen können, weil sie an Krankheiten leiden.

Teal aka Edith, das erfuhr ich von ihrem Ehemann (bzw. dessen Avatar bei dessen virtuellen Trauerrede) stand mitten im Leben, besaß eine Kunstgalerie, hatte Kinder und Enkelkinder, sprach fünf Sprachen, leitete früher Software-Firmen – bestätigte also nicht das Klischee des Popcorn-fressenden Nerds. Dennoch „lebte“ sie de facto in jeder freien Minute in Second Life, genauer: Sie spielte ihre Rolle als Sklavin. Das muss man nicht so nehmen, wie sich das anhört, da eine „Rolle“ nur gewisse Grenzen setzt und alles in gegenseitigem Einvernehmen geschieht.

Die Verstorbene war eine ausgezeichnete Rollenspielerin auf einem sehr hohen Niveau, das in Gor nur wenige erreichen, meistens Assassinen (Meuchelmörder, black caste), die ein monatelanges (!) „Training“ absolvieren müssen, um diese Rolle spielen zu dürfen und anerkannt zu werden. („Taog Ra“, im realen Leben ein ehemaliger Militär, dessen virtueller Grabstein auf dem untersten Screenshot zu sehen ist, war einer der berühmteste „Killer“ auf Gor in Second Life.) Wenn Teal irgendwo herumsaß, war sofort etwas los und alle Umstehenden wurden gezwungen, irgendwie zu regieren. Wenn man in Second Life nichts macht, passiert auch nichts. Ich war sehr entzückt, dass sie jahrelang auf der Sim spielen wollte, auf der ich Administrator war.

teal razor

Dieser Screenshot zeigt, wie das Menü der Zugangssoftware (gratis, Open Source, es gibt verschiedene zur Auswahl) die jeweilige Szenerie anzeigt: Links unten das Fenster des öffentlichen Chats. über den Avataren schwebt der Spielername und optional der „Titel“ bzw. der Ort, den man als „Heimat“ gewählt hat. Der „Tracker“ ist eine Ausnahme und zeichnet hier den Chat auf. Ich bin der Kerl mit dem Turban. „Jarek SpiritWeaver“ ist der Besitzer der Sim, auf der wir herumstehen – zusammen mit seiner Ehefrau, die im realen Leben wesentlich älter ist als ich, gibt er monatlich mehr als tausend Dollar aus, um anderen das Spielen zu ermöglichen – ein teures Hobby, aber geselliger und mit einem wesentlich höheren Frauenanteil als der gemeinsame Bau einer Modelleisenbahn. Einige Spieler steuern etwas bei, aber darauf kann man sich nicht verlassen.

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Kann sich das Publikum vorstellen, Verstorbene auf virtuellen Friedhöfen zu besuchen, auf denen ein reales Foto und eines des Avatars zu sehen sind? Wenn Second Life noch Jahrzehnte existieren wird, kann man davon ausgehen, dass auch von mir irgendwann so eine virtuelle Gedenkstätte irgendwo herumsteht. Ein komischer Gedanke… Und das ist garantiert der merkwürdigste Nachruf, den ich jemals verfasst habe.