Robots, revisited

KI
Die Medienkomptenz des Publikums sollte soweit evolviert sind, dass jeder sofort erkennt, welches Bild ein Screenshot eines Videos oder durch KI bzw. Burks erzeugt worden ist.

Baerbock erklärt den Kapitalismus: „Wenn wir aufhören, die Ukraine zu unterstützen, wird die Butter nicht wieder billiger“. Zu dumm, dass wir vor dem Krieg so viel Butter von den Russen bezogen haben. Wir wenden uns schaudernd und kopfschüttelnds ab und wichtigeren Themen zu. (Ok, das Publikum erwähnte ein abgeschossenes Bankkonto und die Gründe dafür.)

Ich bin immer noch fasziniert von den Robotern. Wir lesen gemeinsam: Friedrich Engels: Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen.

Aus der Sicht des Philosophen ist ein Roboter eine Art Hammer oder ein Buch oder eine Kombination beider. Spezielle physische oder Funktionen des Gehirns werden in ein externes Werkzeug ausgelagert. Ein Roboter, der menschliche Arbeiten übernimmt, ist nichts signifikant anderes als ein Faustkeil oder bearbeiteter Mammutknochen, mit dem ein Neandertaler seinem neandertalischen Mitbürger eins über den Schädel geschlagen hat.

KI
Fordismus der Zukunft

Ist der Philosoph aber marxistisch geschult ökonomisch gebildet, stellt er die Frage: Welche Arbeiten werden ersetzt und wann? Und liegen irgendwann alle nur noch faul herum und jagen und fischen haben ununterbrochen Sex im Exoskelett?

Im Video sagt ein chinesischer Manager, alle hassten Landarbeit, und deswegen brauchte man Roboter dafür – hier also eine Art Mähdrescher, der autonom fährt und vermutlich auch die Scheune aufräumt, die Kühe melkt, den Shih Tzu streichelt und der Bäuerin Gedichte Zang Dis vorliest.

Der Fordismus hat sich also durch die Entwicklung der Produktivkräfte weitgehend erledigt, ganz ohne revolutionäres Zutun.

robots

Wenn man sich das Publikum der Robotermesse ansieht, fällt auf, insbesondere bei den unbefangenen Kindern, dass instinktives oder erlerntes Verhalten, etwa zu Tieren, problemlos auf Roboter übertragen werden kann, wenn nur die richtigen „Signale“ da sind, etwa das Kindchen-Schema.

Pornografie funktioniert bekanntlich auch so: Eine nackte Frau mit Brille ist automatisch „Bibliothekarin“ oder „Sekretärin“. Die Brille ist pars pro toto.

KI

Spannend wird es auch für die Marxsche Werttheorie: Wenn nur die „abstrakte“ menschliche Arbeit Wert schafft, dann sinkt automatisch der Profit (nicht der Gewinn!) der Produktion im Kapitalismus. Wenn aber ein Industrieroboter aus vorhandenen Teilen und Rohstoffen etwas Neues schafft, was ansonsten ein Homo sapiens hätte tun sollen, wird er dann ausgebeutet und muss einer Gewerkschaft beitreten? Oder ist das Produkt „wertlos“ oder muss man die abstrakte gesellschaftliche Arbeit, derer es bedurfte, den Roboter herzustellen, hinzurechnen? (Ja.)

robots

Meine These: Das ist die nächste industrielle Revolution nach dem Internet. Die Kombination der KI mit vernetzten Robotern wird alles Gewohnte niederreißen, aber nicht automatisch den Kapitalismus. (Chor im Hintergrund in Moll: „Aber der Datenschutz?“ Anderer Chor antwortet in Dur: „媽的改去這裡啦“!)

Allerdings werden die Chinesen uns zu einem unterentwickelten Land degradieren. Während die Grüninnen faxen und gendern und die Klimadioten total divers von Armageddon faseln, wird in China die industrielle Produktion automatisiert. Irgendwann werden die Chinesen nur noch jagen und fischen faul herumliegen und ununterbrochen Sex haben, auch die im Exoskelett.

KI

Meditatives Kajaken, gechillte Katzen und anthropologische Miszellen

Klein-Venedig Tiefwerder

Vielleicht war gestern der letzte richtig heiße Tag in diesem Jahr (wg. Klima, Armageddon usw.). Das musste ich ausnutzen dergestalt, dass ich noch einmal ins Boot stieg und an den hier schon bekannten Orten herumpaddelte. (Ich werde bei Gelegenheit versuchen, ChatGPT den Gebrauch des Wortes „dergestalt“ beizubringen, wie und wann man das benutzt, fürchte aber, das wird ohne Ergebnis bleiben. Für Stilfragen der gehobenen Art ist AI zu doof und zu humorlos. „ChatGPT, ich will mehr Katachrese und Onomatopoesie sehen, auch Vulgarismus ist möglich! Lerne Heinrich von Kleist auswendig und imitiere dessen Stil, wenn du mit mir herumhalluzinierst!“)

Klein-Venedig Tiefwerder

Am Anfang stand die kühne Idee, die Tiefwerder Wiesen per Kajak zu erreichen. Google ist schuld: „Naturschutzgebiet zum Wandern und Kajakfahren“. (Hallo, Google? Ich fahre nicht mit dem Kajak, ich kajake!*) Ist aber gelogen. Man kommt da gar nicht hin mit einem Boot, weil der Hauptgraben beim letzten Haus der Siedlung gesperrt ist.

Klein-Venedig TiefwerderKlein-Venedig Tiefwerder
In einem Seitenarm des Hauptgrabens

Nicht nur gesperrt: Es ist noch viel fieser und hinterhältiger! Das Wasser wird flach und flächer flacher, bis nur noch ein Millimeter Platz ist zwischen Kiel und Modder und man endlich, beinahe mit Ansage, steckenbleibt und das Ruderblatt sich verkeilt. Ich habe eine halbe Stunde gebraucht, um zu wenden, das Boot wieder flottzukriegen und auch das Ruder zu justieren. Dazu musste ich aussteigen (das ist gar nicht so einfach und in tiefem Wasser einfacher als in flachem!) und knietief in der Matsche waten und saute mich und das Boot voll ein. Immerhin bin ich nicht ins Wasser gefallen.

Klein-Venedig Tiefwerder

In bekannten Gewässern wandte ich mich gen Norden, zum großen Jürgengraben. Auch hier tobte vor einer Zeit der Klassenkampf, der aber von denen da unten, die Widerstand leisteten, gewonnen wurde. Aber natürlich geben die da oben genau so wenig auf wie die SPD mit der Vorratsdatenspeicherung. (Leiterin des Umwelt- und Naturschutzamts in Spandau ist aktuell die Forstwirtin Anja Sorges, die auf ihrem Facebook-Profil „Keinen Millimeter nach Rechts“ geht.)

Klein-Venedig TiefwerderKlein-Venedig TiefwerderKlein-Venedig Tiefwerder

Die Farben laden zum Meditieren ein, manchmal ist es ganz still, falls man mit dem Paddel nicht herumplantscht, und wenn dann noch eine total gechillte Katze (Foto oben) am Ufer liegt, die sich keinen Millimeter nach rechts und links bewegt, kommt man ins Grübeln ob der Weltläufte und was wichtig ist und was nicht.

11. September – Putsch in Chile. Niemals vergeben, niemals vergessen, auch was die hiesige Bourgeoisie und ihre Lautsprecher damals sagten und was sich jederzeit so wiederholen würde.

Ich mache mir übrigens Sorgen, dass schon in naher Zukunft niemand mehr dieses Blog lesen wird, weil es nicht in einfacher Sprache verfasst ist. Harald Martenstein schreibt (Paywall): „1899 gab es in Deutschland laut Statistik noch ein Prozent Analphabeten, bis 1912 sank die Zahl offiziell auf null. Heute ist offiziell von zwölf Prozent die Rede, dabei werden allerdings nur die Erwachsenen gezählt und noch nicht die Kinder aus Nordrhein-Westfalen. Die Definition des Analphabetismus ist allerdings schwierig – wie soll man Menschen nennen, die mit Mühe innerhalb von ein, zwei Minuten einen Satz entziffern können? Laut Unesco gelten nur noch 13 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung als Analphabeten, die ärmsten Länder eingerechnet. Diese Zahl, 13 Prozent, Weltdurchschnitt, dürfte Deutschland inzwischen nicht mehr erreichen.“

Klein-Venedig Tiefwerder

Ein Rat an die Nachgeborenen für die Berufswahl: Die Meldestellen-Industrie ist die einzige Industrie, die in Deutschland rapide wächst.

Klein-Venedig TiefwerderSüdhafen Spandau

Ich habe mich an den Anblick des Südhafens – genauer: des Unterhafens Spandau gewöhnt. Er ist nicht schön, aber zeigt an, wie die Skyline einer Oase nach tagelanger Wüstenwanderung, dass man es nicht mehr weit hat zum Ziel, hier: zum Steg am Bootshaus. Ich muss hier nur rechts abbiegen und noch 15 Minuten paddeln durch das Labyrinth der Wasserläufe in Klein-Venedig. Vielleicht war das auch das letzte Mal in diesem Jahr.

Klein-Venedig TiefwerderKlein-Venedig TiefwerderKlein-Venedig Tiefwerder

In vergangener Zeit, als ich noch auf Autobahnen unterwegs war, gehörte es zum Ritual, auf einer Raststätte zu halten, „Kartoffelsalat“ mit Würstchen zu essen und das Publikum anthropologisch zu beobachten. Nach dem Paddeln kehre ich manchmal in der Waldschänke ein, die eher eine Imbissbude mit großem Biergarten ist. Dort lebt noch das alte West-Berlin. Und dort isst man auch keinen veganen Salat, gar mit Hafermilch als Getränk, sondern Würste und flüssigen Zucker mit Geschmack, wie es sich gehört. Ich bestelle in Timbuktu auch kein Eisbein mit Sauerkraut oder in Jerusalem Schweinefleisch süß-sauer. Für den richtigen Stil braucht man das richtige Gefühl, auch auf der Zunge.

currywurst

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* Welche deutsche Verben kann man benutzen als Synonyme für „paddeln“, wenn man sich mit einem Kajak fortbewegt?
ChatGPT: Es gibt verschiedene deutsche Verben, die als Synonyme für „paddeln“ verwendet werden können, wenn man sich mit einem Kajak fortbewegt. Hier sind einige Beispiele:
Rudern: Dieses Verb wird oft verwendet, um das Paddeln mit einem Kajak zu beschreiben. Zum Beispiel: „Wir ruderten den Fluss hinunter.“
Kanufahren: Obwohl „Kanufahren“ normalerweise mit Kanus in Verbindung gebracht wird, kann es auch verwendet werden, um das Paddeln mit einem Kajak zu beschreiben. Zum Beispiel: „Wir gingen Kanufahren auf dem See.“
Kajaken: Dieses Verb ist spezifischer und bezieht sich direkt auf das Paddeln mit einem Kajak. Zum Beispiel: „Wir haben den ganzen Tag gekajakt.“
Paddeln: Natürlich kannst du auch einfach „paddeln“ verwenden, da es das Standardverb für diese Aktivität ist. Zum Beispiel: „Wir paddelten entlang des Flusses.“
Diese Verben sind in der Regel austauschbar, wenn es darum geht, das Paddeln mit einem Kajak zu beschreiben. Die Wahl des Verbs hängt oft von persönlichen Vorlieben und regionalen Unterschieden ab.

Foodporn und andere Miscellen

ai
„Wir werden in Deutschland versuchen, KI auf die Straße zu bringen“, sagte Heil am Montagabend in Berlin. Gern geschehen.

Wie die Leserschaft sicher merkt, fehlt mir zur Zeit irgendwie die Motivation die Zeitläufte das Weltgeschehen zu kommentieren, was bekanntlich der Sinn und Zweck eines Blogs ist. Ich kriege bei allem schlechte Laune, sogar bei feuilletonistischen Themen.

homeland

Zum Einschlafen sah ich gestern die siebte (?) Staffel von Homeland (vermutlich zum 2. Mal, aber ich konnte mich nicht erinnern). Der Plot ist sowieso absurd, aber immer wenn Computer ins Spiel kommen, wird es so realistisch wie The Witcher. Niemand kennt Veracrypt. Wenn man einen Laptop aufklappt, sieht man gleich alles. Es gibt keine Backups. Die „Hacker“ haben magische Fähigkeiten. Die CIA hört Telefonzellen (!) in Afghanistan (!) in Echtzeit (!) jederzeit (!) ab usw.. Die Heldin, die zwar großartig schauspielert, aber ein nervliches Wrack darstellen muss, was man kaum ertragen kann, klickt auf eine Datei, und schon wird ihr Computer per Ransomware klickibunti ferngesteuert, inklusive Webcam. Was mich am meisten ärgert: Vermutlich glauben wirklich Leute daran, dass das so funktioniert.

Nun zu den Frontberichten.

bierzelt
Sceenshot: Spiegel-Video

Defamation-Front

– Die Kampagne der „Süddeutschen“ gegen A. hat einen genau so durchschlagenden Erfolg wie die ukrainische Gegenoffensive. Don Alphonso schreibt paywallgeschützt dazu: Wenn man heute den Eindruck haben muss, dass die ganze Opposition aufrecht gegen diesen bösen Hubsi und seine sinistre Vorgeschichte in Mallersdorf kämpft – dann verschweigen sie ihre eigenen gschlamperten Verhältnisse. Bevor der Hubsi nämlich 2018 nach der letzten Landtagswahl der Regierung beitrat, war er noch gern gesehener Helfer und Anschieber der ansonsten eher machtlosen Opposition. So verstand man sich im letzten Jahrzehnt unter SPD, Grünen und Freien Wählern prächtig, als es um die Verhinderung der dritten Startbahn des Flughafens München ging, und genauso reibungslos arbeitete man bei der Abschaffung der Studiengebühren gegen den Willen der CSU zusammen. Schon 2008 war der Ärger über die Freien Wähler in der CSU so groß, dass dort einzelne planten, mit alten Geschichten über Aiwanger an die Öffentlichkeit zu gehen.

Zum Thema passen auch die lustigen Querelen zwischen Elon Musk und der Anti-Defamation League. Musk said that advertisers have told the company they’re receiving pressure from the ADL, a Jewish non-governmental organization that seeks to fight antisemitism and extremism around the world, to not advertise on X. He went on to say, „If this continues, we will have no choice but to file a defamation suit against, ironically, the ‘Anti-Defamation’ League.“

Die ADL möchte das Böse aus dem Internet wegzensieren, wobei sie sich, wie auch ihre deutschen Brüder und Schwestern im Geiste, das Recht vorbehält, selbst zu bestimmen, was das Böse jeweils sei. Musk sieht das bekannterweise anders, wobei meine Sympathien bei X bzw. ihm liegen. Der Hintergrund: Musk had earlier „liked“ the tweet launching the hashtag by Keith Woods, an Irish white nationalist and self-described „raging antisemite.“ – „The ADL’s favourite tactic is financially blackmailing social media companies into removing free speech on their platforms,” Woods said in his Aug. 31 tweet. „Why should they have a platform on X to hold @elonmusk to ransom? It’s time to #BanTheADL.“

Wenn ein Antisemit etwas Richtiges sagt, darf man das nicht „liken“, so die ADL-Liga.

ostfront
Russische Propaganda, also automatisch voll gelogen

Ostfront

ISW: Ukrainian forces continued counteroffensive operations on at least three sectors of the front on July 27 and made gains in some areas, although Ukrainian forces appear not to have continued significant mechanized assaults south of Orikhiv in western Zaporizhia.

Vielleicht stimmt das aber gar nicht. Das lässt mich übrigens völlig kalt. Sollen sie doch.

Miscellaneous Front

foodporn
Foodporn (Symbolbild)

– Der Begriff Foodporn bekommt bei Lidl UK eine völlig neue Bedeutung.

– Der Schufa geht es vielleicht an den Kragen.

– Nein, ich werde keinen Rucksack auf Reisen mitnehmen, der mich dumm anlabert.

„This is another that will burst your efficient Deutschland bubble; bureaucracy is extremely slow in Germany and almost everything is printed out on paper. Worker shortages in the public sector mean that the situation is pretty dire. The head of Berlin’s Foreigners’ Office (Ausländerbehörde), which you will have to visit to get a residence permit if you are a non-EU citizen, has admitted that the office is “nigh dysfunctional” due to a dearth of staff.“ (Aus: Living in Germany as a foreigner: The ultimate guide)

– So sieht Kommunismus aus: „China establishes bureau for private economy development“. Zu China empfehle ich übrigens ein Video: „Claudia Sünder im Gespräch mit Michael Schumann“. So etwas würden die Anstalten nie senden. Viel zu realistisch und völlig ohne Propaganda gegen China. Und auch die Uiguren kommen nicht vor, was hierzulange unmöglich wäre.

– Im Juni lebten rund 280.000 ausreisepflichtige Menschen in Deutschland. So viele Einwohner hat Wiesbaden. Wir schaffen das.

– Berlin ist sicher.

Voice of Gor

– Vielleicht ist jetzt doch die Gegenerde entdeckt worden? Da ist was hinter dem Neptun. Das muss ich heute Abend auf Gor erzählen. Oder darüber einen Artikel in der 360. Ausgabe der Voice of Gor (oben der Titel, nur in Secondlife erhältlich) schreiben…

Empty Activity oder: Unter IT-Evangelisten

Android Studio

Ein indischer Arbeitskollege, der Software Engineer und Mathematiker ist, schickte mir ein Instagram-Video eingedenk dessen, dass hier (wo ich arbeite) die meisten wissen, dass die Programmierer hier alle meine Kinder, wenn nicht sogar meine Enkelkinder sein könnten, nähme man nur das Alter. Das inspirierte mich. Ich sollte das, was die Dame im Filmchen kann, auch können sollte oder es zumindest versuchen. Ich bin ja noch viel jünger. Warum eigentlich nicht?

Frage also an das Publikum: Welche App braucht man als alter weißer Mann, die es noch nicht gibt?

AIart
programming an app for android, kotlin, java, –no people –chaos 100 –s 750

Da ich bei Apps absolut ahnungslos bin, fragte ich natürlich zuerst meinen Dienstroboter die künstliche Intelligenz: Wie programmiert man eine App für Android?

ChatGPT: Das Entwickeln einer Android-App erfordert grundlegende Programmierkenntnisse, insbesondere in Java oder Kotlin (Ach was! So etwas sollte die KI auch können!), da dies die Hauptprogrammiersprachen für die Android-Entwicklung sind. Hier ist eine grundlegende Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie man eine Android-App entwickelt:

Vorbereitung:
Installiere Android Studio: Dies ist die offizielle integrierte Entwicklungsumgebung (IDE) von Google für die Android-Entwicklung.
Lade die erforderlichen SDKs und Tools über den Android Studio SDK Manager herunter.

Projekt erstellen:
Starte Android Studio und erstelle ein neues Projekt.
Wähle den Projekttyp (z. B. „Phone and Tablet“, „Empty Activity“) und gib den Projektnamen sowie andere Einstellungen an.

Design der Benutzeroberfläche:
Verwende den integrierten Layout-Editor, um das UI deiner App zu entwerfen.
Definiere XML-Layouts für verschiedene Bildschirmgrößen und -orientierungen.

Programmierung:
Verwende Java oder Kotlin, um die Logik deiner App zu programmieren.
Definiere Aktivitäten, die verschiedene Bildschirme und Interaktionen repräsentieren.
Implementiere UI-Elemente und verknüpfe sie mit Code.

AIart

Funktionalität hinzufügen:
Füge Funktionen wie Buttons, Menüs, Texteingaben, Bilder usw. hinzu.
Implementiere die gewünschte App-Logik, wie Datenverarbeitung, Berechnungen usw.

Ressourcen verwalten:
Füge Ressourcen wie Bilder, Zeichenketten und Farben hinzu.
Organisiere diese Ressourcen in den entsprechenden Verzeichnissen im Ressourcenordner.

Testing:
Verwende den Android Emulator oder teste die App auf einem physischen Gerät.
Führe umfassende Tests durch, um sicherzustellen, dass deine App einwandfrei funktioniert.

Optimierung:
Achte auf die Leistung deiner App und optimiere bei Bedarf den Code und die Ressourcennutzung.

Veröffentlichung:
Registriere dich für ein Google Play Developer-Konto.
Generiere ein signiertes APK (Android Package) deiner App.
Veröffentliche deine App auf dem Google Play Store.

Aktualisierung und Wartung:
Behalte deine App im Auge, sammle Feedback von Nutzern und füge neue Funktionen hinzu.
Halte die Android-Plattform-Updates im Blick und aktualisiere deine App entsprechend.

AIart

Ich konnte mich nicht zurückhalten und fragte nach: Gib ein Beispiel für einen Code in Kotlin, um eine App für Android zu programmieren! Auch da bekam ich eine Antwort (Textdatei). Hehe! Soll ich jetzt damit anfangen? Was ist mit einer Marktanalyse? Sollte ich schon Gelder für mein Startup einsammeln?

Und ab sofort nennt ihr mich Herr IT-Evangelist!

/Describe Forestpunk Sumatraism

jungle
Santa Ana de Alto Beni Bolivien 1984, vgl. „Run through the jungle“ (01.04.2012)

Liebe Kinder, Eure Aufgabe heute: Ihr bekommt ein Foto und versucht, mit Hilfe künstlicher Intelligenz aka Midjourney/Discord eines herzustellen, das dem Original möglichst ähnlich ist. Dazu lernen wir heute mit dem Prompt-Befehl /describe zu arbeiten. Ich habe das obige Bild hochgeladen. (Das geht auch, wenn man keinen eigenen Kanal hat wie ich.)

Man braucht den Midjourney-spezifischen uniform resource locator (URL), also den direkten Link zum hochgeladenen Bild. (Den erhält man entweder, indem man sich die Grafik im Browser ansieht oder per Rechtsklick.)

Mit /describe samt URL des Fotos spuckt die KI vier verschiedenen Beschreibungen aus, die man im Prompt dann variieren und einsetzen kann. Durch die Vorschläge lernt man gut, wie die KI „denkt“ und mit welchen Begriffen.

midjourney AIart

Ich musste erst einige Wörter googeln: Caffenol? Foreboding? Sumatraism? Forestpunk? Igbo art? Dom qwek?

1️⃣ a village near a river, in the style of caffenol developing, sumatraism –ar 64:41
2️⃣ river near town and house of women, in the style of indigenous culture, dark, foreboding landscapes, gloomy –ar 64:41
3️⃣ an area with houses and a village, in the style of iban art, gloomy, contax/yashica mount, environmental activism, forestpunk, igbo (ibo) art, washed-out –ar 64:41
4️⃣ a river and houses, in the style of indigenous culture, agfa vista, hazy landscapes, mingei, ethnographic influences, dom qwek, photo taken with provia –ar 64:41

Mein erster Versuch war: a village near a river, in the style of caffenol developing, sumatraism, indigenous culture foreboding landscapes, gloomy, ethnographic influences, forestpunk 16:9 –s 750

AIart

Das Bild, das mir am besten gefiel, habe ich noch variieren lassen (Man kann von jeder Grafik mit „V“ vier ähnliche Versionen machen). Von den vier Resultaten sortierte ich die aus, die Laternen und Lampen oder Umrisse verwachsener Personen zeigten. Es blieb nur eines übrig, das immer noch eher „asiatisch“ als „lateinamerikanisch“ aussah. Also hieß es das „Sumatraism“ durch „Amazon jungle“ zu ersetze, da ich annahm, dass die KI den Rio Beni, an dem ich fotografiert hatte, nicht als Archetyp führt.

Nächster Versuch: a village near a river, in the style of caffenol developing, amazon jungle, indigenous culture foreboding landscapes, gloomy, ethnographic influences, forestpunk, small wooden houses –ar 16:9 –s 750 (zwischendurch hatte ich vergessen, dass der Befehl für ein bestimmtes Format mit –ar begonnen werden muss, sonst werden alle Bilder quadratisch).

AIart

Nächster Versuch, weil ich den Betrachter weiter weg beamen wollte: a village near a river, in the style of caffenol developing, amazon jungle, indigenous culture foreboding landscapes, gloomy, ethnographic influences, forestpunk, panoramic view, small wooden houses –ar 16:9 –s 750

Voila. Das ist schon nicht schlecht. Aber trotzdem finde ich mein Original immer besser, zumal eine Geschichte dazu erzählt werden kann und Erinnerungen daran hängen, auch noch nach 39 Jahren.

AIart

Unter „Palästinensern“

terrorist
Wird von Fatah-Führer als Held gepriesen: palästinensischer Terrorist in Dschenin (Quelle: Twitter)

Der DKP-Theoretiker Robert Steigerwald berichtet von einem Treffen mit Shukeiry am Rande eines Parteitags der Kommunistischen Partei des Libanon Anfang der siebziger Jahre: »Ich hatte in der Zeitung gelesen, in Tripoli, einer Stadt im Norden Libanons, hätten Fatah-Leute in einer Nacht 70 kommunistische Familien umgebracht. Nach der Landung in Damaskus fragte ich den Genossen des Politbüros der KP des Libanon, ob das wahr sei. Ja, es sei wahr, 70 Familien, Erwachsene und Kinder, »by knife« […]. Und dann saß ich mit den anderen Delegierten im Parteitagspräsidium, vor mir Ahmed Shukeiri […] und neben mir der Vertreter der Fatah. Er lobte uns Deutsche, weil wir so viele Juden umgebracht hätten.« (Robert Steigerwald: So steht es nicht im Geschichtsbuch. Aufsätze zu sozialistischer und bürgerlicher Politik. Berlin 2010, S. 272, zit. n. Stephan Grigat: Die Einsamkeit Israels 2014)

Urcos und ein paar Rätsel [Update]

urcos

Auch die Bilder meiner beiden Reisen nach Peru sind bald alle online. Bei einigen weiß ich absolut nicht weiter, wo und wann ich sie gemacht habe oder was darauf zu sehen. Das letzte, bei dem das klar ist: Oben ist die Kleinstadt Urcos samt Lagune zu sehen, fotografiert am 07.07.1984. Wir waren auf dem Weg von Puerto Maldonado nach Cusco auf der Interoceanica Sur – per LKW. Deswegen musste ich auch nicht durch irgendwelche verdreckten Scheiben fotografieren.

Wie man auf der Karte schön sieht, schlängelt sich die halsbrecherische Straße von den Andenpässen in unzähligen Serpentinen nach unten. „Unten“ heißt: Urcos liegt auf 3.127 Metern. Wir kamen aber vom Ausangate (6.384m), und Abra Pirhuayani, der Pass, um ihn nördlich zu umfahren, liegt 4.725 Meter hoch – also ein Unterschied von rund 1.270 Metern. Ich wundere mich heute noch, dass unser LKW das geschafft hat, zumal wir neben den Passagieren auch noch Baumstämme geladen hatten (das war illegal). Und die Straße war einspurig und mitnichten asphaltiert.

Ich habe also ungefähr von Cjunucunca aus fotografiert, oder wir waren sogar noch höher. (Ein ähnliches Foto vom 04.12.2022 ist vermutlich näher an Cusco.)

lima

Ein Foto aus Lima, im selben Jahr fotografiert. Ich finde die Perspektive nicht wieder, es war in den Innenstadt. Vermutlich wurde das kleinere Haus im kolonialen Stil schon abgerissen.

limalima

Die beiden Fotos oben habe ich 1979 gemacht. Ich war allein unterwegs in Lima, und der Ort war ein Museum. Ich weiß aber nicht welches, und Google wirft zu der steinernen Figur auch nichts aus. Ich dachte, dass es auch Bogotá in Kolumbien sein könnte, aber dort war ich nie allein unterwegs, nur sehr kurze Strecken. Es muss Lima sein.

machu picchu

Auch dieses Bild, aufgenommen im Januar 1980, ist ein bisschen rätselhaft. Mein damaliger Reisebegleiter ist zu sehen, und ich war mir ziemlich sicher, dass es in Machu Picchu war. Ich habe online zahllose Fotos von Steintoren dort gecheckt, aber keines sieht so aus wie das. Sie werden ja wohl kaum die Ruinen seitdem umgebaut haben. Vielleicht ist es Sacsayhuaman? Aber auch dort gibt es so ein Tor nicht.

[Update] Dank des reiseaffinen und kosmopolitischen Publikums kann ich korrigieren:

1. Das zweite Foto ist aus Havanna, Kuba, und zeigt das Hotel Ambos Mundos (mit eigener Website), Calle Obispo, fotografiert im August 1984.

2. Laut meinem Reisetagebuch war ich am 23.12.1979 im Anthropologie-Museum und im Museum für Nationalgeschichte. Ersteres dürfte das hier schon vorgeschlagene Museo Arqueológico Rafael Larco Herrera gewesen sein (Museo Larco). Die weiße Mauer mit den roten Ziegeln, vor dem die drei Kinder stehen, passt auch stilistisch dazu. Man kann sogar mit Google dort spazieren gehen. Die Steinfigur bleibt aber ein Rätsel.

3. Das unterste Foto war seitenverkehrt, wie das sachkundige Publikum anmerkte (ist jetzt korrigiert) und zeigt nicht Machu Picchu, sondern Sacsayhuaman bei Cusco.

Unschöne Zwischenfälle

aiart avatar
Türkischer Junge vor der Beschneidung – Midjourney/Burks

Jan Fleischhauer in seiner Kolumne: „Es heißt, wir hätten ein Integrationsproblem. Das stimmt nicht. Wir haben kein Problem mit Chilenen, die zu uns kommen. Oder Südkoreanern. Oder Vietnamesen. Auch nicht mit Finnen, Thailändern oder Chinesen. (…)“

„Es ist wie so oft in die Migrationsdebatte: Man verschließt lieber die Augen und hofft, dass sich die Probleme von selbst erledigen. Das Ganze funktioniert ein bisschen wie magisches Denken: aus den Augen, aus dem Sinn. (…)“

„Nur einmal kam es zu einem unschönen Zwischenfall, als eine junge Deutsch-Türkin das Wort ergriff, Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Anhalt in Bernburg, wie ich den Tagesunterlagen entnahm. Sie sei es leid, dass der kulturelle Unterschied ständig als Entschuldigung diene, morgens nicht mit den Kindern aufzustehen und nach der Schule die Hausaufgaben zu vernachlässigen. „Es gibt eine latente Akzeptanz in der türkischen Community für Eltern, die ihre Kinder schlecht erziehen, sie finden Verständnis, das sie nicht verdienen“, sagte sie.“

Nicht „die Kinder“ – die Jungen. Stichwort: kleine Prinzen.

Man kann natürlich darüber nicht diskutieren. Es geht sofort ad hominem. Man darf mit Rechten nicht reden und auch nicht an allen Geburtstagsfeiern teilnehmen.

Emotional-stabilisierendes Geschäftsmodell Denunziation mit Zustellungsbevollmächtigtem

aiart
Midjourney/©Burks

Empfehlenswert ein Artikel von Collin McMahon*. Zwei der führenden Zensur-NGOs soll das Staats-Geld gestrichen werden, darunter HateAid, das seit 2021 vom Justizministerium rund eine Million Euro erhielt, vom Familienministerium waren es noch mal 1,5 Millionen. „HateAid“-Gründer Gerald Hensel hatte sich zuvor mit einer Denunziationskampagne gegen die Achse des Guten empfohlen.

Man muss die politische Meinung des Autos nicht teilen, um ihm zuzustimmen. Das Geschäftsmodell Denunziation blüht naturgemäß in Deutschland. Aber dass es so einfach ist, mit ein paar Textbausteinen gegen „pöshe Gefühle im Internet“ aka „Hass“ (warum nicht „Wut“?) so viel Geld abzuzocken. Zweieinhalb Millionen! Ich ärgere mich fast, dass ich nicht auf die Idee gekommen bin, eine „Online-Beratungsstelle“ gegen das Böse auf die Beine zu stellen. „Wir treten an, um die digitale Welt für alle zu einem positiven Ort zu machen.“ Wie verstrahlt muss man sein, um so etwas von sich zu geben? Oder reicht „dumm und naiv“?

aiart

„Emotional-stabilisierende Erst-, Kommunikations- und Sicherheitsberatung“ – das biete ich ab sofort auch an, per verschlüsselter E-Mail, per Signal, IRC; Telegram oder – besonders beliebt – von Avatar zu Avatar in Secondlife. Dieses ganze blähdeutsche Geschäftsmodell sollte man ersatzlos in die Tonne treten, und die selbst ernannten Hilfspolizisten und -psychologen gleich mit.

Collin McMahon dröselt detailliert die Verflechtungen des „zensurindustriellen Komplexes“ auf. Was zu erwarten war: Nun zeigt HateAid eine bedenkliche Nähe zu Personen, denen selber Antisemitismus und „Doxxing“ vorgeworfen wird. Ich möchte gar nicht wissen, was die über Israel und „Palästinenser“ denken.

Die Herrschaften fordern Account-Sperren und die „Pflicht für Onlineplattformen mit Sitz im Ausland, einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen.“ Was haben wir gelacht.

Was fehlt noch, was darf in Deutschland nie fehlen? „Zum Meldeformular“ – jawoll, durchführen, verbieten!

aiart

* Ich bin nicht sicher, ob der Kinderbuchautor Collin McMahon identisch ist mit dem Autor, der über Soros geschrieben hat.

Obsession oder: Sexy women are psychos

obsession

Wer und zu welchem Ende sehen wir „Erotik-Thriller“? Krimis ohne attraktive Frauen und ohne Sex geht heutzutage nicht, und Sex ohne unterhaltsamen Plot ist schlicht Pr0n. Sex-Szenen finde ich in Filmen meistens langweilig, weil die Details schamhaft verborgen werden, man nach der Imitation der geschlechtlichen Vermehrung gleich wieder den Pyjama oder dergleichen überzieht, oder weil es vor Kitsch nur so trieft.

Obession (Netflix) kann ich jedoch empfehlen. Der Plot an sich wurde schon zahllose Male filmisch durchgenudelt; das ist also nicht neu. Und wenn deutsche Rezensenten einen Film verreißen, ist das für mich meistens eine Empfehlung.

In welche Kategorie „Obsession“ fällt, ist nicht ganz klar: Ein Krimi ist es nicht, weil niemand in echter Gefahr schwebt. Pr0n und die Handlung nur als Vorwand, um viel nackte Haut zu zeigen, ist es auch nicht – man sieht nur wenig davon, und die Protagonisten haben beim Herumvögeln meistens noch ihre Kleidung an. Um Voyeurismus oder Stalking geht es auch nicht. Am besten gefällt mir „trashy new erotic thriller„.

Vielleicht ist es nur eine Sache meines persönlichen Geschmacks. US-amerikanische Produktionen zum Thema nerven mit immer demselben Plot: Jemand zerstört die ach so heilige Familie, und man weiß zu Beginn nur nicht, ob die wieder zusammenfindet oder eben nicht. Und die Kinder leiden oder werden auch Psychos. Das habe ich schon drei Fantastilliarden Mal in jeder Version gesehen, und meistens nicht bis zum Ende. Die Briten können das subtiler und besser.

obsession
Screenshots: Burks

Der Standard fasst die cineastische „Vorgeschichte“ in einer Rezension zusammen: „Fatal Attraction and Basic Instinct made squillions, and brought a slew of imitators in a genre known as erotic thrillers. Who can forget the ‘highs’ of this genre like Body of Evidence, starring Madonna and a mortified Willem Defoe, or Colour Of Night with Bruce Willis and a terrified Jane March or Sea of Love with Al Pacino and an amused Ellen Barkin – all with variations on theme: sexy women are psychos!“

„Obsession“ ist nicht anders, und das Motiv des Helden William Farrow (Richard Armitage), alles aufs Spiel zu setzen, sogar das Eheglück seines Sohnes, wird nicht erklärt. Bei dem Thema wollen die Zuschauer ohnehin keine elaborierten tiefenpsychologischen Traktate, sondern schlicht viel, was scharf ist und macht.

Auch wenn „Obsession“ insgesamt nicht besonders tiefgründig ist („shallow desaster„) und der Charakter der Heldin eher konstruiert wie aus der psychologischen Klippschule und eigentlich total überflüssig, knistert es stark („spicey“ ist ein gutes Wort dafür) und heftig. Das liegt vor allem an der Hauptdarstellerin „Anna“ (Charly Murphy).

Die Murphy sieht weder oben herum aus wie Sydney Sweeney noch in der Mitte und unten wie die hier schon erwähnte russische Dame, aber sie schauspielert so brilliant, dass die Fetzen fliegen. Man möchte immer noch mehr davon.

Die Irish Times findet das „as titillating as doing the weekend chores“, was ein lustiger Verriss ist: „In all the worst ways, Obsession harks back to the heyday of the form.“ Haha. Aber das macht nichts. Das Thema kann man gern ein Mal monatlich in immer wieder anderer Version sehen. Man wird daran erinnert, dass Sex elementar und anarchisch ist (falls er nicht in der Ehe „stattfindet“) und alle Konventionen und Regeln sprengen kann, auch wenn man das nicht so geplant hat. Das macht eben den Reiz aus: Man weiß nicht wirklich, wie das enden wird, selbst wenn man den Plot auswendig singen könnte, auch nicht im realen Leben.

obsession

Unter Ernährungsberaterinnen oder: Invest in Türkiye oder doch nicht

link
Ich scrollte soeben kurz durch die Postings von Neverforgetniki, der irgendwo verlinkt worden war, und bekam gleich passende Werbung eingeblendet. Die Algorithmen passen auf! Du bist nie allein!

Aus dem Publikum ging der Hinweis ein, Hadmut Danisch versus Ricarda Lang zu lesen. Danisch werden gerade wiederholt die Konten gesperrt.

Ich hatte, wenn ich mich recht erinnere, Danisch irgendwann in grauer Vorzeit kurzzeitig in meiner Blogroll, warum, ist mir entfallen. Es heißt rein gar nichts, wenn jemand von mir verlinkt wird. Ich höre lese sogar Feindsender, obwohl das in Deutschland schon wieder nicht opportun ist.

Danisch hatte sich vor einiger Zeit auch mit Baerbock angelegt und von allen möglichen (Paywall) und unmöglichen Leuten Beifall und das Gegenteil bekommen.

Ich habe das ja auch alles hinter mir, daher wurde mein Interesse geweckt. Man lauerte mir vor der Wohnungstür auf, um mich zu verprügeln, weil ich etwas Pöhses gebloggt hatte. Ich bekam Myriaden von Abmahnungen und Klagen, sogar noch zwei Jahrzehnte nach Erscheinen der jeweiligen Artikel. Ich wurde auf Steckbriefe gesetzt. Man verleumdete mich, um meine Existenz zu ruinieren. Das BKA zeigte mich an, und mein Computer wurde bei einer Wohnungsdurchsuchung beschlagnahmt.

Ich kann es nachempfinden, wenn jemand von anonymen Trollen angegriffen wird. Es gehört nicht viel dazu, und oft ist es Zufall. Ich könnte jetzt laut rufen: [diese Abkürzung, die ich mir nicht merken kann] sind elitär, rechts, reaktionär. Oder: Tunten sind der Volkssturm des Patriarchats! Oder: Die Guten benutzen Streubomben und lassen Transen auf’s Damenklo, und die Bösen tun das nicht. Und dann warten, was kommt und ob sich jemand offended fühlt oder ob meine Wohnung wieder durchsucht wird wegen hate speech.

Aber das ist Zeitverschwendung. Wenn jedoch Freunde von mir derart attackiert werden, dann schalte ich in den militärische Spezialoperation Kriegsmodus und das ist – das muss ich ganz uneitel anmerken – bisher noch niemandem gut bekommen. (Ich habe neulich mit einem alten und jahrelangen Gegner telefoniert, weil der über viele Leute viel weiß, und wir haben uns gegenseitig Respekt bekundet, obwohl wir mit fast allen denkbaren Mitteln gegeneinander vorgegangen sind, weil ich damals, so schmeichelte er mir, der einzige ernst zu nehmende Gegner gewesen sei. Aber ich komme ins Plaudern über alte Zeiten – ein Vorrecht alter Männer, die vom Krieg erzählen…)

Apropos Danisch: Schriebe ich über die Ernährungsberaterin Ricarda Lang, würde ich das subtil tun, etwa nach dem Motto timeo Danaos et dona ferentes dergestalt, dass ich sie gern bei einer Neuverfilmung eines Bettenkaufs sähe und dass man sich vermutlich darin einig sei, nicht jede Frau habe beim genetischen Roulette einen Hintern wie Kimoriiii aka sweet_tinker_bell (Russin!) abgekriegt, was auch evolutionär gar nicht sinnvoll wäre wg. Diversifikation des Genpools.

Im übrigen halte ich die Lang aus vereins- und gruppendynamischer Sicht für ziemlich clever und würde sie nicht unterschätzen – andere Damen schlafen sich einfach hoch (hier will ich vorsichtshalber keine Links setzen). Die Jung wäre ein interessanter Gegner [sic] – im Gegensatz zu Damen, die gern klagen und öffentlich rumheulen und sich mit Penetranz „palästinensisch“ nennen, so dass man versucht ist, Bezalel Smotrich, den ich übrigens für einen sehr talentierten Politiker halte im Sinne des publizistischen Trumpismus und der, wie unsere Außenministerin, aus dem Internationalen Recht kommt, eine E-Mail zu schreiben mit der Bitte, die Sache ein für allemal zu klären.

Der Popcorn-Faktor bei Danisch stieg steil an, als ich las:
Ricarda Lang und ihr Anwalt haben aber mit Nichtwissen bestritten, dass ich je Aktfotografie betrieben habe. Deshalb fehle es mir dann auch an der Befähigung, Frauenkörper zu bewerten. Ich wäre also gar nicht in der Lage, zu bewerten, ob sie dick ist oder nicht.

Ich habe deshalb die alten Abrechnungen vom Fotostudio und der Workshops und die Model-Verträge rausgesucht und samt Arbeitsproben vorgelegt, um Beweis darüber zu erbringen, dass ich professionell ausgebildet und befähigt bin, und durchaus schon eine hinreichende Zahl hübscher Frauen nackt gesehen habe, um eine ausreichende Qualifikation zu haben, um zu beurteilen, ob eine Frau im Allgemeinen und Ricarda Lang im Besonderen dick ist, und ich den Unterschied zwischen einer schlanken und einer dicken Frau tatsächlich kenne und erkennen kann, zu einem Urteil darüber sowohl befugt, als auch befähigt bin.

Ich führe also Beweis darüber, dass ich schon schöne nackte Frauen gesehen habe, darin von Profis ausgebildet wurde, und deshalb in der Lage, befähigt und berechtigt bin, selbständig darüber zu meinen, ob jemand dick ist. Das ist der Zustand, in dem Deutschland angekommen ist.

Ganz großes Kino, das geradezu nach eine Bebilderung schreit. (Ich höre gerade Summertime, gespielt von Henri Herbert, und komme richtig in Fahrt.)

Schön, dass wir darüber geredet haben.

weibliches gesäß
Keine Ernährungsberaterin (Symbolbild)

Demütigende Events oder: Mens sana in corpore sano

Bundesjugendspiele
Ich bereite mich täglich auf die Bundesaltenspiele vor.

Die taz macht sich für Jugendliche start, die den Arsch nicht mehr hochkriegen (wollen). Die Bundesjugendspiele – „diese Event gewordene Demütigung aller, deren Körper nicht für Leichtathletik, Geräteturnen und Schwimmen geboren wurden“ – seien ein „traumatisches Erlebnis“. Sport ist ohnehin sowas von Nazi.

Man erwartet natürlich von einer Autorin wie Eiken Bruhn nichts anderes: „Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women’s Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.“ Wer Gender und Women’s Studies gelernt hat, kann mit Mens sana in corpore sano nichts anfangen.

Heute darf man kranke Geister in fetten Körpern nicht kritisieren, weil die dann beleidigt sein könnten und sofort nach systemischen Berater*%$I_mnnen rufen würden, was ein höheres Wesen verhüten möge. Und wenn es sich dann noch um nicht schwimmfähige Muslime handelt, so ahnt man, wird demnächst das Bewegen an sich geächtet, weil dabei der Niqab verrutschen könnte.

Sich unbeliebt machen

sich unbeliebt machen
Sich unbeliebt machen (Symbolbild) /imagine –ar 16:9 slim german Hendrik Broder and german politician Claudia Roth yelling at each other ultrarealistic, photographic press photo

Ich arbeite seit vielen Jahren, eigentlich schon Jahrzehnten, daran, mich unbeliebt zu machen. Was vor 42 Jahren mit einem lustigen Text in der ZEIT begann, macht sich inzwischen reichlich bezahlt. Claudia Roth, die charmante und charismatische Staatssekretärin für Kultur und Medien, hat diesen Prozess in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen klug zusammengefasst. Broders „Geschäftsmodell beruht auf Hetze und Falschbehauptungen“. Das war die Retourkutsche dafür, dass ich sie einmal als einen „Doppelzentner fleischgewordene Dummheit, nah am Wasser gebaut und voller Mitgefühl mit sich selbst“ bezeichnet habe. (Hendrik M. Broder)

Balkonien, zwangsläufig revisited

balkonienbalkonien

Ich habe zwar eine Woche Urlaub, aber das Programm ist dennoch straff. In Wahrheit habe ich gar keinen Tag frei, sondern muss immer etwas erledigen, wie heute noch Leibesübungen und hebräische Verben pauken, weil ich morgen wieder Unterricht habe.

Ich plane, meine Feudalismus-Serie, an der ich, wie das Stammpublikum weiß, schon seit 2015 schreibe, alsbald fortzusetzen mit dem dritten Teil der Rezension Parzingers. Wer vergessen hat, worum es eigentlich geht, kann sich schon mal mit der vorläufigen Zusammenfassung warmlesen. Wir wollen doch alle wissen, ob der Kommunismus zwangsläufig kommt oder nicht.

Die Lage an allen Fronten

ukraine

Ich muss das Publikum schockieren dergestalt, dass ich Dinge zusammenposte, die gar nicht zusammengepostet gehören.

1. Wir sind bekanntlich im Krieg. Die Lage an der Ostfront:

Die geleakten Pentagon-Papiere zeigen, dass Washington offenbar nicht mit einem durchschlagenden Erfolg der Ukrainer im Sommer rechnet. Auch der renommierte Militärstratege Markus Reisner vom Verteidigungsministerium in Österreich sagt: „An einen vollständigen Zusammenbruch der russischen Verteidigung glaube ich aktuell noch nicht.“ Die Ukraine hat vor allem Probleme mit dem Munitionsmangel, es fehlen ausreichend gut ausgebildete Soldaten und eine schlagkräftige Luftwaffe.

Erstens: Schon jetzt glauben weder europäische noch amerikanische Spitzendiplomaten daran, dass die Ukraine jemals die annektierte Halbinsel Krim und den gesamten Donbass wieder zurückerobern wird. Das sagt aus Rücksicht auf die ukrainische Regierung niemand offen. In Wahrheit hat der Westen an einer Rückeroberung auch kein ernsthaftes Interesse – die Nato fürchtet Vergeltungsschläge des Kreml, der den Verlust der Krim zur „roten Linie“ erklärt hatte.

Zweitens: Die Kämpfe in diesem Sommer dürften einen hohen Blutzoll fordern, Militärexperten erwarten eine Ermattung auf beiden Seiten. Gleichzeitig wird sich im Westen die Einsicht durchsetzen, dass dann der richtige Zeitpunkt für einen Waffenstillstand gekommen sein dürfte. (Mehr hinter der Paywall der Qualitätsmedien)

Ich füge hinzu: Der Krieg wird spätestens 2024 beendet werden.

statista

2. Wir sind im Kapitalismus. Die Lage an der Front:

Leider hat sich Marx nicht vorstellen können, dass ein kapitalistischer Staat selbst seine Ökonomie aus pseudoreligiösen ideologischen Motiven heraus ruiniert, ohne dass jemand auch nur theoretisch in der Lage wäre zu benennen, was danach käme, geschweige denn die Macht an sich zu reißen, um eine Alternative durchzusetzen. Es wäre bestimmt lustig zu lesen, wie Marx seine Häme über den Ausschuss ausgeschüttet hätte, der die Geschäfte der Bourgeoisie organisieren will.

Man muss einschränken, dass das Bruttoinlandsprodukt (GDP) nicht viel aussagt für die Fragen, die sich denkende Bürger stellen. Wie ist der Reichtum verteilt? Welche Branchen haben Zukunftschancen, und wird in die investiert? Was macht die Konkurrenz? Ich sehe schwarz, vor alle bei der Digitalisierung, die uns bald auf das Niveau der so genannten Welt hinabdrücken wird – im Gegensatz etwa zu Israel (auch wenn es da manchmal oder deswegen teuer sein kann). Außer im Gendern und beim Denunzieren, Canceln, Framen, Empören, Strafen, Umerziehen, Ausstoßen, Zensieren, Entlassen, Einschüchtern, Moralisieren, Politisieren sind die Deutschen nirgendwo wirklich gut. (Ich lasse mich gern eines Besseren belehren.)

Ich füge hinzu: Es hängt an der Bildung der Arbeiter der Faust und der Stirn und an der Emanzipation der Frauen. Wir werden bald – in den Ballungsgebieten – eine große arabischstämmige und ungebildeete Unterschicht haben, so wie Israel, aber wir haben die positiven Seiten nicht, die das Lumpenproletariat konterkarieren können.

Womit wir beim nächsten Thema wären:

powerty report israel

3. Wir sind immer noch im Kapitalismus. Die Lage an einer ganz speziellen Front:

Over one in five Israelis, a total of 22.7%, are currently living in poverty, according to a report by the country’s Social Security Institute. In 2019 the poverty rate was 21.6% and in 2020 it had dropped to 21%, but provisional estimates show that it has risen again in 2021. The same trend was seen among children, whose poverty rate in 2019 was 29.2%, in 2020 dropped to 28.7%, and estimates show rose to 31.2% in 2021.

Media reports said poverty levels are particularly high in the Arab minority and among Orthodox Jews.

The Israeli economy’s 2021 growth was not felt equally in the various sectors of society. (Ich habe eine italienische Quelle genommen, die sich aber auch auf den vom mir verlinkten Report bezieht.)

Ganz einfach: Die prozentuale Größe der Klassen in Israel ist ähnlich wie überall („Mittelklasse“ ca. 60%). Die Armut findet man bei Orthodoxen (hohe Kinderzahl und freiwillig keine Arbeit) und bei Arabern. Die Jerusalem Post hat dazu einen differenzierenden Artikel:

Jerusalem is one of the poorest cities in Israel and some 42% of the city’s residents live under the poverty line – double the national level of 21%. The poverty, however, is not equally distributed. A stunning 60% of the city’s Arab residents live under the poverty line, compared to 31% of Jewish residents (the Jewish poverty rate is driven in large part by poverty in the city’s haredi community, which is at 43% – still significantly below the rate among Arab Jerusalemites).

Was müsste also eine „Linke“ tun und mit wem? Die so genannte Kommunistische Partei Israels, eine Politsekte mit ähnlicher Massenbasis wie hierzulande die MLPD, ist auf dem völkischen Irrweg – ähnlich wie viele Linke in Lateinamerika – und könnte sich genausogut in „nationalsozialistische palästinensische Partei“ umbenennen. Kein Wunder, dass die dort niemand wählt. Diese „Linken“ fallen noch weiter hinter Rosa Luxemburg zurück, so wie die hiesige „Linke“, was Religion angeht, noch auf dem Stand vor der russischen Revolution ist.

Die Frage hatte ich schon gestellt. Ich kann sie immer noch nicht beantworten. Vielleicht erfahre ich in Israel mehr.

bard google

4. Wir sind im Internet. Die Lage an der KI-Front:

Ich müsste mein virtuelles Deutschtum verschleiern, aber bard.google.com wirft mich sogar raus, wenn ich per Tor-Browser komme. Ich könnte mir jetzt die Mühe machen, einen neuen undeutschen Account bei Google anzuschaffen, aber das ist es zur Zeit nicht wert. Heise hatte mich angefixt.

Ich hatte eh Discord (für Secondlife), aber bisher keine Zeit, das mit Midjourney auszuprobieren. Ich lese zur Zeit ein paar fucking manuals. Aber ist das acht Dollar im Monat wert? Das sehe ich noch nicht.

girl
Diese Foto ist hier nur durch ein bedauerliches redaktionelles Missgeschick hineingerutscht.

5. Die Affäre Faeser interessiert mich nicht besonders. Sie bestätigt nur, was ich eh schon dachte. Auch die Journalistenverbände halten dazu das Maul, was mich ebenso überrascht. Wenn ich mich langweile, hätte ich da ein Thema vorbereitet.

6. Wahlumfragen sind irrelevant, solange nicht klar ist, ob die Wagenknecht den Laden aufmischt.

Bedauerliches, auf Linie gebracht

woman reading marx
Durch ein bedauerliches Missgeschick wurde für dieses Blog-Posting ein unpassendes Foto gewählt.

Was haben wir?

Mann. Messer. Psychisch gestört. Schwer verletzte Kinder. Berlin. Michael?

– Der MDR hat ein „millionenfach gesehenes“ Video manipuliert: um es dramatischer wirken zu lassen! An einer Stelle wurden die Schreie des Aktivsten einfach zweimal hintereinander geschnitten – um sein Leid unter der Schmerz-Maßnahme der Polizei länger und schlimmer erscheinen zu lassen. Der Sender bewarb seine Doku also mit einer dreisten Fälschung – und diese ging viral.

Der MDR: Nach Durchsicht aller MDR-Veröffentlichungen zu dem Thema ist uns bei dem Short auf Youtube beim Abmischen der Tonspur ein unerklärbares bedauerliches Missgeschick passiert.

So ganz zufällig? Polizei pöhse. Klimakleber gut – in den Herzen der Redakteur*_&%Innen.

– Der DJV-JVBB (ich bin Mitglied) instragramt unglaublich hip, hipster und so was von cool seinen zahllosen Followern, dass künstliche Intelligenz gut schlecht sei, nur dürfte niemand seinen Job verlieren. Gut, dass wir darüber geredet haben.

– Der Verein Säkularer Islam fordert Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf, die Kooperation mit dem Zentralrat der Muslime sofort einzustellen. In einem Brief an die Ministerin (…) fordert der Verein Säkularer Islam, umgehend das Verbot des IZH und die Schließung der Imam-Ali-Moschee in Hamburg. In dem zweiseitigen Schreiben des Vereins um die Soziologin Necla Kelek heißt es: Wir fordern Sie auf, die Zusammenarbeit, Kooperationen und Gesprächsformate mit dem Zentralrat der Muslime (ZMD) einzustellen. Zumindest so lange das IZH und seine Umfeldorganisationen dort Mitglied sind.“

Das halte ich für den falschen Ansatz. China will Muslime auf Linie bringen. Moscheen zu Turnhallen!

– And now for something completely different. Nutzt hier jemand Windows und Edge? (via Fefe)

– Muss hier jemand akkadische Texte übersetzen?

Das Kreuz mit der Sucht II

Wider die Verwilderung der Sitten

– aus meinem Buch Heroin – Sucht ohne Ausweg?“ (1993)

«Sucht» kommt nicht von «suchen», sondern von «siech», was noch in der frühen Neuzeit synonym für alle möglichen Krankheiten gebraucht wurde. Die Trunksucht, gegen die schon Martin Luther wetterte, galt als Laster, war somit eine freiwillige Entscheidung.

sebastian franck

In den Moralpredigten gegen das «greüwliche laster der trunckenhayt», wie es im 16. Jahrhundert der Theologe und Drogenexperte Sebastian Franck nennt, ist die Nähe zur «Sünde» oder zur verwerflichen Leidenschaft zu spüren. Luther predigt gegen die Sitten des «satanischen Zeitalters», in dem selbst Kinder «destillierte und gebrannte Weine» zu sich nähmen. Es erscheinen Schriften mit Titeln wie «Wider den Saufftheuffel» (1552) oder, von einem Johann W. Petersen (1782): «Geschichte der deutschen Nationalneigung zum Trunke», in der der Autor missbilligend feststellt, schon die alten Germanen hätten sich – vom Rausch eingeschläfert – allzuoft überfallen und besiegen lassen. (1)

Erst im 19. Jahrhundert beginnen einige Ärzte, von der Trunksucht als «krankhaftem Zustand» zu sprechen, der nicht durch bloße moralische Ermahnungen zu heilen sei. Diese Vorstellung von «Krankheit» steht am Ende eines mehrere Jahrhunderte dauernden «Prozesses der Zivilisation», den der Soziologe Norbert Elias beschrieben hat: Der Mensch im beginnenden bürgerlichen Zeitalter nimmt sein Leben selbst in die Hand, er wird nicht, wie noch im Mittelalter, vom Schicksal heimgesucht, das er nicht beeinflussen kann. «Sucht», verstanden als Krankheit, beruht damit auf eigener Verantwortung, oder – diese Idee entwickelt sich parallel – es liegt an den Substanzen: Drogen an sich machen süchtig.

Johann W. Petersen

Im neuzeitlichen Mitteleuropa ist der Konsum von Drogen nicht, wie im Orient, in das soziale Leben integriert, er wird vom herrschenden Tugendkanon als abschreckendes Beispiel definiert, wie man es nicht machen soll. Selbstkontrolle und -disziplin gelten als unabdingbar für die Stabilität der sozialen Ordnung. Wer sich gehenlässt und dem Rausch frönt, kann seine Arbeitskraft nicht mehr eigenverantwortlich auf dem Arbeitsmarkt verkaufen. Der französische Philosoph Michel Foucault hat die These aufgestellt, die Irrenanstalten – Vorläufer der heutigen psychiatrischen und Nervenkliniken -, die es erst in der modernen Gesellschaft gibt, hätten zur Wiederherstellung der «kollektiven Selbstdisziplin» gedient. Die Gesellschaft erklärt einige Verhaltensweisen für «normal» und «nützlich», andere für verwerflich und krank. Vor diesen muss man sich schützen, indem man die Betreffenden, die sich uneinsichtig verweigern, wegsperrt.

Diese Ideen waren doppelt sinnvoll: Zum einen entlasteten sie die «Süchtigen». Die Alkohol- und später die Morphin-Konsumenten konnten ihr von der etablierten Norm abweichendes Verhalten als «Zwang» erklären, der irgendwo in ihrem Inneren hauste und den sie nicht ohne fremde Hilfe zu bekämpfen in der Lage waren. Der Ausschluss aus der Gesellschaft als «Süchtiger» bedeutete gleichzeitig die Wiedereingliederung «als Kranker», um den man sich zu kümmern und den man zu rehabilitieren hatte.

Zum anderen war die Idee einer «Sucht» eine Erklärung für diejenigen Schichten der Bevölkerung, die ihr abweichendes und unerwünschtes Begehren ständig in Schach halten mußten: Wenn man die soziale Sicherung nicht schaffte, lag das an «dunklen Trieben», die man noch nicht unter Kontrolle gebracht hatte, am «krankhaften» Verlangen, das soziale Elend mit Drogen zu betäuben.

William Hogarth
William Hogarth: Beer Street (1751)

Philanthropen und bürgerliche Abstinenzapostel erklären Kriminalität und Verelendung als Folge der moralischen Zerrüttung durch den Rauschgiftkonsum und die «Sucht». Nicht der kontrollierte Umgang wird gefordert, sondern der Verzicht. Gerade in Deutschland und in den puritanisch geprägten USA fällt diese Idee auf fruchtbaren Boden. Da das Leben ohnehin ein Jammertal ist, wäre der Rausch, der zumindest zeitweilig «Abhilfe» schafft, geradezu eine Verhöhnung der sittlichen Grundlagen. Jegliche Erinnerung an mögliche mentale Erfahrungen, die den mühsam erarbeiteten eigenen Verhaltenskodex in Frage stellen, soll getilgt werden. Nicht zufällig wettern heute ehemalige Theologen, die durch politische Wirrungen in verantwortliche Posten in der Drogenpolitik katapultiert wurden, gegen den «Hedonismus», der drohe, wenn man im Krieg gegen die Drogen nur ein wenig nachlasse.

Diese Vorstellung von Sucht hat fatale Folgen. Ihre Definition beruht letztlich auf ethischen und moralischen Leitsätzen, die in einer bestimmten Gesellschaft — und nur in einer — relativ sinnvoll sind. Niemand weiß, warum Wasserbüffel manchmal Mohnkapseln schlucken und danach orientierungslos herumtorkeln, warum Elefanten alkoholisch vergorene Früchte verzehren und regelrecht «ausflippen», warum Katzen wild auf Katzenminze sind, Schafe sich vorsätzlich mit Narrenkraut bedröhnen oder Rhesusaffen, wenn sie die Auswahl haben, Kokain bevorzugen und Heroin verschmähen.

William Hogarth
William Hogarth: Gin Lane (1751)

Die Sucht, der exzessive Konsum von Rauschdrogen, soll beim Menschen jedoch eine Krankheit sein. Man verweigert ihm die Droge, und ist das nicht konsequent möglich, wird er selbst so isoliert, dass er nicht an sie herankommt. Nicht der mögliche Schaden für das Individuum ist relevant, sondern der «Schaden» für die Gesellschaft. Der besteht darin, daß die zwar nie reale, aber dafür um so mehr befürchtete massenhafte Verweigerung der «nützlichen» Tätigkeiten, eben der Arbeit, das System als solches in Frage stellen könnte. Das ist aber ein politisches, kein medizinisches Problem.

«Sucht» als Phänomen, das sowohl repressive staatliche Maßnahmen nach sich ziehen muss als auch nach therapeutischem Bemühen verlangt, taucht erst dann auf, wenn sich die Süchtigen als soziale Randgruppe und/oder als subversive Subkultur im Bild der Öffentlichkeit etabliert haben. Das hat mit der Realität wenig zu tun, sondern dient den jeweiligen Interessen, das Verhältnis des Bürgers zum Staat zu definieren. Die Vorstellung von «Sucht» als Krankheit ist untrennbar verbunden mit der Unterdrückung von unerwünschtem Verhalten und von Minderheiten.

Jacob Riis
Jacob Riis: Street children in „sleeping quarters“ (1890). From the Library of Congress.

Noch im 19. Jahrhundert galten die Morphin-Süchtigen im Gegensatz zu Alkoholikern nicht als gesellschaftliche Problemfälle. Ihre «Motivation», von Opiaten nicht lassen zu können, war ehrenhaft. Sebastian Scheerer fasst den Konsens der damals herrschenden Moralvorstellung über Morphinsucht so zusammen: «Respektabel war die Suchtursache, weil am Beginn der Abhängigkeit zumeist nicht die hedonistische Motivation des späteren Süchtigen, sondern die therapeutische Notwendigkeit bei Operationen von Kriegsverletzungen stand. Konform mit den Normen und Werten der Gesellschaft war der Süchtige im Gegensatz zu seinen ‘Nachfolgern’ in den siebziger Jahren unseres Jahrhunderts, weil sein Konsumverhalten weder Protest gegen anerkannte Werte oder Normen noch den Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben symbolisierte. Weder war das Suchtverhalten in diesem Sinne als Innovation, Revolte oder Rückzug von den Konsumenten gemeint, noch wurden ihm diese Bedeutungen im Sozialprozess zugeschrieben. Der durch ärztliche Behandlung erzeugte (iatrogene) Morphiumhunger wurde nicht als feindseliger Angriff auf die normative Verfassung der Gesellschaft, sondern als bemitleidenswerte Krankheit definiert.» Der Konsument «enttäuscht» zwar die Verhaltenserwartungen seiner Umwelt, «indem er entgegen der Konvention zu Substanzen griff, die eine besondere Wirkung auf das Zentralnervensystem und damit den geistig-seelischen Zustand des Menschen haben. Trotz dieser Verletzung informeller Normen stellte er jedoch deren generelle Gültigkeit nicht in Frage.»

morphin addicts
Albert Besnard: Morphine Addicts (Morphinomanes), 1887

Dieser akzeptierende Umgang mit der Opiatsucht beginnt sich erst in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu ändern. Das erste deutsche Opiumgesetz vom 30.12.1920 [gemeint ist das Gesetz zur Ausführung des Internationalen Opiumabkommens vom 23. Januar 1912 vom 30. Dezember 1920 (RGBl. 1921 S. 2)] verbietet Rauchopium, stellt aber den nichtmedizinischen Gebrauch unter nur milde Strafandrohung. Über Heroin sagt es gar nichts.

Das hatte seine Gründe: Schon 1909 in Schanghai und 1912 in Den Haag hatten internationale Konferenzen – auf Drängen der USA – stattgefunden. Das Thema war vor allem der schwungvolle englische Opiumhandel mit China, der eine hundertjährige Tradition und sogar zu zwei Kriegen geführt hatte. Vor allem die US-amerikanische Regierung versuchte die Rauchopium-Exporte der Engländer zu verhindern. Diese jedoch hatten in Den Haag geschickt den Schwarzen Peter den deutschen Firmen zugeschoben – den größten industriellen Drogenproduzenten der Welt und Marktführern für Morphin, Heroin, Kokain und Codein. Wenn der englische Opiumhandel strengen Kontrollen unterworfen werden sollte, dann auch der der Deutschen. Die aber weigerten sich, irgendwelche Verpflichtungen zu unterschreiben. Dazu wurden sie erst nach dem Ersten Weltkrieg gezwungen. Die Siegermächte fügten einen Passus in den Versailler Vertrag ein, der an die fehlende Unterschrift unter die Opiumkonvention von Den Haag erinnerte.

opiumabkommen 1925
Gesetz über das internationale Opiumabkommen vom 19. Februar 1925 (Deutschland, 1929)

1929 wird das deutsche Opiumgesetz geändert. Es verbietet jetzt Rauchopium, Haschisch und Marihuana, aber immer noch nicht Heroin. Die Verbote fruchten jedoch nicht. Wenn die Süchtigen keinen Arzt finden, der ihnen Opium-Präparate verordnet, weichen sie auf Ersatzstoffe aus – wie heute auf Benzodiazepine oder Codein. Selbst die schärferen Gesetze der folgenden Jahre helfen wenig. Die Propaganda der Rauschmittel-Gegner wendet sich daher weniger gegen die Drogen selbst, sondern gegen die Unfähigkeit des Staates, seinen Gesetzen Geltung zu verschaffen. Die Süchtigen findet man angeblich in der Halb- und Unterwelt, unter so windigen Gestalten wie «Kellnern, Garderobenangestellten, Kaffeehausmusikern, Chauffeuren, der weiblichen wie der männlichen Prostitution».

Man fordert das ausnahmslose Verbot aller Substanzen, «die eine Euphorie zu erzeugen vermögen», um «die Überflutung unseres Volkes mit Opiaten und Kokainpräparaten zu verhindern». «Ahnungslose Mädchen», schreiben die Zeitungen, werden «nach Verabfolgung von Betäubungsmitteln durch Mädchenhändler den Freudenhäusern zugebracht.» Die Süchtigen werden in den Medien als schützenswerte Gruppe dargestellt, die gleichzeitig als potentielle Klientel des staatlichen Zugriffs erscheint. Scheerer: «Das Bestreben, die Konsumenten in ihrem wohlverstandenen eigenen Interesse einzugrenzen und sozial sichtbar zu machen, erforderte von der Mitte der zwanziger Jahre an eine bis heute andauernde Ausdehnung des sachlichen und personalen Geltungsbereichs der Betäubungsmittelgesetze, die natürlich immer weitere Verdrängungseffekte hervorbrachte und damit die jeweils neue Ausdehnung rechtfertigte…»“

Die Produzenten, die Alkaloid-Industrie, bleiben von den repressiven Maßnahmen verschont. Ganz im Gegenteil: die Branche erlebt einen ungeahnten Aufschwung. Nicht nur der Export boomt. Im Wettlauf mit der ersten deutschen «Drogenszene» der zwanziger Jahre, die auf immer neue Ersatzstoffe ausweicht, bringt sie eine Unzahl von pharmazeutischen Präparaten auf den Markt, die in der Mehrheit genauso wie Opiate abhängig machen.

alkoholismus
Mitteilungsblatt Ausstellung zur Bekämpfung des Alkoholismus, aus Bestand: Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland Boppard

Die Propaganda der Abstinenzbewegung und die gleichzeitige Verschärfung der polizeilichen Repression gehen nahtlos in die Zeit des Nationalsozialismus über. Nur die Zielrichtung ändert sich. Die Anti-Drogen-Kampagnen werden in den Dienst der «Rassenhygiene» gestellt. Schon im ersten Jahr der Nazi-Herrschaft regeln das «Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses» und das «Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung» eine genaue Erfassung und Kontrolle der Süchtigen.

Die Abstinenzlerverbände verpflichten sich, die «erblich schwer Belasteten» zwecks Sterilisation an die staatlichen Organe zu melden. Publikationen der «Evangelischen Reichsarbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung der Alkoholnot» fordern in vorauseilendem Gehorsam, «das Überwuchern der Erbkranken und Unterwertigen durch Ausschaltung ihres Nachwuchses möglichst einzudämmen».

genußgifte leistung rasse
Reichsstelle gegen die Alkohol- und Tabakgefahren Berlin-Dahlem. Von Prof.Dr. H. Reiter / Berlin (Präsident des Reichsgesundheitsamtes) und Dr. Günther Hecht (Rassenpolitisches Amt der NSDAP, Reichsleitung Berlin) (1940)

Zuständig für die Bekämpfung der Opiate ist die «Reichsstelle gegen die Alkohol- und Tabakgefahren» in Berlin-Dahlem unter Führung des «Reichsgesundheitsführers» Conti. Der Dachverband «Reichsarbeitsgemeinschaft für Rauschgiftbekämpfung» (3) fordert die Selektion der «erbbiologisch Minderwertigen». Genussgifte, so Prof. Dr. H. Reiter, Präsident des Reichsgesundheitsamtes, verminderten die Leistung und schadeten der Rasse. Das «Rassenpolitische Amt der NSDAP» macht die Juden für den Handel mit Drogen, vor allem mit Tabak und Alkohol, verantwortlich.

Der SS- und Polizeichef Heinrich Himmler schreibt am 5.12.1937: «Kein Deutscher hat daher das Recht, die Kraft seines Körpers und Geistes durch Alkoholmißbrauch zu schwächen. Er schädigt damit nicht nur sich, sondern seine Familie und vor allem sein Volk.» Nicht die pharmazeutische Industrie, sondern die «ausländischen» Drogendealer verkörpern das Böse schlechthin, sie sind die Verführer. Die Juden sind schuld, nicht nur am Handel mit Opiaten, sondern mit Drogen überhaupt: dank ihrer «besonderen Begabung des raffinierten Beobachtenkönnens», wodurch «der Jude seine Alkoholpropaganda sehr geschickt dem deutschen Grundcharakter anzupassen» versteht. (4)

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(1) Vgl. M. Kreutel (1987), S. 53 ff
(2) S. Scheerer (1982), S. 51, ebd., S. 55
(3) Diesem Dachverband schlössen sich die meisten kirchlichen, überwiegend protestantischen Verbände an, die den Kampf gegen Drogen auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Ein Ideologe der Abstinenz-Bewegung, Dr. Theo Gläß, der sich in der Nazi-Zeit um die «Rassen-Hygiene» kümmert, wird nach dem Krieg Präsident der «Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren» (DHSTilman Holzer: Die Geburt der Drogenpolitik aus dem Geist der Rassenhygiene – Deutsche Drogenpolitik von 1933 bis 1972, 2007]
(4) Zit. nach einer Schrift des «Rassenpolitischen Amtes der NSDAP»

Unter Schtieseln

konfirmation NAK
Meine Konfirmation 1966 oder 1977. Ein grandioses Foto, das meine Kindheit anschaulich zusammenfasst. Alle außer mir sind schon tot. Von links nach rechts: Meine Tante Leni (Hausfrau, neuapostolisch und Ehefrau eines Priesters/Laienpredigers der NAK), mein Vater Kurt (Bergmann, später kaufmännischer Angestellter, Priester in der NAK), meine Oma Caroline Baumgart (Hausfrau, neuapostolisch), neben mir mein Opa Hugo Schröder (Bergmann, Hirte und Gemeindevorsteher in der NAK), vorn rechts mein Opa Peter Baumgart (Bergmann, Priester der NAK), ganz rechts mein Onkel Otto Mey (Bahnangestellter, Hirte und Gemeindevorsteher in der NAK). Leni war die Tochter meines Onkels Otto.

Jetzt brüllen auch in Dresden die Muezzine herum. Ein Fall für Arthur Harris? Die Weltläufte geben zur Zeit nichts Überraschendes her. Daher darf ich – das Einverständnis des Publikums vorausgesetzt – einen Besinnungsaufsatz schreiben eine religionssoziologische Studie verfassen.

Vorab sollten einige anthropologischen Fragen geklärt werden.

Warum tragen alle Männer schwarze Anzüge, der Konfirmand eingeschlossen? Ein normaler Anzug, aber ganz in schwarz, ist die „Uniform“ der „Geistlichen“ in der NAK. Niemand hat eine theologische Ausbildung, und sie machen trotzdem das, was Pfaffen so tun. Und da das funktioniert, ist das für sie ein „Beweis“, dass der Heilige Geist aus ihnen spricht. Der „Straßenanzug“ soll genau das zeigen.

Luther hat allerdings die Knechtschaft aus Devotion besiegt, weil er die Knechtschaft aus Überzeugung an ihre Stelle gesetzt hat. Er hat den Glauben an die Autorität gebrochen, weil er die Autorität des Glaubens restauriert hat. Er hat die Pfaffen in Laien verwandelt, weil er die Laien in Pfaffen verwandelt hat. Er hat den Menschen von der äußeren Religiosität befreit, weil er die Religiosität zum inneren Menschen gemacht hat. Er hat den Leib von der Kette emanzipiert, weil er das Herz an die Kette gelegt. (Karl Marx) Die protestantischen Sekten ebnen die Hierarchie zwischen Glaubensvolk und Paffen konsequent ein. Jeder (Mann) kann alles sein und werden. Mein Opa Peter konnte, als er 1918 nach Deutschland kam, weder richtig lesen noch schreiben. Prediger wurde er trotzdem.

Was machen die da, und wo sind die anderen Frauen? Natürlich wurde immer und permanent und ausschließlich über die Bibel (liegt auf dem Tisch) und religiöse Themen geredet. Frauen mussten die Klappe halten und wurden dabei nur geduldet. Meine Oma Caroline widersetzte sich dem unausgesprochenen Verbot – sie gesellte sich zu den Männern, sagte aber nichts, sondern hörte nur zu. Ich durfte auch nichts beitragen, ich war noch zu jung.

„Wie in allen Gemeinden der Heiligen lasset eure Weiber schweigen in der Gemeinde; denn es soll ihnen nicht zugelassen werden, dass sie reden, sondern sie sollen untertan sein, wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie aber etwas lernen, so lasset sie daheim ihre Männer fragen. Es steht den Weibern übel an, in der Gemeinde zu reden.“ (Paulus, 1. Brief an die Korinther 14, 34)

Wiederholt sich das nicht alles unendlich oft? Nein, die „theologischen Themen“ wurden mit persönlichen Geschichten angereichert. Wie sich ein ostpreußischer Bauer mit dem Teufel verschworen hatte und mein Onkel Otto, der aus Gumbinnen stammte und in seiner Jugend als Bauernknecht arbeitete, ihn überlistete, mit Gottes Hilfe. Wie meinem Vater in einem Hohlweg in Holzwickede der Geist eines Selbstmörders erschien. Wie ein „Apostel“ der NAK in Opherdicke den Geist eines Selbstmörders vertrieb, der dort in einem Haus herumspukte. Wie Onkel Otto im 1. Weltkrieg ganz allein und mit Gottes Hilfe mehr als ein Dutzend Franzosen gefangen nahm und dafür einen Orden bekam. Wie mein Opa Peter in Russland während der Revolution zu Tode verurteilt wurde und aus dem Gefängnis floh, mit Gottes Hilfe.

Wie informierte man sich über die Weltläufte? Information wird überschätzt. Fernsehen war verboten. Radio eigentlich auch – mein Opa Hugo hat das bis zum Lebensende konsequent durchgezogen. Mein Opa Peter aber hatte ein Radio, weil er aus dem damals russischen Polen stammte und Russisch verstand und hören wollte. Die „Welt“ – also known as Babylon – brauchte man nicht, und man sollte sie auch meiden. Tanzstunde oder Disko? Verboten? Kirmes oder Schützenfest? Verboten. Freundschaften mit Leuten, die nicht neuapostolisch waren? Verboten, vor allem für Kinder von „Amtsträgern“ – wie mich. Bücher? Sind gefährlich. Mein Opa Hugo riet meinen Eltern, mich nicht auf ein Gymnasium zu schicken. Kino? Verboten. Meine Mutter erzählte mir noch gestern, wie sich sich als junges Mädchen in Hamm heimlich einen Kinofilm ansah und dabei ein fürchterlich schlechtes Gewissen und viel Angst hatte, Gott (der bei den Neuapostolischen meistens „der himmlische Vater“ genannt wird) würde sie dafür bestrafen. Die Verbote mussten gar nicht ausgesprochen werden. Man wusste einfach, was zu tun und zu lassen war.

Und jetzt zur religionssoziologischen Studie. Kann sich das Publikum vorstellen, warum mir Filme wie Shtiesel, Unorthodox oder Rough Diamonds (empfehlenswert!) „unheimlich“ bekannt vorkommen und warum mir die oft ein beklemmendes Gefühl erzeugen, das sich gleich verwandelt in das Bedürfnis, in diese Milieus hineinzufahren wie der Teufel unter die armen Seelen und alles auszuräuchern?

Das Kreuz mit der Sucht I

Drogen und Sucht

– aus meinem Buch Heroin – Sucht ohne Ausweg?“ (1993)

Die Fragen, was Sucht sei, woher sie kommt und wie sie zu bewerten sei, führt auf ein schwieriges, kaum überschaubares Gelände. Der biblische Pontius Pilatus wusste angesichts eines ähnlich vertrackten Problems nur zu entgegnen: «Was ist Wahrheit?» Da niemand sich anmaßen konnte, eine angemessene Antwort zu geben, tat der römische Statthalter etwas, das entfernt an die Praxis der heutigen Suchtexperten und Drogenberater erinnert: Er wusch seine Hände in Unschuld. Niemand weiß Bescheid, deshalb können wir alle fortfahren wie bisher.

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Alle Bilder erzeugt von Playground AI

Von den zwei Dutzend international erscheinenden Fachzeitschriften zum Thema «Abhängigkeit» kommt nicht eine einzige in Deutschland heraus. «Ein Armutszeugnis», urteilt Michael de Ridder, ein Biologe und Arzt, «das dokumentiert, in welchem Ausmaß die Medizin in Deutschland das Feld der Prävention und Behandlung der Drogenabhängigkeit ordnungspolitischen Scheinlösungsversuchen überlassen hat.» (1)

Oder sind die Experten in Deutschland bescheidener als ihre internationalen Kollegen und Kolleginnen? Haben sie erkannt, dass die Frage nicht zu beantworten, vielleicht sogar falsch gestellt ist? De Ridder behauptet nämlich, dass es trotz zahlreicher Untersuchungen bisher nicht gelungen sei, «spezifische Persönlichkeitsmerkmale oder Umgebungseinflüsse ausfindig zu machen, die zum Opiatgebrauch prädestinieren. Die Frage, was einen Menschen zum Heroingebrauch treibt, ist letztlich ebenso unbeantwortbar wie die Frage, warum jemand beginnt, Alkohol zu trinken oder auf Berge zu steigen.»

Nein, der schwankende Boden, auf dem alle Theorien über Sucht stehen, führt bei den «Experten» nicht zur inneren Einkehr oder zur demütigen Selbstbescheidung. Ganz im Gegenteil. Selbst manche Drogenberater, die von Opiat-Antagonisten, vom «maturing out», vom «Britischen Modell» der Heroin-Vergabe noch nie etwas gehört haben, antworten auf die Frage, warum jemand heroinabhängig werde, lässig mit «erstens, zweitens, drittens». (2)

Ingo Warnke, der Synanon-Chefideologe, maßt sich sogar an, in der Synanon-Zeitschrift «Suchtreport», die sich im Untertitel, nicht ganz angemessen, «Europäische Fachzeitschrift für Suchtprobleme» nennt, für alle zu sprechen: «Wir Süchtigen». «Die Süchtigen» hätten offenbar nicht «mehr das Zeug», ohne Sozialhelfer zurechtzukommen. Sie forderten immer nur von der Gesellschaft «wie die Kinder vom Weihnachtsmann», wollten aber ihr eigenes Sein nicht verantworten. (3) Wenn man aber noch nicht einmal weiß, was Sucht ist, wie kann man sich dann starke Worte über «die Süchtigen» erlauben?

Im alltäglichen Sprachgebrauch steht «Sucht» häufig für einen unwiderstehlichen Zwang, etwas nicht lassen zu können. Woher der kommt, braucht nicht benannt zu werden. Man kann nach etwas süchtig sein – in dieser sprachlichen Variante steht die für ihr Verlangen verantwortliche Person im Vordergrund; man kann von etwas abhängig sein – damit wird der ursächliche Zwang der Substanz zugeordnet. Gerade bei der bekanntesten Sucht, dem Alkoholismus, kann niemand zwischen den beiden Möglichkeiten klar entscheiden.

Unstrittig ist nur eins: Es gibt Drogensucht, und mehrere Millionen Bundesbürger können ohne Tabak, Alkohol oder Tabletten nicht leben. Das viel beschworene «Drogenproblem» bezieht sich aber, jedenfalls in der Meinung der Öffentlichkeit, weniger auf Alkohol und Tabak, obwohl hier selbstverständlich von einer Suchtgefahr gesprochen wird, sondern auf die illegalen Drogen, Opiate, Kokain, «Designer-Drogen» und Halluzinogene. Haschisch jedoch, das ein Halluzinogen ist, macht nach der überwiegenden Meinung der Fachleute nicht süchtig/und, gemessen an der Zahl der Alkohol- und Tabletten-Abhängigen und der gesellschaftlichen Folgeschäden, sind die Konsumenten illegaler Drogen ein fast zu vernachlässigendes Randproblem.

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Die legale Droge Alkohol fordert jedes Jahr Zehntausende von Opfern. Informationen über die Folgeschäden des Rauchens gehören mittlerweile zur Allgemeinbildung. Dennoch tauchen in den Medien mit einer schon nicht mehr zu erklärenden Hartnäckigkeit «Drogentote» auf, deren Zahl zwar ansteigt, sich aber immer noch im vierstelligen Bereich bewegt. Das Argument, mit «Drogentote» seien die gemeint, die durch illegale Drogen sterben, zieht nicht: Ein großer Teil der sogenannten «Herointoten», deren abschreckende Bilder durch die Presse geistern, ist an einer Überdosis von Barbituraten, Tranquilizern oder Alkohol gestorben – diese Drogen aber sind legal.

Der Begriff «Sucht» bezieht sich nicht nur auf Drogen. Man hat die «Spielsucht» kreiert, man spricht von Liebes- und Machtsucht, Fresssucht und Magersucht haben Eingang in medizinische Fachbücher gefunden – die Zahl der Süchte ist heute Legion. Den Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist dieser inflationäre Gebrauch des Suchtbegriffs schon vor langer Zeit unangenehm aufgefallen. 1969 versuchte die WHO, «Sucht» genauer zu definieren, indem sie das Wort ganz unter den Tisch fallen ließ. Jetzt hieß es «Abhängigkeit». Bezogen auf Drogen lautet eine der heute gängigen Definitionen: «Drogenabhängigkeit ist ein psychischer und manchmal auch physischer Zustand, der durch die Wechselwirkung eines lebenden Organismus und einer Droge entsteht. Er zeichnet sich durch Reaktionen aus, die stets den Zwang beinhalten, die Droge regelmäßig oder periodisch einzunehmen. Dabei besteht einerseits das Bedürfnis, die psychischen Wirkungen der Droge zu erfahren, andererseits der Drang, Abstinenzsymptome zu vermeiden. Toleranz kann vorliegen, muss aber nicht. Ein Individuum kann von mehr als einer Droge abhängig sein.» (4)

Der Begriff «Sucht» ist auch deshalb so beliebt, weil jeder Mensch an Alltagserfahrungen anknüpfen kann, die scheinbar für eine Erklärung des Phänomens ausreichen. Da jeder Raucher und jede Raucherin weiß, dass es nur eine Frage des Willens und der Selbstdisziplin wäre, den Tabakmissbrauch zu beenden, kann man sich schwer vorstellen, warum es Heroinabhängigen nicht gelingt, sich von ihrer «Sucht» zu befreien. Natürlich spielt auch Neid eine Rolle: Wenn angesichts des Desasters der deutschen Drogenpolitik gefordert wird, Heroin freizugeben oder an Junkies zu verteilen, kommt unweigerlich die Erwiderung, dass man dann ja auch Alkoholiker mit ihrer Droge versorgen müsse. Warum sollten Heroinabhängige privilegiert werden?

Diese oberflächliche Alltagslogik deutet auf ein viel tiefer liegendes Problem. Was der Gesellschaft gerade an der Heroinsucht so aufstößt, hat wenig mit der Droge selbst, um so mehr mit der damit zusammenhängenden Subkultur zu tun. Kompliziert formuliert: «Die strukturelle Anfälligkeit westlicher Gesellschaften für Konflikte über die moralische und rechtliche Bewertung des Drogenkonsums ergibt sich aus der delikat ausbalancierten Stellung des Drogenkonsums in einer sowohl am Leistungs- wie auch am hedonistischen Prinzip orientierten Gesellschaft.» (5)

Einfacher: Wer etwas leistet, erfreut sich in Gesellschaften, die im weitesten Sinne auf den moralischen Prinzipien der protestantischen Arbeitsethik fußen, eines hohen Ansehens – und darf sich dann auch mal was Schönes gönnen. Wer freiwillig faul ist, gilt, je nach Rigidität der Norm, als sozialer Abweichler. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, hieß es im alten Preussen. Wer dem Rausch frönt und süchtig ist, genauer: nach oder von illegalen Drogen süchtig ist, sei arbeitsunfähig und damit auch moralisch verwerflich – so jedenfalls das Klischee der öffentlichen Meinung. Man darf dem individuellen Lustprinzip huldigen, wenn man vorher etwas geleistet hat, nur dann. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.

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Die Frage ist nur: Wie viele Arbeitsunwillige kann unsere Gesellschaft vertragen? Nicht ihre reale Zahl ist wichtig, sondern ihre symbolische Ausstrahlungskraft, die Faszination einer Drogen-Subkultur, die den normal arbeitenden Bürger zutiefst verunsichert. Die «Sucht», die gleichzeitig das Lustprinzip auf die Spitze treibt, ist ein Angriff auf die Moral. Sucht ist nur in der Freizeit gestattet, als Ausgleich zum Stress des Arbeitslebens, als verschämt genossenes Privatvergnügen oder im Rahmen akzeptierter Rituale wie beim Fußball oder im Vereinswesen.

Das Klischee der «Sucht» als Verweigerung der Leistung ist so in den Köpfen etabliert, dass die Realität kaum eine Chance hat: Heroinabhängige, die problemlos mit ihrer Droge versorgt würden oder werden – was wegen der Illegalisierung des Heroins kaum der Fall ist -, sind genauso arbeitswillig und -fähig wie jemand, der jeden Tag drei Schachteln Zigaretten raucht. Ihre Leistungsfähigkeit ist nicht wesentlich beeinträchtigt, noch nicht einmal, im Gegensatz zu Alkoholikern, die Fahrtüchtigkeit. (6) Sie richten also keinen Schaden an, jedenfalls nicht mehr als diejenigen, die ohne Drogen auskommen. Warum sollte also die Heroin-Sucht überhaupt behandelt oder gar therapiert werden?

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(1) M. de Ridder: Der Stoff, die Nadel und der Tod. In: «Süddeutsche Zeitung», 12.02.92
(2) Eigene Erfahrung des Autors während der Recherche, die aber nicht verallgemeinert werden kann und darf.
(3) I. Warnke: Verantwortliche Erwachsene? In: «Suchtreport» 2/92
(4) Margit Kreutel: Die Opiumsucht, 1987, S. 7
(5) S. Scheerer , S. 92
(6) Bei Tests zur Fahrtüchtigkeit von Heroinabhängigen, die das Medikament Polamidon erhielten, hat sich herausgestellt, dass die Substitution die Leistungsfähigkeit der Testpersonen nicht beeinträchtigte. Das jedenfalls teilten Verkehrsmediziner der Heidelberger Universität auf dem Jahreskongress der Rechtsmediziner im September 1992 mit.

Ein Trip zum „Blauen Ort“ – wie Opiate wirken

(aus meinem Buch Heroin – Sucht ohne Ausweg?“ (1993)

blauer ort
Blauer Kern Locus coeruleus) des menschlichen Gehirns, erzeugt von Playground AI

Reines Heroin schadet dem Körper nicht. Das hat es mit allen anderen Opiaten gemeinsam. Selbst jahrelanger Konsum hinterlässt keine irreversiblen Veränderungen. Diese schlichte Erkenntnis wird in fast allen wohlmeinenden «Aufklärungs»-Broschüren und auch in Lehrbüchern unterschlagen, obwohl sie den Fachleuten in der Regel schon seit langem bekannt ist. (1) In deutschen Drogenberatungsstellen scheint man jedoch häufig der Meinung zu sein, wegen der Gefährlichkeit der Droge Heroin groben Unfug verbreiten zu dürfen, um die potentiellen Konsumenten abzuschrecken.

«Unschädlich» heißt ja «nur», dass Heroin – im Gegensatz zu Zellgiften wie Nikotin und Alkohol -, die Organe, etwa Leber oder Lunge, nicht angreift. Die extreme körperliche und psychische Abhängigkeit, die der Heroin-Gebrauch häufig nach sich zieht, und die Entzugssymptome nach dem Absetzen sind selbstredend keine Bagatellen. «Gefährlich» ist Heroin heute aber vor allem deshalb, weil der Stoff – wegen der Illegalisierung und der Beimischung von zum Teil giftigen Strecksubstanzen -nicht exakt dosiert werden kann. Die Gefahr einer tödlichen Überdosis steigt dadurch enorm. Diese Gefahr ist allerdings keine spezifische Eigenart der Droge Heroin, sondern vieler Rauschgifte.

Einige Beispiele zum «Informations»-Unfug: In Berlin liegt in einigen Beratungsstellen die Broschüre einer Krankenkasse zum Thema «Drogen» aus. In der-Rubrik «Heroin» findet man zu den «Langzeitfolgen»: «Abnahme der Intelligenz, Wahnideen, bleibende Gehirnschäden, Magen- und Darmstörungen, Abmagerung bis zum völligen körperlichen Verfall, Leberschäden.» (2) Ein aktuelles Faltblatt des Berliner Landesdrogenbeauftragten führt unter «Risiken» des Heroins (!) auf, «weitere Gefahren» seien «Beschaffungskriminalität und Prostitution». Ein medizinisches Standardlexikon weiß unter dem Stichwort «Heroinsucht» von «starker Euphorie» zu berichten, gleichzeitig aber auch von «Aggressivität» und «körperlich-geistiger Zerrüttung». Identische Symptome zeichnen, laut Lexikon, den «Morphinismus» aus.

Der langjährige Drogenbeauftragte der US-Regierung, Jerome Jaffe, weiß es besser. Er sagt, dass ein Opiat-Abhängiger, «der sich auf legalem Wege eine ihm adäquate Menge von Drogen beschaffen kann und der hierfür die Mittel hat, sich gewöhnlich ordentlich kleidet, regelmäßig isst und seine sozialen und beruflichen Verpflichtungen erfolgreich bewältigt. Normalerweise ist er gesund und leidet kaum unter Beeinträchtigungen: im allgemeinen kann man ihn nicht von anderen Menschen unterscheiden.» (3) Auch in manchen medizinischen Fachbüchern findet man als Nebenwirkungen des Opiat-Gebrauchs lediglich Übelkeit bei sporadischer Einnahme, Atemdepression, Verstopfung und Abnahme des sexuellen Empfindens.

limbisches system

Diese widersprüchlichen Thesen haben eine simple Ursache. Bis Mitte der siebziger Jahre konnten die Fachleute nur spekulieren, was Opiate, also auch Heroin, im Körper anrichten und wo sie wirken. Noch bei der Verabschiedung des deutschen Betäubungsmittelgesetzes 1971 steckte die Opiat-Forschung in den Kinderschuhen. Das Wissen der für das Opiat- und Cannabis-Verbot zuständigen Politiker und der sie beratenden Beamten blieb «weitgehend dem Zufall überlassen» (4), schreibt Sebastian Scheerer, der die Genese dieses Gesetzes erforscht hat. Eine kompetente und durch wissenschaftliche Erkenntnisse begründete Einschätzung der realen «Gefahr» des Opiat-Konsums war unmöglich, da diese Erkenntnisse noch gar nicht vorlagen. In einem sozialen Kontext, in dem die Droge verboten sei, könne man die Wirkung von Heroin ohnehin nicht diskutieren, sagte der New Yorker Psychiatrie-Professor Thomas Szasz in einem Fernsehinterview, «das wäre, als wolle man die Natur des Judentums im Deutschland der Nazis studieren». (5)

Dem Rätsel auf der Spur waren Forscher, die sich für den Zusammenhang zwischen Schmerz und Lust interessierten. Man war schon Anfang der siebziger Jahre auf die Idee gekommen, Opiate radioaktiv zu markieren, um ihre Spur im Körper verfolgen zu können. Dabei machten mehrere Wissenschaftler unabhängig voneinander eine interessante Entdeckung. Opiate lindern das Schmerzempfinden nicht, indem sie wie andere analgetisch wirkende Pharmaka die Zellmembran direkt beeinflussen. Sie entfalten ihren eigentümlichen Effekt sehr schnell und schon in winzigen Mengen. Das ließ vermuten, dass im Körper spezielle Rezeptoren (Empfänger) vorhanden sind, an die nur Opiate «andocken» und in die sie passen wie ein Schlüssel in ein Türschloss. Diese Rezeptoren mussten aber für irgend etwas gut sein, denn es war schwer vorstellbar, dass die Natur den menschlichen Körper vorsorglich mit etwas ausgestattet haben sollte, das nur durch extern zugeführte Drogen aktiviert werden kann.

Je mehr man über diese Rezeptoren wusste, um so spannender, aber auch um so rätselhafter wurde die Angelegenheit: Die Opiat-Rezeptoren finden sich an ganz unterschiedlichen Stellen des Gehirns. Sie verteilen sich nicht gleichmäßig, sondern treten in einigen Gebieten konzentriert auf. In anderen sind sie dünn gesät. Besonders viele Rezeptoren beobachtete man in Gebieten, die mit der Schmerzwahrnehmung und -weiterleitung betraut sind – wie dem Rückenmark -, sowie im Limbischen System, auch verkürzend «Belohnungssystem» genannt, weil es eine wichtige Rolle für den Gefühlshaushalt des Menschen spielt. Auch in den Regionen, die für endokrine (Hormone absondernde) Funktionen zuständig sind sowie für die unwillkürliche Motorik, wimmelt es von Rezeptoren.

Die Rezeptoren konnten zwecks einer chemischen Analyse nicht aus der Zellmembran herausgelöst werden. Sie verloren dann sofort ihre besonderen Eigenschaften und verweigerten den Opiaten ihren Dienst – wie ein Autoschloss, das von einem Autoknacker mit einem Schraubenschlüssel bearbeitet worden ist.

Die Hirnforscher waren bass erstaunt, als zwei schottische Wissenschaftler mit einer neuen Entdeckung ans Licht der Öffentlichkeit traten: Der menschliche Körper produziere in Eigenregie Anti-Schmerzmittel, die wie Opiate wirken. Diese Stoffe, sogenannte Neurotransmitter, übertragen Informationen von Nervenzelle zu Nervenzelle. Sie bestehen aus Eiweißverbindungen (Peptide), die chemisch so differenziert wirken, dass sie an jeweils passenden Rezeptoren andocken.

formatia reticularis
Formatia reticularis, erzeugt von Playground AI

Nicht jedes Opioidpeptid, wie die Verbindungen aufgrund ihrer Wirkungen genannt werden, bringt seine Botschaft an jeden Rezeptor. Deshalb unterscheidet man diverse «Rezeptorpopulationen». Für diese Informationsträger hatten die Hirnforscher bald schöne Namen gefunden: zum Beispiel Enkephaline – nach dem griechischen Wort Encephalon (6) (Gehirn) – und Endorphine – aus «endo» (griechisch für «innen») und Morphin.

Heute kennt man rund zwanzig dieser Opioidpeptide. Einige docken an Rezeptorpopulationen an, die euphorische Gefühle auslösen, wenn sie stimuliert werden und deshalb wohl für die Sucht verantwortlich sind. Andere – wie die Enkephaline – bevorzugen Rezeptoren, die keine externen Opiate akzeptieren. Es gibt sogar endogene Opiate, denen es egal ist, an welche Rezeptoren sie andocken, oder die euphorische Gefühle stimulieren, zugleich aber Schmerzen nicht verhindern – also «agonistische» und «antagonistische» Eigenschaften haben.

Wie der Körper diese Substanzen synthetisiert, die Eiweißverbindungen also abbaut, ist eine äußerst vertrackte Angelegenheit. (7) Alle Peptide lassen sich auf drei großmolekulare Eiweißverbindungen zurückführen, wie zum Beispiel das Eipotropin. Lipotropin ist ein Hormon, das in der Hypophyse hergestellt wird. Es besteht aus 91 Aminosäuren und wirkt nicht wie ein Opiat. Erst «auf Anforderung», mittels eines chemischen Katalysators, entsteht durch enzymatische Abspaltung das ß-Endorphin.

Dynorphin, eine dem Endorphin verwandte opiatähnliche Eiweißverbindung, ist ebenfalls ein Produkt der Hypophyse. Seine Wirkung kommt der der stärksten synthetischen Opiate gleich. Es könnte also dem Heroin durchaus Konkurrenz machen. Der Unterschied ist ganz praktischer Natur: Die körpereigenen Opiate dringen nur schlecht ins Gehirn ein, wenn sie therapeutisch verabreicht werden.

Die Entdeckung dieser Botenstoffe warf mehr Fragen auf, als sie beantwortete: Warum hat Mutter Natur den Menschen mit einem internen biochemischen Drogenlabor ausgestattet? Warum sind für Informationen, die das menschliche Gefühlssystem stimulieren, ausgerechnet Substanzen notwendig, die wie der Pflanzenextrakt Opium wirken? Und wo ist der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Körperfunktionen, die alle von Endorphinen beeinflusst werden – nämlich der unwillkürlichen Motorik, dem Lust- und Schmerzempfinden und der Verdauung?


Nervenzellen des menschlichen Gehirns, erzeugt von Playground AI

Die Sache versprach auch deshalb interessant zu werden, weil sie auf ein Gebiet führte, für das sich ursprünglich die Theologie, dann die Philosophie und die Psychologie für zuständig erklärt hatten: Es geht nämlich um die biochemische Basis für den Zusammenhang zwischen Körper und Geist. Auf der Ebene der Zellen lassen sich diese beiden Kategorien nicht mehr auseinanderhalten. Das Geheimnis der sowohl «körperlichen» wie auch «seelischen» Abhängigkeit von Drogen müsste hier verborgen sein.

Ein anderes Indiz: Die Endorphin-Konzentration erhöht sich zum Beispiel bei der analgetischen Heilbehandlung durch Akupunktur. Und mehr noch: Die körpereigenen Drogen werden auch dann ausgeschüttet, wenn anstatt eines Schmerzmittels eine chemisch inaktive Substanz; ein sogenanntes Placebo, zugeführt wird, wenn der Patient also nur glaubt, er habe ein Schmerzmittel bekommen. Dieser Placebo-Effekt funktioniert sogar bei externen Opiaten: Wenn einem abhängigen Patienten eine Spritze verabreicht wird, die angeblich seine Droge enthält, aber in Wahrheit nur einen wirkungslosen Stoff, zeigt er häufig die gleichen Reaktionen, als wenn er wirklich ein Rauschmittel bekommen hätte. (8)

Im Normalfall spielen die Endorphine eine wichtige Rolle bei der Bewältigung akuter Stress- und Gefahrensituationen. Falls das Gehirn Signale empfängt, dass ein Schmerz oder eine Gefahr unmittelbar bevorstehen könnte, beginnt im Körper ein «Alarmprogramm» abzulaufen: Das Stammhirn, das älteste Hirnzentrum und zuständig für Stresssituationen, übernimmt die Regie. Der bewusste Verstand wird weitgehend ausgeschaltet, denn er ist zu langsam, um eine spontane Flucht- oder Abwehrreaktion auszulösen. Nicht Analyse ist angesagt, sondern sofortige Aktion. Der Körper schaltet um auf «turbo», sei es, wenn unseren Urahnen im Pleistozän unvermittelt ein Säbelzahntiger begegnete oder wenn dem modernen Zeitgenossen vor dem «Bungee-Jumping», dem freien Fall aus großer Höhe, gesichert nur durch ein Gummiband, die Nerven flattern.

Dabei werden nicht neue Ressourcen erschlossen, sondern nur die vorhandenen anders genutzt: Die Wahrnehmung reduziert sich auf das Wesentliche, die bei Alarmsituationen weniger benötigten Organe wie der Darm, die Nieren und die Leber erhalten zeitweilig weniger Blut, die Muskeln bekommen absolute Priorität, die Blutgerinnungszeit verkürzt sich auf eine halbe Minute, die Schmerzempfindlichkeit ist gesenkt. Und, wenn es richtig zur Sache geht und die Aktion unmittelbar bevorsteht: Die Endorphine werden ausgeschüttet, in einer Menge, die das Normalniveau bis zum Hundertfachen übersteigt. Euphorie verdrängt für kurze Zeit jegliche Furcht.

Die Endorphine docken aber nicht nur in Stresssituationen an den Rezeptoren an, sie wirken auch in der Stille. Offenbar können bestimmte mentale Techniken sie beeinflussen. Die Berichte religiöser Mystiker über den Zustand der «Verzückung» – nach langwieriger Vorbereitung durch Meditation – legen nahe, dass bestimmte Formen religiöser Ekstase durch die Ausschüttung der körpereigenen Drogen hervorgerufen werden. Die Symptome des «Satori», der «Erleuchtung» bei der Zen-Meditation, entsprechen zum Beispiel bis ins Detail denjenigen, die beim Opiat-Konsum auftreten. Das, was bei extremen Formen der Meditation gezielt gefördert wird, nämlich Ausschaltung der bewussten Wahrnehmung, Reduzierung der willkürlichen Motorik – in Zusammenhang mit körperlichem Schmerz bei bestimmten Sitzhaltungen -, ist identisch mit dem «Notprogramm» des Körpers in Stresssituationen.

Die Endorphine wirken auf den Schmerz indirekt: Sie betäuben ihn nicht, sondern verhindern, dass die Schmerzsignale weitergeleitet werden – eine sogenannte «Hemmung der Erregung». Der Schmerz ist da, aber man spürt ihn nicht, weil die Opiate, körpereigene wie externe, verhindern, dass sich das Gehirn über das Geschehen informieren kann. Wie das genau geschieht, ist noch nicht genügend erforscht.

Es gibt aber einige Anhaltspunkte. Offenbar wirken die Opiate bei der Informationsübertragung von Zelle zu Zelle wie ein Computervirus: Sie neutralisieren die Substanzen, die die «Botschaft» weitervermitteln sollen. Acetylcholin etwa, einer dieser Übertragerstoffe, verändert das chemoelektrische Potential der Zellmembranen – Opiate hemmen diese «Depolarisation». Adenosinmonophosphat wiederum, das für Signale zuständig ist, die von den Rezeptoren in das Zellinnere gelangen sollen, kann diese Aufgabe nur erfüllen, wenn zuvor ein «Katalysator», das Enzym Adenylatzklase, auf den Plan gerufen wird. Die Opiate verhindern, dass die Adenylatzklase Gelegenheit bekommt, das Adenosin-Monophosphat zu synthetisieren. Die Nervenzellen bleiben «stumm».

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Henry Gray: Anatomy of the Human Body, 1918

Die Opiate boykottieren auch den Ausstoß von Übertragersubstanzen wie Noradrenalin und Dopamin, die den Körper wach und aufmerksam machen. Das ist eine effektive und auch ökonomische Sabotage des neuronalen Informationsflusses – als wenn die Gewerkschaften bei einem Arbeitskampf nicht das Hauptunternehmen bestreikten, sondern schlicht die Zulieferbetriebe daran hinderten, ihre Produkte loszuwerden.

Der Körper hat jedoch eine Sicherung gegen diesen «Informationsstreik» eingebaut. Hält er aufgrund extremer Opiatzufuhr längere Zeit an, dann «begreifen» die Zellen nach und nach, dass irgend jemand ständig die Leitung kappt. Durch komplizierte Lernprozesse gelingt es ihnen, die Produktion und Synthese der Übertragerstoffe wiederaufzunehmen, gegen den Widerstand der Opiate. Der Arbeitgeber Gehirn setzt Streikbrecher ein: Es entwickelt sich eine Toleranz, das heißt: Um eine Wirkung zu erzielen, müssen die Opiate höherdosiert werden, da der Körper sich an eine gewisse Dosis gewöhnt hat.

Auch Krämpfe scheinen eine Art Anpassung, ein Lernprozess des Gehirns zu sein – ähnlich dem bei Abhängigkeit von euphorisierenden oder analgetisch wirkenden Substanzen. Epileptiker, die an starken Depressionen leiden, berichten, dass diese Verstimmungen nach einem Krampfanfall zeitweilig verschwinden. Krämpfe wirken wie ein Blitzschlag im Gehirn: Das elektrische Potential der Nervenzellen entlädt sich (die so genannte «Depolarisierung»). Gleichzeitig werden bestimmte Neurotrans-mitter – ähnlich wie beim Opiat-Konsum – daran gehindert, ihre Botschaft zu transportieren. Es kommt zur «Hemmung der Erregung». Wenn sich eine Toleranz gegenüber Barbituraten, Beruhigungsmitteln oder Opiaten entwickelt hat, versucht der Körper, diese Wirkung aufrechtzuerhalten, wenn ihm die analgetischen Substanzen plötzlich vorenthalten werden.

Wird nun die Opiat-Zufuhr plötzlich abgesetzt, bricht das Chaos aus. Jetzt werden zu viele der zuvor gehemmten Stoffe produziert, das Nervensystem reagiert übersteigert und hyperaktiv. Es kommt zum «Noradrenalinsturm». Aus Noradrenalin, einem Hormon der Neurotransmitter, wird im Körper Adrenalin synthetisiert («Adrenalin-Stoß»). Die opiatbedingte «Hemmung der Erregung» ist weggefallen.

Damit läuft der Adaptionsprozess, der den «Informationsstreik» aushebeln sollte, ins Leere. Es dauert eine Weile, bis sich die Zellen an ein geringeres Niveau der Opiatzufuhr gewöhnt haben, bis sie «begreifen», dass die Informationen wieder fließen, ohne dass besondere Anstrengungen nötig sind.

Diese Phase ist der bei Opiat-Abhängigen gefürchtete Entzug: Die Wogen des «NoradrenalinSturms» müssen sich erst glätten, bevor die Neurotransmitter Signale senden können, dass sich die Lage entspannt hat.

Das ist nur die eine Seite der Medaille. Bisher hat uns vorwiegend die analgetische (schmerzlindernde) Wirkung der endogenen und extern zugeführten Opiate beschäftigt. Heroinabhängige nehmen aber die Droge aus zwei Gründen: Einerseits, um den unerträglichen Zustand des Entzuges zu vermeiden, andererseits, um ein euphorisches Gefühl zu erleben. Sinkt die Opiat-Zufuhr unter das Abhängigkeitsniveau, setzt der «Turkey» ein. Die euphorische Wirkung spüren der oder die Abhängige aber erst dann, wenn die Drogenmenge das Toleranzniveau überschreitet.

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Adaptoren des menschlichen Gehirns, erzeugt von Playground AI

Euphorie
Menge der Opiat-Zufuhr
Toleranzniveau
Abhängigkeitsniveau
Entzug

Zu welchem Zeitpunkt Euphorie oder Entzug eintreten, ist sowohl von der jeweils unterschiedlichen körperlichen und psychischen Verfassung des Junkies als auch von der Qualität der Droge abhängig. Zwischen Abhängigkeitsniveau und Toleranzniveau ist man zwar «drauf», spürt aber nichts. Das ist bedeutsam bei einem Vergleich zwischen verschiedenen Opiaten, etwa Morphin, Codein, Heroin und Methadon, einem synthetischen Opiat, und dem verschiedener Applikationsformen – ob man raucht, snieft oder spritzt.
Bei der intravenösen Injektion von Heroin tritt die Euphorie fast sofort ein, beim Inhalieren morphinhaltiger Dämpfe dauert es länger, weil der Stoff nicht gleich in die Blutbahn gelangt. Da Heroin ohnehin im Körper in Morphin umgewandelt wird (Diacetylmorphin!), liegt sein spezifischer Effekt in der plötzlichen und abrupten Besetzung der Rezeptoren. Codein und Methadon wirken zwar genauso, nur nicht in der Geschwindigkeit des Heroins: Die Süchtigen fühlen bei der Methadon-Vergabe oder der Substitution durch Codein-Präparate, wie das euphorische Gefühl langsam «anschwillt», man spürt keinen «Kick» im Kopf.

Aufschluss über den komplexen Zusammenhang zwischen Lust und Schmerz könnten zwei geheimnisvolle Regionen des Gehirns geben: Der «Blaue Ort» und eine ihm benachbarte Region, die von Hirnforschern mit dem Zungenbrecher «Periaquäduktales Grau» bezeichnet wird. Dort liegen die Opiat-Rezeptoren dicht an dicht. Wir können vermuten, dass hier eine wichtige Schaltzentrale für die «Sucht» nach Drogen zu finden ist.

Beide Regionen liegen im Stammhirn, das vom Großhirn wie eine schützende Schale umschlossen wird. Die Übergangszone zwischen Stamm- und Großhirn bildet das Limbische System, zuständig für so komplexe Aufgaben wie die Selbsterhaltung (Ernährung, Verteidigung und Angriff) sowie die Arterhaltung (Sexualität). Offenbar ist das Limbische System eine Art von Übermittlungs- wie Übersetzungsinstanz für Prozesse, die im Stammhirn ihren Ausgang haben und letztlich zu bewussten Reaktionen im Großhirn führen. Während die schmerzlindernde Wirkung der Opiate mehr über Nervenbahnen des Rückenmarks vermittelt wird, werden beim Verlangen nach Euphorie bestimmte Gebiete des Limbischen Systems aktiviert.

Nervenbahnen verlaufen vom Limbischen System ins Gehirninnere und ins Zwischenhirn, der Region zwischen den beiden Großhirnhälften. Dort hat die «geographisch» nur vage definierte Formatio reticularis ihren Platz, eine Ansammlung von verschiedenen kleineren Zentren, die bei der Steuerung komplexer Aufgaben kooperieren. Sie sind für die spontanen Aktionen des menschlichen Körpers zuständig, für motorische Teilfunktionen, aber auch für die Atmung und für die Weckwirkung auf die Großhirnrinde, womit der Grad der Bewusstseinserhellung bestimmt wird. Diese Prozesse laufen im Normalfall automatisch. Wir «vergessen» nie zu atmen, können es aber auch bewusst. Hier scheinen komplizierte Rückkoppelungen zwischen unbewusster und bewusster Steuerung vorzuliegen.

Was man weiß, ist, dass Nervenbahnen vom Limbischen System über die Formatio reticularis bis zum Periaquäduktalen Grau verlaufen. Diese Gehirnregionen kooperieren, sowohl bei ihren Aufgaben als auch bei der Wirkung, die sie entfalten. Wird der «Graue Ort» zum Beispiel elektrisch stimuliert, können selbst chronische Schmerzzustände verschwinden. Und: Ist das zungenbrecherische «Grau» verletzt, verlieren extern zugeführte Opiate ihre schmerzlindernde Wirkung.

Die Hirnforscher, die sich mit dem noch weitgehend unerforschten Labyrinth der verschiedenen Systeme beschäftigen, stießen immer wieder auf den «blauen» und den «grauen» Ort im Stammhirn. Gerade der «Blaue Ort» machte ihnen zu schaffen. Er ist zwar nur winzig und besteht aus nur rund 3000 Nervenzellen, diese jedoch erreichen mit ihren Bahnen ein Drittel bis die Hälfte aller Nervenzellen in der Hirnrinde. Wenn hier etwas los ist, gerät fast das ganze Gehirn in Aufregung. Von hier aus werden so gegensätzliche Steuerungsmechanismen wie das Wecksystem und das Beruhigungssystem gleichzeitig beeinflusst. Der «Blaue Ort» gilt mittlerweile sogar als der Kern des Wecksystems. Zwei seiner Informationsträger, die Neurotransmitter Noradrenalin und Dopamin, wirken auf die höheren Gehirnzentren, insbesondere aber auf das Limbische System, das dem Großhirn bei einigen Aufgaben «vorgeschaltet» wird.

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Transmitter des menschlichen Gehirns, erzeugt von Playground AI

Kokainmoleküle sind diesen beiden Transmittern des «Blauen Ortes» zum Verwechseln ähnlich. Das gleiche gilt für Amphetamine das sogenannte «Speed». Beide Drogen drängen das noch «schlummernde» Dopamin zur Seite und suggerieren dem Körper einen künstlichen Wachzustand. Die Hirnforscher vermuten, dass halluzinogene Substanzen wie LSD den «Blauen Ort» so überstrapazieren, dass es zu psychedelischen Räuschen kommt.

Ohnehin kann der «Blaue Ort» auch über Gebühr erregt werden: Elektrische Reizung des Locus coeruleus – so die lateinische Bezeichnung – verursacht Panik und Schreckreaktionen. Vielleicht hat der «Horrortrip», «auf» dem man bei LSD-Missbrauch «hängenbleiben» kann, hier seine Ursache.

Der «Blaue Ort» als Teil des Wecksystems steht zugleich in Verbindung mit dem Beruhigungssystem. Der Körper ist dem Prinzip der Homöostase verpflichtet. Gerät etwas längerfristig außer Kontrolle, steuert er gegen. Bevorzugtes Mittel ist der hormonartige Übertragerstoff Serotonin. Serotonin wird in den Zellen der Magen- und Darmschleimhaut sowie in der Muskelhaut des Darmes gebildet und durch die Blutplättchen transportiert. Er verengt die Blutadern und wirkt dabei mit, dass der Mensch schlafen kann. Serotonin ist der große Gegenspieler der Wecksubstanz Noradrenalin. Im «Blauen Ort» scheinen sich beide Stoffe zu treffen und die Balance zwischen Schlafen und Wachen auszumanövrieren.

Dopamin, das ebenfalls im «Blauen Ort» zu finden ist, steuert den Muskeltonus und dockt an den Opiat-Rezeptoren an. Fehlt Dopamin im Körper, treten Bewegungsarmut und Muskelstarre auf, im Extremfall die Parkinson-Krankheit. Viel interessanter ist aber, was geschieht, wenn Dopamin nicht mehr ins Limbische System gelangt: Wir sind unfähig, euphorische Gefühle zu empfinden.

Es ist in Wirklichkeit noch ein wenig komplizierter. Lust empfinden wir nur, wenn Dopamin im Stammhirn startet und dann gleichzeitig seine biochemische Botschaft im Limbischen System und in den Stammganglien ablädt. Die Stammganglien, markhaltige faserige Nervenzellen, die sich im Endhirn zum sogenannten Streifenkörper bündeln, regeln die Muskelspannung. Werden sie zerstört, flippt der Mensch aus: Es kommt zu Überreaktionen, deren Erscheinungsbild schon im Mittelalter als «Veitstanz» (Teufelstanz) bekannt war.

Die Basalganglien sind aber nicht nur dafür zuständig, Bewegungsabläufe zu programmieren. Sie scheinen, so merkwürdig das klingen mag, auch für Teilprozesse der Motivation verantwortlich zu zeichnen. Das Limbische System hingegen regelt nur die affektive und emotionale Seite. Störungen dieses Systems können sowohl zu Angstgefühlen als auch zu Aggression führen. Aus dieser Wechselwirkung ist wohl das spezifische dämpfende und aggressionshemmende Ergebnis des Opiat-Konsums, also auch des Heroins, zu erklären.

mandelkern
Mandelkern (Amygdala) des menschlichen Gehirns, erzeugt von Playground AI

Zum Limbischen System gehört auch eine Gehirnregion, die Mandelkern genannt wird. Wenn der verletzt wird, zeigen sich merkwürdige Symptome: Der Mensch wird «fresssüchtig», er stopft alles, was nur einigermaßen verdaulich ist, wahllos in sich hinein. Außerdem denkt er ständig nur noch an «das eine», den Sex. Es ist noch nicht genau erforscht, ob dieser Kern direkt für die Drogenabhängigkeit bedeutsam ist. Es fällt nur auf, dass die Opiatsucht genau das Gegenteil von dem bewirkt, was die Wissenschaftler nach einer zufälligen Zerstörung des Mandelkerns beobachteten: Appetitlosigkeit und nur noch geringe Lust auf Fortpflanzung.

Auch der Nucleus accumbens, an dessen Rezeptoren Dopamin ebenfalls andockt, könnte eine Rolle bei der Opiatabhängigkeit spielen. Dieser winzige Kern beeinflusst sowohl den Streifenkörper als auch das Pallidium, das, ähnlich wie die Stammganglien, die Bewegungen des menschlichen Körpers steuert. Was man weiß, ist nur ein indirekter Schluss: Wenn die Rezeptoren des Nucleus accumbens blockiert sind, verspürt man – das weiß man nur von Tierversuchen – keine Lust mehr auf Drogen wie Heroin oder Kokain.

Diese verwirrende Berg- und Talfahrt durch das menschliche Gehirn macht eines deutlich: Heroin und andere Opiate wirken auf eine Vielzahl unterschiedlicher Körperfunktionen. Die psychische «Lust» an der Droge ist offenbar ein sehr differenziertes Bedürfnis. Auf «natürlichem» Wege, durch die Endorphine, wird der Körper für Gefahren- und Stresssituationen kurzfristig präpariert, Schmerz und Angst weniger stark zu empfinden und gleichzeitig auf «turbo»Betrieb umzuschalten, damit er das Geschehen auch meistern kann. Extern zugeführte Opiate suggerieren dem Körper, dass diese Situation permanent besteht.

Da alle wichtigen menschlichen Regungen wie emotionales Wohlgefühl, sexuelles Empfinden, Motivation, Schlafund Wachzustand beteiligt sind, kann man sich vorstellen, wie schwierig es für Opiat-Abhängige ist, auf dem einmal eingeschlagenen Weg umzukehren. Die Annahme, «Sucht» sei das bloße Verlangen nach einem Rauschzustand, geht völlig an der Komplexität des Problems vorbei.

Dazu kommt eine Beobachtung, die Hirnforscher machten, als sie Ratten für eine lange Zeit mit Morphin «behandelten»: Offenbar bildet sich die Endorphin-Produktion zurück, wenn sich der Organismus erst einmal an externe Opiate gewöhnt hat. Das ist auch beim Menschen so. Ein Junkie, der sich mühsam vom «Stoff» gelöst hat, kann für längere Zeit keine starken Lustgefühle mehr empfinden, weil das körpereigene Drogenlabor wegen der ständigen Heroin-Zufuhr zeitweilig «abgewickelt» worden ist.

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(1) Vermutet haben dies schon u.a. A./E. Torrance: Opium Addiction. Chicago 1929/30, und H. Isbell: Narcotic Drug Addiction Problems. Bethesda 1958. Neuere Forschungen: J. Platt/C. Labate: Heroin Addiction. New York 1976 (dt.: Heroinsucht, Darmstadt 1982), W. Harding: Kontrollierter Heroingenuss, in: G. Völger/K. v. Welck (1982), S. 1217ff, S. Quensel (1982), S. 156, Michael de Ridder: M. de Ridder (1991), passim, sowie eines der Standardwerke zum Thema: E. M. Brecher u. a.: Licit and Illicit Drugs, Boston 1972; ferner G. Obe u. a.: Mutagene und karzinogene Wirkungen von Suchtstoffen, in: W. Keup (1985), S. 38f
(2) Auf meine Nachfrage bei der betreffenden Kasse wurde mir erklärt, die Broschüre sei 15 Jahre alt und auf dem «damaligen Forschungsstand». Es habe sich aber noch niemand beschwert. Die Frage bleibt offen, wieso man verschweigt, dass Leberschäden und Hepatitis von unsachgemäßem Gebrauch herrühren und nicht von der Droge selbst. Eine aktualisierte Fassung, die mir prompt zugesandt wurde, verzichtete auf die Spalte «Langzeitfolgen bei Heroin-Gebrauch».
(3) A. Barth, zit. nach G. Grimm (1992), S. 180
(4) S. Scheerer (1982), S. 147
(5) Zit. nach G. Amendt (1992), S. 189
(6) Solomon Snyder von der Johns-Hopkins-Universität, Baltimore, Simon von der Universität New York und Terenius von der Universität Uppsala identifizierten die Rezeptor-Stellen; Snyder, Terenius, Goldstein von der Stanford-Universität in Kalifornien, John Hughes und Hans Kosterlitz (Universität Aberdeen) isolierten die Enkephaline.
(7) Diese Synthetisierung nennt man «proteolytischer Prozess». Vgl. Sidney Cohen: Neuester Stand der Heroinforschung, in: Völger, S. Sooff; Michael Wüster: Der neueste Stand der Opiatforschung, in: ebd., S. 76ff; Klaus Kuschinsky: Zur Pharmakologie von Opioiden (1981), S. 225ff; A. Herz: Das Suchtproblem in der Sicht der neueren Opiatforschung, in: W. Feuerlein (1986), S. 15 ff
(8) Vgl. U. Havemann/K. Kuschinsky: Opiatrezeptoren. Zur Frage der Trennung der analgetischen und suchterzeugenden Wirkungen, in: W. Keup (1985), S. 184f

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