Unter Spitzeln aka Neonazis

spitzel

MDR Thüringen: „Die Thüringer Polizei hat entgegen bisheriger Darstellung in der rechtsextremistischen Szene Informanten geführt und bezahlt.“

Ach.

Bildquelle: ccphoto

Angst, Kostendruck oder Desinteresse

Die Zeit schreibt über Lokaljournalisten, die mit Rassisten und Antisemiten vor Ort zu tun haben: „Angst, Kostendruck oder Desinteresse können gute Berichterstattung verhindern. (…) Nicht messbar ist die Berichterstattung, die deswegen keinen Anstoß erregt, weil sie fehlt.“

Melden, durchführen, verbieten

Die Innenminister wollen die NPD verbieten lassen. Damit werden sie (hoffentlich) wieder auf die Nase fallen. Mit rationalen Argumenten hat das ohnehin nichts mehr zu tun, sondern nur mit Lichterketten-Gruppendynamik.

Ich zitiere mich selbst aus einer nicht gehaltenen Rede der Bundeskanzerlin im Bundestag: “Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche! Zum Zeichen dessen, dass Sie fest entschlossen sind, ohne Parteiunterschied, ohne Stammesunterschied, ohne Konfessionsunterschied durchzuhalten mit mir durch dick und dünn, durch Not und Tod zu gehen, bis wir das NPD-Verbot trotz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durchgesetzt haben, fordere ich die Vorstände der Parteien auf, vorzutreten und mir das in die Hand zu geloben.”

Ich habe vor vor vier Jahren in Telepolis alles schon gesagt, was zu sagen ist. „Nazis“ haben gerade wieder Konjunktur; die Sprechblasenfacharbeiter der Medien köcheln das Altbekannte nur noch mal hoch.

Sogar Hans-Peter Uhl. der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte damals: „Das NPD-Verbotsverfahren ist mausetot. Es gibt dafür keine politische Mehrheit und keine ausreichenden Argumente. Das war immer eine parteipolitische Ersatzhandlung der SPD. Unter verständigen Juristen war das nie ein Thema. Links- und Rechtsextremismus muss man politisch bekämpfen, nicht mit der Justiz.“

Warum die jetzt anderer Meinung sind? So agieren und denken Pappnasen eben. Ich freue mich schon auf die Klatsche vom Bundesverfassungsgericht und die betretenen Gesichter der Gutmeinenden, die wie gewohnt verbal herumeiern werden.

[xxx] warnt vor [xxx]

LKA-Präsident warnt vor Rotstift bei Kampf gegen Cyberkriminalität. Weitere Meldungen von heute: Bauernverband-Präsdident warnt vor Rotstift bei Agrar-Aubventionen. ESA-Präsident warnt vor Kürzungen bei der Raumfahrt. Bankenverbands-Präsident warnt vor Finanztransaktionssteuer. ADAC-Präsident warnt vor Tempo 30 in Großstädten. Verfassungsschutz warnt vor Rechtsextremismus im Internet.

Verfassungsschutz entscheidet über Gemeinnützigkeit von Vereinen

Weil es zum Tagesthema passt: Der Verfassungsschutz soll linke Vereine abschalten dürfen. Der Bundestag verabschiedet in Kürze das Jahressteuergesetz 2013. Der Verfassungsschutz soll darüber entscheiden dürfen, welche Vereine gemeinnützig sind und Geld bekommen.

Der Republikanische Anwaltsverein hat dazu eine geharnischte Stellungnahme publiziert:

Verfassungsschutzberichte erlangten dadurch faktisch die Wirkung eines Bescheides bei der Steuerveranlagung. (…) „Extremismus“ ist kein Rechtsbegriff, sondern eine von den Verfassungsschutzämtern zu einem gewissen Grad abgestimmte Formel, mit der Bewertungen auf verschiedenen Wertungsebenen bezeichnet werden. Eine konsistente und für die Betroffenen berechenbare Praxis besteht nicht. (…) Die in der Sache politische, funktional auf die staatliche Beteiligung am öffentlichen Meinungsstreit gerichtete Formel vom Extremismus weist nicht die Klarheit und Berechenbarkeit auf, welche von einem gesetzlichen Eingriffstatbestand auch im Steuerrecht zu erwarten ist.

Wollen wir wetten, dass das Jahressteuergesetz 2013 trotzdem so verabschiedet wird und dass die SPD dem zustimmen wird?

Die Polizei, dein Freund und Nazi

Tagesspiegel: „Thüringer Polizistin deckte Neonazis“.

Arbeitsgruppe antifaschistischer Fuchsschwanz sägt Hitlereiche ab

Indymedia:
Wir haben in der Nacht vom 28. auf den 29. August, gegen gegen halb 2, in etwa einem Meter Höhe, die Eiche neben dem Sonnenblumenhaus abgesägt. Denn dieses Symbol für Deutschtümelei und Militarismus ist für die Menschen, die 1992 dem Mob in Rostock-Lichtenhagen ausgesetzt waren, ein Schlag ins Gesicht. Auch dass dieser Baum in der Zeit des Nationalsozialismus als sogenannte Hitlereiche gepflanzt wurde, macht ihn unvertretbar.
Dass ausgerechnet Joachim Gauck, der Sarrazin einen mutigen Man nennt und der Meinung ist, dass das Wort Überfremdung legitim sei, auf einer der Veranstaltungen reden durfte, zeigt für uns wie fehlerhaft und falsch der momentane Ansatz einer offiziellen Aufarbeitung in Rostock ist. Dass zwei Mitgliedern des deutsch-afrikanischen Freundeskreises Daraja e. V. trotz offizieller Einladung und ohne Begründung der Einlass zu dieser Gedenkveranstaltung verwehrt wurde, setzt dem Ganzen nur noch die Krone auf.

Der bekannte Rechtsextremismus-Experte Burks zitierte zu dem Vorfall den Philosophen Hegel: „Alles, was sich um Lichterketten, Gesicht und Flagge zeigen, gut gemeintes Gutmenschentum und regierungsamtlichen ‚Antifaschismus‘ dreht, ist wert, dass es zugrunde geht.“

Burks weiter, nach einer längeren Pause des Nachdenkens: „Bitte nehmt beim nächsten Pflanzen eine libanesische Zeder, einen chinesischen Ginkgo oder einen Affenbrotbaum.“

Unter Schnellballsystemikern und Couponschneidern

Umverteilen?! Das scheint zur Zeit das Modewort zu sein bei den Ökonomie-Quacksalbern, Kapitalismus-Apologetikern und anderen Wirtschafts-Astrologen, von Spiegel online bis zur taz. Kein ernst zu nehmender Linker würde jemals auf die Idee kommen, etwas „umverteilen“ zu wollen. Karl Marx ist nicht Robin Hood und wollte es nie sein: Wer umverteilen will, kritisiert den Kapitalismus mit den kleinstmöglichen Mitteln. Die Idee der Umverteilung gebiert automatisch die Zwillinge „gerechter Lohn“ und „fairer Preis“ – Dinge, die etwa so logisch und rational sind wie ein weiblicher Papst oder vegetarisches Gulasch.

Die „Tagesschau“ verblödete die Rezipienten jüngst mit der Überschrift „Euro-Schulden-Krise.“ Der Euro kriselt aber gar nicht, und wer hat hier bei wem Schulden – und warum? Dazu müssen wir uns heute leider damit beschäftigen, wie Banken im Kapitalismus funktionieren. Das hört sich dröge an, und der Text ist auch länger als 140 Zeichen, aber die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser sollten nach der Lektüre mehr über das System wissen, das wir alle lieben und verehrenTM und das es auch noch kurz vor der Apokalpyse genau so wie heute geben wird.

Stellen wir uns ganz dumm und einen Staat vor, der einen Haufen Schulden hat. Die Gläubiger haben also diesem Staat etwas geliehen – Geld, für das der Staat Zinsen zahlen muss (sonst würde ihm ja niemand etwas leihen). Man nennt das Anleihen oder auch Obligationen – also eine Art Schuldschein, dessen Wert dem Gäubiger nach einer festgelegten Frist zurückgezahlt werden muss.

Stellen wir uns weiter vor, dieser Staat hätte mit dem geliehenen Geld nicht irgendetwas getan, damit er so viel mehr einnimmt, um seine Schulden – und die Zinsen – zurückzahlen zu können. Ganz im Gegenteil: Seine Einnahmen (etwa aus Steuern) hätten sich weiter verringert. Es ist also nichts da, um die Anleihen zurückzuzahlen, und es muss noch mehr her.

Wie löst man das Problem? Ganz einfach: Der Staat leiht sich noch mehr Geld, mit anderen Worten: Er gibt noch mehr Staatsanleihen aus. So kann man eine ganze Weile wirtschaften.

Irgendwann aber kommen Herr Charles Ponzi und die Mathematik ins Spiel. Diese Methode, an Geld und immer mehr Geld zu kommen, nennt man „Schneeballsystem“. Die Zahl derjenigen, die dem Staat Geld leihen können und auch deren Geldmenge ist nicht eine liegene Acht, sondern endlich. Deshalb bricht alles irgendwann zusammen, und die Letzten beißen die Hunde.

Bei den Euro-Staatsanleihen oder „Euro Bonds“ kommt noch etwas hinzu. Die Banken, die dem Staat Geld leihen, haben ein Privileg: Ihre „Schuldscheine“ oder die „Staats-Obligationen“ sind notenbankfähig, das heisst: Sie können diese Euro Bonds bei der Europäischen Zentralbank (EZB) als „Sicherheit“ hinterlegen. Sie kriegen also immer Geld, weil letztlich die EZB für die Schulder der Staaten den Kopf hinhalten muss. Das nennt man ein Repo-Geschäft; es funktioniert ungefähr so wie eine Vollkasko-Versicherung.

Jeder Mensch, den die Evolution mit einem Gehirn ausgestattet hat, fragt sich natürlich: Warum muss der Staat, wenn er sich Geld leihen will, den Umweg über die Banken gehen und kann sich nicht direkt Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen – wenn es doch im Ergebnis auf dasselbe hinausläuft? Ganz einfach: Das ist laut Artikel 123 („Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“) verboten. Die Deutschen wollten es so. Im Piraten-Wiki heisst es ganz richtig: „Art. 123(1) ist ein Ermächtigungsgesetz für die Banken. Es macht den Staat in einseitiger Weise vom Wohlwollen der Banken und der Anleihemärkte abhängig.“

Werner Heine, Ex-Redakteur der konkret, schreibt:
Das war der Gründungsfehler der Währungsunion: Weil die Deutschen Angst vor der haushaltspolitischen Unzuverlässigkeit der Partnerländer hatten, setzten sie durch, daß die gemeinsame Zentralbank keine direkte Staatsfinanzierung betreiben können sollte. Deshalb stellt die EZB das benötigte Kreditvolumen ausgewählten Banken in Europa zur Verfügung, die es dann an die einzelnen Länder weiterreicen, zu einem Zinssatz, der sich in einem Versteigerungsverfahren ergbt: Die kreditsuchenden Staaten bieten ihre Anleihepakete [ihre Schulden, B.S.] den Banken an und verlaufen zum günstigsten offerierten Zinssatz. (Werner Heine: „Paradise now? Über den Charakter der gegenwärtigen Krise“, in: in: Hermann L. Gremliza (Hg.): „No way out? 14 Versuche, die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise zu verstehen“, S. 67)

Das nennt man „Notenbankzinssatz“, ein zusätzliches Geldgeschenk an die Banken. Das Ergebnis: Deutschland verkauft seine Anleihen, auch bekannt als Staatsschulden, zu günstigen Zinsen, die Griechen werden sie gar nicht mehr los. Griechenland darf also keine Kettenbriefe mehr verschicken und am Schnellballsystem des Schuldenmachens nicht mehr teilnehmen.

Die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser werden sich besorgt fragen: Können sich denn die nationalen Banken unbegrenzt lange Geld leihen und in beliebiger Höhe? Nein, es gibt so genannte „Eigenkapitalregeln“- also ein bestimmtes Verhältnis zwischem „eigenem“ und „ausgeliehenem“ Geld. Bis 2009 war es anders: Nach der damals gültigen „Richtlinie über Eigenkapitalanforderungen“ (auch „Basel II“ genannt) brauchten die Banken gar kein eigenes Geld, sondern durften dem Staat munter leihen, was sie wollten und dafür die Zinsen einstreichen.

Wohlstand

Das ist natürlich nicht etwas, was man als „seriös“ bezeichnen würde. Sogar die verbohrtesten bürgerlichen „Volks“wirtschaftler und Apologeten der so genannten „Freien Marktwirtschaft“ ahnten, dass man für den Fall der Fälle – den Staatsbankrott – etwas vorsorgen musste. Also schönheitsoperierte und „reformierte“ man ein bisschen hin und her und nannte das Ergebnis „Basel III„, im affirmativen Bürokraten-Nominalstil „Verbesserung der Risikodeckung“.

Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung formuliert in ihrer Studie „Anspruch und Wirklichkeit der Finanzmarktreform“ unfreiwillig komisch:
Neben der Forderung nach höheren Eigenkapitalanforderungen für systemrelevante Finanzinstitute vereinbarte die G20 in ihrer Pittsburgh-Erklärung, dass systemrelevante Finanzinstitute für den Fall einer Pleite Pläne zur geordneten Abwicklung vorhalten müssen.

„Systemrelevante“ Finanzinstitute: Besser hätte das Anshu Jain auch nicht sagen können. Um mal Klartext zu reden: Das sind diejenigen Banken, die am so genannten „Primary-Dealer-System“ teilnehmen. Diese Finanzunternehmen müssen dem Staat eine bestimmte Menge seiner Schulden – also known as Staatsanleihen abkaufen – und das nach einem vorher festgelegten Zinssatz. Nicht sehr „frei marktwirtschaftlich“, möchte man einwerfen. Zu recht, denn der Staat sorgt zwangsweise für eine Mindestnachfrage für den Kauf seiner Schulden. Da aber die Banken an den Zinsen satt verdienen und wegen der Vollkasko-Versicherung bei der EZB meckern sie nicht allzusehr.

Jetzt haben die europäischen Banken aber ein Problem: Woher sollen sie denn das geforderte eigene Geld – im Volkswirtschaftssprech „Eigenkapital“ – nehmen? Es handelt sich bei der „Eigenkapitallücke“ immerhin geschätzt um schlappe eine Billion Euro!

Nach Basel III schwand zudem das Motiv, immer mehr und immer öfter Staatsschulden aufzukaufen, da die Banken eine Gegenleistung in Form von Eigenkapital bringen müssten. Nach Adam Riese oder wem auch immer traf ein erhöhtes Angebot aufzukaufender Staatsschulden auf eine verminderte Nachfrage. Die Anleihekurse für Euro-Bonds sinken also.

Wir wären nicht im Kapitalismus, wenn jetzt noch zusätzlich ein bisschen mit heißer Luft gepokert und gewettet würde: Es gibt einen Unterschied zwischen Zins und Rendite bei Staatsanleihen. Die Zinsen, die der Staat den Banken zahlt – der so genannte Coupon– , sind festgelegt, bis die Schulden zurückgezahlt werden (am Sankt Nimmerleinstag). Die Rendite ist der aktuelle Wert der „Schuldscheine“ am Finanzmarkt. Ich könnte also darauf wetten, dass die Zinsen, die Staaten für das Geld zahlen müssen, die ihnen die Banken geliehen haben, steigen oder fallen, und damit Geld verdienen. Das ist ungefähr so sinnvoll wie eine Abgabe an die GEMA, wenn man „Ihr Kinderlein kommet“ auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt singt.

Wenn uns jemand in die Geschäftsbücher der Banken schauen ließe und wenn es in den Mainstream-Medien Deutschlands Journalisten gäbe, die von Ökonomie mehr verstünden als ein beliebiger Klippschüler, dann würde die Öffentlichkeit aufhorchen. Würden die Banken „die in ihrem Besitz befindlichen Papiere zu ihrem derzeitigen Marktwert bilanzieren müssen (wozu sie nur gezwungen sind, wenn sie vorzeitig verkaufen) wären sie alle pleite.“ (Stefan Frank: „Von Ponzi bis Pilatus“, in konkret 8/2012)

Jetzt bekommt das hübsch zweideutige Wort „systemrelevant“ einen ganz eigenen, typisch kapitalistischen Geschmack: Ginge der Staat pleite, wären auch die „systemrelevanten“ Banken bankrott. Wer hätte das gedacht!

Wohlstand

Wir nähern uns mit großen intellektuellen Schritten der aktuellen Krise der europäischen Staatsfinanzen (die aber nur eine Teilmenge der systemischen Überakkumulationskrise seit 2007 ist – doch dazu ein anderes Mal).

Deutschland ist bekanntlich der größte Exporteur in Europa. Was geschähe, wenn zum Beispiel Griechenland aus der Europäischen Union austräte und die Drachme wieder einführte? Die Zeit, die des Linksextremismus ganz unverdächtig und dem Marxschen Gedankengut abhold ist, schreibt im Januar 2012:
Laut dem gerade veröffentlichten Rüstungsexportbericht 2010 sind die Griechen nach den Portugiesen – auch ein Staat kurz vor der Pleite – die größten Abnehmer deutscher Kriegswaffen. Spanische und griechische Zeitungen verbreiteten gar das Gerücht, Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hätten Griechenlands Ex-Premier Giorgos Papandreou noch Ende Oktober am Rande eines Gipfeltreffens daran erinnert, bestehende Rüstungsaufträge zu erfüllen oder gar neue abzuschließen.

Nach einem Austritt Griechenlands oder dem Zerfall der Union würde das deutsche Kapital weit weniger Profite machen, da die Landeswährungen abgewertet würden. Es wäre genauso wie das Verhältnis zwischen Dollar und Euro. Ein schwacher Euro ist gut für den Export: „European companies are rubbing their hands at the sales boost they should get from the euro’s 10% decline against the greenback in recent weeks“.

Das heißt: Die deutschen Kapitalisten müssen alles dafür tun, dass Exporte des Ausland nach Deutschland nicht billiger werden. Ein vernünftig denkender deutscher Kapitalist muss die Europäische Union und den Euro auf jeden Preis erhalten wollen. Merkel handelt dementsprechend – sie verhält sich zum Kapital etwa wie Mappus zu Morgan Stanley. Es ist vergleichbar, nur ein paar Nummern größer. Ob das funktieren kann, kriegen wir später.

Das Wort zum Sonntag ist viel zu lang geworden. Vielleicht sollte ich morgen doch wieder Fotos posten, irgendetwas aus dem Dschungel und dem dortigen unerbittlichen Kampf ums Dasein und ums Überleben.

Spiel nicht mit den Schmuddelkindern

Post von einem Leser:
„… oder so ähnlich. Heute (natürlich in der Mittagspause, wo ‚die Internetnutzung in geringem Umfang toleriert wird‘) festgestellt, dass Dein Blog geblockt wird. [Großer Konzern] mit Sitz in Ludwigshafen.“

Meine Frage: „Pornografie oder Extremismus oder Gewalt oder mal was Neues? :) Gruss Burks“

Die Antwort: „‚risk for the security of your PC‘ scheint mir neu :) Wir werden alle störben.“

Ich, du, er, sie, es distanzieren uns unvereinbar

Heise berichtet, dass der Chaos Computer Club e.V. sich sich vom Hamburger Verein Attraktor e. V. „distanziert“. Golem formuliert das anders: „Der Chaos Computer Club hat sich nach einem Streit vom befreundeten Hamburger Verein Attraktor distanziert und zieht aus den gemeinsamen Räumen aus. Die Begründung: Ein Vorstandsmitglied grenze sich nicht von seiner rechtsextremen Vergangenheit ab.“ Die taz suggeriert in ihrer Überschrift eine „Verbindung nach rechts“.

Dann wollen wir mal ein wenig recherchieren. Die Antifa Hamburg hat das aus ihrer Sicht Wesentliche aufgelistet: Klarnamen und Adresse usw., wie das in diesen Kreisen üblich ist.
Auf die Frage nach seiner Lieblingsposition im „Dritten Reich“ antwortet Marquardt am 15.01.2005: „The leader of the RSHA (SS-Obergruppenführer Heydrich) or the Gestapo (SS-Gruppenführer Müller).“ Das ist sieben Jahre her.
Bereits vor der den ‚Attraktor‘-Vorstandswahlen am 13.06.2012 informierten wir den CCC über Marquardts Naziaktivitäten. Es stellte sich heraus, dass Robert Marquardt gegenüber den ‚Attraktor‘-Gruppen behauptet hatte, bereits 2008 aus der Naziszene ausgestiegen zu sein.

Für diese Art von Antifa kann man, das muss gesagt werden, überhaupt nie aus der Nazi-Szene aussteigen, weil das „eindeutige“ Büß- und Distanzierungsritual, das eine Abkehr vom Bösen glaubhaft machen würde, nirgendwo schriftlich fixiert ist und Canossa heute nicht mehr angesagt, weil der Papst nicht zuständig ist.

taz: „Bis heute hätte sich M. für den CCC ’nicht eindeutig von seiner rechtsradikalen Vergangenheit und seinem damaligen Umfeld distanziert‘, heißt es in einer Erklärung am Sonntag.“
Attraktor e.V.: „Der Vorstand des Attraktor und auch seine Mitglieder distanzieren sich ganz klar von Faschismus, Rechtsradikalismus und Gewalt in jeder Form. (…) Zudem möchten wir betonen, dass der Vorstand und die Mitglieder des Attraktor hinter Robert stehen. Wir unterstützen seine Abkehr von der rechten Szene und wissen, dass Robert viel Arbeit und Zeit in den Aufbau dieses Makerspace investiert hat.“
Golem: „Aus seiner Vergangenheit in der rechten Szene soll der Mann kein Geheimnis gemacht haben. Er soll aber behauptet haben, 2008 endgültig ausgestiegen zu sein.“

Interessant ist auch, dass der CCC sich zur Totalitarismus-Doktrin und dessen Wortwahl bekennt: „Wenn sich Rechtsradikale nicht von unseren Strukturen abgrenzen, grenzen wir uns konsequent von den Rechtsradikalen ab.“

Nur mal zur Erinnerung:
Der Chaos Computer Club hat die German Privacy Foundation zum Chaos Communication Congress 2008 ausgeladen. ‚Es gibt gegen euch bzw. gegen Leute von euch sehr grosse Vorbehalte. Tatsächlich ist Burks selbst bei uns bis auf weiteres Persona non grata.‘ So heißt es in einer Mail des CCC. ‚Wir haben das besprochen und möchten eigentlich nicht, dass ihr einen Stand auf dem 25C3 aufbaut.'“

Ich bin nicht nachtragend, aber ich vergesse nie. Der CCC distanziert sich eben schnell und gern, auch von unerwünschten linksradikalen Journalisten wie mir. Sinnfrei ist das in jedem Fall.

Spitzel reden nicht

vs

Eine Kleine Meldung auf 3sat: „Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) geht davon aus, dass die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker Informantin des Verfassungsschutzes war. Er wisse jedoch nicht mehr, woher er diese Kenntnisse habe, sagte Baum am 24. Februar 2012 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart.“

Dpantvundandere (unter der Überschrft „Extremismus“!): „Der Vorsitzende des Bundestags- Untersuchungsausschusses zur Neonazi-Mordserie, Sebastian Edathy, will die einzige Überlebende des Zwickauer Terrortrios, Beate Zschäpe, nicht vorladen. Wenn das im Untersuchungsausschuss vorgeschlagen werden sollte, werde er davon abraten, sagte der SPD-Politiker in der ARD. Zschäpe habe ganz offenkundig ein Auskunftsverweigerungsrecht, von dem sie gegenwärtig gegenüber der Generalbundesanwaltschaft Gebrauch mache.“

Ach. Gremliza schreibt in der Konkret: „Edathy, heißt das, ist noch zu jung, um vergessen haben zu dürfen, woher er welche Kenntnis von den Beziehungen zwischen Zschäpe und dem Verfassungsschutz hat.“

By the way: Die Konkret hat ja Superoberexperten Pappnasen von „Webesignern“ am Werk. Netscape! Bruhahahaha.

Reaktant

Harald Martenstein in der Zeit über den Mainstream:
„Den Begriff »Reaktanz« hat 1966 ein gewisser Jack W. Brehm erfunden, ein Sozialpsychologe. Reaktanz bedeutet, vereinfacht gesagt, dass wir Menschen auf eine Überdosis von psychischem Druck oder auch auf Verbote sehr häufig in folgender Weise reagieren: Wir tun genau das Gegenteil von dem, was von uns erwartet wird. Reaktanz ist ein typisches Abwehrverhalten gegen jede Art von Einschränkung, Druck und Verboten.“

Lesebfehl! Der Artikel ist preiswürdig und genial, und jeder Punkt ist es wert. Man kann ihn auf die Themen „Rechtsextremismus“, Drogen, die „Online-Durchsuchung“, den Fall „Tron“ und vieles andere mehr anwenden.

Als Fazit kann ich nur sagen: Ich bin ganz extrem reaktant.

Semken hat Jehova gesagt

In einer Mailingliste der Piratenpartei schrieb jemand: „der LaVo will noch im Mai eine Konferenz zu Rechtsextremismus, Rassimus etc. durchführen.(…) Bevor die Arbeit getan ist, positioniert sich unser Landesvorsitzender Hartmut Semken als Linksextremist, so berichten jedenfalls die Medien.“

Ich antwortete und sprach:

Diesen Begriff aus der Mottenkiste der Totalitarismus-Doktrin kann man ja wohl nur ironisch benutzen, weil er rein gar nichts aussagt.

Semklen hat ganz richtig gesagt: „Ich bin nach Verfassungsschutzdefinition Linksextremist“.

Wer die „Definitionen“ des Inlands-Geheimdienstes ernst nimmt, ist selbst schuld.

Aber natürlich greifen die hyperventilierenden Reiz-Reaktions-Muster der Medien und der Lichterkettenträger jetzt.

Das grüne Piratenbekämpfungskommando

Hintergrund.de: „Insbesondere vor dem Hintergrund einer laufenden Medienkampagne gegen die Piratenpartei, in der – gleich der Suche nach der Nadel im Heuhaufen – selbst die Twittermeldungen einiger weniger, unbedeutender bzw. unbekannter Parteimitglieder zu Schlagzeilen aufgebauscht werden, falls sich damit irgendwie ein Zusammenhang zwischen den Piraten und Rechtsextremismus konstruieren lässt, war Delius‘ Äußerung politisch schlichtweg eine Torheit. (…)

Kein Zufall ist es daher, wenn die schärfsten Gegenreaktionen aus den Reihen der Grünen kommen. Denn ziehen die Piraten nächstes Jahr in den Bundestag ein, dann wird eine rot-grüne Koalition rechnerisch kaum möglich sein. Eine Neuauflage von schwarz-gelb ist aber ebenso unwahrscheinlich. Beim Einzug der Piraten ist daher eine große Koalition die wahrscheinlichste Variante. Die SPD müsste dann nicht mehr die Oppositionsbank drücken. Nur die Grünen gingen beim Gerangel um die Tröge der Macht mit ziemlicher Sicherheit leer aus.“

Piraten, Rechte und exorzistische Rituale

Das hier habe ich in einer Mailingliste der Piratenpartei geschrieben:

Ich bin dafür, dass die Piraten das US-amerikanische Prinzip des FREE SPEECH übernehmen. Der Staat soll seine Gewaltmonopol nicht benutzen, um politische Meinungen (auch wenn sie total schwachsinnig sind) zu unterdrücken. So etwas ist im Obrigkeits- und Lichterkettenträgerstaat Deutschland unverstellbar.

Anstatt sich mit Parteiausschlussverfahren zu blamieren, sollte man eher dafür sorgen, dass sich Rassisten und Antisemiten nicht in der Piratenpartei wohlfühlen. Das sollte doch wohl möglich sein.

Übrigens hatten auch die Grünen zur Zeit ihrer Gründung Probleme mit angebräunten Kameraden, guckst du hier: de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Gruhl

„Distanzieren“ ist eher ein protestantisches exorzistisches Ritual, das die Medien fordern, weil es der Mainstream so gewohnt ist, bleibt aber inhaltlich sinnfrei.

Ceterum censeo: Die Leugnung der Shoa sollte straffrei sein. Wer fordert, die Leugnung des Holocaust nicht zu bestrafen, wird aber in den Medien und in der Öffentlichkeit so behandelt wie jemand, der Heroin
freigeben will. (Eben!)

Henryk M. Broder: „Ich werde mich dafür einsetzen, dass Holocaustleugnung als Straftatbestand aufgehoben wird. Das Gesetz war gut gemeint, hat sich aber als kontraproduktiv erwiesen, indem es Idioten dazu verhilft, sich als Märtyrer im Kampf um die historische Wahrheit zu inszenieren.“

Quellen:
www.berliner-zeitung.de/archiv/deutscher-denkmalschutz,10810590,10171784.html
„In Deutschland, das sollten die Teilnehmer der Antisemitismus-Konferenz wissen, gibt es keinen Antisemitismus. Er ist gesetzlich verboten.“

www.ldh-toulon.net/spip.php?article1086

www.zeit.de/online/2007/08/zuendel-kommentar/seite-2 „Freiheit auch für Irre“

Paragraph 130 StGB enthält irreguläres Ausnahmestrafrecht und steht damit insoweit zu Verfassung und Meinungsfreiheit im Widerspruch. Der Gesetzgeber muß sich hier zu einer Richtungsänderung durchringen und – über 60 Jahre nach dem Ende des ‘Dritten Reiches’- einen weit vorangetriebenen deutschen Sonderweg verlassen, um zu den normalen Maßstäben eines liberalen Rechtsstaates zurückzukehren. (Dr. Günter Bertram: Der Rechtsstaat und seine Volksverhetzungs-Novelle, Neue Juristische Wochenschrift, Heft 21/2005, S. 1476 ff.)

www.tagesspiegel.de/politik/ex-verfassungsrichter-holocaust-leugner-nicht-bestrafen/1275952.html
Wolfgang Hoffmann-Riem war bis April dieses Jahres Richter am Bundesverfassungsgericht. Bei einem Auftritt im Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung schockt der renomierte Jurist das Publikum mit einer gewagten These: Das Verbot der Holocaust-Leugnung schützt die Menschenwürde nicht.

Burks („Rechtsextremismus-Experte“)

KZ gegen Rechts

Die Universität Jena gründet ein „Kompetenzzentrum“ gegen Rechtsextremismus. (Das hatten wir doch schon?)

„Die Extremismusforschung habe wiederholt festgestellt, so Dicke, dass Menschen umso weniger zu extremistischen Einstellungen neigen, je besser sie politisch gebildet sind.“

Ab da habe ich nicht mehr weitergelesen.

Schlapphüte reloaded

Dieser Artikel von mir (pdf, 2,1 Mb) ist in der aktuellen Ausgabe von Nitro erschienen.

Der Verfassungsschutz kann nicht abgeschafft werden – seine Existenz fußt auf der Lebenslüge der Bundesrepublik. Trotz zahlloser Skandale brauchen und unterstützen die Medien den Inlands-Geheimdienst.

Die Deutschen lieben ihre Geheimdienste. Die Forschungsgruppe Wahlen fand in einer repräsentative Telefonumfrage im Auftrag des ZDF im November 2011 heraus: 54 Prozent der Befragten möchten den Geheimdienstagenten erlauben zu töten, wenn es um die Abwehr von Gefahren geht. Licence to kill für den BND, MAD und Verfassungsschutz also.

Heribert Prantl erkühnt sich in der Süddeutschen Zeitung (7./8.01.2012), den Verfassungsschutz grundsätzlich in Frage zu stellen, denn der Geheimdienst schütze die Verfassung nicht, er gefährde sie. Darauf kann man durchaus kommen, schließlich waren die für „Rechtsextremismus“ zuständigen Schlapphüte ein Jahrzehnt nicht in der Lage, die Nazi-Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zu entlarven und ihr Einhalt zu gebieten. Viel schlimmer noch: Der Spiegel schrieb (31.12.2011), die Verfassungsschützer hätten bis 2011 sogar genau über die Aktionen der untergetauchten Neonazis Bescheid gewusst. Das gehe aus einem Geheimbericht vor, der dem Magazin vorliege.

Gleichzeit beobachteten aber fast genau so viele Mitarbeiter der Behörde Parteimitglieder der Linken – nach nicht nachvollziehbaren Kriterien, da sowohl Pragmatiker als auch wortradikale Retro-Kommunisten ins Visier gerieten und sogar mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht wurden.

Wer das aber aus guten und vernünftigen Gründen kritisiert, vergisst, dass Argumente diejenigen nicht überzeugen werden, die sich an der Existenz des Inlands-Geheimdienstes festklammern, als müssten sie sich vor dem weltanschaulichen Ertrinken retten. Der Verfassungsschutz ist die Inkarnation einer Geschichtsinterpretation, die behauptet, die labile Demokratie der Weimarer Republik sei zwischen den „Extremen“ von links und rechts zerrieben worden.

Der Verfassungsschutz ist die Inkarnation einer falschen Geschichtsinterpretation.

Diese These ist, obzwar falsch, immer noch der Konsens des politischen Selbstverständnisses der Bundesrepublik Deutschland. Wer diesen Konsens in Frage stellt, zwingt den diskursiven Mainstream, über die Wurzeln nachzudenken, woher rassistischer Terror und antisemitische Hetze stammen. Das aber ist nicht gewollt. Die Gefahr ist zu groß, dass auf einen kontroversen gesellschaftlichen Diskurs über die Frage „Was ist deutsch?“ zu viele völkische und in der Wolle dunkelbraun gefärbte Antworten zu hören wären.

Aus diesem ideologischen Schoß kroch die Totalitarismus-Doktrin, die von Extremismus spricht. Es gibt jedoch kaum ein Medium im Deutschland, das sich dieser propagandistischen Worthülse entzieht. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (30.01.2012) beginnt einen immerhin kritischen Artikel über den Verfassungsschutz folgendermaßen: „Was kann und soll ein Inlandsgeheimdienst?“ Dann aber kommt sofort die Gleichung Rot gleich Braun: „Und wer schützt uns künftig vor Extremisten?“ Ein CDU-Hinterbänkler würde noch hinzufügen: „von links und rechts“.

Das Magazin Focus (06.02.2012) ist in seiner Wortwahl deutlich: „Die linksmotivierte Gewalt hat nach einem Zeitungsbericht stark zugenommen. (…) Rechte Gewalttaten hätten nur unwesentlich abgenommen.“ Linksmotiviert und rechtsmotiviert: Man weiß zwar nicht mehr, um welche Inhalte es geht, aber der Totalitarismus-Doktrin ist Genüge getan: Die „Extremen“ sind das Problem, und um die kümmert sich bekanntlich der Verfassungsschutz. Die Süddeutsche zitiert (25.01.2012) genau diese „Argumentation“ des Innenministers: „Man müsse, so sagt Friedrich, die Linken auch deswegen beobachten, weil man sonst nicht begründen könne, Landtagsabgeordnete der NPD zu überwachen. Schließlich gelte der Gleichbehandlungsgrundsatz.“

Quod erat demonstrandum. Auch wenn man das „Heilige Einfalt“ nennt wie die Süddeutsche – den betonharten Diskurs der Totalitarismus-Theoretiker ficht das nicht an. Der „Extremismus“-Diskurs ist keine wissenschaftliche These, sondern ein fast religiöser Mythos, der der alten Bundesrepublik weltanschaulich ermöglichte, vom Kampf gegen den Bolschewismus der Nazi-Zeit bruchlos zum Antikommunismus des Kalten Krieges überzugehen, ohne erklären zu müssen, warum man das zum Teil mit demselben Personal machte – wie etwa dem Ex-Gestapo-Mann und SS-Hauptsturmführer Erich Wenger, der beim Bundesamt für Verfassungsschutz in der Abteilung „Spionage-Abwehr“ tätig war.

Die Medien zitieren den Verfassungsschutz gern, wenn es um „Rechtsextremismus“ geht. Das erspart eigene Recherchen.

Die Medien zitieren den Verfassungsschutz gern, wenn es um Rechtsextremismus geht. Das erspart eigene Recherchen und erweckt den Anschein, man berufe sich auf seriöse, quasi behördliche Quellen, auch wenn diese meistens weder nachgeprüft wurden noch seriös waren. Das widerspricht der Maxime seriöser Journalisten, etwas nur zu veröffentlichen, wenn es mindestens zwei unabhängige Quellen gibt. Die Behörde Verfassungsschutz betreibt aber Lobby-Arbeit in eigener Sache und ist also genauso „seriös“ wie die Pressestelle eines Unternehmens, das über sich selbst informiert.

Die Unsitte hat mit Geben und Nehmen zu tun: Journalisten, die einen guten Draht zu einzelnen Mitarbeitern des Geheimdienstes haben, können darauf hoffen, interessante Details zu erfahren – ohne recherchieren zu müssen. Im Gegenzug wird erwartet, dass die Thesen des Verfassungsschutzes ungeprüft in die Medien übernommen werden. „Der Verfassungsschutz warnt vor“ ist eine gebetsmühlenartige und gängige Floskel, die man tausendfach wiederfindet.

Immerhin hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung das Problem erkannt: Deutschland mache sich „zum Gespött“. „Der Verfassungsschutz mit seinem Bundesamt und seinen 16 Landesämtern ist ein Sonderweg der Bundesrepublik. Es ist ja die geheimdienstliche Beobachtung etwa der italienischen Kommunisten oder des französischen „Front National“ uns bisher nicht bekannt geworden, wir wüssten von keiner Behörde in den Nachbarländern, die über ihre Befunde zum Extremismus jährlich Bericht erstattete.“

Und was wäre die Konsequenz? Der Verfassungsschutz sollte ersatzlos aufgelöst werden. Niemand würde sein Fehlen bemerken. Nur müssten die Journalisten, die über Rassisten und Antisemiten berichten oder über Gewalttäter, die sich als „links“ verstehen, persönlich recherchieren. Und die Deutschen müsste darüber nachdenken, was zu tun sei, wenn man die Ränder der Gesellschaft als Symptom und nicht als die Ursache gesellschaftlicher Probleme ansieht.

Wer aber fordert, den Inlandgeheimdienst aufzulösen, denkt so illusionär wie jemand, der fordert, in Deutschland müssten Staat und Kirche getrennt werden oder der „Kampf gegen Drogen“ sei ein Irrweg.

Verfassungsschutz-Skandale in der Vergangenheit (Auswahl)

1954 Affäre John: Der erste Chef des Verfassungsschutzes flieht in die DDR. Otto John behauptet später, er sei entführt worden.

1963 Telefon-Affäre: Der Verfassungsschutz hört ein Kooperation mit den Alliierten unbefugt zahllose Telefonate mit, sogar von CDU-Abgeordneten.

1968/69 Peter Urbach – V-Mann und Agent Provocateur des Berliner Verfassungsschutzes – liefert Molotowcocktails an Studenten, Waffen für die terroristische Rote Armee Fraktion (RAF) und eine Bombe für einen Anschlag auf das jüdische Gemeindehaus.

1977 Das Kölner Bundesamt und das Innenministerium lassen Verfassungsschützer in das Haus des Physikers Klaus Traube einbrechen, um dort Wanzen anzubringen. Der Verfassungsschutz intrigiert bei Traubes Arbeitgeber Siemens; Traube wird entlassen. Der Spiegel titelt: „Verfassungsschutz bricht Verfassung“.

1983 offenbart sich in Berlin Werner Lock der Polizei, ebenfalls ein V-Mann. Er berichtet von einem konspirativen Treffen am 17. Juni 1977, bei dem Nazi-Terroristen der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ und der „Deutschen Aktionsgruppen“ des Manfred Roeder Absprachen für Anschläge und Überfälle getroffen hatten. Ein Zehntel der Anwesenden Nazis bei diesem Treffen waren V-Männer.

1983ff: Die Neonazi-Partei „Nationalistische Front“ wird 1983 mit Geldern aufgebaut, die der Verfassungsschutz dem V-Mann Norbert Schnelle zahlte, der sich nur zum Schein hatte anwerben lassen.

1985 bis 1987: Ludwig-Holger Pfahls wird er Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Pfahls hat später in mehreren Fällen Schmiergelder in Höhe von mehreren Millionen Mark angenommen. 1999 setze er sich ins Ausland ab und wurde mehrere Jahre steckbrieflich gesucht.

1992/1993 Der Solinger V-Mann Bernd Schmitt integriert Jugendliche in die rechte Szene und bildete sie in seiner Kampfsportschule aus. NRW-Innenminister Herbert Schnoor sagte, er sei mit der Arbeit des V-Mannes Schmitt „sehr zufrieden.“ 1993 werden in Solingen fünf Menschen ermordet. Drei der später für den Brandanschlag verurteilten Neonazis hatte in Schmitts Kampfsportschule trainiert.

2001ff. NPD-Verbotsverfahren: Die Verfahren werden vom Bundesverfassungsgericht am 18.März 2003 eingestellt, weil V-Leute des Verfassungsschutzes auch in der Führungsebene der Partei tätig sind.

2011 Nach Informationen der Berliner Zeitung haben Thüringer Landeskriminalamt und Verfassungsschutz bei ihren Fahndungen nach der terroristischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund gegeneinander gearbeitet. Der Verfassungsschutz räumte direkte Geldzahlungen an das Trio ein.

Ist Günther Jauch V-Mann?

Netter Kommentar bei Spiegel Online: „Und Günther Jauch? Der perfekte V-Mann für Sie. Niemand anderes schafft es, so harmlos und lieb auszusehen, dabei nette Fragen zu stellen und somit doch alle Infos abzuschöpfen. Er kennt Politiker, Sportler, viele Millionäre, Immobilienmakler, Winzer, das sogenannte einfache Volk, er hat RTL und die ARD unterwandert. Und wenn Sie Ihre 2600 Mitarbeiter alle entlassen, dann reicht es auch für sein Honorar. Oder ist er längst…. ? (Dann wird der SPIEGEL es enthüllen.)“

Auch die FAZ legt nach: „Wenn jemand die Bundesrepublik zum Gespött Europas machen will, dann möge er den freien Gedankenspielen von Herrn Dobrindt folgen. Der Verfassungsschutz mit seinem Bundesamt und seinen 16 Landesämtern ist ein Sonderweg der Bundesrepublik. Es ist ja die geheimdienstliche Beobachtung etwa der italienischen Kommunisten oder des französischen ‚Front National‘ uns bisher nicht bekannt geworden, wir wüssten von keiner Behörde in den Nachbarländern, die über ihre Befunde zum Extremismus jährlich Bericht erstattete.“

Verfassungssumpf (VS)

Am 11.11.2011 schrieb ich: Sorry, wenn ihr erwartet, dass ich jetzt die bekannte braune Sau ‚Braune Armee Fraktion‘ durch’s mediale Dorf treibe, dann täuscht ihr euch. Ich warte erst ab, bis das Thema ein Verfassungsschutz-Skandal wird.

Heute lesen wir gemeinsam die Süddeutsche:
„Die Ermittler haben nach Informationen von sueddeutsche.de Hinweise auf einen Brief, in dem von einer früheren Informanten-Tätigkeit Zschäpes für staatliche Behörden die Rede ist. (…) Demnach ging der Brief vor dem Abtauchen der drei Neonazis 1998 beim Vater von Uwe Mundlos ein. Dieser ließ eine entsprechende Anfrage unbeantwortet. (…) Der anonym abgefasste Brief beschreibt angeblich auch, warum die Rechtsextremistin in den neunziger Jahren mit den Behörden kooperierte. Beweggrund soll eine mögliche Strafmilderung für einen Verwandten gewesen sein.“

Hermann L. Gremliza schreibt in der aktuellen Ausgabe der konkret („Vertraulich. Nur für den Dienstgebrauch“):

„Das Gerede vom Extremismus, wahlweise auch Radikalismus, is Propaganda. Es gibt keinen Linksextremismus, auch keinen Rechtsextremismus oder ‚Rechtsterrorismus‘.. (…) Der Begriff des Extremismus ist ein Derivat der Totalitarismus-Doktrin. (…) So verwerflich die Motive der RAF gewesen sein mögen, ihre Opfer waren keine armen Teufel, sondern Repräsentanten der herrschenden Klasse, der sie den Krieg erklärt hatten, und deren Personal. (…)

In Wahrheit haben alle Dienste funktioniert, wie sie sollem. (…) Polizei, Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz, Justiz und Militär wurden mit Mann und Maus auf dem Nazistaat übernommen. Fast alle NS-Polizisten blieben im Amt, den Bundesnachrichtendienst und die Ämter für Verfassungsschutz gründeten und besetzen Männer der Reichssischerheitshauptamts, der Gestapo und der Organisation Fremde Heere Ost, nicht ein einziger NS- Richter wurde je verurteilt, und sei es nur zu einer gebührenpflichtigen Verwarnung, die Bundeswehr wurde von Offizieren aus Hitlers Vernichtungsfeldzug gegründet und, wenn die Sache das Wort erlaubt, beseelt. (…) Die letzten Gründer waren noch in den achtziger Jahren in ihren Ämtern, was heute dort sitzt, haben sie geschult.“

Gremliza hat seine eigene Zeitung und kann dort schreiben, was er will. Es sagt viel über den deutschen Medien-Mainstream aus, dass die obige Meinung, obwohl doch kaum jemand die Fakten bestreiten kann, nicht vorkommt und nur von einer winzigen Minderheit vertreten wird.

Nein, ich habe meine Meinung, die der von Gremliza auf’s Haar gleicht, nicht von ihm abgeschrieben, sondern mir selbst ausgedacht und in „Nazis sind Pop“ formuliert.

Am 01.10.2003 schrieb ich in der Jungle World:

Der diskursive Mainstream, was das Problem sei, hat sich wie Beton verhärtet und erzeugt, stösst man ihn an, immer dieselben Textbausteine, bei den Guten wie auch den Bösen. Die offizielle Staatsdoktrin mit quasi-religiöser Konsistenz ist immer noch die Totalitarismus-Doktrin alias „Extremismus“-Diskurs, der durch den vermeintlich anständigen Symbolismus eher noch verfestigt wurde. Die affirmative und falsche Interpretation des Untergangs der Weimarer Republik, die zwischen den „Extremen“ zerrieben worden sei, liegt wie klebriger Mehltau über der Debatte. Der Begriff „Rechtsextremismus“ beweist, dass man trotz oder wegen des Medienhypes „gegen rechts“ kräftig am eigentlichen Thema vorbeidenkt und diskutiert.

Seit wann ist die Linke linksextrem?

linksextremismus

Irgendwie ticken die Uhren in Bayern anders. Die entblöden sich nicht, eine im Bundestag vertretene Partei unter „Linksextremismus“ abzuheften. Totalitarismus-Doktrin vom Feinsten eben. (via Fefe)

← ltere EinträgeNächste Einträge →