Nun sucht mal schön et al!

Desktop

Heute fällt mir irgendwie nichts ein zum Bloggen. Und geichzeitig sehr viel. Hier mein aktueller Desktop für diejenigen, die meinen, man könnte bei mir „online durchsuchen“ – eine Ãœbersicht über häufig benutzte Programme. Das Motiv ist ein unveränderter Screenshot aus Second Life (Verzeihung!) – so mag ich mein virtuelles Leben. Real habe ich das auch schon genau gemacht, außer dem Leoparden. Und Jeeps können im Dschungel auch nicht so gut fahren. Bitte die Maya-Ruinen 2.0 im Hintergrund nicht übersehen!

Ich habe mein einfaches Sicherheitskonzept für Daten konsequent umgesetzt. Wer meinen Rechner beschlagnahmte, würde an keine Daten mehr herankommen – er oder sie würde noch nicht einmal in den Rechner hineinkommen.

Warum machen das nicht alle so? Tja. Gestern rief mich eine Kollegin vom Medienmagazin Zapp an. Sie hätte da gehört, mein Rechner sei beschlagnahmt worden. Hatte sie sich vorher informiert, gar meine Website gelesen? Mitnichten. Mir wäre das peinlich, aber vielleicht habe ich auch andere journalistische Maßstäbe. Ich merkte an, dass ich über journalistische Themen oder gar über die Hausdurchsuchung usw. nicht unverschlüsselt, also nicht via elektronischer Postkarte kommunizieren werde. Die Kollegin sagte, das könne sie nicht. Klar, Zapp ist der Mainstream der „investigativen“ Recherche in Deutschland. Träumt schön weiter. Kritisch und unbequem? Aber nicht für Schäuble und Konsorten.

Ich muss aufpassen, dass ich mir’s nicht mit allen verscherze. Sonst berichtet niemand mehr, wenn das LKA Düsseldorf den Antrag stellt, mich einstweilig erschießen zu lassen, weil sie mich anders nicht kleinkriegen könnten. Mit Zapp habe ich mich schon herumgestritten in meiner damaligen Eigenschaft als Chefredakteur des Medienmagazins Berliner Journalisten. (Wieso kann man da auf einzelne Blogeinträge nicht mehr verlinken? Wikipedia hilf: Permalink!)

Bei Berliner Journalisten gelesen: Die Welt bezeichnete Majdanek als polnisches Konzentrationslager. So sind sie, die Deutschen. Da helfen keine Pillen.

Mythos „Neu entdeckte Indianerstämme“ [Update]

Indios

Mit großem Interesse las ich einen Bericht in Spiegel online: „Neuentdeckter Indianerstamm“. Mitarbeiter der brasilianischen „Indianerbehörde“ Funai haben ein zurückgezogen lebendes Volk entdeckt, das offenbar keinen Kontakt zur so genannten Zivilisation hat. Ich verstand zwar nicht, was „neu entdeckt“ heißt, da ich kein „alt entdeckt“ kenne, aber vermutlich ist das die normale Sprachschluderei wie „neu renoviert“.

In Deutschland gibt es keinen Online-Journalismus, der diesen Namen verdient, daher musste ich mir die meisten Links zunächst selbst zusammensuchen. Zuerst suchte ich nach Jose Carlos Meirelles und las ein paar internationale Berichte, um das mitzubekommen, das deutsche Medien beim Abschreiben vergessen haben oder nicht erwähnen, weil Links auf andere Websites als Teufelswerk gelten.

Wenn man sich zum Beispiel über die Kayapó informieren will, ist einer der ersten Links von SIL International, „Partners in Language Development“, aka „Summer Institut of Linguistcs„. Mit denen hatte ich schon persönlichen Kontakt – das ist eine ultrareaktionäre evangelikale Missionarsvereinigung, die unter dem Vorwand der Sprachforschung in der ganzen Welt Bibeln in der jeweiligen Sprache verbreitet. Wehe, die kämen zu den „neuentdeckten“ Indios – in kurzer Zeit würden diese Hosen und Büstenhalter tragen, wie die Kayapó (mittleres Bild) und vermutlich bals europäischen Touristen als „Naturvolk“ vorgeführt. „Natürlich“ ist ohnehin eine Fiktion und politisch ungefähr so herablassend wie „frei laufende Indianer und Hühner“.

Indios

Die Fotos wurden von Survival International publiziert, dort steht auch die Original-Geschichte, und dort erfährt man auch mehr über die Gründe, warum zahlreiche Völker nichts mit dem Rest der Welt zu tun haben wollen: „Over one hundred tribes around the world choose to reject contact with outsiders. They are the most vulnerable peoples on the planet. Many of them are living on the run, fleeing invasions of their land by colonists, loggers, oil crews and cattle ranchers. They have often seen their friends and families die at the hands of outsiders, in unreported massacres or epidemics.“

Völker, die noch nie mit anderen Kontakt hatten, gibt es nicht. Wer das behauptete, könnte das auch nicht beweisen. Ich war vor zehn Jahren bei den venezolanischen Guahibo, die auch in meinem historischen Roman Die Konquistadoren auftauchen. Die ersten Weißen, die den Guahibo begegneten, waren die spanischen und deutschen Eroberer im 15. Jahrhundert. Alexander von Humboldt hat ebenfalls über sie berichtet (unten die kursiven Zitate).

Aus meiner Reportage vom 19.9.97 im Berliner Tagesspiegel: „Der gottverlassene Landstrich“ über das Grenzgebiet Venezuela-Kolumbien nördlich des Rio Meta (vgl. unteres Foto)

„Am Ortsrand leben knapp hundert Guahibos, eng zusammengedrängt unter einem Wellblechdach und umgeben von Müllbergen. Die Guahibos sind Nomaden, die Mehrzahl stammt aus Kolumbien. Sie nennen ihre Wohnstätte garpón, „großes Haus“, und erhalten Sozialhilfe; einige Männer sprechen spanisch und verdingen sich für ein Almosen als Gelegenheitsarbeiter auf den umliegenden Farmen. Das gibt böses Blut: der Wahlkampf steht vor der Tür, und Lokalpolitiker haben Parolen ausgegeben, die frei übersetzt lauten: „Guahibos raus!“ und: „Arbeitsplätze zuerst für Einheimische!“ Pater Christobal ist Pole und aus Ostpreußen gebürtig. Sein klimatisierter Amtssitz nimmt die ganze Breite der Plaza Bolivar von Elorza ein. Als öffentliche Person könne er zwar nicht immer laut sagen, was er denke, aber seine kirchliche Autorität geltend machen. „Vor fünfzehn Jahren haben Viehzüchter und ihre Handlanger ein Massaker an den Guahibos verübt“, erzählt er, „es gab siebzehn Tote, auch Frauen und Kinder. Einige Ãœberlebende hausen im garpón. Sie haben heute noch Angst. Die Schuldigen waren bekannt, wurden aber nicht bestraft.“

Man erfährt, daß der örtliche Automechaniker Roberto Para vor einigen Jahren eine Anthropologin aus Paris zu den nomadisierenden Guahibos gefahren hat, die irgendwo in der Savanne leben. Bis zum Rio Meta, der Grenze zu Kolumbien, sind es rund 200 Kilometer, aber es gibt in diesem gottverlassenen Landstrich nur zwei aufgegebene Gehöfte. Die kolumbianische Guerilla macht das Gebiet unsicher, attackiert die venezolanischen Grenzposten und erhebt bei nächtlichen Ãœberfällen von den Viehzüchtern „Kriegssteuern“.

Fünf Stunden mit dem rüttelnden Jeep durch die Savanne. Der Boden zeigte überall, wo er von der Vegetation entbößt war, eine Temperatur von 48 bis 50 Grad. Die Ebenen ringsum schienen zum Himmel anzusteigen, und die weite unermeßliche Einöde stellte sich unseren Blicken als eine mit Tang und Meeralgen bedeckte See dar. Im Norden stehen Rauchsäulen am Himmel – die Rancher nennen das „Flurbereinigung“.

Indios

Ein schlammiger Fluß: der Rio Capanaparo. Ein alter Mann rudert den Reisenden schweigend an das andere Ufer. Wieder ein garpón. Aller Augen richten sich auf den chefe. Der erklärt in stockendem Spanisch: Das Feuer und die Viehzucht engen den Lebensraum der Guahibos immer mehr ein. Sie litten Hunger, weil sie nicht mehr jagen könnten. Die Regierung lobt sich im Ausland für ihre gut gemeinte, das heißt paternalistische Indianerpolitik. Sie bietet den Nomaden an, gratis in Reihenhaussiedlungen wohnen zu können wie die katholischen und assimilierten Indianer am Orinoco. Dort wären sie geschützt vor Übergriffen sowohl der kolumbianischen Guerilla als auch der Viehzüchter. Doch sie wollen nicht.

Kein Stamm ist schwerer seßhaft zu machen als die Guahibos. Lieber leben sie von faulen Fischen, Tausendfüßen und Würmern, als daß sie ein kleines Stück Land bebauen. Wir fanden daselbst sechs von noch nicht katechisierten Guahibos bewohnte Häuser. Sie unterschieden sich in nichts von den wilden Indianern. Ihre ziemlich großen schwarzen Augen verrieten mehr Lebendigkeit als die der Indianer in den übrigen Missionen…Mehrere hatten einen Bart; sie schienen stolz darauf, faßten uns am Kinn und gaben uns durch Zeichen zu verstehen, sie seien wie wir.

Die ersten Weißen, die die Guahibos kennenlernten, waren Deutsche – im 16. Jahrhundert. Die Konquistadoren Georg Hohermuth von Speyer und Friedrich von Hutten zogen 1535 im Auftrag der Welser von Coro an der Küste nach Süden, bis in das Quellgebiet des Guaviare im heutigen Kolumbien. Mehrere hundert deutsche und spanische Landsknechte durchstreiften monatelang die Savanne, ausgemergelt vor Hunger und vergeblich auf der Suche nach einem Paß in die Anden, in das Land der Muisca, zum legendären El Dorado. Die Muisca zahlten mit Gold für die Kinder der Guahibos, erfuhren sie.

„Fiengent ain Cassicquen oder Obersten, ßo sagt, er wer auff der andern Seitten des Birgs gewest, gab uns groß Zeittung von Reichtumb. Vermochten aber mit den Pfferden nit hynuber…“ berichtet der fränkische Edelmann Philipp von Hutten am 30. Oktober 1538 aus Coro an den kaiserlichen Rat Matthias Zimmermann in einem der ersten Briefe, den ein Deutscher aus Südamerika geschrieben hat.“

[Update] Links überprüft am 23.07.2016

Venezuela | wahr und falsch

Puerto Ayacucho

Ãœber Venezuela schreibt Spiegel Online wahr und falsch. Wahr: „Ohne die Arbeitskraft der kolumbianischen Immigranten wäre der Ölstaat wirtschaftlich am Ende: Wenn überhaupt etwas in dem relaxten Karibikstaat funktioniert, ist das meistens einem fleißigen Kolumbianer zu verdanken.“ Ja, das ist ein Witz, den sogar die Venezolaner erzählen. Ich mag die Kolumbianer, sie sind in der Regel ziemlich agil und fit, leider manchmal auch bei den falschen Themen. Und schon Alexander von Humboldt stellte wertfrei fest, dass in Venezuela (das es damals so noch nicht gab) niemand arbeiten wolle.

Falsch: „Venezuela ist traditionell friedfertig und musste noch nie einen Krieg gegen ein Nachbarland ausfechten.“ Was hier verschwiegen wird, ist, dass Venezuela fast die Hälfte seines östlichen Nachbarlands Guyana für sich beansprucht (vgl. „Guyana 2 – die Rebellion der Rancher“, spiggel.de, 23.08.2003). Beim klitzekleinen „Bürgerkrieg“ 1969 in Guyana haben die Venezolaner wohl kräftig indirekt mitgemischt.

Guahibos

Das obige Bild zeigt eine Straße in Puerto Ayacucho, Bundesstaat Amazonas, Venezuela. Ich bin in einem LKW mitgefahren. Das untere Bild zeigt mich bei Guahibo-Indianern, ungefähr hier am Rio Capanaparo im Süden des Bundesstaats Apure.

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