Der Arzt der Geächteten


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diacetylmorphine –chaos 100 –s 750 –s 750

– aus meinem Buch Heroin – Sucht ohne Ausweg?“ (1993)

Selbst der friedfertigste Mensch wird, wenn er die Praxis des Dr. med. Gorm Grimm in Kiel verlässt, sein Bedürfnis nach Harmonie und seine Abneigung gegen Streit überdenken. Ein Gespräch mit dem bundesweit bekannten «Drogenarzt» provoziert eine klare Stellungnahme, für oder gegen, schwarz oder weiß, ja oder nein. Entweder ist dieser schmächtige, weißhaarige Mann mit zarten Händen und leiser Stimme ein Scharlatan, dem sofort das Handwerk gelegt werden muss, oder die Verfechter der traditionellen deutschen Drogenpolitik sind allesamt inkompetent oder nicht ganz bei Trost.

Die Gegner des Gorm Grimm – Ärztekammern, eine Heerschar von hochqualifizierten «Suchtexperten», Politiker, Richter, Staatsanwälte, Krankenkassen, Drogenberater und Kollegen der medizinischen Zunft – verzichten auf vornehme Zurückhaltung, wenn sie auf das Thema angesprochen werden. Von «Monsterpraxis» ist die Rede, oder: «Das ist ein Psychopath.» Seine Anhänger, die Patienten, sind anderer Meinung. Auch ihre Stellungnahmen lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: «Der einzige, der mir geholfen hat», «Er hat mich vor dem Selbstmord bewahrt», oder: «Ich liebe diesen Mann.» Gorm Grimm dürfte der einzige deutsche Arzt sein, dessen Patienten für ihn auf die Straße gegangen sind: Im Frühjahr 1992 formierten sich rund hundert Drogenabhängige zu einem Demonstrationszug durch die Kieler Innenstadt, um ihren Doktor zu unterstützen.

Was macht Gorm Grimm, dass die Krankenkassen eine Lawine von Prozessen gegen ihn losgetreten haben, dass er wegen «fahrlässiger Tötung» und «Körperverletzung» angezeigt und dass seine Praxis von Kriminalbeamten durchsucht wurde, daß ihm mehrfach die Zulassung entzogen werden sollte? Gorm Grimm lächelt auf diese Frage nur schwach, als sei er müde, gewisse Dinge immer und immer wiederholen zu müssen. «Ich nehme den hippokratischen Eid ernst.» Dort sei davon die Rede, der Arzt müsse «die Gesundheit schützen und wiederherstellen, Leid verhindern und lindern». Aber dagegen könne doch niemand etwas sagen? «Da täuschen Sie sich. Ich praktiziere unter kriegsähnlichen Bedingungen.»

Das scheint ein wenig übertrieben, aber dennoch: Die Vehemenz und Hartnäckigkeit, mit der seine Gegner ihn mit juristischen Mitteln bekämpfen, lässt sich mit rationalen Argumenten kaum erklären. Gorm Grimm substituiert mehrere hundert HeroinAbhängige zum Teil seit über zehn Jahren mit Codein-Präparaten, die nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen und die in jeder Apotheke verkauft werden: Mit Remedacen, einem Hustenmittel, mit Codein-Kompretten (Markenname: Codeinum phosphoricum [forte] Compretten) oder Dihydrocodein-Saft. Dihydrocodein ist ein chemisch verändertes Derivat des Codein, das in geringen Mengen in Opium enthalten ist. Codein wird im menschlichen Körper, wie Heroin, zu Morphium umgewandelt und hat auch dessen Wirkung.

Drogen gegen Drogen? Codein ist ein Opioid und macht abhängig – genauso wie Methadon bzw. Polamidon. Eine Abhängigkeit werde durch eine andere ersetzt, die «Sucht» also verlängert, meinen die, die jegliche Ersatzdrogen ablehnen. Die erste Behauptung der Substitutions-Gegner ist richtig, die zweite nicht unbedingt.


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make a scientific representation of the chemical structure diacetylmorphine and Codeine symbolic:: molecular::1 quantum dot display::1 macro lens::1 –v 4 –chaos 50 –s 750

Die Substitution hat nicht das Ziel – wie irrigerweise immer wieder behauptet wird -, eine illegale Droge nur durch eine legale zu ersetzen. Ganz im Gegenteil. Langfristig sollen die Drogensüchtigen «clean» werden. Nur, um diesen Schritt wagen zu können, müssen die psychischen und sozialen Voraussetzungen stimmen. Daher geht die «maintenance-to abstinence»-Therapie (von der Erhaltung zur Abstinenz) schrittweise vor. Die extrem euphorisierende Droge Heroin wird durch ein schwächeres Opiat ersetzt – wie Codein. Der Effekt: Abhängige, die substituiert werden, beginnen nach einer Eingewöhnungsphase, sozial unauffällig und «normal» zu leben, ihr Umfeld stabilisiert sich in der Regel, sie können einem Beruf nachgehen. Erst dann kann der Schritt zur Abstinenz mit Aussicht auf Erfolg in Angriff genommen werden.

Dagegen ließe sich kaum etwas sagen. Und die positiven Erfahrungen etwa in den USA seit 1982, wo 85.000 Drogensüchtige Methadon erhalten[1993], sollten eigentlich für sich sprechen. Die Verfechter der klassischen Abstinenz-Therapie, des «Alles oder Nichts», können nur deshalb von ihrem völligen Scheitern ablenken, weil die Öffentlichkeit so gut wie nichts über Substitution weiß – und ebensowenig über Opiate.

«Drogenabhängige gelten als psychisch krank», sagt Gorm Grimm, «als hemmungslos, gefühllos, bindungslos, verwahrlost, asozial, kriminell und gefährlich, sogar als antisozial und staatsfeindlich. Ihre psychische Krankheit mache sie unzurechnungsfähig, was sich z. B. in ihrer Uneinsichtigkeit in die Behandlungsbedürftigkeit äußere. Von ihnen gehe eine Art Ansteckungsgefahr aus, ihre Sucht sei eine der schwersten bekannten Krankheiten, deren Ausbreitung mit allen Mitteln verhindert werden müsste.» (1)

So sieht das ideologische Fundament aus, auf das die Abstinenz-Philosophen bauen können. Ihre Antwort auf «Verwahrlosung» und «Suchtcharakter» ist immer noch dieselbe, die der deutsche Ärztetag in Danzig schon 1928 formuliert hat: Die «einzig richtige Behandlung eines Süchtigen», hieß es schon damals, sei «die sofortige Entziehung und anschließende langfristige Entwöhnung», in der eine «Persönlichkeitsveränderung» erreicht werden müsse. Die Behandlung sei «nur stationär» durchführbar.

Immerhin hat einer der Väter der «Suchtbekämpfung» durch Abstinenz, Prof. Wolfram Keup, zugegeben, dass die Praxis dieser Art der «Entwöhnung» ein Desaster ist: «In der Bundesrepublik Deutschland mögen derzeit etwa fünf Prozent der Abhängigen motiviert sein. Von ihnen scheinen nur etwa 30 Prozent, also 1,5 Prozent aller Fixer, ein Entwöhnungsprogramm erfolgreich zu durchlaufen.» (2) Keup spricht von einer «katastrophalen Situation in der Motivation Heroinabhängiger zur Therapie». Doch woran liegt das? Ist der Käufer schuld, wenn ihm das Produkt nicht gefällt? Oder sollte man über eine Verbesserung des Angebots nachdenken? Gorm Grimm kommentiert Keups Äußerung mit dem schlichten Fazit: «Also: 98,5 Prozent aller Drogensüchtigen verbleiben in der kriminellen Drogenszene oder zeitweise im Gefängnis.» (3)

Das weiß auch die Abstinenz-Lobby, und deshalb wagt es auch niemand, dem Kieler «Drogenarzt» Misserfolge oder das Scheitern seiner Therapie vorzuwerfen. Schließlich sprechen die Fakten für ihn: Ein großer Teil seiner heroinabhängigen Patienten, die mit schweren Verwahrlosungserscheinungen zu ihm kamen, war nach einer gewissen Zeit psychisch und sozial stabilisiert, trotz ihrer Abhängigkeit von Ersatzdrogen. Das gilt sogar für Alkoholiker und Medikamentenabhängige, die auch zu Grimms Klientel gehören.

Die Vorwürfe, die gegen Gorm Grimm erhoben werden, sind heute eher Rückzugsgefechte, mit denen man wenigstens das Gesicht wahren will. Grimm verschreibe «indikationswidrige Mengen» und kontrolliere nicht die Einnahme durch die Patienten.

In einem Verfahren, das die Ärztekammer Schleswig-Holstein gegen ihn anstrengte – mit dem Ziel der «Feststellung, dass der Beschuldigte zeitweilig oder dauernd berufsunwürdig ist» – wurden Vorfälle aus fünf Jahren penibel aufgelistet. Das Berufsgericht, bestehend aus drei hochrangigen Medizinern, sprach ihn frei und erlegte der Ärztekammer die Kosten auf. In der Begründung hieß es — ein sarkastischer Unterton ist unüberhörbar: Es sei bewusst auf die Befragung von Experten verzichtet worden, «weil der wissenschaftliche Streit um die Ersatzdrogentherapie Heroinsüchtiger weithin einem Glaubenskrieg gleicht und von Sachverständigen über das in bisherigen Veröffentlichungen und Anhörungen hinaus Gesagte nichts Neues mehr zu erwarten war».


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Aus der «Fülle der bisherigen Meinungsäußerungen» ergäbe sich nur zweierlei, so das Gericht, «nämlich dass es weder einen eindeutig festmachbaren Grund für das Entstehen der Sucht beim einzelnen Abhängigen gibt, noch eine einzelne Behandlungsmethode, die den Erfolg auch nur andeutungsweise garantiert». Die Bekämpfung der Drogenabhängigkeit sei «ein derzeit noch ungelöstes medizinisches Problem». Deshalb, so folgerten die Richter erstaunlich konsequent, gebe es auch bei der Behandlung von Heroinabhängigen «keine anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft, von denen abzuweichen einen ärztlichen Kunstfehler bedeutet».

Doch halt: Wenn das so ist, warum verschreiben nur ein paar Dutzend Ärzte in Deutschland Codein? Warum ist diese Methode der Substitution bisher nur in Hamburg offiziell anerkannt? Warum informieren die meisten Drogenberatungsstellen nicht über diese Möglichkeit, obwohl der Kieler Arzt eine erstaunliche Erfolgsquote vorweisen kann? Warum weigern sich die Therapie-Einrichtungen und die Drogenexperten standhaft, das Thema auch nur zu diskutieren?

Ganz einfach: Wir sind in Deutschland, und da geht es ums Prinzip. Und das heißt: Abstinenz. Dazu kommt, dass sich die Ärzte auf staatliche Stellen, Polizei, Justiz, Gesundheits- und Sozialbehörden und die Berufsgruppen verlassen können, die vom Abstinenz-Dogma profitieren. Die Junkies werden der Abstinenz-Therapie mit allen Mitteln «zugeführt». Für Gorm Grimm fußt der ärztliche Umgang mit Drogenabhängigen in Deutschland auf der «gelungenen Einschüchterung (fast) aller Mediziner», er ist «das Ergebnis» einer «im internationalen Vergleich beispiellosen deutschen Ärzte-Disziplinierung».

In dem Bescheid eines Gerichtes, das am 30.10.1985 ein Verfahren gegen Gorm Grimm einstellte, heißt es: «Auch der Hinweis des Beschuldigten, dass die ‘Substitutionstherapie’ in der internationalen Literatur positiv beurteilt werde, kann nicht dazu führen, die Behandlungsmethode des Dr. Grimm nicht als Verstoß gegen die ärztliche Heilkunst anzusehen.» (4) Und: Es könne den Beschuldigten nicht entlasten, wenn in der internationalen Literatur Reduktionsprogramme und Erhaltungsprogramme diskutiert würden. Mit anderen Worten: Wenn in anderen Ländern gute Erfahrungen mit der Substitution gemacht werden, heißt das noch lange nicht, dass deutsche Ärzte und Juristen deshalb auf ausländische Experten hören müssten.

Trotz dieser seltsamen Logik: Das Verfahren wurde eingestellt. Juristisch haben sich die Gegner Gorm Grimms bisher nicht ein einziges Mal durchsetzen können. Er gewinnt alle Prozesse.

Die offenen Anfeindungen, deren er sich seit Jahren erwehren muss, haben ihre Spuren hinterlassen. Der «Drogenarzt» teilt so kräftig und grob aus, wie er einstecken musste. Er schätzt auch das «Suchtpotential» des christlichen Glaubens relativ hoch ein: Die durch ekstatische religiöse Erlebnisse bewirkte Euphorie sei «nicht empfehlenswert» und der Droge Crack gleichzusetzen. «Wenig empfehlenswert» sei auch die «Droge Macht». Auf nur knapp zwanzig Seiten eines seiner Bücher kreiert er eine «Theorie der Drogensucht», die beinahe alle Fragen meint klären zu können, um deren Beantwortung sich Generationen von Wissenschaftlern seit Jahrzehnten bemühen. So schafft man sich nicht viele Freunde.

Zur Zeit wollen die Krankenkassen dem Drogendoktor an den Kragen. Sie wollen die Substitution mit Codein nicht bezahlen. Den Apotheken ersetzen sie zwar die Kosten für die «Remmis», die Kompretten und den Saft, fordern aber von Grimm mehrere Millionen Mark zurück. Die Angelegenheit ist zunächst – bis zu einem Musterprozess -aufgeschoben. «Ich habe mir Narrenfreiheit erkämpft», sagt Gorm Grimm grimmig.


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Der Kieler Arzt hat einige Briefe, die er erhielt, in einem Buch veröffentlicht. Sie sagen mehr aus als alle Reportagen und theoretischen Erörterungen über das «Drogenproblem». So schreibt eine Mutter, deren Sohn seit fünfzehn Jahren heroinabhängig war: «Ich habe mit ihm alle Stadien durchlebt und durchlitten, die in der Bundesrepublik im Lebenslauf eines Süchtigen fast unausweichlich vorgegeben sind: eineinhalb Jahre Jugendstrafanstalt wegen Besitz von einem halben Gramm Heroin, elf Langzeit-Therapien, zwei davon bis zum Ende durchgestanden, sechzehnmal Unterbringung in psychiatrischen Anstalten, davon mehrmals über längere Zeiträume hinweg, zwei Pflegschaften, etwa dreißig kalte Entzüge und immer wieder auch ambulante Therapie und Beratung. Ich weiß nicht, wie mein Sohn das ertragen konnte, ich weiß nicht, wie ich es ertragen habe. Mein Mann ist darüber gestorben.

Auch ich habe mich offenbar vor dem Gesetz schuldig gemacht, indem ich meinen Sohn mit Geld unterstützte (was das Gesetz andererseits von mir verlangt). Es wurde deswegen eine Geldstrafe von eintausendfünf-hundert DM über mich verhängt…
Aber ein solcher Bericht wird Sie, die Sie zumeist mit Süchtigen arbeiten, nicht überraschen, stellt er doch absolut kein Einzelschicksal dar. Das Besondere daran ist, dass sich für meinen Sohn wirksame Hilfe abzeichnete, zum erstenmal nach vierzehn Jahren: Er wurde in eine Methadon-Behandlung aufgenommen. Die Erleichterung war unvorstellbar. Von Straffälligwerden konnte keine Rede mehr sein, der Gesundheitszustand verbesserte sich erstaunlich, er hatte wieder Hoffnungen und Pläne, machte die ersten Schritte, um eine Ausbildung nachzuholen und was eben sonst zu einem normalen Leben gehört…

Dann, nach einer für meinen Sohn und mich recht kurzen Zeit des hoffnungsvollen Neubeginns, kam die Katastrophe: Der Arzt wurde verhaftet, (5) die Praxis geschlossen und einige hundert Patienten zurückgestoßen in Elend, Not und Verzweiflung. Nun sah mein Sohn keinen anderen Ausweg mehr, er strangulierte sich mit einem Kabel. Ich fand ihn, baumelnd, und konnte ihn noch rechtzeitig abschneiden. Erneut Einweisung in die Psychiatrie, wiederum Pflegschaft und Androhung einer Unterbringung auf Dauer. Davongekommen nur durch die Bereitschaftserklärung für eine neuerliche Langzeittherapie…

Ich klage an – im Namen Tausender von Süchtigen und ihren Angehörigen wegen Körperverletzung durch unterlassene Hilfeleistung und wegen der Verweigerung einer Behandlungsmöglichkeit. Ich klage an -wegen Duldung und Erzeugung unsagbaren Elends und Schädigungen an Körper und Seele bei Tausenden von Süchtigen, ihren Angehörigen und den ihrer Verantwortung folgenden Ärzten. Ich zögere nicht, dies alles als inhuman zu bezeichnen. Heute, am 2.6.1988, will ich diesen meinen ‘Bericht einer Mutten endgültig zum Abschluss bringen. Mein Sohn, seit 15 Jahren gehetzt und gejagt, sah keinen anderen Ausweg mehr und machte seinem verzweiflungsvollen Leben ein Ende.»


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Das alles kann einen gestandenen deutschen Drogenexperten nicht erschüttern. Nehmen wir zum Beispiel den Leiter einer Kieler Drogenberatungsstelle, ehemals Kampfschwimmer der Bundeswehr, seit 20 Jahren im Geschäft. Bei meinem Besuch ist die Beratungsstelle gähnend leer: Es werden ausschließlich Therapie-Plätze angeboten, die auf Abstinenz setzen. «Wir kriegen unser Geld», sagt der Mann, «egal, ob wir das oder das machen.» Man müsse sich eben entscheiden, welche Möglichkeit der «Behandlung» der Junkies man wähle. In einem Leserbrief an ein Nachrichtenmagazin hat er eine Reportage über Gorm Grimm als «Lore-Roman» abgetan. Die Substitution sei die «Endlösung des Drogenproblems» und tauge «nicht zur ernsthaften Diskussion».

Nur wenige hundert Meter weiter, in der Praxis von Gorm Grimm, drängeln sich die Patienten. Ein Soldat der Bundeswehr – er kommt mit Marschbefehl des Truppenarztes – holt sich seine Codein-Dosis für mehrere Wochen. Sein Vorgesetzter, der ihn vor kurzem belobigt hat, weiß nicht von der «Sucht» des Untergebenen, der Truppenarzt hält auf seine Schweigepflicht.

Ein Leiter eines Heimes für Behinderte schluckt täglich achtzig Remedacen. «Wenn das jemand in meinem Heimatort erfahren würde, wäre ich unten durch», sagt der Patient. Er war noch vor zehn Jahren heroinabhängig. Durch die Codein-Substitution hat er den Absprung geschafft, kann aber von der Ersatzdroge nicht lassen. «Ohne Codein würde ich wahrscheinlich wieder rückfällig.» Er hat sich seinen Camping-Bus umgebaut. Wenn er in den Urlaub fährt, stopft er sich mehrere tausend Remedacen-Jabletten unters Dach. Der Vorrat hält mehrere Wochen.

Ein Tischlermeister, er ist Innungsmeister in Norddeutschland und war bis vor vier Jahren noch heroinabhängig, substituiert sich mit Codein-Kompretten. Ein Werftarbeiter aus Hamburg kommt in die Praxis. Die Kollegen ahnen nichts von seiner «Sucht». Der Chef weiß Bescheid: Sein Arbeiter beichtete ihm das «Suchtproblem» erst, als er mehrere Monate unter härtesten Bedingungen geschuftet hatte. Der Boss entgegnete lapidar: «Wenn du drei Monate mit dem Sandstrahl gearbeitet hast, kann ich ja wohl nichts dagegen haben, dass du drogenabhängig bist.» Der Patient süffelt jeden Tag vier Flaschen des Schmerzmittels Valoron IV auf ex. Das Medikament enthält das Opiat Tilidin. Die Herstellerfirma hat Valoren seit einigen Jahren mit einem Opiat-Antagonisten versetzt. Deshalb fällt es nicht unter das Betäubungsmittelgesetz und heißt jetzt «N» wie «neu». Der Wirkstoff ist der alte, man muss nur wissen, wie man es einnimmt, damit der Brechreiz und der «Turkey» — als Folge des Antagonisten – nicht zu spüren sind.

Eine junge Türkin, ehemals heroinabhängige Prostituierte, kommt mit ihrer Mutter zu Gorm Grimm. Sie ist HIV-positiv und hat nur noch kurze Zeit zu leben. Sie wird — wahrscheinlich zum letzten Mal – in ihre Heimat reisen und braucht dazu mehrere hundert Remedacen. Beim Abschied bricht sie in Tränen aus und fällt ihrem Doktor um den Hals. «Ich liebe Sie», ruft die schwer gezeichnete junge Frau immer wieder.

Beispiele dieser Art gibt es genug. Die Gegner der CodeinSubstitution können den Effekt der «medikamentengestützten Therapie der Drogensucht» (MTD), wie sie Gorm Grimm nennt, kaum bestreiten: Die Mehrzahl der Patienten hat sich von der kriminellen Drogensubkultur distanziert, geht einem Beruf oder einer Ausbildung nach und hat sich ein neues soziales Umfeld geschaffen. So bezieht sich die stark emotional gefärbte Kritik eher auf die Vergabepraxis der «Ersatzdroge». Codein hat für die Abhängigen den Vorteil, dass es nicht unter Aufsicht des Arztes eingenommen werden muss – wie etwa Methadon. Ein Arztbesuch ist nur einmal pro Woche oder noch seltener nötig.

Patienten, die längere Zeit in Behandlung sind, kommen nur alle paar Monate.
Damit hat sich Grimm den Vorwurf eingehandelt, er verzichte auf die obligatorische psychosoziale Betreuung. Der Ärger der orthodoxen Drogenexperten ist verständlich, würde doch die Methode des Dr. Grimm in erheblichem Maße Arbeitsplätze überflüssig machen – in den Drogenberatungsstellen, die in der Regel die psychosoziale Betreuung übernehmen, und in therapeutischen Einrichtungen.

Deshalb pflegt man die Fälle in der Öffentlichkeit zu zitieren, in denen Patienten des Kieler Arztes an den Folgen des Drogenmissbrauchs gestorben sind. Prof. Dr. Wolfram Keup, ein Gegner der Substitution à la Grimm, wies als Sachverständiger in einem Prozeß darauf hin, dass der Arzt kontrollieren müsse, dass und wie das Ersatzmittel eingenommen werde. Es bestünde die Gefahr, dass der Süchtige die Substitution nur als bequeme Möglichkeit ansehe, zu seinem Stoff zu kommen. «Der Süchtige» sei außerstande, das Suchtmittel selbst zu dosieren.


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Die Gerichte sehen das anders: In einem Prozess wegen «fahrlässiger Tötung» gegen Gorm Grimm – einer seiner Patienten war an Tabletten gestorben, die ihm der Arzt verschrieben hatte stellte das Gericht fest: Eine «Beeinträchtigung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit» sei «bei einem Süchtigen nicht generell gegeben». Merkmal der Sucht sei zwar ein Kontrollverlust, diese «suchtbedingte Einengung der Willensfreiheit» reiche jedoch nicht generell so weit, dass ein Süchtiger «nicht oder nur erheblich eingeschränkt in der Lage ist, das Risiko einer Überdosis zu verstehen, zu erkennen und diesem Risiko Widerstand entgegenzusetzen». Gorm Grimm habe den Patienten über die tödlichen Risiken eines Medikamentenmissbrauchs aufgeklärt. Außerdem, so folgerte das Gericht, werde ja auch die «strafrechtliche Verantwortlichkeit Süchtiger bei Beschaffungsdelikten in der Regel ohne Einschränkung bejaht».

Da die Justiz immer noch davon ausgeht, dass Drogenabhängige zu bestrafen seien, also den freien Willen zu kriminellen Delikten voraussetzt und nicht etwa verminderte Zurechnungsfähigkeit — wie häufig bei Alkoholikern -, kann man schwerlich argumentieren, dass ein Süchtiger nicht weiß, was er tut. Gorm Grimm wurde freigesprochen. Schließlich ist bisher auch niemand auf die Idee gekommen, einen Arzt zu verklagen, der seinem Patienten Barbiturate verschrieben hat, mit denen man sich ebensogut umbringen kann.

Natürlich hat die Methode des Doktor Grimm, seinen langjährigen Patienten zu vertrauen und ihnen die Mengen zu verschreiben, die sie vorgeben zu brauchen, einen Nebeneffekt: In Hamburg und Schleswig-Holstein gibt es einen ausgedehnten Schwarzmarkt für Codein. Nur hinter vorgehaltener Hand munkeln die Junkies, dieses Codein stamme aus der Praxis des Kieler Arztes. Es geht sogar das Gerücht, dass ehemalige Heroinabhängige, die mittlerweile mit Polamidon substituiert würden, sich weiterhin ihr Codein in Kiel abholten und das dann an Junkies verkauften, die sonst keine Möglichkeit hätten, sich zu substituieren. Zu beweisen ist das nicht.

Es ist kaum anzunehmen, dass sich Gorm Grimm über dieses Problem nicht seine Gedanken gemacht hat. Er kann den Überblick darüber behalten, ob seine Patienten plötzlich nach mehr verlangen. Diesen Wunsch wird er ablehnen. Er kann jedoch nicht kontrollieren, ob sich einer der Drogenabhängigen herunterdosiert und das überschüssige Codein an andere Bedürftige abgibt. Aber was wäre dagegen einzuwenden? Jeder Abstinenz-Theoretiker müsste doch erfreut sein, wenn ein Süchtiger plötzlich weniger Suchtmittel konsumiert. Und wenn Fixer, die nicht ärztlich betreut werden, Codein statt Heroin bevorzugen, was das Risiko einer letalen Dosis verringert, ist das ebensowenig zu verurteilen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof urteilt zum Problem des Schwarzmarktes: «Gesundheitliche Schäden durch Einverleibung von
Betäubungsmitteln, die sich Patienten auf dem schwarzen Markt besorgen, sind dem behandelnden Arzt ebensowenig anzulasten wie den Personen, die Langzeittherapien durchführen. Derartige Schädigungen sind nicht vermeidbar.» (6)


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Aber sollte ein Arzt nicht darauf dringen, dass ein drogensüchtiger Patient möglichst bald versucht, sich aus seiner Abhängigkeit zu befreien? «Niemand sollte den Vormund spielen», antwortet Gorm Grimm. Man müsse realistisch denken. Immerhin lebe ein Drittel seiner Patienten nach sieben Jahren SubstitutionsTherapie völlig opiatfrei. Und auch den meisten anderen habe kontrollierte Abhängigkeit ein besseres Leben ermöglicht. «Besser ist es», sagt der «Drogenarzt», «sie holen sich regelmäßig ihren Suchtstoff bei mir ab, als wenn sie als Junkie verelenden.»

Vielleicht brauchen manche Menschen aus unterschiedlichen Gründen künstlich erzeugte Lustgefühle, um ihr Leben meistern zu können. Sie nehmen dafür die Abhängigkeit und Nebenwirkungen in Kauf. Was allein zählen sollte, ist der gesellschaftliche Schaden, den sie anrichten. Und der ist bei den Opiat-Abhängigen, die sich in die Behandlung des Kieler Arztes begeben, ohne Bedeutung. Der Zwang im Gefolge ihrer Abhängigkeit, jeden Tag Drogen zu konsumieren, ist vergleichbar mit dem von Zuckerkranken, die darauf angewiesen sind, jeden Tag Insulin spritzen zu müssen. Mehr Unheil richten ganz andere Dinge an. «Alles, was Euphorie auslösen kann, ist eine Droge», sagt Gorm Grimm. «Die Nebenwirkung extremer Formen der christlichen Religion ist Paranoia.»
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(1) G. Grimm (1992), S. 196
(2) W. Keup (1983), S. 26
(3) G. Grimm (1992), S. 198
(4) G. Grimm (1992), S. 349
(5) Der Arzt Dr. Johannes Kapuste wurde ein Jahr in Untersuchungshaft gehalten, zwangsweise einer psychiatrischen Behandlung zugeführt, für unzurechnungsfähig erklärt und mit einem Berufsverbot für die Behandlung Drogensüchtiger belegt.
(6) zit. nach G. Grimm (1992), S. 238

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Praktisch unbemerkt


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Netzpolitik.org und Heise berichten synchron: EU-Länder wollen Blankoscheck zum Ausspionieren von Journalisten.

Das finde ich super. Dann lernt die Journaille endlich auf die harte Tour, sich mit Überwachung zu beschäftigen und sich davor zu schützen. Oder glaubt jemand ernsthaft, die herrschende Klasse hielte sich an die eigenen Gesetze? Warum dieses Gejammer und Apellieren an den Staat, das Gute zu tun und das Böse zu lassen? Seriously?

So sollen solche Überwachungsprogramme „im Einzelfall aus Gründen der nationalen Sicherheit“ verwendet werden dürfen oder „im Rahmen von Ermittlungen zu schweren Straftaten“. Was haben wir gelacht. Was genau ist die „nationale Sicherheit“ und wer bestimmt das? Und sind wir nicht alle irgendwie Einzelfälle?

Jeder kann sich übrigens Journalist nennen. Das ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Um wen geht es dann? Auch um Blogger oder „Influencer“?

Stefan Krempl, der schon zur so genannten Online-Durchsuchung viel Unsinn von sich gab, schreibt auch hier wieder vom „Staatstrojaner“. Netzpolitik.org macht mit dem Bullshit-Bingo weiter: Das Mittel der Wahl bei den Überwachungsaktionen: Staatstrojaner. Berüchtigt ist insbesondere Pegasus, ein Trojaner der israelischen Firma NSO Group, der Handys praktisch unbemerkt infiltrieren kann. Dadurch kann selbst verschlüsselte Kommunikation über Dienste wie WhatsApp oder Signal ausgelesen werden. Journalisten, die mit Pegasus oder anderen Trojanern gehackt wurden, müssen die Preisgabe ihrer Quellen fürchten.

Falsch. Auf meine Rechner kommt nichts, was ich nicht erlaubt habe. Pegasus kommt auch nicht auf mein Android-Smartphone, weil ich alle „Infektionswege“ kenne und vermeide. Der Angriff erfolgt grundsätzlich über iMessage in Form einer Nachricht mit einem Link zum Anklicken. Warum zum Teufel sollte ich in einer „iMessage“ (was soll den das sein?) auf einen Link klicken, wenn ich nicht weiß, wohin der führt, zumal der Absender ohnehin unter Spam-Verdacht steht, wenn ich ihn nicht kenne? Wenn ich lese „der Handys praktisch unbemerkt infiltrieren kann“, schwillt mir der Kamm. Und theoretisch unbemerkt? Das ist genau dieses vage Gefasel wie bei der „Online-Durchsuchung“, das die Fakten haarscharf umgeht oder nicht erwähnt.

„Das Hacken von Geräten ist somit nur in Ausnahmefällen erlaubt, nämlich wenn eine konkrete Gefahr besteht, schreibt Wikipedia. Und wie wollen die mich hacken? Nur zu! Ich brauche keine Gesetze, „solchen Übergriffen einen Riegel vorzuschieben“.

Vielleicht sollt ich die NSO Group mal interviewen und sie fragen, ob sie ein Staatstrojaner-Konzern sind oder nicht vielmehr ein Staatsgriechen-Konzern? Die würden sich totlachen. Und wie die sich das mit Linux, PGP, Veracrypt usw. vorstellen? Und vor allem mit Gar-Nicht-Irgendwo-Draufklicken? Und was ist mit Mutt und Clawsmail, die das Klicken bei Strafe des In-einen-virtuellen-See-geworfen-Werdens sowieso nicht wollen?

Diese hyperventilierende Berichte verschweigen die beiden wichtigsten Fakten: 1. Überwacht wird nur der, der es fahrlässig erlaubt. 2. Wer glaubt, der Ausschuss, der die Geschäfte der Bourgeoisie organisiert, hielte sich, wenn es darauf ankommt, an Gesetze, ist naiv und entsetzlich dumm.

Schön, dass wir darüber geredet haben.


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User: Warum nennen manche Leute eine Überwachungssoftware „Staatstrojaner“, obwohl die Griechen im Trojanischen Pferd saßen und die Trojaner draußen waren?

ChatGPT: Es ist wichtig, metaphorische Ausdrücke nicht wörtlich zu nehmen, sondern ihre symbolische Bedeutung zu verstehen. Der Begriff „Staatstrojaner“ soll verdeutlichen, dass die Überwachungssoftware heimlich in die Geräte eindringt, ähnlich wie die versteckten Krieger im Trojanischen Pferd. Es ist nicht beabsichtigt, dass die Überwachungssoftware tatsächlich „Staatsgriechen“ genannt wird.

User: Die versteckten Krieger waren aber Griechen. Ist die Metapher von einem „Staatstrojaner“ nicht irreführend, weil die Trojaner gar nicht versteckt waren?

ChatGPT: Du hast recht, die Metapher des „Staatstrojaners“ kann in Bezug auf die Geschichte des Trojanischen Krieges etwas irreführend sein. Im Mythos des Trojanischen Pferdes waren es tatsächlich die Griechen, die sich im Inneren des hölzernen Pferdes versteckten, während die Trojaner unwissentlich das Pferd in ihre Stadt brachten.


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Unter Harzern


Wassersportheim Stössensee
Wassersportheim Stössensee
Wassersportheim Stössensee

Heute habe ich das Leck in meinem Kajak ausgebessert. Als ich genau hinsah, fand noch ein zweites. Dazu benutzte ich mit großem Vergnügen total unnachhaltiges unökologisches ultragiftiges Epoxidharz, in dessen Nähe man ohne Gummihandschuhe nicht kommen sollte, ähnlich wie bei manchen meiner ehemaligen Kunden in der Notaufnahme.

Ich chillte danach ein paar Stunden vor dem Bootshaus, bis das Gemisch einigermaßen hart war und ich das Boot wieder in der Halle verstauen konnte.

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Church Street, Queenstown

church Street Georgetown

Ein schönes Haus im Kolonialstil an der Church Street in Georgetown, Guyana, fotografiert im Februar 1982. (Auf dem Schild vor dem Haus steht „Church Street Queenstown“, aber einen Stadtteil Queenstown gibt es nicht.)

Man kann per Google Street View in Georgetown herumfahren, aber die Ecke habe ich nicht gefunden. Vermutlich haben sie das Haus abgerissen. In Guyana lassen sie die schönen Holzhäuser verkommen und stellen dann hässliche Neubauten hin. Der Charme von damals ist weg, zumal überall Stau ist und Google sogar teilweise auf Nachtaufnahmen ausweichen musste, weil auf der Church Street kein Durchkommen war.

Trotzdem ist Georgetown eine interessante Stadt, auch kulinarisch, – und nicht ungefährlich. Vielleicht bin ich befangen, aber es ist der einzige Ort in ganz Südamerika in insgesamt mehr als zwei Jahren, an dem mich jemand überfallen wollte. Zum Glück war ich stärker als der Herr Räuber.

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Unwoke Männerrollen

gor roleplay

So stellen sich Rollenspieler „auf“ dem Planten Gor (in Secondlife) vor, und diese Rollen werden angeboten (auf dieser Sim).

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The Carenage, backstage

gran mal bay

Im Yachthafen („The Carenage“) von St. George’s, Grenada, während der Revolution 1982. Da liegen ein Autoreifen und auch ein toter Fisch herum. Deshalb „backstage“.

Brothers and sisters, das war das letzte Foto aus Grenada, falls ich nicht doch noch in irgendeinem Backup eines finde, das ich noch nicht veröffentlicht habe.

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Exordium & Terminus

aiart
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Wir werden alle störben.
In the year 2525, if man is still alive
If woman can survive, they may find
In the year 3535
Ain’t gonna need to tell the truth, tell no lie
Everything you think, do and say
Is in the pill you took today
In the year 4545
You ain’t gonna need your teeth, won’t need your eyes
You won’t find a thing to chew
Nobody’s gonna look at you
In the year 5555
Your arms hangin‘ limp at your sides
Your legs got nothin‘ to do
Some machine’s doin‘ that for you
In the year 6565
You won’t need no husband, won’t need no wife
You’ll pick your son, pick your daughter too
From the bottom of a long glass tube
In the year 7510
If God’s a coming, He oughta make it by then
Maybe He’ll look around Himself and say
Guess it’s time for the judgment day… (Zager & Evans, 1969)

aiart
Wieso komme ich eigentlich mit Tor hinter die Paywall der New York Times? Ist das ein Bug oder ein Feature?

Die New York Times gibt die Kassandra: „How Could A.I. Destroy Humanity? Researchers and industry leaders have warned that A.I. could pose an existential risk to humanity. But they’ve been light on the details.“

Bevor es weitergeht, studieren wir kurz Evolutionäre Entwicklungsbiologie und Kosmologie und kommen dann hierher zurück und stellen die Frage: Kann die Menschheit sich überhaupt selbst auslöschen? Oder verbieten das die Naturgesetze? Es wäre unlogisch, wenn Survival of the Fittest bedeutete, dass die so genannte Krone der Schöpfung jetzt abgemurkst würde und dafür die Blattodea das Ruder übernähmen und dann irgendwann den Kapitalismus und die Raumfahrt einführten?

aiart
eery portrait of Kassandra daughter of Troy king Priamos predicting the future, ominous, ultarealistic –s 750

One day, the tech industry’s Cassandras say, companies, governments or independent researchers could deploy powerful A.I. systems to handle everything from business to warfare. Those systems could do things that we do not want them to do. And if humans tried to interfere or shut them down, they could resist or even replicate themselves so they could keep operating. (…) Today’s systems are not anywhere close to posing an existential risk,” said Yoshua Bengio, a professor and A.I. researcher at the University of Montreal. “But in one, two, five years? There is too much uncertainty. That is the issue. We are not sure this won’t pass some point where things get catastrophic.

Man weiß nichts, und deshalb sollte man besser nichts tun? Bisher sieht es doch nicht so aus, dass eine Gattung, die erfolgreich war, sich selbst abschüfe. Künstliche Intelligent ist nur ein Werkzeug, wie ein Hammer oder auch ein Rechner. Organisch basierte Funktionen des menschlichen Körpers werden outgesourct. Das riecht nach Effizienz, nicht nach Suizid.

The worriers have often used a simple metaphor. If you ask a machine to create as many paper clips as possible, they say, it could get carried away and transform everything — including humanity — into paper clip factories.

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So könnte ein Denkmal für den Homo sapiens aussehen, gebaut von einem Roboter in the year 2525.

„At some point, it would become clear that the big machine that is running society and the economy is not really under human control, nor can it be turned off, any more than the S&P 500 could be shut down,“ he said.

Ach was. Die Menschheit heute kapiert noch nicht einmal die eigene Ökonomie, sondern macht sich pseudo-religiöse Ideen davon. Wenn KI alles übernehmen würde, gälte dann noch der tendenzielle Fall der Profitrate? Das heißt: Die Roboterbosse würden die Löhne für ihre Roboterarbeiter kürzen und denen zu streiken verbieten?

The idea is to give the system goals like “create a company” or “make some money.” Then it will keep looking for ways of reaching that goal, particularly if it is connected to other internet services.

Großartig! Was ist, wenn die KI dann plötzlich als Produktionsverhältnis die Sklavenhaltergesellschaft einführt oder den Kommunismus empfiehlt? Ich finde das alles sehr lustig.

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Burks am Lünschermannsweg, Cyborg-style

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aiart Ich habe ein Selfie aus dem Jahr 2019 am Lünschermannsweg in meinem Heimatdorf Holzwickede der KI zum Fraß vorgeworfen:

make this picture in futuristic paint, replace the background with a futuristic battle scene, make half of the face cyborg –ar 5:3 –s 750 –s 750

Eigene Bilder auf MidJourney zu verwenden hat seine Tücken. Man muss den Link zum Bild zunächst identifizieren, er wird dann, ähnlich wie bei tinyURL oder Bitly – verkürzt in den Prompt eingegeben. Ich habe den Eindruck, dass mein Gesicht für die KI ziemlich irrelevant war…

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Bedeutende Faktoren, eng verbunden

aiart
male workers overseer holding a whip, in front of a farmhouse of the Roman Republic, villa rustica, several of male and female workers, amphoras, agricultural implements, fresco style, wall painting from Pompeji, environment landscape like Tuscany, natural lighting, –v 4 –ar 5:3 –s 750
„Slave“ und „slaves“ sind verboten, man kann sich denken, warum. Bescheuert ist es trotzdem. Bei Tieren versagt die Künstliche Intelligenz übrigens (noch) total. Bei mehreren Versuchen bekam ich zweiköpfige und fünfbeinige Fabelwesen, und der Unterschied zwischen Ochsen und Pferden schien der KI nicht bekannt zu sein. Der Stil der Bilder ist zwar korrekt, aber jeder vorchristliche Freskenmaler und jede Wandmalerei in Pompeji hätte sich mit Entsetzen abgewandt.

Frage: War die Ökonomie die Sklavenhaltergesellschaft im antiken Rom eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung des Kapitalismus in Mitteleuropa?

aiart
acient roman farmhouse, villa rustica, style of Pompeji wall fresco, male and female workers::3, clothing of 2nd century BC, chicken, ducks, amphoras, agricultural implements, environment landscape like Tuscany::3, natural lighting, –v 4 –ar 5:3 –s 750 –s 750. Erst diese Version ergab ein einigermaßen akzeptables Ergebnis, obwohl die Römer die Hühner (?) nicht einfach so im Bild hätten herumschweben lassen. Vor 2000 Jahren war der künstlerische Homo sapiens um Klassen besser.

ChatGPT : Die Sklavenhaltergesellschaft im antiken Rom kann als ein bedeutender Faktor für die spätere Entwicklung des Kapitalismus in Mitteleuropa betrachtet werden. Die römische Wirtschaft war stark auf die Ausbeutung von Sklavenarbeit ausgerichtet, die für die Produktion von Waren und den Betrieb der Landwirtschaft eingesetzt wurde. Dies führte zu einer Akkumulation von Reichtum und Kapital bei den römischen Eliten.

Die Antwort könnte auch aus dem Bertelsmann Volkslexikon stammen. Sie ist nicht wirklich falsch, beantwortet jedoch die Frage nicht. Es ist ohnehin schwer, die Frage überhaupt sinnvoll zu formulieren. „Hätte man die Sklavenhaltergesellschaft auch weglassen können?“ Wer ist dann „man“? Man erkennt, dass Künstliche Intelligenz maximal das vorhandene Wissen aufgreift und eventuell sogar sich widersprechende Theorien referiert, aber niemals selbst entscheidet bzw. eine Position einnimmt. Erst dann würde es mir unheimlich.

aiart
Hier verschwimmt mir der Stil zu sehr, als hätte die KI heimlich aus dem so genannten Frühmittelalter geklaut. Die Figuren könnten auch einen Heiligenschein tragen.

Die Nachwirkungen des römischen Sklavenhandels und der wirtschaftlichen Strukturen waren auch nach dem Untergang des Römischen Reiches spürbar. Insbesondere im Mittelalter und in der frühen Neuzeit entwickelten sich in Mitteleuropa zunehmend kapitalistische Wirtschaftsformen. Die Expansion des Handels, die Entwicklung von Manufakturen und später von Fabriken waren eng mit der Akkumulation von Kapital und der Ausbeutung von Arbeitskräften verbunden.

Auch das ist Gelaber. Es fehlt die Position, die von einigen Forschern mit durchaus starken Argumenten vertreten wird, es habe keinen „Untergang“ gegeben, und das sei ein irreführender Begriff.

aiart

Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass die Entwicklung des Kapitalismus in Mitteleuropa ein komplexer Prozess war, der von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst wurde. Neben der römischen Sklavenhaltergesellschaft spielten auch andere Faktoren wie technologische Fortschritte, politische Rahmenbedingungen, soziale Veränderungen und kulturelle Einflüsse eine Rolle bei der Entstehung des Kapitalismus. Es wäre daher zu vereinfacht, die römische Sklavenhaltergesellschaft als die alleinige oder hauptsächliche Ursache für die Entwicklung des Kapitalismus in Mitteleuropa anzusehen.

aiart

„Vielzahl von Faktoren“ – das hätte ich auch schon vorher gewusst. Also müsst ihr weiterhin dieses Blog lesen. Die Fortsetzung meiner Feudalismus-Serie ist in Arbeit.

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Humorlose Intelligenz

aiart
make a funny comic strip picture in the style of Gary Larson –s 750

Bei Humor versagt die KI total. Das war aber zu erwarten.

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Schwarze Löcher, Stil und Sprache

aiart
Don’t look at the black hole, Classic Cosmic Horror Art by Paul Lehr –chaos 100 –s 750

Übersetze „Während die Zeitläufte so vor sich hin zeitläuften und auch allerlei hergaben, was zu berichten wäre, entschloss ich mich hindessen, der Leibesertüchtigung zu frönen und die Schlagzahl zu erhöhen dergestalt, dass ich heute vier Stunden Paddeln war, was die neue Hüfte ohne zu Zucken und zu Mucken hinnahm, ja mir sogar das Gefühl gab, ich käme schneller in das und aus dem Boot als vor zwei Jahren, als ich bei der Spandauer Schleuse, das Kajak (m,w,d?) an einem Tau hinter mir herzerrend mitsamt des Trolleys, der Schleusenwärter laut aus seinem Häuschen rief, die Stimme vor Mitleid triefend oder auch vor Hohn, ob ich Hilfe benötige?, was ich zähneknirschend und dennoch lauthals ablehnte, obwohl ich damals schon hinkte, wenn ich mich anstrengte“ in verständliches Deutsch.

aiart

ChatGPT: „Während die Zeit verging und verschiedene Ereignisse stattfanden, die es wert wären, darüber zu berichten, entschied ich mich stattdessen dafür, körperlich aktiv zu sein und das Tempo zu erhöhen. Heute war ich vier Stunden lang paddeln, und meine neue Hüfte hat dies ohne Probleme akzeptiert. Es fühlte sich sogar so an, als käme ich schneller ins Boot und wieder heraus als vor zwei Jahren. Damals, als ich bei der Spandauer Schleuse war, zog ich das Kajak mit einem Seil hinter mir her und der Schleusenwärter rief laut aus seinem Häuschen, entweder vor Mitleid oder Spott, ob ich Hilfe brauchte. Ich lehnte dies zähneknirschend und dennoch lautstark ab, obwohl ich damals schon hinkte, wenn ich mich anstrengte.“

Jetzt könnt ihr euch aussuchen, welche Version ihr besser findet – und warum.

aiart

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Keine Chance für Nippel

aiartaiart
Stunning beautiful women, black hair with red highlights doing gymnastics::3, photo realistic, drops of water on her skin, natural lighting, full body, Ultra HD –ar 9:16 –s 750

Die KI zeigt sich bei nackter Haut noch sehr störrisch. Ich habe versucht herumzutricksen und Frauen mit Tangas aus Pools steigen lassen, Wasser auf Bäuche von Fitness-Models tropfen lassen und dergleichen Feuchtes mehr, aber alles wurde abgelehnt. Man spürt formlich, dass die KI schon bei „full body“ zusammenzuckt. Ja, die Zensur-Filter werden „improved“. Aber sicher nicht lockerer sein als die protestantische Prüderie in den USA. Nippel haben keine Chance, auch nicht in ferner Zukunft.

Die Pr0n-Industrie ist bekanntlich immer ganz vorn, was technische Neuerungen angeht. Vermutlich kommt jemand bald auf die Idee, die Zensur der KI ganz auszuschalten und den feuchten Träumen der zahlenden Nutzer freien Lauf zu lassen. In Second Life ist das jetzt schon so, aber da findet in den entsprechenden und kostenlosen! – Segmenten vorher eine Altersüberprüfung statt.

aiart

Vorerst ist das Personal, das die KI erzeugt, so züchtig gekleidet wie auf den Bildern von Norman Rockwell oder auf den Propaganda-Illustrationen der Zeugen Jehovas.

Ich sehe da ein Geschäftsmodell vor mir, aber ich kann keine KI programmieren…

aiartaiart
stunning woman watering flowers in a garden, ultrarealistic –s 750

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Pötte

gran mal bay

Blick von der Western Main Road an der Grand Mal Bay auf die Bucht mit zwei Kreuzfahrschiffen, nördlich der Hauptstadt St. Georges auf Grenada (Kleine Antillen).

Fotografiert während der Revolution 1982.

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Designstudie

ki art
alien luxury car in an organic city made of plants, blue sky, multiverse, surreal, ray tracing, Ultra high def the Style of Hayou Miyazaki, and Shinkai Makoto, Studio Ghibli, Natural Lighting, Realistic, Ultra HD –ar 16:9 –s 250 –s 750

Künstliche Intelligenz ist dann am besten, wenn sie etwas imitieren oder nachahmen kann… Damit bleibt sie (noch) im Rahmen dessen, was man erwartet: Gute Kunst ist mehr als Eklektizismus. Man mag mich überzeugen, das KI einen eigenen Stil entwickeln kann. Ich glaube das nicht.

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Brünett und blond

ki artki artki artki artki artki artki artki art

Ich habe mir noch ein paar Frauen gemacht. Davon kann man nie genug haben.

Beautiful 22-year-old [brunette][blonde] girl in gothic attire in a medieval castle room,((candle)), beautiful face, skin imperfections, fair skin, assymetrical hair, detailed texture, black crop top, tight black low-rise pleated skirt, fashion shoot, side lighting, 8k, UHD, detailed skin, peach fuzz, sharp –v 5

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Qualitätsmedien berichten noch schlechter als erwartet

qualitätsmedien

Bislang sei keine Ortschaft der Ukraine vom Bolschewismus von [bitte selbst ausfüllen] „befreit“ worden. Oder vielleicht doch? Die Qualitätsmedien sind sich offenbar noch nicht einig. Das würde ich bald gleischschalten, sonst könnte das dumme Volk aufhören, die Nachrichten einfach so zu glauben.

Die gesamte deutsche Presse hat sich, mit wenigen Ausnahmen, komplett der Kriegshetze verschrieben und dabei gleich alle anderen journalistischen Standards ebenso über Bord geworfen. Es ist zum Fremdschämen. Vermutlich wäre jeder Text, von einer künstlichen Intelligenz erzeugt, wahrhaftiger oder zumindest neutraler.

Ich frage mich, was die Herrschaften wie zum Beispiel der oben krakeelende Russenhasser denken, wie das Publikum reagierte? Es macht doch nicht jeder die Welt, wie es ihm gefällt?! Man kann das nicht mehr irgendwie mit den Kategorien „links“ oder „rechts“ verstehen. Es kommt auch niemand auf die Idee, ein Streitgespräch zum Thema Krieg mit Leuten zu organisieren, die unterschiedlicher Meinung sind. Die gibt es gar nicht mehr, oder sie trauen sich nicht aus der Deckung. Ich kenne kein Land, in dem Pressefreiheit herrscht, in dem der öffentliche Diskurs so stromlinienförmig ist.

qualitätsmedien

Vielleicht muss man bis 1848 zurück. Die deutsche Bourgeoisie hat – im Gegensatz zu Frankreich – noch nicht einmal eine bürgerliche Revolution hingekriegt. Woher soll ein demokratisches Selbstbewusstsein der Untertanen gegenüber der Obrigkeit oder dem Gruppendruck der gefühlten Mehrheit kommen? Die Deutschen waren immer brav, während die Franzosen, Italiener und die Polen als aufsässig gelten. Die polnische Regierung hat keine Corona-Zwangsmaßnahmen ergriffen, weil sie genau wusste, dass sie ausgelacht worden wäre. Die deutschen Gewerkschaften sind die zahmsten in ganz Europa. Generalstreik ist sogar per Gesetz verboten. In Frankreich wird immer irgendwo gestreikt. Und den Italienern ist ihre Regierung herzlich egal. Woher sollen Kritik oder der Zweifel am Mainstream hierzulande kommen?

Und die alte und neue Kleinbourgeoisie ist, schon wegen ihrer ökonomischen Position, per se feige, ängstlich und opportunistisch. Was will man da von deutschen Journalisten, die fast alle aus derselben Klasse stammen – eben dieser! – verlangen! Sie schauen zuerst, wohin der Wind weht, und drehen dann ihre Winkelemente dorthin.

qualitätsmedien

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The Carenage und die tragische Revolution von Grenada

the carenage grenada

On March 13, 1979, the leaders of Grenada’s New Jewel Movement overthrew the hated and feared neocolonial puppet, Prime Minister Eric Gairy, setting in motion a memorable revolutionary experiment in Caribbean history. Those who lived through the 1979-83 Grenadian Revolution were forever transformed.

Das Foto zeigt den Yachthafen („The Carenage“) von St. George’s, Grenada, während der Revolution 1982. Als ich mir das Foto genau ansah, fiel mir auf, dass dort heute ein Gebäude fehlt – das auf dem Hügel oberhalb des Jachthafens der Marina (sorry, kleine Wortschatzübung). Auf heutigen Bildern ist da nichts mehr.

Das langgestreckte Gebäude auf meinem Foto ist das ehemalige Hauptquartier des Militärs und später des New Jewel Movement. Vermutlich wurde es nach dem Einmarsch der US-Truppen im März 1983, den Ronald Reagan zu verantworten hat, demoliert und abgerissen.

Das tragische Ende der Revolution auf Grenada ist lehrreich: Alle Linken müssen sich fragen, wie es so weit kommen konnte. Der charismatische Anführer des sozialistischen New Jewel Movement, Maurice Bishop, wurde von stalinistischen Putschisten der eigenen Partei ermordet.

Am 13. März 1979 hatte Bishop mit nur 40 bewaffneten Leuten den korrupten Diktator Eric Gairy gestürzt. Eine Revolution, die nur eine halbe Stunde dauerte und weitgehend unblutig war! Davon träumt man doch! Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung unterstützte Bishop. Vermutlich war das auch, wenn es die Kategorie gäbe, die „kleinste“ Revolution der Welt.

Gairys private Schlägertruppe, die Mongoose Gang, war von den Putschisten in Chile geschult worden. Seine Biografie ähnelt sehr der des heutigen Diktators von Nicagagua, Daniel Ortega. Gairy, ein Gewerkschaftler, organisierte in den 50-er Jahren erfolgreiche Streiks und spielte eine wichtige Rolle, als es darum ging, das allgemeine und gleiche Wahlrecht einzuführen. Warum drehen sich solche Leute politisch um die eigene Achse und werden Teil des Unterdrückungsapparats, den sie ursprünglich bekämpften? (Schöne Frage an die Künstliche Intelligenz!)

Man müsste die Revolution von Grenada strukturell vergleichen mit anderen erfolgreichen Umstürzen in der 3. Welt: Haiti, Kuba, Mexiko und Algerien. Das Schicksal der Nicaraguanischen Revolution ist bekannt. Maurice Bishops Rolle ist in etwa vergleichbar mit der Alexander Dubceks: Beide wurden vom Volk unterstützt, jener von Stalinisten der eigenen Bewegung umgebracht, dieser durch eine Intervention der stalinistischen „Bruderstaaten“ hinweggefegt.

Die traumhaft schöne „Gewürzinsel“ Grenada war und ist, wenn man sie mit anderen Inselstaaten der Karibik vergleicht, ein wirtschaftliches Schwergewicht: „… unter anderem der zweitgrößte Hersteller von Muskatnuss, dem Hauptexportprodukt des Staates. Etwa jede fünfte dieser Nuss weltweit stammt von der kleinen Karibikinsel.“ Eine ökonomische Basis für eine Arbeiterbewegung im klassischen Sinn ist vorhanden, wenn auch eher in der Landwirtschaft.

…the revolution made a series of gains. All the anti-worker trade union laws were repealed by the PRG in 1980. 14 percent of the budget was allocated to health expenditure, making it one of the highest in the Commonwealth Caribbean. The PRG ended the corruption in the health sector and used St. George’s University to train up new doctors and clinical staff for their hospitals. Mobile health teams were also set up for remote areas.

Die Probleme, die die Revolutionäre damals versuchten zu lösen, existieren heute immer noch, wenn auch nicht in so krasser Form. Grenada ist eine zwar offenbar stabile Gesellschaft, aber nur noch pro Forma unabhängig: Der Staat hat seit der US-Invasion 1983 kein stehendes Heer, die Verteidigung ist Aufgabe der USA. Wie könnte eine progressive Bewegung dort erfolgreich sein, wenn eine Kompanie Lederjacken ausreichte, um jeden Widerstand zu beenden?

In einem Staatsstreich wurde Bishop im Oktober 1983 von Mitgliedern des linken Flügels unter dem Vize-Premierminister und Minister für Finanzen, Handel und Planung Bernard Coard gestürzt und mit anderen Parteimitgliedern inhaftiert. Als es in der Bevölkerung Demonstrationen gegen die Verhaftung Bishops gab, wurden diese mit Gewalt beendet, etwa 100 Menschen wurden erschossen. Am 19. Oktober 1983 wurden schließlich unter anderem Bishop, Außenminister Whiteman und die Bildungsministerin Creft exekutiert, obwohl sie sich ergeben hatten.

Kurz darauf marschierten die USA ein. (Getty Images würde ich, wenn ich könnte, sofort enteignen lassen. Das sind Schmarotzer, sogar für kapitalistische Verhältnisse.)

In Gegensatz zu Nicaragua hat Grenada die vier Jahre Revolution aufgearbeitet und öffentlich diskutiert. Man muss also nicht befürchten, wie in Nicaragua oder auch in China (wenn es um die Kulturrevolution geht), Probleme zu bekommen und im Gefängnis zu landen, wenn man Fragen nach der Geschichte stellt.

Es ist witzig, dass ich immerhin zwei Revolutionen live erlebt habe, wenn auch nicht die militärische Phase – Nicaragua und Grenada. Ich habe auch keine anderen Fotos von Reisenden aus der Zeit von 1979-1983 gefunden. Außer den reichen Besitzern der Jachten, die auch damals in Grenada ankerten, und den Tagesurlaubern der wenigen Kreuzfahrtschiffe gab es keine Touristen. Wir waren die einzigen. Gibt es niemanden sonst, der die zum Teil lustigen Propaganda-Tafeln dort fotografiert hat?

new Jewel Movement

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Unter automatisierten Ausgesetzten

chatgpt war

Ich lase gerade den Heise-Artikel über eine erneute Revolution der Produktivkräfte über „Wie KI den Arbeitsmarkt verändern wird: Neue Jobs, bedrohte Jobs“.

Generative KI könne in den USA bis zu einem Viertel der derzeit von Menschen geleisteten Arbeit übernehmen. „Rechnet man unsere Schätzungen auf die ganze Welt hoch, so könnte generative KI das Äquivalent von 300 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen der Automatisierung aussetzen“, schreiben die Wissenschaftler. („Eine Studie der Investmentbank Goldman Sachs“ har har.)

Da fiel mir die Frage ein: Was machen jetzt eigentlich die „Web-Designer“? Das habe ich gleich ausprobiert…

By the way: Sagte ich schon, dass wir gerade bei einer Revolution zusehen? Unter uns Marx-Gelehrten: „Revolution“ meint mitnichten einen Umsturz des Wesentlichen, also der Produktionsverhältnisse (hier: der Ausbeutung der Ware Arbeitskraft im Kapitalismus), sondern zum Beispiel so etwas wie die Green Revolution in China während der Song-Dynastie oder die Agrarrevolution im so genannten Frühmittelalter in Mitteleuropa. Nur eben im Zeitraffer. Also haltet Schritt!

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Russia-Ukraine-War

russian ukraine warrussian ukraine war
war between russia and ukraine 2023, ultrarealistic, press photo, battle scene with tanks and infantry, highly-detailed, vibrant colors, 16k, –v 5 –ar 3:4

Das Publikum fragte: „Ohne Vorlagen kann das Programm doch keine Schlachtengemälde aus dem aktuellen Russisch-Ukrainischen Krieg erschaffen, oder sehe ich das falsch?“

Ja, es kann. Ich habe mir beim Prompt nicht viel Mühe gegeben, weil ich die Waffen, die eingesetzt werden, nicht kenne. Man könnte das konkreter machen – eine Aufgabe für die hier mitlesenden Kriegsberichterstatter. Ich war versucht, auch Putin und Selenkij zu erwähnen. Das wäre dann eher ein Filmposter geworden.

In einer Version hatten die Panzer übrigens zwei Rohre. Die KI lernt aber in exponentieller Geschwindigkeit. Schon bald werden solche Fehler nicht mehr vorkommen. (Auch bei den Frauen des vorherigen Postings hatte keine überzählige Finger.)

Wie viele Rezipienten deutscher Medien können ein reales Kriegsfoto von einem künstlich erzeugten unterscheiden? Was, wenn ein Bild nicht mit „Symbolfoto“ gekennzeichnet wäre? Mein Titelvorschlag für oben wäre zum Beispiel: „Russische Truppen rücken bei Zaporozhye vor.“

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Women, vintage style

vintage womanvintage womanvintage womanvintage woman

Ich habe mir ein paar Frauen gemacht. 1. Versuch:
Old black and white real photography of a beautiful woman wearing a black costume in Berlin high quality –q 2 –upbeta –s 750

Frauen müssen nicht hübsch sein, um attraktiv zu wirken. Also der 2. Versuch:
Old black and white real photography of a very corpulent::3 and shabby woman::3 looking like [bitte selbst ausfüllen] wearing a black costume in Berlin high quality –q 2 –upbeta –s 750

vintage womanvintage womanvintage womanvintage woman

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