Hingeschlampt und nichts begriffen und fremde Vierecke

gewalt

Nein, lieber Tagesspiegel, das sind Fake News: Die Teilnehmer der Demonstration sind mitnichten „gegen Gewalt“ auf die Strasse gegangen, sondern gegen rechte Gewalt. Will mir hier jemand insgeheim die Totalitarismus-Doktrin unterjubeln? Wer so schlampig formuliert, hat entweder etwas weltanschaulich Böses im Schilde oder ist einfach faul und dumm. Zugunsten des Tagesspiegel nehme ich Letzteres an.

Die politisch gebildeten Leserinnen und an den Weltläuften interessierten Leser erwarten hoffentlich nicht, dass ich etwas über Sachsen und insbesondere Chemnitz schreibe? Es ist schon alles gesagt worden, nur noch nicht von jedem. Der öffentliche Diskurs besteht wie gewohnt aus immerdengleichen sinnfreien Textbausteinen, seit dreißig Jahren. Ich kann es nicht mehr hören. Daher wiederhole ich mich jetzt auch.

„Die rechte Szene schöpft heute das rebellische Potential [der Jugend] ab und kann das auch deshalb, weil das Milieu politisch nicht eindeutig festgelegt ist und auch nicht werden muß. Die Anführer wirken wie die Hefe im Teig. Rassistische Vorurteile und nationalsozialistische Ideologeme können punktuell und bezogen auf bestimmte Anlässe aktiviert werden. Rassismus ist ein funktionierendes Modell, sich den Konkurrenzkampf im Kapitalismus hinreichend zu erklären und deshalb eine Option, die immer, ungeachtet der sozialen und wirtschaftlichen Situation, verfügbar ist.“ (Burkhard Schröder: Im Griff der rechten Szene, 1997). Man muss nur, wenn man Eribon und Baron gelesen hat, „der Jugend“ weglassen.)

„Die rechte Szene ist in den neuen Bundesländern auch deshalb erfolgreich, weil es kaum eine Alternative gibt, die ein derart einfaches, homogenes und, was das Versprechen des persönlichen Machtzuwachses angeht, attraktiveres Weltbild liefert. Neonazis im Osten begreifen sich als Ordnungsfaktor in direkter Konkurrenz zur Polizei. Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, daß sie die Bevölkerung eher vor den vermeintlich schädlichen Folgen ‚massenhafter‘ Zuwanderung und den Reibungen zwischen diversen kulturellen Traditionen schützen könnte als die politischen Entscheidungsträger.“ (Burkhard Schröder: Im Griff der rechten Szene, 1997)

„In den letzten zehn Jahren ist so gut wie alles für den ‚Rechtsextremismus‘ verantwortlich gemacht worden, was man sich mit lebhafter Phantasie ausdenken kann: die Erziehung ohnehin, die autoritäre oder auch die antiautoriäre, je nach Couleur des Diskutanten, die angeblich fehlenden Väter, der ‚Frust‘, die Wiedervereinigung an sich, fehlende Lehrstellen und Billardtische in Jugendzentren, zerrüttete Elternhäuser, die, falls das ein Grund für Antisemitismus wäre, auch an der NSDAP Schuld sein müssten. Eine Vielzahl von Experten zum Thema ‚Rechtsextremismus‘, die den Eindruck erwecken, bei anderen abzuschreiben, ohne jemals einen Fuß bis nach Ostsachsen gesetzt zu haben, gebrauchen die Begriffe Wilhelm Heitmeyers wie ‚Individualisierung‘, ‚Globalisierung‘ und ‚erhöhte gesellschaftliche Desintegrationsprozesse‘ – wahrscheinlich ohne Heitmeyer im Original gelesen zu haben. Das klingt klug, sagt garantiert nichts aus und führt bei ‚Fachtagungen‘ garantiert zu verständnisvollem Kopfnicken der Publikums. (…)

Thesen, die nicht die Vergangenheit bemühen, klingen um so origineller, sind aber ebensowenig einleuchtend. Der PDS-Politiker Lothar Bisky, so meldete DPA im August 2000, sehe in der Wiedervereinigung Deutschlands eine wesentliche Ursache für den Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern. In der ARD-Sendung ‚Bericht aus Berlin‘ sagte Bisky, in der DDR gäbe es durch ‚diesen Law- and-Order-Staat‘ eine Art Samen. Den ‚Humus‘ für die Entwicklung des Rechtsextremismus habe dann die Vereinigung gegeben. Dann erst seien Rechtsradikalismus und Neonazis ‚auf die Straße gekommen‘.“

„Richtig ist, dass die Werte des rechten Milieus sich nicht signifikant von denen der Durchschnittsmenschen unterscheiden, eher noch die Prizipien des Kapitalismus, insbesondere das asketische Arbeitsethos, auf die Spitze treiben: Rechte Gewalttäter stehen oft, das ist statistisch signifikant, unter einem hohen Leistungsdruck, den sie unkritisch von ihren Eltern übernommen haben.“

„Toleranz hilft weder gegen Rassismus noch Antisemitismus. Sie fordert eine kulturelle Anstrengung ein, eine psychische Arbeit, das, was als anders empfunden wird, nicht verändern zu wollen. Jeder empfindet unterschiedliche Dinge als ‚fremd‘; ein allgemeiner Appell, das Gute zu empfinden und zu tun, tolerant zu sein, verpufft ausnahmslos ohne jede Wirkung.“

„‚Konfliktkultur‘ und Toleranz können sich nur unter Gleichberechtigten entwickeln. Alles andere ist keine Toleranz, sondern Paternalismus und vergleichbar mit der freundlichen Leutseligkeit heutiger christlicher Missionare gegenüber den ‚Heiden‘, die zum Glauben an das christliche höhere Wesen überredet werden sollen.“ (Burkhard Schröder: Nazis sind Pop; 2000, vgl. auch Deutsche und Neger.)

verfassungsschutz

Und was sagt uns das jetzt? Was änderte sich, wenn die Schlapphüte etwas beobachteten? Sähen sie dann auch etwas? Solche Sätze nach unzähligen Skandalen des Inlandsgeheimdienstes!? Wie blöd und ingnorant muss man sein – oder das Gedächnis einer Drosophila haben? Und „Ausländerfeindlichkeit“? Was sagt Roberto Blanco dazu?

„Die Nation definiert sich über eine fiktive ‚Identität‘, über eine vermeintliche ‚Leitkultur‘, die als politisches Projekt sowohl die innere Kolonisierung als auch die Selbstethnisierung der Migranten fördert. Deutschland hat sich vom internationalen Diskurs zum Thema ‚Rassismus‘ begrifflich abgekoppelt….) Die Dominanz des Unwortes ‚Ausländerfeindlichkeit‘ in den Medien dokumentiert den zentrale Topos des rassistischen Diskurses. Der Begriff suggeriert zum einen, dass rassistische Diskrimierungen sich nicht gegen Afrodeutsche richten oder – noch schlimmer – dass diese keine Deutschen seien, und zum anderen leugnet er zentrale Klammer rechter Ideologien, den Antisemitismus. Ursache rassistischer Vorurteile sind daher auch affirmative ‚Multikulti‘-Diskurse im Schulunterricht, die Vorurteile nicht abbauen, sondern in der Regel verstärken. Dieser Diskurs verschweigt, dass ‚Kultur‘ oder ‚Ethnizität‘ immer fiktive politische Projekte sind, die gesellschaftliche Machtverhältnisse thematisieren.“

Thomas Fischer faselt von „fremden Kulturkreisen“. Warum nicht Vierecken?

Jetzt mach ich mal etwas Vernünftiges, meine Blumen wollen gegossen werden.

Heuchler

Dieselben Journalisten, die sich darüber aufregen, dass das Berliner LKA vielleicht einen Mord unter Rockern hätte verhindern können (Unschuldsvermutung!?), zitieren den Verfassungsschutz immer noch als seriöse Quelle für „Extremismus“, „Islamismus“ usw.. Das nenne ich eine Frechheit und Heuchelei.

Aktuelle blinde Flecken

im Griff der rechten szene

Michael Kraske twittert: „Die Eskalation der Gewalt in #Wurzen zeigt, was passiert, wenn #Medien ihre Wächterfunktion vernachlässigen. Rechte Gewalt ist gerade mal wieder out“.

Der Mediendienst Ost weiß etwas von einem „Versprechen. Nie wieder wollten Journalisten rechte Gewalt übersehen“.

Ach. Wer hat denn dieses Versprechen gegeben? Wieso langweilt mich das jetzt ein bisschen?

Weil ich alles das, was jetzt wieder wie eine Sau durchs Dorf getrieben wird, weil ich alle Textbausteine und Sprechblasen schon vor zwanzig Jahren genau so im obigen Buch beschrieben habe. Nichts hat sich geändert, und schon gar nicht die Berichterstattung der Medien.

Das geht auch gar nicht: Medien sind Teil des kommunikativen Mainstreams, und der ist nun mal in Deutschland, wie er ist. Wie über die Realität kommuniziert wird, hat mit der Realität nicht viel zu tun. Sogar der dümmliche Begriff „Rechtsextremismus“, den ich damals schon kritisiert habe, ist nicht verschwunden. So what?

Gewalt oder: Bataillone von Schwätzern

Thomas Fischer made my day. Lesebefehl (keinen Kuchen und Kaffee im Mund vor einer Tastatur). Leuchtfeuer der Vernunft im Meer der Dummschwätzer.

„Aber hatten Sie nicht, liebe Leser, gelegentlich auch den überwältigenden Eindruck, dass Bataillone von Schwätzern all dies genauso wenig wissen wie Sie selbst? Oder denken Sie, einer der total berühmten ModeratorInnen der „Was wird Trump zu Putin sagen?“-Formate könnte Ihnen erklären, was unter „Freihandel“ zu verstehen ist, verstanden wird oder im Einzelnen streitig sein könnte und vor allem: was er bedeutet? (…)

Auf jeden Vermummten müssen drei Fotografen und zwei Kriegsberichterstatter kommen, allesamt von „Sendern“ und „Redaktionen“ ausgesandt. Wer nur deshalb filmt, weil er es geil findet, ist selbstverständlich Abschaum, Unterstützer oder Geheimagent. (…)

Dem durchschnittlichen Steineschmeißer geht das teppichknüpfende Mädchen aus Bangladesch, wie jeder weiß, der mal eine oder zwei Literflaschen Müller-Thurgau mit Autonomen geleert hat, spätestens dann am Arsch vorbei, wenn er dafür regelmäßig morgens um 5.30 Uhr aufstehen müsste. Da ist er sich übrigens einig mit den Volksgenossen, deren Liebe zum Deutschtum mit der Frühschicht sinkt und der Promillezahl steigt.“

Fake News, revisited

fake news

Da waren die Qualitätsmedien zu schnell. Das kommt davon, wenn das Wünschen und Wollen die Realität übertüncht – wie schon bei der Wahl Trumps. Es kann nicht sein, was der Mainstream nicht wahrhaben will.

Das Bundesverfassungsgericht hat heute ein kluges und weises Urteil gefällt und gleichzeitig die abgewatscht, die noch nicht einmal in der Lage sind, Gesetzestexte zu lesen. Ja, eine Partei darf verfassungsfeindlich sein. Sie muss deshalb nicht verboten werden. So steht es seit jeher geschrieben. Liest nur keiner, weil der Deutsche an sich vom Verbieten mehr hält als von der Mühe, sich mit Falschem oder Unerwünschtem politisch auseinanderzusetzen. So ist er, der Deutsche, links, rechts und in der Mitte: Melden, durchführen, verbieten. Und jetzt alle (Klatschmarsch): Kopf ab zum Gebet.

Einem Verbot der NPD steht aber entgegen, dass das Tatbestandsmerkmal des „Darauf Ausgehens“ im Sinne von Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG nicht erfüllt ist. Die NPD bekennt sich zwar zu ihren gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Zielen und arbeitet planvoll auf deren Erreichung hin, so dass sich ihr Handeln als qualifizierte Vorbereitung der von ihr angestrebten Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung darstellt. Es fehlt jedoch an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die eine Durchsetzung der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen. Weder steht eine erfolgreiche Durchsetzung dieser Ziele im Rahmen der Beteiligung am Prozess der politischen Willensbildung in Aussicht, noch ist der Versuch einer Erreichung dieser Ziele durch eine der NPD zurechenbare Beeinträchtigung der Freiheit der politischen Willensbildung in hinreichendem Umfang feststellbar.

Ein Erreichen der verfassungswidrigen Ziele der NPD mit parlamentarischen oder außerparlamentarischen demokratischen Mitteln erscheint ausgeschlossen.

Wer hätte das gedacht? Welche Trottel haben eigentlich dein Verbot der NPD gefordert? Das alles hätte man doch vorher wissen können?! Das kommt vom Lichterkettentragen, vom „Zeichen setzen“ und anderen Übersprungshandlungen.

Unter Ruchlosen

verdächtige

Fahndungsfoto der Berliner Polizei: Die jungen Männer, die verdächtig sind, einen Obdachlosen angezündet zu haben.

„Denn eine Arbeiterkindheit auf der Straße oder in Armenvierteln blieb für das Reformbürgertum ein Schreckbild, die anarchische Brutstätte ruchloser Jungen und sittenloser Mädchen.“ (Eribon: Rückkehr nach Reims, S. 33)

„Kleine und mittelschwere Straftaten waren im Viertel die Regel, sie waren eine Art Volkssport, ein unbeugsamer Widerstand gegen die Gesetze eines Staates, den man im Alltag nur als das allgegenwärtige Machtmittel des Klassenfeindes erlebte.“ (ebd., S. 36)

Argumente gegen irgendetwas sind bekanntlich nutzlos. Auch das Aufrechnen von Straften, etwa derer von Nazis an Obdachlosen gegenüber denen von Einwanderern. Mich ärgert nur das hilflose Herumgeiere vieler Medien zum Thema.

Zum Beispiel schreibt Eberhard Seidel: „War es richtig, die Herkunft der Täter, die einen Obdachlosen anzünden wollten, zu nennen? Ich denke, ja. Für mich war es sehr wichtig, zu erfahren, dass es sich bei den mutmaßlichen Tätern um jugendliche Geflüchtete handelt. Berlin tut gut daran, sich intensiv mit der psychischen Verfassung und ideologischen Orientierung dieser aus einem Bürgerkriegsgebiet geflohenen Jugendlichen zu beschäftigen, um die geeigneten präventiven Maßnahmen zu entwickeln, die notwendig sind, Prozesse der Verrohung erst gar nicht zuzulassen. Egal ob wir über Präventionskonzepte gegen Rechtsextremismus, Salafismus oder einfach nur jugendliche Gewalt sprechen – sie können nur dann erfolgreich sein, wenn wir offen über individuelle Hintergründe und gesellschaftliche Zusammenhänge sprechen.“

Die Sprache ist verräterisch, Deutsch des Grauens vom Feinsten und kein Zufall: „Für mich ist es wichtig“ VerfassUNG OrientierUNG präventiven Maßnahmen Prozesse VerrohUNG Präventionskonzepte […]ismus […]ismus Hintergründe gesellschaftliche Zusammenhänge. Das ist einfach alles Gefasel. Ich lehne übrigens das affirmative Schaumsprech „Geflüchtete“ in allen seinen Varianten sowieso ab: Der Begriff „Einwanderer“ beschreibt die Realität treffend und heuchelt erst gar nicht, die Motive der Befreffenden zu beurteilen, was Unfug ist und sinnlos.

Einige junge und männliche Einwanderer aus einem Bürgerkriegsgebiet sind offenbar „verroht“. Das Kriterium ist aber keins, sonder ein jeweils klassenspezifisches Verdikt (ja, ich kann auch so schreiben, dass mich niemand versteht). Das meint: Die Bösen sind immer die anderen: „Die Experten in hochkomplexen Systemen sind dafür da, einem Milieu einleuchtend zu erklären, daß das Böse aus dem jeweils anderen Milieu stammt. Die Experten weisen Schuld zu und aktivieren und entlasten das Milieu, das jeweils bezahlt.“

Da ich mich selbstredend zu einem Experten erkläre, weise ich hiermit der Kleinbourgeoisie Mittelschicht die Schuld zu. Der Kerle auf dem Fahndungsfoto sehen so aus: Gut gekleidet, eine bescheuerte Frisuren (Verzeihung, bei „Undercut“ denke ich immer an Uppercut, den ich demjenigen versetzen möchte), und sie lachen, vermutlich weil sie jemanden sehen, der nicht den Normen ihrer sozialen Schicht entspricht, eben ein besoffener Obachlose zum Beispiel. Bei diesem „hierarchischen Lachen“ fällt mir natürlich immer Elias Canetti ein – Lachen ist eine Agression, die man sich versagt:
Das Lachen ist als vulgär beanstandet worden, weil man dabei den Mund weit öffnet und die Zähne entblößt. Gewiß enthält das Lachen in seinem Ursprung die Freude an einer Beute oder Speise, die einem als sicher erscheint. Ein Mensch, der fällt, erinnert an ein Tier, auf das man aus war und das man selber zu Fall gebracht hat. Jeder Sturz, der Lachen erregt, erinnert an die Hilflosigkeit des Gestürzten; man könnte es, wenn man wollte, als Beute behandeln. Man würde nicht lachen, wenn man in der Reihe der geschilderten Vorgänge weitergehen und sich’s wirklich einverleiben würde. Man lacht, anstatt es zu essen. Die entgangene Speise ist es, die zum Lachen reizt; das plötzliche Gefühl der Überlegenheit, wie schon Hobbes gesagt hat … Es scheint, daß die Bewegungen, die vom Zwerchfell ausgehen und fürs Lachen charakteristisch sind, eine Reihe von inneren Schlingbewegungen des Leibes zusammenfassend ersetzen.

Ich wette, dass es in der Gruppe der oben Gezeigten einen oder zwei Meinungsführer gibt und die anderen das tun und meinen, was die machen und laut denken. Der Homo sapiens ist ein Opportunist, der auf die Peer group hört – und nicht auf die Medien. Die Herren kommen auch garantiert nicht aus den unteren und armen Schichten Syriens und Libyens („in Libyen geboren“ als „Herkunft“ erzeugt bei mir die reflexhafte Frage: Ach so, also vermutlich ein Berber?).

Die (leider verstorbene) Birgit Rommelspacher hat Gewalt gegen die da unten, wenn die von „Rechtsextremisten“ (pdf) verübt wird, genau beschrieben (und gegen den Mainstream): Gewalt als subkulturelle Lebensform, der man mit Moral nicht beikommt, Gewalt gegen Schwächere, die gefahrlos ist (- mein Kampfsportlehrer sagte über die Bösen: Die legen sich nie mit jemandem an, der ein Gegner sein könnte). Im Gegensatz zu einigen Thesen Rommelspachers glaube ich aber, dass die Mittelklassen empfänglicher für den „Hass“ nach unten („Klassismus„) sind. Das lehren schon die Wahlergebnisse der Weimarer Republik.

Meine These, die ich durch nichts begründen kann: Arme Einwanderer begehen vielleicht eher kleinkriminelle Handlungen, wie sie Eribon als typisch für das traditionelle Arbeitermilieu schildert. Das unterscheidet sie gar nicht so sehr von „eingeborenen“ Deutschen. Obdachlosigkeit wird aber besonders in den Gesellschaften und von den Klassen geächtet, die „Leistung“ als Lebenssinn propagieren.
Protestantische Nützlichkeitsethik und Merkantilismus als Wirtschaftssystem begründeten eine gesellschaftliche Moral, in der sich die menschliche Ehre vor allem auf Leistung, materiellen Verdienst, den eigenen Beitrag zur Finanzierung des Staates bezog. Die hierarchisch geprägte Gesellschaft mit unterschiedlichen Klassen sah Arme ohne Erwerbstätigkeit als Plage und zunehmend auch als Asoziale, die umerzogen werden müssten. Zuchthäuser wurden eingeführt, in denen Vagabunden Zwangsarbeit zur Besserung leisten mussten.

Die jungen Männer auf dem Fahndungsfoto verhalten sich also schon systemkonform, nur dass sie die ekelhafte, heuchelnde und nur punktuelle Empathie der deutschen Mittelschichten noch nicht imitieren.

Reminder: [Bitte selbst ausfüllen]Ismus

Ich habe gerade einige ältere Beiträge auf Burks.de bzw. spiggel.de angesehen und darf deshalb mich selbst aus dem Jahre 2003 zitieren. In aller Bescheidenheit: Ich habe immer noch recht, aber es hat sich auch nichts geändert. Das Statement ist noch aktuell.

Der Begriff „Rechtsextremismus“ ist nicht geeignet, das Problem hinreichend zu beschreiben. Der „Extremismus“-Diskurs fußt auf der Totalitarismus-Doktrin, die den politischen Mainstream der alten Bundesrepublik dominierte. Pointiert formuliert: „Rot gleich braun“, politisch umgesetzt im so genannten „Radikalenerlass“. Dieser These liegt eine falsche und affirmative Interpretation der deutschen Geschichte zugrunde: Die Weimarer Republik sei zwischen den politischen „Extremen“ zerrieben worden. Der (Rechts-)Extremismus-Diskurs, das Konzept der so genannten „wehrhaften Demokratie“ und die dazu passende Skandalbehörde Verfassungsschutz dient dazu, die politische Mitte und die Eliten von ihrer Verantwortung für Rassismus und Antisemitismus freizusprechen.

Wichtigste Ursache für rassistisch motivierte Gewalt ist der politische Konsens, die Nation Deutschland völkisch zu verstehen. „Wir schöpfen unsere Identität nicht aus dem Bekenntnis zu einer Idee, sondern aus der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk.“ (Wolfgang Schäuble). Deutschland ist das einzige Land Europas, das Einwanderer faktisch und im öffentlichen Diskurs als Menschen zweiter Klasse behandelt: Migranten sind „Ausländer“, also Nicht-Deutsche. Die Nation definiert sich über eine fiktive „Identität“, über eine vermeintliche „Leitkultur“, die als politisches Projekt sowohl die innere Kolonisierung als auch die Selbstethnisierung der Migranten fördert. Deutschland hat sich vom internationalen Diskurs zum Thema „Rassismus“ begrifflich abgekoppelt. Forschungen aus dem angelsächischen Sprachraum zum Thema Ethnizität und Migration – die begriffliche Folie, vor der politische Strategien gegen Rassismus denkbar sind, werden in Deutschland ignoriert und nicht rezeptiert. Solange das so bleibt, wird es keine „gegen rechts“-Strategie geben, die auch nur ansatzweise irgendeinen Erfolg verspricht.

Die Dominanz des Unwortes „Ausländerfeindlichkeit“ in den Medien dokumentiert den zentrale Topos des rassistischen Diskurses. Der Begriff suggeriert zum einen, das rassistische Diskrimierungen sind nicht gegen Afrodeutsche richten oder . noch schlimmer – dass diese keine Deutschen seien, und zum anderen leugnet er zentrale Klammer rechter Ideologien, den Antisemitismus. Ursache rassistischer Vorurteile sind daher auch affirmative „Multikulti“-Diskurse im Schulunterricht, die Vorurteile nicht abbauen, sondern in der Regel verstärken. Dieser Diskurs verschweigt, dass „Kultur“ oder „Ethnizitit“ immer fiktive politische Projekte sind, die gesellschaftliche Machtverhältnisse thematisieren.

Der deutsche Sonderweg „Rechtsextremismus“-Diskurs ist Teil der protestantisch geprägten Alltagskultur, die das politsche Problem Rassismus mit dem Appell an das nationale Kollektiv bekämpfen will, bestimmte Gefühle (Mut, Zivilcourage) zu haben. Der gut gemeinte „gegen rechts“-Diskurs beschränkt sich auf die Ikonografie der „richtigen“ Symbole („Gesicht zeigen“, „Flagge zeigen“) und bleibt letztlich wirkungslos.

Rattenfänger oder: Bitte mehr Hasskommentare! [Update]

hasskommentare

Immer, wenn alle Medien sich freiwillig gleichschalten einer Meinung sind, ist in Deutschland Vorsicht angebracht. Solche Fälle kann man leicht erkennen; sie werden oft dekoriert mit den sinnfreien Sprechblasen „Flagge zeigen“, „Gesicht zeigen“ sowie „durchgreifen“ (oft mit den Komparativen von „hart“ oder „entschlossen„).

Die Tagesschau heute: „Symbolik, die man braucht – Hasskommentare im Netz werden häufiger und härter. Jetzt griffen Bund und Länder durch – mit einer bundesweiten Razzia.“ Spiegel online spricht von volkserzieherischen Maßnahmen wie wieland bei den Übungen Turnvater Jahns.

Wozu haben wir eigentlich die deutschen Märchen? Wenn alle das Gleiche sagen, lesen wir entweder den „Rattenfänger von Hameln“ oder „Des Kaisers neue Kleider„. Wie wir aber schon wissen, lernt niemand aus der Vergangenheit und auch nicht aus Parabeln oder moraltheologischen Allerweltsweisheiten.

Alle sind gegen „Hasskommentare“ im Internet? Komisch, dass es früher diesen Begriff gar nicht gab. „Hass“ ist ein Gefühl. In Deutschland geht es immer darum, Themen zunächst zu entpolitisieren und dann in Emotionen zu verwandeln, für die dann Pfarrer und Erzieher und das Privatfernsehen zuständig sind. So war es schon immer – auch beim so genannten „Rechtsextremismus“.

Es gibt keinen „Hass“ an sich. Es gibt juristisch relevante Formen, die Leute zu verhetzen – eine deutsche Besonderheit -; näheres regelt das gesunde Volksempfinden der Gerichte.

Man muss es klar und deutlich sagen: Alle Deutsche sind für Zensur, wenn es um eklige oder idiotische Meinungen geht. (Ich übrigens nicht, ich bin aber nicht der Mainstream.) Ich bin dann mal sofort weg, wenn das diskutiert wird. Der gefühlte common sense ist nichts für mich.

Warum soll ein US-amerikanisches Unternehmen Dinge zum Beispiel löschen, die dort gar nicht strafbar sind? Am deutschen Gefühlswesen soll die Welt genesen? Ihr spinnt doch! Warum könnt ihr den Scheiß nicht einfach aushalten, was ihr müsstet, wenn ihr in den USA lebtet? Die Leute, die was von „Gaskammern wieder öffnen“ faseln oder ähnlichen Schwachsinn, sind doch irre. Das nehme ich nicht ernst, und ich rufe schon gar nicht die Staatsmacht. Wer gegen „Hasskommentare“ ist und selbst entscheiden möchte, was „Hass“ ist, muss automatisch auch Erdogan gegen Böhmermann recht geben.

Ich mag Hasskommentare, zum Beispiel: Ich hasse Antisemiten, korrupte Palästinenser-Führer und ihrer Groupies, besonders hierzulande, Rassisten, Gendersprech, Dummköpfe, Esoteriker und Verehrer höherer Wesen, die mir Vorschriften machen wollen, Veganer und viele(s) andere mehr. Darf ich das nicht? Soll ich weniger Gefühl zeigen? Mich (eventuell mit Komparativ) beherrschen?

Ach, da sind wir dann wieder bei der protestantischen Ethik und dem Prozess der Zivilisation. Usw..

[Update] Wer aus dem gefühlten common sense ausschert, wird bestraft.

Studie: Bananen sind rechts und krumm

Eine Studie hat „herausgefunden“, dass ein großer Teil der Deutschen auf dumme Fragen dumme Anworten gibt. Die Welt und Spiegel online zum Beispiel nehmen die Studie erst.

Welt online im schönesten Deutsch des Grauens: „Durchgeführt wurde die Studie von der Universität Leipzig in Zusammenarbeit mit der Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall sowie zwei parteinahen Stiftungen: der Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne) und der Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linke).“

Wenn man nur die richtigen suggestiven Fragen stllt, ist das Ergebnis vorhersehbar. Ich zitierte am 02.03.2003 (vor dreizehn Jahren) mich selbst („Nazis sind Pop„):
Wichtigste Ursache für rassistisch motivierte Gewalt ist der politische Konsens, die Nation Deutschland völkisch zu verstehen. „Wir schöpfen unsere Identität nicht aus dem Bekenntnis zu einer Idee, sondern aus der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk.“ (Wolfgang Schäuble). Deutschland ist das einzige Land Europas, das Einwanderer faktisch und im öffentlichen Diskurs als Menschen zweiter Klasse behandelt: Migranten sind „Ausländer“, also Nicht-Deutsche. Die Nation definiert sich über eine fiktive „Identität“, über eine vermeintliche „Leitkultur“, die als politisches Projekt sowohl die innere Kolonisierung als auch die Selbstethnisierung der Migranten fördert. Deutschland hat sich vom internationalen Diskurs zum Thema „Rassismus“ begrifflich abgekoppelt. (…) Die Dominanz des Unwortes „Ausländerfeindlichkeit“ in den Medien dokumentiert den zentrale Topos des rassistischen Diskurses. Der Begriff suggeriert zum einen, dass rassistische Diskrimierungen sind nicht gegen Afrodeutsche richten oder – noch schlimmer – dass diese keine Deutschen seien, und zum anderen leugnet er zentrale Klammer rechter Ideologien, den Antisemitismus. Ursache rassistischer Vorurteile sind daher auch affirmative „Multikulti“-Diskurse im Schulunterricht, die Vorurteile nicht abbauen, sondern in der Regel verstärken. Dieser Diskurs verschweigt, dass „Kultur“ oder „Ethnizitit“ immer fiktive politische Projekte sind, die gesellschaftliche Machtverhältnisse thematisieren.

Die gute Nachricht: Die Ergebnisse dieser Studien haben sich seit 1980 nicht signifikant verändert. Rund 15 Prozent der Deutschen sind Rassisten und Antisemiten aka „haben ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild“. So what? Das ist genau das heutige Wählerpotenzial der so genannten AfD.

Elektronisch ausleuchten

Markus Kompa erklärt auf Telepolis schlüssig, was an der Affäre um netzpolitik.org dran ist. Ich muss meinen Verschwörungstheorien noch eine hinzufügen.
Die Strafanzeige erfolgte nur pro forma mit einem ganz anderen strategischen Ziel. (…) Katalogstraftaten sind auch der Schlüssel zu anderen über die normale Strafermittlung hinausgehenden Maßnahmen. (…) Mit anderen Worten: netzpolitik.org darf seit Anzeigeerstattung auch nach offizieller Aktenlage elektronisch abgeleuchtet werden. (…) Der Verfassungsschutz hat sich dieses durchsichtige Manöver von seinem nicht völlig naiven Innenminister eigens absegnen lassen.

Addendum: Natürlich ist meine dritte Verschwörungstheorie („Pofalla-Syndrom“) auch noch zutreffend. Alle Beteiligten sind einfach abgrundtief dämlich. Vgl. FAZ: „Jetzt wehrt sich Maaßen gegen Kritiker: Sein Schritt sei notwendig für den Kampf gegen Terrorismus und Extremismus gewesen.“

Gegen Staat und Kapital – für die Revolution!

Unsere Totalitarismus-Doktrin-TheoretikerInnen haben wieder zugeschlagen. Das sind die mit dem Ismus, lechts und rinks, und mit der Rot-Braun-Blindheit. „Wissenschaftler der FU Berlin“ berichten:
In der Umfrage hielten mehr als 60 Prozent der Befragten die Demokratie nicht für eine echte Demokratie, da die Wirtschaft und nicht die Wähler das Sagen hätten. Nahezu 50 Prozent konstatierten eine zunehmende Überwachung linker Systemkritiker durch Staat und Polizei, etwas mehr als ein Viertel (27 Prozent) befürchteten der Studie zufolge, dass Deutschland durch eine zunehmende Überwachung von Bürgern auf dem Weg in eine neue Diktatur sei.

Das ist aber gleich eine doppelt schlechte Nachricht. Nur 60 Prozent blicken durch? Nur so wenig? Und wenn 60 Prozent die Wahrheit kennen, warum wählen die dann nicht so?

Die linksextreme Wirtschaftswoche schrieb; „Wirtschaftsverbände haben heute größeren Einfluss auf die Politik als noch vor drei Jahren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Ifo Institutes unter Deutschlands Managern.“

Auch die linksextreme „Süddeutsche“ berichtete über das so genannte „Freihandelsabkommen“ TTIP: „Von Google bis Agrobusiness: Neue Zahlen zeigen, dass die EU-Unterhändler für den Freihandel fast ausschließlich Wirtschaftslobbyisten trafen.“

Interessant ist natürlich, wer sich hinter dem totalitarismusdokrintheoretischen Autorenkollektiv „Forschungsverbund SED-Staat“ verbirgt. Sehr hübsch und zutreffend beschreibt die „nekrophilen Antikommunisten“ mit Blockwart- und Denunzianten-Mentalität der Historiker Wolfgang Wippermann in der Jungle World:
Antikommunismus nach dem Ende des Kommunismus ist wie politische Peep-Show – man kommt irgendwie nicht ran an das Objekt der Begierde. Daher sind die Forschungsverbundler auch gezwungen, Hand an sich selber zu legen. Die allergrößten Elche waren nämlich selber welche: Viele Bündler blicken auf eine linke Vergangenheit zurück, die sie mit einem pathologisch wirkenden Eifer bewältigen möchten. (…) Schließlich die Grünen um Klaus Schöder, die alle aus einem hochschulpolitischen Ableger der Alternativen stammen, der sich Undogmatische Sozialisten nannte. Das Undogmatische an diesen Undogs war, daß sie schon einmal auf Hochschulebene die schwarz-grüne Koalition übten und Herrn Heckelmann zum Präsidenten wählten.

Dafür wurden sie reich mit Referentenposten und einem ganzen Institut belohnt, (…) Jürgen Kocka ist zuzustimmen, wenn er die Führer des Forschungsverbundes folgendermaßen charaktisierte: Sie seien „Meister der politischen Demagogie“, „Autoren von Halbwahrheiten und Verzerrungen und Wissenschaftler ohne Glaubwürdigkeit und Seriosität – um es zurückhaltend zu formulieren“.

Man sollte den Damen und Herren des totalitarismusdokrintheoretischen Autorenkollektivs vielleicht eine Professur in „Volkswirtschafts“lehre anbieten. Das würde passen.

Deswegen stmmt der rechte Focus in den Chor ein: „Auch linksradikale und linksextreme Grundhaltungen sind weit verbreitet – vor allem im Osten.“

Wenn das nur so wäre.

Vor Einem ist mir bang oder: Der Terror und die Apokalyptiker

apokalypse

„Doch nur vor Einem ist mir bang: Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.“ (Mephistopheles in Johann Wolfgang von Goethes „Faust“: Der Tragoedie erster Teil)

„Der Teufel weiß, dass er wenig Zeit hat.“ (Apokalypse, also known as „Die Offenbarung des Johannes“, 12, 12)

„Die Terreur ist nichts anderes als unmittelbare, strenge, unbeugsame Gerechtigkeit; sie ist also Ausfluss der Tugend; sie ist weniger ein besonderes Prinzip als die Konsequenz des allgemeinen Prinzips der Demokratie in seiner Anwendung auf die dringendsten Bedürfnisse des Vaterlandes.“ (Maximilien de Robespierre, 1794)

„…beginnt man zu begreifen, was Apokalypse und eschatologische Verheißungen im Bewusstsein der Menschen anzurichten vermögen. Zwar geht es dabei auch und vielleicht vorwiegend darum, einen herrlichen Zustand der Verklärung aller Dinge denen in Aussicht zu stellen, die die gesetzten Bedingungen erfüllt hätten, deren Inbegriff zumeist ist, auf die Nutzung des gegebenen Weltzustandes ganz und gar Verzicht zu leisten. Aber es geht doch auch und womöglich in hintergründiger Weise um die Aufhebung des Ärgernisses, welches der Einzelne daran nimmt, daß die Welt über die Grenzen seiner Lebenszeit hinweg unberührt feststeht und sich noch andere Freuden zu erfreuen anschickt, als ihm selbst vergönnt sein mögen. (…) Ganze Völkerschaften sind durch die Worte eines einzigen Predigers in Bewegung gesetzt wurden, wenn er nur zu beschwören vermochte, die gerade Lebenden würden noch erleben, was überhaupt noch zu erleben sei.“ (Hans Blumenberg: Lebenszeit und Weltzeit, 2. Kapitel: Apokalypse und Paradies, S. 78, 1986)

Die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser werden mir zugestehen, mich darüber zu echauffieren, dass der aktuelle Terror im islamischen Kostüm von niemandem hinreichend erklärt wurde.

Man könnte natürlich Gilles Kepel heranziehen: „Das Schwarzbuch des Dschihad – Aufstieg und Niedergang des Islamismus“ oder „Die Rache Gottes“ – Standardwerke zu den radikalen Auswüchsen der monotheistischen Religionen. Kepel behauptet sinngemäß, der Terror sei immer ein Zeichen dafür, dass die ursprüngliche Idee sich nicht hat verwirklichen lassen, was, wenn wir ihm glauben, auch für die deutsche RAF zutraf, die erst dann aktiv wurde, als klar wurde, dass die in der Theorie erwünschte und prognostizierte Revolution nicht kommen würde. Osama bin Laden war für Kepel die „medienwirksamste Form“ des Scheiterns der „salafistisch-dschihadistischen“ Bewegung.

Wir dürfen von den unzähligen „Islam-„, „Extremismus-„, „Terror-“ und sonstigen Experten, die jetzt in den Medien und Talkshows herumfaseln, nicht erwarten, dass sie auch nur ein kluges Buch zum Thema gelesen haben. Darum geht es nicht. Der öffentliche Diskurs zum Terror ist moraltheologische Katharsis, also folgenlos, nicht etwa wissenschaftliche Analyse. Das Volk will Brot, Spiele und tröstende Worte von den Lautsprechern der herrschenden Klasse. Alles andere würde beunruhigen, und Ruhe ist bekanntlich in Deutschland erste Bürgerpflicht.

Auch Ulrike Meinhofs Standardwerk „Bambule: Fürsorge – Sorge für wen?“ dürfe einiges erklären, wenn man die Situation von Jugendlichen beschreiben will, die in Heimen lebten – und gerade in Frankreich dürfe das noch aktuell sein. Man darf nicht vergessen, dass die französischen Terroristen-Brüder Chérif und Saïd Kouachi eben dort aufgewachsen sind. Aber wer möchte schon auf die Meinhof verweisen oder sie gar zitieren? Da riecht es doch gleich nach Schwefel.

Wer es gern etwas abstrakter, aber dafür gehaltvoller mag, sollte zum Thema „Terror“ Hans Blumenbergs „Lebenszeit und Weltzeit (suhrkamp taschenbuch wissenschaft)“ studieren (aber das erste Kapitel einfach weglassen).

Er beschreibt diejenigen, die ihre ganz private Apokalypse auf Kosten anderer meinen ausleben zu müssen: Deren psychische Dispostion bestehe nicht nur im Erflehen von Beschleunigung und im Sich-Freihalten von der Welt, „sondern im Betreiben des Untergangs“. Das jeweilige weltanschauliche oder religiöse Kostüm ist dabei ganz irrelevant, ob es um den Massensuizid von Jonestown, um Amokläufer an Schulen oder um „islamistische“ Terroristen handelt.

Weitere Gedanken überlasse ich dem gebildeten Publikum.

Harmful Extremist Material oder: Melden, durchführen, verbieten, revisited

Der bitische Premier spricht laut Heise sich vor der dem australischen Parlament offen für Zensur aus. Ich habe mir das mal im Original angesehen, weil der Begriff „Extremismus“ hierzulande auch von Totalitarismus-Schwätzern („Rot gleich braun, Hitler gleich Stalin, Bautzen gleich Auschwitz“) besonders gern benutzt wird:

A new and pressing challenge is getting extremist material taken down from the internet. There is a role for government in that. We must not allow the internet to be an ungoverned space. But there is a role for companies too. In the UK, we are pushing them to do more, including strengthening filters, improving reporting mechanisms and being more proactive in taking down this harmful material. We are making progress, but there is further to go.

Was „extremist material“ ist, bestimmt natürlich die jeweilige herrschende Klasse, deren Lobby und deren Propaganda-Lautsprecher. Das ist in Deutschland auch nicht anders.

Was sagen die Vereinten Nationen („Freedom of Opinion and Expression – Annual reports“) zu Zensur? Nichts aktuelles, aber es gibt die allgemeine Erklärung der Menschenrechte, zum Beispiel Artikel 19:

Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.

Das gilt auch für „Extremisten“. Die deutsche Linken wollen das auch nicht wahrhaben und fordern lieber melden, durchführen und verbieten.

Ich sehe keinen Unterschied zwischen Cameron und der Stammtischparole „Nazis raus aus dem Internet“.

Levante oder: Sykes-Picot, reloaded [Update]

Die New York Times schrieb schon vor zwei Jahren ganz richtig: „Russia has long argued that the West should not support popular uprisings against dictatorships in the Middle East lest Islamic fundamentalism take hold.“ Genau das ist in Syrien und im Irak jetzt eingetroffen: Die stärkste Macht nach dem Abzug der neo-imperialistischen „Koalition der Willigen“ ist die sich „islamisch“ kostümierende ISIL („Islamischer Staat im Irak und in der Levante“).

Die Levante ist ein Synonym für das „Morgenland“, also alles, was der durchschnttliche ungebildete Mitteleuropäer für den „Orient“ im Sinne Karl Mays hält; man könnte auch „Vorderer Orient“ sagen, über den man heutzutage in Deutschland nicht viel weiß. Der ideelle Gesamt-Oberstudienrat assoziiert vielleicht noch „Bagdad-Bahn“ und hat zusätzlich noch ein paar Sätze Peter Scholl-Latours behalten, die gesamte US-Orientpolitik sei ein totaler Fehlschlag undsoweiter.

Die deutschen Mainstream-Medien bleiben leider, aber nicht unerwartet auf Karl-May-Niveau und „erklären“ die aktuelle politische Gemengelage mit „Machtstreben“ und „Religion“ oder – wie gewohnt – mit „Extremismus“. Damit kann man praktisch alles seit dem 30-jährigen Krieg beschreiben – also nichts.

Andererseits wissen wir, dass die Geschichte immer eine Geschichte von Klassenkämpfen ist, also ein Kampf um ökonomische Ressourcen, der sich aber eben auch religiös kostümieren kann. Damit kommt man schon ein wenig weiter, wenn man genau hinschaut.

osmanisches reich

Source: Wikipedia: „Karte des Osmanischen Reiches“ mit den Provinzen Mossul (heute Kurdistan), Basra (heute der schiitische Teil des Irak) und Bagdad (sunnitischer Teil des Irak).

Ich habe mich ein wenig umgesehen und eine Stunde kostbarer Lebenszeit geopfert, einen Parforceritt durch die Jahrhunderte gemacht, um mir zu erklären, was aus allem zwischen Bagdad und Stambul zukünftig wohl werden wird.

Alle heutigen Staaten im „Morgenland“ sind aus dem Osmanischen Reich entstanden, dem Konkurrenten und späteren „Erben“ des Byzantinischen Reiches -, also einem Gebiet, das im Osten ungefähr das uralte Mesopotamien umfasst, und im Westen die Anrainerstaaten des Mittelmeeres, zwischen der anatolischen Halbinsel und Ägypten, also die ehemaligen Staaten Irak und Syrien, dann Jordanien, Israel, den Libanon sowie das real schon existierende Kurdistan. (Update: Erstaunlicherweise ist die „Grenze“ zwischen der „Levante“ und dem Irak immer noch da, wo sie zur Zeit der Kriege zwischem dem Römischen Reich und den Sassaniden (Persern) war.)

„Die Araber“ kommen erst im Ersten Weltkrieg ins Spiel. Die heutige Situation ist gar nicht neu, Sondern hat sich ganz ähnlich schon einmal ergeben. Damals versprachen die imperialistischen Mächte England und Frankreich den Armeniern im Osten der Türkei einen selbständigen Staat, was zum Völkermord der Türken an den Armeniern führte. Auch den Arabern wurde von den Engländern auch „Freiheit“ versprochen (verfilmt in „Lawrence von Arabien„). Heute wiederholt sich die Geschichte in Lybien, Syrien und dem Irak: die alten und neuen imperialistischen Mächte versprechen denjenigne, die gegen die einheimsichen Diktatoren aufbegehren, die „Freiheit“ (also das in Wahrheit das „Privileg“, dass ausländischen Konzernen neue Märkte eröffnmet werden), aber denken im Traum nicht daran, sondern verfolgen nur die eigenen Interessen.

University of Michigan: The outbreak of World War I found Turkey lined up with the Central Powers. Although Turkish troops succeeded against the Allies in the Gallipoli campaign (1915), Arabia rose against Turkish rule, and British forces occupied (1917) Baghdad and Jerusalem. In 1918, Turkish resistance collapsed in Asia and Europe. An armistice was concluded in October, and the Ottoman Empire came to an end. The Treaty of Sèvres confirmed its dissolution. With the victory of the Turkish nationalists, who had refused to accept the peace terms and overthrew the sultan in 1922, modern Turkey’s history began.

levante

Credits:“Geschichte der Araber“, Bd. 2: „Die Araber im Kampf gegen osmanische Despotie und europäische Kolonialeroberung“, Autorenkollektiv, Akademie-Verlag Berlin (DDR) 1975 (in meinem Besitz). „Prior to World War I, three Mesopotamian provinces centered on Basra, Baghdad, and Mosul, formed part of the Ottoman Empire. When the Empire was divided in 1920, the League of Nations, a precursor to the United Nations, gave the British a Mandate to establish a new nation-state in the region.“ (Quelle)

Ein pädagogisch wertvolles Beispiel ist das Sykes-Picot-Abkommen, „eine geheime Übereinkunft zwischen den Regierungen Großbritanniens und Frankreichs, durch die deren koloniale Interessensgebiete im Nahen Osten nach der Zerschlagung des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg festgelegt wurden.“

By the way: Erst der Sieg der Revolution in Russland machte diesen Geheimvertrag öffentlich. „Die bolschewistische Regierung veröffentlichte daraufhin den Inhalt des geheimen Sykes-Picot-Abkommens am 23. November 1917 in den russischen Tageszeitungen Prawda und Iswestija. Drei Tage später erschien der Inhalt des Abkommens auch in der britischen Tageszeitung The Guardian. Die Veröffentlichung löste große Verärgerung unter den Entente-Mächten und wachsendes Misstrauen bei den Arabern aus, was die Arabische Revolte zusätzlich anstachelte.“

Offiziell gab es nur den Vertrag von Sèvres (10.08.1920): „Durch den Vertrag von Sèvres hätte das Osmanische Reich einen Großteil seines Territoriums verloren. Hedschas (dieses wurde 1925 von Saudi-Arabien erobert), Armenien und Mesopotamien sollten unabhängig werden. Kurdistan sollte gemäß Artikel 62 Autonomie erhalten, durch Artikel 64 wurde darüber hinaus auch eine mögliche staatliche Unabhängigkeit in Aussicht gestellt.“

Das Völkerbundmandat für Syrien und Libanon gab England und Frankreich 1920 das Recht, eigene „Staaten“ nach Gutdünken zu erschaffen. Wenn etwas geschah, was den Kolonialmächten nicht passte, griffen die ein und zerschlugen das neue Gebilde wieder (vgl. Evolution des Völkerbundmandates für Syrien und Libanon) oder errichteten eine Marionetten-Regierung. Diese Konzepte – divide et impera – sind sehr aktuell – was man nicht nur am Beispiel des heutigen Libyen sehen kann.

levante

Credits: Levante (Wikipedia, made from a public domain map of the CIA)

Zur Geschichte der ISIL empfehle ich Foreignpolicy.com („A Trusted Advisor for Global Leaders When the Stakes are Highest“): „The Beginning of a Caliphate: The Spread of ISIS, in Five Maps“. Da sich übrigens Saddam Hussein vorwiegend auf die sunnitischen Familien-Clans (die von deutschen Medien von sinnlos als „Stämme“ bezeichnet werden) stützte, kann es durchaus ein Revival derjenigen Koalitionen geben, die den Irak unter Saddam kontrollierten, aber eben ohne den Südosten und Kurdistan. Wikipedia: „Nach Angaben eines Funktionärs der kurdischen DPK sind die meisten Rebellen, die sich der ISIL-Offensive angeschlossen haben, keine Islamisten, sondern nicht-radikale sunnitische Iraker, die mit der schiitischen Maliki-Regierung nicht einverstanden sind[96]. Als Grund nennen sie vielfältige Diskriminierung durch die schiitisch dominierte irakische Regierung“.

Interessant, dass die Idee der pseudo-islamischen ISIL – die ja von den reaktionären Golfstaaten finanziert und indirekt von den USA bewaffnet wird – eines „Kalifats“ in ihrer Geographie dem alten arabischen Konzept von Groß-Syrien frappierend ähnelt:
Die Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem vom Irak ausgehende politische Konzeption eines vereinten Fruchtbaren Halbmondes spannt einen geographischen Bogen vom Irak über Syrien und Jordanien bis Libanon und Palästina, die meisten Großsyrien-Konzeptionen hingegen schließen den Irak nicht ein. Einige Extremvarianten erstrecken sich jedoch über das gesamte Gebiet der heutigen Staaten Syrien, Libanon, Israel, Jordanien, Irak, Kuwait, Zypern, die Palästinensergebiete sowie Teile der Türkei (Hatay), Ägyptens (Sinai), Saudi-Arabiens (Syrische Wüste, Dschauf) und Irans (Chuzestan).

Es geht natürlich um Öl, wie die Karte unten von der Website mit dem hübschen Ttel „Securing America’s Future Energy“ zeigt.

oil fields iraq

Credits: „Securing America’s Future Energy

Wer werden also mehrere staatenähnliche Gebilde bekommen: Das frühere Syrien, aber verkleinert, Kurdistan, das sich wie ein Sperriegel zwischen die Türkei und Bagdad legen wird, einen schiitischen geprägten Rest-Irak sowie ein Niemandsland, das von der ISIL beherrscht wird. Der Vordere Orient wird also immer mehr denjenigen Teilen Afrikas ähneln, deren durch die Kolonialmächte geschaffenen „Staatsgrenzen“ niemand mehr ernst nimmt, sondern die durch wechselnde Koalitionen lokaler Warlords, korrupter einheimischer „Eliten“ und ausländische Konzerne geprägt werden – mit dem Unterschied, dass die Bodenschätze Afrikas aktuell nicht so wichtig sind wie das Öl.

Radikal und extremistisch

Feynsinn über die Klassenkämpfe in Spanien: „Dort aber ist der Vorwurf des ‚Linksextremismus‘ kein Grund, in den Keller zu flüchten und zu beten, die Obrigkeit möge die furchtbaren Aufrührer richten. Im Gegenteil setzt sich dort offenbar die Erkenntnis durch, dass mit ‚radikal‘ und ‚extremistisch‘ jeder gemeint ist, der nicht bedingungslos vor der Macht des Kapitals kapituliert oder Menschenrechte für wichtiger hält als das Versprechen von Arbeitsplätzen.“

Waschbrettbauch vor Sandburg

Sandburg

Auch wenn die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser das nicht glauben werden: Der junge Mann mit dem Waschbrettbauch bin ich im Jahr 1972. Im Hintergrund werkelt meine damalige Freundin an der gemeinsam erstellten Strandburg. Ich weiß gar nicht mehr, wo das war, jedenfalls irgendwo an der Nordsee.

Natürlich habe ich mit diesem Posting die Zugriffszahlen diesen kleinen irrelevanten Blogs wieder in den Keller geschossen. Leser erwarten immer das Gleiche, thematisch gesehen. So ein Gemischtwarenladen wie Burks.de ist auch Gift für die Werbeindustrie, die wir alle so lieben und verehren wie die so genannte freiheitlich-demokratische soziale Marktwirtschaft.

Hier geht es hingegen um das Programmieren virtueller Polygone (Second Life), Sex Jugendschutz, Südamerika, Rixdorf, gewaltverherrlichende Fantasien, Rechtsextremismus kackbraune Randgruppen, gutes Deutsch, Karl Marx und die politische Ökonomie, Computersicherheit, Kryptografie und Kryptologie, Vereinsmeierei (DJV, GPF u.a.), Ego-Shooter und andere Warlords 2.0, piratische Themen, Joggen, Polen, Sprengchemie, Heimat, Filme, meine gesammelten Bücher und Artikel. Es gibt keine Zielgruppe, die man dafür definieren könnte. Burks.de ist also völlig irrelevant.

Außerdem sage ich gern, was ich meine, und haue netzpolitische und andere Lichterkettenträger in die Pfanne. Das kann nicht gut gehen, weil man dann von der Netzgemeinde mit Missachtung gestraft wird. Blogs, die im Gegensatz zu meinem seriös sind, wie netzpolitik.org, bleiben immer ernst und sachlich, wie es sich für eine Gemeinde gehört, und man weiß immer, woran man ist und wird nicht überrascht. Das mögen die Medien Kunden: Der Deutsche an sich denkt und handelt kommunitär (nicht zu verwechseln mit Vade retro, Satanas! kommunistisch) und möchte es harmonisch.

Ich mag es nicht harmonisch. Ich streite mich gern herum, dass Leben in die Bude kommt und die Sachen auf den Punkt gebracht werden. Das musste mal gesagt werden. Und jetzt werde ich nicht die Länge, sondern Geschwindigkeit trainieren.

Klare Worte über unseren Inlands-Geheimdienst

Hans-Christian Ströbele zu den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses „NSU-Nazis“: „Deutsche Sicherheitsbehörden waren auf dem rechten Auge blind und nahmen die Gefahr des Rechtsextremismus nicht ernst. Viel schlimmer noch: es gibt dort Anzeichen für fremdenfeindliche, rassistische Vorurteile und verbrämten institutionellen Rassismus.“

Ach.

„Der Verfassungsschutz versagte völlig gegen den NSU und dessen Nazi-Umfeld. Auch deshalb ist er aufzulösen.“

Ja. Wird aber nicht passieren.

„Seine bisherigen Aufgaben sollen überwiegend auf eine zivilgesellschaftliche Stiftung übertragen werden, die z.B. über Rassismus in Deutschland informiert.“

Nein. Dazu sind die Medien da. Außerdem wird das sinnfreie Bläh- und Furzwort „Zivilgesellschaft“ ab sofort verboten. (Was ist das Gegenteil? Militärgesellschaft? Unzivilgesellchaft?)

Ceterum censeo: verfassungsschutz esse delendam.

(K)eine Alternative für Deutschland – unter Vulgärokonomen und Geldfetischisten

heilige Kuh des Kapitalismus

Die Abbildung zeigt eine Pflichtveranstaltung der Erstsemester im Fachbereich Volkswirtschaftslehre in deutschen Universitäten

Ich habe mir das Wahlprogramm der so genannten „Alternative für Deutschland“ und deren „wissenschaftlichen“ Beirat angesehen. Nicht, dass mich die AfD interessiert hätte, aber es immer gut zu wissen, welche Fraktionen der Apologeten des Systems warum miteinander im Streit liegen. Für Menschen, die ernsthaft wissen wollen, wie Ökonomie funktioniert, ist das so wichtig wie für Atheisten der Zoff zwischen Papt Paul II. und Marcel Lefebvre.

Durch pseudo-seriöses Mainstream-Outfit bin ich schon gar nicht zu beeindrucken. Wenn jemand einen professoralen Titel trägt und einen Schlips, dann ist der vermutlich Talkshow-kompatibel, aber kann trotzdem ein Idiot sein. Also vorab ein Wort zur so genannten „Volkswirtschaftslehre“. Allein schon der Begriff ist eine Heuchelei und schmiert einem Senf in die Augen: Wer suggeriert, es gebe in der kapitalistischen Ökonomie ein „Volk“ von kleinsten ökonomisch handelnden „gleichen“ Einheiten, argumentiert bewusst boshaft und zynisch: Ob jemand Produktionsmittel besitzt oder nicht, ist nicht naturgegeben, und es stimmt auch nicht, dass man nur hart genug arbeiten müsse, um reich und glücklich zu sein. (Wer etwas über die Geschichte nachlesen will, schaue unter „Ursprüngliche Akkumulation“ nach.)

Die „Volks“wirtschaftslehre ist unstrittig Vulgärökonomie, weil sie den Anspruch, die Ökonomie wissenschaftlich erklären zu wollen, gar nicht erhebt. Es gibt auch nicht die Lehre, etwa wie in der Physik oder Chemie – die sich immerhin auf die Naturgesetze berufen können -, sondern zahllose mehr oder minder anspruchsvolle „Schulen“, wie Ökonomie zu beschreiben und zu verstehen sei, die sich gegenseitig wiedersprechen. Die „Volks“wirtschaftslehre muss sogar hinter der Niveau der klassischen bürgerlichen Ökonomie von Adam Smith oder David Ricardo zurückfallen. Diese haben sich noch ernsthaft bemüht, die Wirtschaft zu beschreiben, und Marx wäre ohne ihre Forschungen nicht denkbar. Alles nach Marx ist nur noch Apologetik eines säkularen Glaubenssystems, das sogar seine eigenen Wurzeln verleugnen muss, weil es ausschließlich darum geht, den Kapitalismus und das ihm immanente Ausbeutungsverhältnis zu verherrlichen. Die Methoden der Vulgärokonomie gleichen etwa denen katholischer Theologen, die gegen Galilei antraten.

Die Vulgärökomonie hat bisher Marx und diejenigen, die sich auf seine ökonomischen Lehren berufen können, nicht widerlegen können. Das geht auch gar nicht, weil die „Volks“wirtschafter erstens sogar die Arbeitswerttheorie der klassischen Nationalkönomie ablehnen und zweitens wie ein Vampir Kreuz und Knoblauch fürchten, sich mit Marx auseinanderzusetzen. Es geht ausschließlich darum, dass ihnen das Ergebnis der Marxschen ökonomischen Lehre nicht gefällt, und deshalb darf man sich damit nicht beschäftigen.

Die Briten sind da wesentlich entspannter: „Yes, Karl Marx is going mainstream – and goodness knows where it will end“. So etwas würde sich ein deutscher „Volks“wirtschaftler nie trauen zu sagen, genausowenig wie ein Christ zugeben würde, dass zwei Drittel seiner Glaubenslehre vom Judentum abgeschrieben wurde und der Rest aus dem Mithras-Kult stammt.

Der Marxsche Begriff Geldfetisch zum Beispiel beschreibt die (falschen) Bewusstseinsformen, die ökonomisches Handeln im Kapitalismus notwenig erzeugt. Das ist eine These, die die Wahrnehmungspsychologie leicht bestätigen könnte, wüsste die von Marx und blickte sie ins Wahlprogramm der so genannten „Alternative für Deutschland“. Marx verfügte noch nicht über das wissenschaftliche Instrumentarium der Psychologie; er musste also einen Begriff aus der Völkerkunde oder Theologie wählen, wie etwa den „Fetisch„: Einem Ding wird eine Eigenschaft zugesprochen, die es nicht hat, über die sich aber eine Gruppe von Menschen geeinigt hat, daran zu glauben. Bei dem „niederen“ Wesen „Markt“ – eine der wichtigsten Gottheiten der „Glaubensgemeinschaft Freier Markt“ – denken die Anhänger sich: Wenn man den Markt nur in Ruhe und allein handeln ließe, dann wäre alles in Butter. Es ist wie bei Esoterikern: Man kann mit Gläubigen nur schlecht rational argumentieren.

Die so genannte „Alternative für Deutschland“ hat überhaupt kein ernst zu nehmendes Wirtschaftsprogramm, sondern beschränkt sich weitgehend auf den Währungs- und Finanzsektor. „Wir fordern die Wiedereinführung nationaler Währungen oder die Schaffung kleinerer und stabilerer Währungsverbünde. Die Wiedereinführung der DM darf kein Tabu sein“, schreiben die da. Du meine Güte! Da hat Angela Merkel ja vom Kapitalismus zehn Mal mehr verstanden!

Ich zitiere eine des linken Gedankenguts völlig unverdächtige Zeitung – Cicero, das Zentralorgan für konservative Oberstudienräte, die für die „Zeit“ keine Zeit haben:
Die Bundesrepublik hat weit mehr von der Eurokrise profitiert als bisher angenommen. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben sich auf Kosten des Südens saniert. (..) Die Bundesregierung erzielte nicht nur satte Zinsgewinne auf die Notkredite, die sie an die Krisenländer zahlte. Mehrere hundert Millionen Euro wurden 2012 allein von Griechenland abkassiert.

Wohlstand

Liebe Geldfetischisten von der „Alternative für Deutschland“: Der Euro nützt dem deutschen Kapital! Die Währungs“gemeinschaft“ schützt die deutsche Wirtschaft davor, dass die ökonomisch „schwachen“ Staaten Südeuropas ihre Produkte hierzulande billig anbieten können! Ist das so schwer zu verstehen? Lernt man noch nicht mal das im „Volks“wirtschaftsstudium?

Ich zitiere noch einmal mich selbst („Unter Schnellballsystemikern und Couponschneidern“, 03.08.2012):
„Deutschland ist bekanntlich der größte Exporteur in Europa. Was geschähe, wenn zum Beispiel Griechenland aus der Europäischen Union austräte und die Drachme wieder einführte? Die Zeit, die des Linksextremismus ganz unverdächtig und dem Marxschen Gedankengut abhold ist, schreibt im Januar 2012:
Laut dem gerade veröffentlichten Rüstungsexportbericht 2010 sind die Griechen nach den Portugiesen – auch ein Staat kurz vor der Pleite – die größten Abnehmer deutscher Kriegswaffen. Spanische und griechische Zeitungen verbreiteten gar das Gerücht, Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hätten Griechenlands Ex-Premier Giorgos Papandreou noch Ende Oktober am Rande eines Gipfeltreffens daran erinnert, bestehende Rüstungsaufträge zu erfüllen oder gar neue abzuschließen.

Nach einem Austritt Griechenlands oder dem Zerfall der Union würde das deutsche Kapital weit weniger Profite machen, da die Landeswährungen abgewertet würden. Es wäre genauso wie das Verhältnis zwischen Dollar und Euro. Ein schwacher Euro ist gut für den Export: „European companies are rubbing their hands at the sales boost they should get from the euro’s 10% decline against the greenback in recent weeks“.“

Ganz typisch für Geldfetischisten sind die Sätze aus dem Wahlprogramm der so genannten „Alternvative für Deutschland“: „Wir fordern, dass die Kosten der sogenannten Rettungspolitik nicht vom Steuerzahler getragen werden. Banken, Hedge-Fonds und private Großanleger sind die Nutznießer dieser Politik. Sie müssen zuerst dafür geradestehen.“

Als wenn es das gute „schaffende“ Kapital und das „böse“ Finanzkapital gebe! Eines gehört zum anderen wie der Schatten zum Licht. Man kann auch keine katholische Kirche fordern, die auf den Glauben an ein höheres Wesen verzichtet! Will man dem Finanzkapital verbieten, Profite auf seine Weise zu machen? Was sagt denn der Freie Markt(TM) dazu? Ist das nicht schon Gottstehunsbei Kommunismus? Zur Erholung ein Originalzitat von Marx:

Im zinstragenden Kapital ist daher dieser automatische Fetisch rein herausgearbeitet, der sich selbst verwertende Wert, Geld heckendes Geld, und trägt es in dieser Form keine Narben seiner Entstehung mehr. Das gesellschaftliche Verhältnis ist vollendet als Verhältnis eines Dings, des Geldes, zu sich selbst. Statt der wirklichen Verwandlung von Geld in Kapital zeigt sich hier nur ihre inhaltlose Form. […] In G-G‘ haben wir die begriffslose Form des Kapitals, die Verkehrung und Versachlichung der Produktionsverhältnisse in der höchsten Potenz: zinstragende Gestalt, die einfache Gestalt des Kapitals, worin es seinem eignen Reproduktionsprozeß vorausgesetzt ist; Fähigkeit des Geldes, resp. der Ware, ihren eignen Wert zu verwerten, unabhängig von der Reproduktion – die Kapitalmystifikation in der grellsten Form. (Marx: Das Kapital Bd. 3, MEW 25: 405)

„Grell“ ist ein schönes Adjektiv für den Unfug, den man bei der AfD liest. Was mir aber nicht ganz klar ist: Welche Fraktion der Kapitalisten hätte eigentlich einen Vorteil davon, wenn einige dieser Forderungen umgesetzt würden?

Da müssen die Kapitalismus-kundigen Leserinnen und Ökonomie-geschulten Leser jetzt ran.

Das ist nicht „dumm“

Berliner Zeitung: „Peinliche Panne: Der sächsische Verfassungsschutz meldet die Zahl seiner V-Leute in der NPD unaufgefordert dem NSU-Ausschuss. Dumm nur, dass darin ein Abgeordneter der NPD sitzt.“

Wieso dumm? Das ist Demokratie. Und dass der Verfassungsschutz eine Gurkentruppe ist, die ersatzlos aufgelöst gehört, weiß doch jeder. Die dumme Bemerkung zeigt wieder nur, dass manche Journalisten meinen, den Feinden der Demokratie stünden keine demokratischen Rechte zu.

Dumm wäre, wenn die NPD weniger Mitglieder hätte als der Inlands-Geheimdienst meinte, V-Leute in der NPD zu haben.

Ich bin linksextrem oder: Das Autonomsein lernen

Ich bin linksextrem! – eine „Kampgane zum Extremismus-Quatsch„. Sehr gut, das predige ich seit 20 Jahren.

By the way – kurze Durchsage vom Inlands-Geheimdienst: „Neu sei, ‚dass die Extremisten voneinander lernen. Der Gegner ist Feind, aber auch Vorbild.‘ So hätten die Neonazis ‚von Linksextremisten das Autonomsein gelernt: im Pulk auftreten, mit cooler Musik, in Schwarz.'“

Bruhahahaha.

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