Hinzugedachte Leitplanken im Nebel

Pressemitteilung: „Die Piratenpartei Deutschland kritisiert die heute vom Deutschen Bundestag eingesetzte Internet-Enquetekommission als ‚Alibi-Veranstaltung‘. Deutschland hat keinen Bedarf an weiteren Schwatzrunden zum Thema Internet, sondern netzpolitischen Handlungsbedarf.

„Wie überflüssig diese Kommission ist, zeigt sich auch am Schicksal des Vorgängers aus den Jahren 1995 – 98. Wesentliche Papiere und Empfehlungen dieser Kommission, zum Beispiel zu Datenschutz und IT-Sicherheit, sind im federführenden Innenausschuss auch 12 Jahre danach noch nicht behandelt worden.

Scharfe Kritik üben die Piraten auch an der personellen Zusammensetzung der Kommission: Ihr Vorsitzender ist ein CDU-Mann ohne Internetaffinität. Als Provokation wird außerdem die Berufung des SPD-Mitglieds Martin Dörmann empfunden, der für die Durchsetzung des als „Zensursula“ bekanntgewordenen Zugangserschwerungsgesetzes verantwortlich war. Damit hat die SPD das in sie gesetzte Restvertrauen verspielt.“

By the way 1: Leitplanken, die der Bundestag im Internet aufstellen will – dazu lese man einfach nur das Heise-Forum. Ich habe Tränen gelacht. Meine Favorit: „Leitplanken gibt’s doch schon. Bei IP-Nummern ist links von der Null und rechts von der Zweihunderfünfundfünfzig Schluß.“

By the way 2: the best without Leitplanken-Video ever… wenn man fahren kann, braucht man keine Leitplanken. Aber das können Internet-Ausdrucker eben nicht.




Anonymer Dienst zur Veröffentlichung von Dateien im Internet

Ein interessantes und gewohnt realitätsfernes Urteil des OLG Hamburg beschäftigt sich mit Anonymisierungsdiensten. Offenbar hat denen niemand erklärt, was das ist.

„Lässt der Betreiber eines Sharehosting-Dienstes in Kenntnis begangener Urheberrechtsverletzungen weiterhin einschränkungslos eine anonyme Nutzung seines Dienstes zu..“ Schön, damit wären wir beim Thema China. Wie will ein „Betreiber“ bestimmen, wie sich die Nutzer bewegen – anonym oder nicht?

Wikipedia schließt aus, dass man via Tor anoynm schreiben kann: „Weil einige anonyme Idioten auf Seiten der Wikipedia als Vandalen aufgetreten sind, blockiert die Wikipedia zur Zeit das Bearbeiten von vielen IPs der Torserver (Lesen funktioniert trotzdem). Wir verhandeln mit Wikipedia, wie sie den Missbrauch unter Kontrolle kriegen, ohne anonyme Beiträge zu verhindern. Anonyme Autoren haben oft wichtige Neuigkeiten oder Insider-Informationen über ein Thema, wollen aber ihre Identitäten nicht preisgeben (oder wollen nicht, dass man an ihrem Standort erfährt, dass sie auf Wikipedia zugreifen). Slashdot ist im gleichen Boot.“ So könnten auch Amazon oder Ebay verhindern, dass Anonymisierungsdienste missbraucht werden – dazu sind die aber zu faul oder schlicht unfähig oder desinteressiert.

Auch die chinesischen Zensoren versuchen, die IP-Adressen von Tor-Servern oder die anderer Anonymisierungsdienste zu blockieren, weil diese Dienste wichtig sind, um Zensur unterlaufen zu können, um das „Unwesen“ unerwünschter Meinungen zu bekämpfen.

Das OLG Hamburg scheint zwar „nominell einen ‚Grundsatz der Anonymität'“ zu billigen, widerspricht sich aber in seinen Urteilen selbst. „Mit der vorliegenden Entscheidung schreibt der Urheberrechtssenat des OLG Hamburg seine im vergangenen Jahr eingeleitete Rspr. (MMR 2008, 823) fort, deren erklärtes Ziel es ist, das ‚Unwesen von Raubkopierern‘ durch ein ‚Generalverbot‘ anonymer Internet-Veröffentlichungsdienste zu ‚unterbinden‘.“

Sehr leyenhaft: „ein anonymer Dienst zur Veröffentlichung von Dateien im Internet“ – so etwas gibt es nicht. Ein bisschen Anonymität geht nicht. Ich bin mal gespannt, wie diese Art von Internet-Ausdruckern den traurig-komischen Kampf gegen Windmühlen weiter juristisch gestaltet.




Cryptome.org und das wahre Reich des Bösen

handbook microsoft

Was keinem Geheimdienst dieser Welt gelang, schaffte jetzt Bill Gates: „Der US-Softwarekonzern Microsoft hat mit einer sogenannten DMCA Notice dafür gesorgt, dass die Website gegen Zensur Cryptome.org vom Netz genommen wurde.“ (Heise, Wired). „Cryptome stand seit 1996 für uneingeschränkte Meinungs- und Informationsfreiheit ein.“

„Wired hat das 22-seitige PDF-Dokument vom März 2008, dessen Veröffentlichung Microsoft verhindern wollte, online gestellt. Es gibt Strafverfolgern Handreichungen, welche Informationen sie über Nutzer von Microsoft-Produkten für Ermittlungszwecke gewinnen können, also beispielsweise Verbindungsdaten bei Xbox Live, Microsofts E-Mail- und Messaging-Diensten sowie Hintergründe über den Authentifizierungsdienst Windows Live ID.“

Die gute Nachricht steht auf cryptomeorg.siteprotect.net: „This is temporary Cryptome address until the Cryptome.org domain is transferred. Network Solutions shut Cryptome.org and has placed a „legal lock“ on the domain name, preventing its transfer, until the „dispute“ is settled. Some recent files are available now and the full collection is being transferred.“ (Warum wird das bei Heise nicht erwähnt?)




Noch alle Tassen im Schrank

Mir wird immer fast übel, wenn ich Meldungen lese, in denen Politier Unsinn reden oder lügen oder beides, wenn es um Volksverdummung geht. Das ist bekanntlich bei allem, was die Zeichenkette „Kinderpornografie“ enthält, die Regel. „Die Bundesregierung hat Vorwürfe der Opposition zurückgewiesen, wonach es bei der Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet nun ein ‚rechtliches Wirrwarr‘ gebe.“ Muss man da noch weiterlesen? Natürlich nicht. Ich frage mich aber ernsthaft, ob auch nur einer dieser Damen und Herren wirklich daran glaubt, was er oder sie sagen. Vermutlich sind diese primitiv-populistischen Internet- Ausdrucker einfach nur ahnungslos; das ist auch ihre einzige Entschuldigung.

Wenn es nicht so viel Mühe wäre, würde ich gern die Lüge widerlegen, dass niemand das Zensurgesetz („das umstrittene Gesetz zur Sperrung einschlägiger Internetseiten“) gewollt habe. Die Parteien im Bundestag haben doch mehrheitlich zugestimmt, sonst gäbe es das Gesetz nicht. Was hat sich geändert? Nichts. Nur hat des Volks Wille leider die FDP an die Regierung gespült.

„Professor Wieland von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer sieht die Regierung in der Pflicht, sich an den Gesetzestext zu halten. ‚Das Gesetz tritt in Kraft, da kann die Bundesregierung jetzt nicht einfach sagen: Wir setzen das nicht um. Sondern sie kann nur ein neues Gesetz schaffen.'“ Ich hoffe, es klagt jemand, wenn die Bundesregierung die geltende Rechtslage nicht beachtet.

Nur um es wiederholt auszusprechen: Die Piratenpartei ist die einzige Partei, bei der man das Gefühl hat, dass die Mitglieder bei diesem Thema noch alle Tassen im Schrank haben. „Eigentlich sollten wir dankbar sein, dass das Gesetz nun doch in Kraft tritt“, sagt Daniel Düngel aus Oberhausen, der bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl für die Piratenpartei antritt. „Einen besseren Auftakt für unseren Wahlkampf kann man sich kaum wünschen“.

„Allerdings gehen die Piraten nicht davon aus, dass die Regierungsparteien den Entwürfen zustimmen. Der Weg vor das Bundesverfassungsgericht ist deswegen wohl unausweichlich.“ Genau. Ich vergaß es: Auch das Bundesverfassungsgericht hat noch alle Tassen im Schrank. Das hat es mit der Piratenpartei gemeinsam.




Was macht eigentlich das refused Classification-rated Material?

attentäter

Was machen eigentlich die Verehrer höhere Wesen? Stellen sie Stoppschilder vor den Türen der Katholischen Kirche auf, weil diese jugendgefährdend ist? Nein, sie beharren frech und dreist und nennen sich auch noch „Journalist“. Ein netter Leserbief im Print-Spiegel ließ mich schmunzeln: Die Priester und die katholische Kirche würden „ganz offensichtlich gar nicht an den Gott glauben, den sie ihrer Klientel verkaufen möchten. Sonst würden sie dessen Eingreifen fürchten.“

Was liest man aber zwei Seiten vorher? Matthias Matussek, Spiegel-Autor und „Onlinejournalist des Jahres“ 2008, ist praktizierender Katholik und beichtet „seine Sünden bis heute regelmäßig.“ Das erinnert mich an Traktat: „Ohne Gott – eine Frage der Berufsehre“. „Dürfen Journalisten höhere Wesen verehren oder gar Mitglied einer Religionsgemeinschaft sein? Nein, natürlich nicht. Respektlosigkeit und Mut zur Aufklärung gelten als journalistische Tugenden. In Deutschland herrscht jedoch finsteres Mittelalter, wenn Religion zum Thema wird.“ Quod erat demonstrandum.

Mein Leib- und Magenphilosoph Lichtenberg sagte vor mehr als 200 Jahren dazu: „Unsere Welt wird noch so fein werden, dass es so lächerlich sein wird, an einen Gott zu glauben, als heutzutage Gespenster.“ Vermutlich müssen wir noch 100 Jahre warten, bis die Propaganda-Broschüren der Kirchen als „Refused Classification-rated Material“ aus den Schulen verbannt werden.

Was machen eigentlich die Kriegstreiber? Sie formulierten affirmative Bildunterschriften: „Die Amerikaner haben den Schutz der Zivilbevölkerung zu ihrer obersten Priorität erklärt.“ Ach ja? Wer hätte das gedacht.

Dann gibt es noch die, die einen Hamas-Anführer getötet haben. Wie? Der Mossad soll beteiligt sein? Wirklich? So etwas Schlimmes würde ich denen nicht zutrauen. Spiegel Offline schreibt linkfrei: „Die Namen, Fotos und Passnummern der angeblich Beteiligten finden sich an diesem Dienstag auf allen Titelseiten der Zeitungen im Emirat“. Und warum dürfen wir die nicht sehen? Hier sind sie: 7Days oder auch Al Arabiya oder auch Khaleej Times. Gut, man kann von Spiegel-Offline-Redakteuren nun wirklich nicht verlangen, nach arabischen Zeitungen im Internet zu suchen.

Was macht eigentlich die Internet-Zensur? Gestern rief mich ein Ermittler an, es ging wieder um den Missbrauch eines Tor-Servers der German Privacy Foundation. Warum eigentlich können deutsche Kriminalbeamte nicht auf unseren Leitfaden für Ermittler zugreifen? Weil sie alle mit Filtern arbeiten, die das verbieten. (Ja, im Ernst!)

Es ergab sich ein kurzes Gespräch, in dem der gute Mann sich über Anonymisierungsdienste an sich beklagte. Ich sagte, man müsse die Zensur in aller Welt unterlaufen. Er antwortete, in Deutschland gebe es keine Intenet-Zensur. Mit manchen Leuten kann man über die Realität ebensowenig diskutieren wie mit Matussek über höhere Wesen.

Project Freeweb protestiert gegen die Internet-Zensur in Australien. „Anonymous sieht die Pläne des Ministers für Breitband, Kommunikation und Digitale Ökonomie, Stephen Conroy, als einen eindeutigen Fall von Zensur unter dem Deckmantel des Jugendschutzes an“, berichtet Heise. Ist ja wie in Deutschland. Nur haben wir noch keinen „Minister für Breitband“. Für dieses Amt würde ich mich sofort bewerben.




Franzosen und Australier zensieren

Die Franzosen führen die Zensur ein, habens ich daher aus der Liste der zivilisierten Länder verabschiedet. Au revoir.

Die Australier sind aber noch schlimmer. Bei Fefe und in australischen Medien kann man etwas über den australischen Kommunikationsminister (!) nachlesen: „Communications Minister Stephen Conroy referred to Google’s censorship on behalf of the Chinese and Thai governments in making his case for the company to impose censorship locally.“ Von China lernen heisst Zensur lernen.

Gerade lese ich auf der Tor-Mailingliste: „TOR is now blocked campus-wide at Auburn University (for all 24,000 students) because of apparent attacks emanating from the TOR network. Whenever trying to run TOR, TOR cannot get past the 10% mark. Would it have been wiser for Auburn University to block incoming connections from TOR nodes, but allow TOR outgoing connections?“




Neusprech

Unbedingt lesen: Telepolis über „Die unerhörte Leichtigkeit beim Ausbau der inneren Sicherheit“. Es geht um das auch in Deutschland von der Politik und einem großen Teil der Medien praktizierte Neusprech. Krieg heißt Friedenserzwingung, Zensur heißt Zugangserschwernis und eine Invasionsarmee heißt Schutztruppe.

„‚Neusprech‘ bezeichnet die vom herrschenden Regime vorgeschriebene, künstlich veränderte Sprache. Das Ziel dieser Sprachpolitik ist es, die Anzahl und das Bedeutungsspektrum der Wörter zu verringern, um die Kommunikation der Bevölkerung in enge, kontrollierte Bahnen zu lenken. Damit sollen sogenannte Gedankenverbrechen unmöglich werden.“

Nun, so weit ist es noch nicht, dass es ein Verbrechen zu denken, dass die Bundeswehr am Hindukusch nichts zu suchen hat. Um so komischer ist es, wenn Medien das Neusprech kritiklos übernehmen. Wie wäre es, Focus, den affirmativen Begriff zu ändern in „die so genannten ‚Schutztruppen'“? Das wäre Journalismus. (vgl. auch Fefe zu einem ähnlichen Thema.)




Wir sind alle kriminell und Terroristen

Spiegel Offline schreibt: „Die vom Bundesinnenministerium im vergangenen Jahr in Köln für zehn Millionen Euro eingerichtete „Zentralstelle für Kommunikationstechnlogien“ dient vor allem dem Kampf gegen Kriminelle und Terroristen, die sich neuer Kommunikationstechnologien bedienen, indem sie zum Beispiel ausländische Telefon- und Internetanbieter benutzen, ihre IP-Adressen durch Anonymisierung unkenntlich machen und den Internetverkehr verschlüsseln.

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: „die sich neuer Kommunikationstechnologien bedienen, indem“. Was ist daran neu? Anonyme Remailer gab es schon immer, und auch Tor wurde nicht erst gestern erfunden. Man vergisst auch zu erwähnen, dass es völlig legal ist, sich anonym im Internet zu bewegen und dass Anonymisierungsdienste wichtige Instrumente gegen Zensur sind. Man macht sich bei Spiegel Offline nicht nur zum Sprachrohr der Überwachungs-Lobbyisten, sondern dokumentiert auch, dass man von Tuten und Blasen schlicht keine Ahnung hat. Journalismus ist das nicht.

By the way: Die sind richtig süß bei Spiegel Offline. Das Wort „Bundesinnenministerium“ verlinkt auf die entsprechende Rubrik bei sich selbst, aber nicht auf díe Website des Ministeriums. Vermutlich könnte mir niemand erklären, warum die Leser von Spiegel Offline davon abgehalten werden sollen, die Website des Bundesinnenministerims zu besuchen. Ein Link zur „Zentralstelle“ fehlt natürlich.




Reality reloaded und Halbhaitianer

ubahn

Natürlich ist es einfach zu bloggen. Man schreibt einfach was hin und schon ist es im berühmt-berüchtigten Internet. Aber was, wenn man gar keine Lust hat? Ich habe mir das Recht genommen eine kleine Pause einzulegen. Keine Sorge alswo: Ich bin nicht in einer Anstalt und meine Telefonrechnung ist auch bezahlt.

Neulich las ich eine Zeitung, Ja, so etwas gibt es noch. Ich wollte nur sehen, ob ich etwas vermisse, wenn ich keine Holzmedien konsumiere. Schaun mer mal den Tagesspiegel vom 19. Januar: Haiti.

Warum ist Haiti eigentlich nicht wie Japan? Warum muss ich überhaupt von so genannten Naturkatastropen etwas erfahren? Vor 500 oder vor 2000 Jahren gab es die auch schon, aber keine Hilfsorganisationen oder gar die US-Marine, die irgendwo aufkreuzt. Ein paar zynische Zwischenfragen allgemeinphilosophischer Natur: In Japan sind die Häuser erdbebengesichert, ein Beben dieser Art würde nicht derartige Schäden kosten oder gar so viele Menschenleben kosten wie in Haiti. Japan ist reicher und kann das bezahlen. Warum ist Japan eigentlcih reicher – ist doch auch nur eine Insel?

„Haiti, die erste unabhängige Republik von Schwarzen und Mulatten, engagierte sich für die Abschaffung der Sklaverei und unterstützte auch Venezuela, Peru und Kolumbien bei ihrem Unabhängigkeitskampf unter Revolutionsführern wie Bolívar und Miranda.“ Ich habe ein sehr schönes Buch hier von Hans Christop Buch: „Die Scheidung von San Domingo – Wie die Negersklaven von Haiti Robesspiere beim Wort nahmen“ (erschienen 1976 bei Wagenbuch). Haiti hat eine einzigartige revolutionäre und freiheitliche Tradition. Was ist also schief gegangen?

Bei Wikipedia kann man die Details nachlesen, die aber nichts erklären: „ein Panorama an Korruption, mangelnde Strafverfolgung, Wahlbetrug, kriminellen Banden, Drogenhandel und die Bereitschaft, Konflikte gewaltsam auszutragen.“ Die Verehrung höhere Wesen hilft offenbar nichts: „Laut einer Zählung der Vereinten Nationen gehören 54,7 % der Einwohner Haitis der römisch-katholischen Staatskirche an, 15,4 % sind Baptisten, 7,9 % Pfingstler, 3,0 % Adventisten, 1,5 % Methodisten, 0,7 % Anglikaner, 0,18 % Zeugen Jehovas[11] und 0,07 % Mormonen. Eine kleine Gemeinde bilden die rund 3.000 Mitglieder der Neuapostolischen Kirche.“

Ich spende sowieso nicht. Wenn ich ein blöde grinsenden Gesicht eines B- und C-Promis sehe, der jetzt für Haiti gespendet hat, kotzt mich das an. Wer hilft, sollte das Maul halten. Tu Gutes, aber rede nicht drüber. Alles andere ist reine Heuchelei. Die Nachrichten von der Katastrophe hätten höchstens einen voyeuristischen Unterhaltungswert für mich. Was ist also Japan anders? Darüber muss ich mal nachdenken.

Kackbraune Kameraden: Nur noch gute Nachrichten. Die NPD ist gespalten, aber das war sie schon immer. Sie wollen gegen den Islam hetzen. Dann sollten sie mal bei Mohammed Amin al-Husseini anfangen, dem selbst ernannten „Großmufti von Jerusalem und Busenfreund Hitlers.

Bezirke gemeinsam gegen Nazis.“ Riecht schon von weitem nach einer Lichterkette. „Kern der deutschlandweit einmaligen Absprache ist es, dass alle Bezirke einen neuen Mietvertrag bei der Vergabe von öffentlichen Räumen nutzen. Darin werden rassistische, antisemitische und antidemokratische Äußerungen explizit untersagt.“ Also Zensur. „So wollen die Bezirke laut der Vereinbarung auch private Vermieter bitten, einen Zusatz in ihre Verträge aufzunehmen, der die Nutzung der Räume durch Rechtsextreme oder den Verkauf von Szeneartikeln ausschließt.“ Aha. Wenn ich also in Zukunft einen Mietvertrag unterschreibe, muss ich einen Gesinnungs-TÜV durchlaufen, beim örtlichen Jugendschutz- oder Blockwart? Oder holt der Vermieter eine Gutachten beim Verfassungschutz ein? Warum schreit niemand laut auf, wenn er diesen groben Unfug hört? Weil Zensur gegen die Bösen zur deutschen Leitkultur gehört. Wer die Bösen bestimmt („extrem“) steht im Kleingedruckten.

Dann habe ich gaaaanz viele Artikel nur flüchtig überlesen (ich saß in der U-Bahn und es war keine schöne Frau da, die ich hätte anstarren können). „Zug überfüllt. Leute mussten aussteigen.“ Ja, wir sind in der Hauptstadt Deutschlands, aber die Bahn, inklusive S-Bahn, bemüht sich redlich, das Niveau Haitis anzustreben.

Ein kluger Mensch und Unternehmer gibt ein kluges Interview. Ich las es. Er hat die Grünen mit gegründet, sich aber jetzt zurückgezogen. Ich sagte es: ein kluger Mensch.

Letzte Seite. „Voodoo-Priester in Haiti haben gegen die Beisetzung der Opfer in Massengräbern protestiert. „Es entspricht nicht unserer Kultur, Menschen auf diese Art zu begraben“, sagte der führende Priester Max Beauvoir. Nun, die Katholen finden Massengräber auch nicht so toll. Was soll der Quatsch? Und wann ist ein „Priester“, gar ein „Voodoo-Priester“ – „führend“?

Schöne Bildunterschrift zu einem Artikel der Printausgabe: „Johnny Bernard aus Berlin ist halb Haitianer.“ Und die andere Hälfte? Halb Deutscher? Oder nur ein halber Neger, also ein Halbblut im Sinne Karl Mays?

Also nein. Zu welchem Niveau wollen die mich eigentlich verdammen? Ich lese doch lieber das Internet.




Child Sexual Abuse Images: An analysis of websites

screenshot

Zensursula fordert dazu auf, die „Netzgemeinde“ möge sich mehr an der „hochinteressanten“ Debatte um Pseudo-Sperren von Websites beteiligen. Das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen. Ich bin aber nur an harten Fakten interessiert; hysterische Moraltheologie und alarmistische Attituden interessieren mich nicht.

Das kanadische Centre for Child Protection hat vor wenigen Tagen eine Studie zum Thema (Ich habe mir den direkten URL aus dem Quellcode gezogen, aus unerklärlichen Gründen bieten die das nur in Flash auf der Website an.) Die Studie ist einigermaßen seriös und bietet interessante Fakten, im Gegensatz zu dem, was in Deutschland von den Zensurbefürwortern zur Diskussion oft herangezogen wird.

Child pornography is child sexual abuse. It often involves real children, is deliberate, and rarely accidental. For it to be created, a child must be sexually abused or posed in a sexualized way. The image that is taken, especially if it is uploaded to the Internet, becomes a permanent record of the child’s abuse, and can propagate indefinitely.

Diese durchaus korrekt Definition zeigt auch eines der Probleme: Unter „Kindesmissbrauch“ versteht man auch das „Posen“: Ein Kind wird so gezeigt, dass seine „Pose“ auf Erwachsene sexuell „anregend“ wirkt. Pornografisch ist letztlich auch das, was nur im Kopf des Betrachters stattfindet.

screenshot

Das erklärt auch, dass es keine „rein“ kinderpornografischen“ Websites gibt, sondern dass das Material in der Regel zwischen anderen pornografischen Angeboten zu finden ist. Die Studie der kanadischen Kinderschützer beschreibt das:

Unlike child pornography websites that do not have a commercial component, sites that profit from child abuse images generally have a theme and begin with a homepage collage of images and text. There are normally text links to sample child abuse material, which connects to a members-only section, and an area where one can apply for membership to the website. Often the collage is followed by a thumbnail gallery, a collection of small images set in rows, labeled as a “free tour” of the website. There are usually 20-60 images in the free tour section. The sites generally advertise large collections of high quality images and videos that are only available to members.

screenshot

Frei zugängliche Kinderpornografie ist also extrem unwahrscheinlich: Der Käufer bezahlt, meistens sogar mit Kreditkarte, und wäre also zu identifizieren – auch im Nachhinein.

Es gibt keine anonymen Websites Für jedes Angebot im World Wide Web (nur dieser Dienst des Internet ist gemeint) gibt es jemanden, der es hostet – und der ist schnell herauszufinden. Das macht die „Argumente“ Zensursulas und anderer Zensur-Befürworte so lächerlich: Es gibt Kinderpornografie nur, weil die Provider gar nichts davon wissen und weil die jeweilige nationale Gesetzgebung etwas anderes unter Kinderpornografie versteht als wir.

Der Wikipedia-Artikel bietet hierzu mehr Informationen: „Manche Sexualforscher vermuten in der aggressiven Gesetzgebung gegen Kinderpornografie den Versuch sexualfeindlicher, moralkonservativer Gruppen, Pornografie allgemein zu kriminalisieren.“

Es ist vermutlich kein Zufall, dass rund die Hälfte aller Websites, die Fotos zeigen, in denen Kinder „sexualisiert“ werden, in den Ländern gehostet wird, in denen die puritanische Sexualmoral bis zur Bigotterie führt – eben in den USA und Kanada. Selbst wenn man sich die These der Kinderschützer zu eigen macht, dass „Posing“ (darunter fiele vermutlich auch FKK) Kinderpornografie sei, gibt es in Deutschland nur zwischen einem und zwei Prozent der Angebote weltweit. Man fragt sich, woher die allgemeine Hysterie beim Thema und die Obsession der Politik und Zensursula stammen und ob in nicht in Wahrheit um etwas ganz Anders geht – um moraltheologischen Exorzismus, das Internet betreffend, und um politische und populistische Heuchelei.

Das Centre for Child Protection schlägt das Folgende vor:
– Working with ICANN and others to adopt standards for ensuring the validity of a registrant’s personal information
– Working with domain registrars internationally to have domains known to host illegal content discarded from use
– Examining notice and takedown options
– Working with payment providers and financial institutions to track and eliminate payment options
– Working with stakeholders to internationally share data (i.e. title bar information, SHA-1 values, common domain names hosting illegal content)

Damit könnten selbst die allerschärfsten Feinde von Zensur und Pseudo-Sperren (wie ich) einigermaßen leben. (Was „illegal“ ist, ist eben nicht immer klar.) Ich wundere mich jedoch, warum diese doch selbstverständlichen Forderungen nicht ohnehin schon umgesetzt worden sind.




Volksverhetzung und gleichgeschaltete Medien

Der Deutschlandfunk interviewt Winfried Hassemer, den ehemaligen Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Hassemer ist mit dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts („eine Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts für meinungsbezogene Gesetze“) nicht zufrieden:

„Die Gegner der Freiheit, solange sie nur ihren Mund aufmachen, meine ich, müssten durch einen Diskurs der Gesellschaft bedient werden, wenn es irgendwie ginge, und eben nicht durch das Strafrecht.“

Ja, ich teile seine Meinung. Der Volksverhetzungsparagraf gehört in seiner jetzigen Form abgeschafft. (Vgl. mein Posting vom 1.11.: „Holocaust-Leugner nicht bestrafen“).

Ich finde Hassemers Argumentation politisch und juristisch bestechend. Ich wundere mich um so mehr, dass alle Medien Deutschlands das Urteil des Bundesverfassungsgerichts begrüßt haben – so einhellig, als seien sie gleichgeschaltet. Das kann doch in einer pluralistischen Gesellschaft nicht sein?! Kein deutscher Journalist teilte die Meinung Hassemers? Oder kamen die, deren Meinung nicht dem Mainstream entsprachen, nicht zu Wort? Da staunt der politische Laie und der Blogger wundert sich.

[FAZ, Zeit, Tagesschau, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche, taz]

Im Parteiprogramm der Piratenpartei heisst es schon zum Thema „Bildung“: „Der freie Zugang zu Information und Bildung ist jedoch nicht nur im Hinblick auf die gesellschaftliche Entwicklung notwendig, sondern auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung unserer Gesellschaft.“

Ich überlege, ob ich nicht Leute suche, die mit mir zusammen einen Antrag beim nächsten Bundesparteitag stellen, das Parteiprogramm zu ergänzen: „Die Piratenpartei lehnt alle Gesetze ab, die politische Meinungen zensieren. Gesetze, die das Gewaltmonopol des Staates missbrauchen, um missliebige politische Meinungen zu unterdrücken, gehören überprüft und notfalls abgeschafft.“ Zensur (auch der Volksverhetzungsparagraf ist Zensur) widerspricht dem freien Zugang zu allen Informationen, auch zu widerwärtigen und falschen.

Ich fürchte aber, dass ich für eine derart libertäre Haltung in Deutschland, der Heimat des Obrigkeitsstaates, noch nicht einmal in der Piratenpartei eine Mehrheit fände. Deutsch bleibt eben Deutsch, da helfen keine Pillen. Ich fühle mich aber als kleine radikale und extrem demokratische Minderheit, zusammen mit einem Verfassungsrichter, ganz wohl.




Liebe ist für alle da ist nicht für alle da

Gulli: „Trotz Porno-Video und Sado/Maso-Texten schaffte es das aktuelle Rammstein-Album ohne öffentlichen Aufschrei bis auf Platz eins der Longplay-Charts. Das war Familienministerin Ursula „Zensursula“ von der Leyen dann wohl doch zuviel, jetzt kommt die Platte auf den Index.“ (Originalquelle: laut)

Von Rammstein Werbung lernen heisst Verkaufszahlen steigern lernen. By the way: Wann verbietet Zensursula die Lieblingsmusik Adolf Hitlers? Die Frau ist einfach nur noch irre.




Category: Pornography

screenshot

Dass burks.de in vielen Unternehmen zensiert wird, hatte ich hier schon dukumentiert. Hier in Update: Ein wohlwollender Leser schickte mir diesen Screenshot mit dem Zusatz: „Hab schon an vielen schulen gesehn dass burks.de zensiert wird sogar hier in der schule in jordanien :D“.
Vielen Dank!




Holocaust-Leugner nicht bestrafen!

Piraten würden vermutlich Henryk M. Broder wählen: „Ich werde mich dafür einsetzen, dass Holocaustleugnung als Straftatbestand aufgehoben wird. Das Gesetz war gut gemeint, hat sich aber als kontraproduktiv erwiesen, indem es Idioten dazu verhilft, sich als Märtyrer im Kampf um die historische Wahrheit zu inszenieren.“

Es geht um § 130 StGB „Volksverhetzung“ und insbesondere um den Absatz 3: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.“

Noch ist die Piratenpartei jung, intelligent und klein und denkt und kann aussprechen, was wahr ist, ohne auf den typisch ängstlich-deutschen Medien-Mainstream Rücksicht nehmen zu müssen. Was sagt der? Die Süddeutsche zum Beispiel: „Da werden sich die Aktivisten der Neonazi-Szene aber bedanken, dass sie jetzt offen ihr Gedankengebräu verabreichen können. Alle, die den Holocaust überlebt haben, wundern sich.“ Welch erbärmliche Schreiber, die offenbar keine zwei Minuten recherchiert haben, warum Broders Meinung ernsthaft diskutiert werden sollte und muss!

Jemand darf offen ekelhaften Schwachsinn verbreiten, wie es Neonazis gewöhnlich tun? Überraschung: Ja, das ist erlaubt. Man nennt das gemeinhin Meinungsfreiheit, die Basis der Demokratie – für Deutsche immer noch schwer zu verstehen. Noch genauer erklärt für die, die das Wort zum ersten Mal hören: Freiheit der Meinung gilt für alle, auch die, die etwas Falsches meinen. In deutschen Medien kann man aber ungestraft fordern, dass Meinungsfreiheit für die Gegner der Demokratie nicht gelten solle. So steht es mit dem demokratischen (Selbst-)Bewusstsein deutscher Journalisten.

Das Recht, alles zu sagen, was man denkt, gilt nie absolut, nur um das „Argument“ vorwegzunehmen. Soll aber der Staat sein Gewaltmonopol durchsetzen, um zu garantieren, dass die Bürger die Geschichte richtig verstehen und interpretieren? Haben wir das nötig? Nein: Wer den Holocaust leugnet, sollte straffrei bleiben wie derjenige, der behauptet, die Erde sei eine Scheibe, zwei mal zwei sei fünf oder Maria (falls sie existiert hat) sei Jungfrau gewesen, als sie einen gewissen Jesus (falls er existiert hat) geboren habe.

Die Piraten sind die einzige Partei in Deutschland, die effektiv gegen Neonazis, Antisemitismus und Rassismus kämpft, weil sie alle Zensurgesetze (ja, Zensur!) abschaffen will. Darüber diskutiert die Partei intern kontrovers, aber die Mehrheit billigt den intelligenten Konsens: Zensur ist kontraproduktiv und gehört ins vorige Jahrtausend. Alle anderen Parteien drucksen verschämt herum oder fordern Verbote, weil sich das für die Lichterkettenträger irgendwie moraltheologisch wertvoll anhört und ein gutes Gewissen macht.

Ich habe ganz klar gefordert: Alle Zensurgesetze abschaffen! Um das zu fordern, braucht man hierzulande Mut. Es braucht auch Mut, um zu fordern: Staat und Religion sollten getrennt sein (keine Kirchensteuer, kein Religions“unterricht“ an den Schulen, Blasphemie-Paragrafen ersatzlos streichen.) Wer fordert, die Leugnung des Holocaust nicht zu bestrafen, wird in den Medien und in der Öffentlichkeit so behandelt wie jemand, der Heroin freigeben will. Nur wenn man zufällig Nobelpreisträger ist wie Milton Frieman, dann darf man das laut sagen, ohne als leicht irre zu gelten.

Nur vereinzelt wagen es Juristen und Journalisten, sich dem kommunitären Zwangskonsens zu widersetzen. Hier ein paar Beispiele (Auszüge) zur weiteren Diskussion:

Deutscher Denkmalschutz

Das Verbot der Auschwitz-Lüge ist bizarr. Die vermeintlich bekämpfte Diskriminierung der Juden wird auf subtile Weise weiterbetrieben – in seiner Heimat vor antisemitischen Anwürfen geschützt werden zu müssen ist nicht weniger demütigend als die Anwürfe selbst. Aus diesem Grund hat sich der damalige Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Hendrik van Dam, vor Jahren gegen die Absicht verwahrt, ausgerechnet in Deutschland einen ’strafrechtlichen Naturpark‘ für Juden anzulegen.

Geschützt wird durch das Verbot der so genannten Auschwitz-Lüge vielmehr ein Rechtsgut, das in der Rechtsgeschichte demokratischer Staaten bis dahin aus guten Gründen unbekannt war: das staatlich verfügte Geschichtsbild.

Der Wahrheit des Holocaust ist nicht gedient, wenn sie im Strafgesetzbuch steht und nicht in den Köpfen der Bürger. Es dient ihr nicht, wenn sie geglaubt werden muss, nicht weil sie unwiderleglich, sondern weil sie befohlen ist. Die Staaten sind es, die Geschichte schreiben, aber wenn sich die Staaten der Geschichtsschreibung bemächtigen, das Geschichtsbild nicht der Gesellschaft überlassen, sondern nach Fertigstellung im Strafgesetzbuch dekretieren, dann ist damit nichts über diese historische Wahrheit, aber alles über diese Staaten gesagt.
(Christian Bommarius, Berliner Zeitung, 27.04.2004)

Wer bestimmt, was historische Wahrheit ist?

Die Geschichtswissenschaft sieht sich in den freien Gesellschaften des Westens tatsächlich hohen Erwartungen ausgesetzt; dieser Druck kann so weit gehen, daß die Historiker aufschreien. Das zeigt das Manifest von 19 renommierten französischen Historikern und Intellektuellen, das in derselben Woche, in der Ahmadinedschad den Holocaust leugnete, die Straffreiheit solchen Leugnens forderte. In Frankreich ist (wie in Deutschland) das Leugnen des Holocausts strafbar.

Gegen diese politischen Einschränkungen der historischen Arbeit wendet sich das Manifest: ‚Die Geschichte ist keine Religion. Der Historiker akzeptiert kein Dogma, respektiert kein Verbot, kennt keine Tabus. Er kann stören.‘ Zweitens: ‚Die Geschichte ist nicht die Moral. Es ist nicht die Rolle des Historikers, zu preisen und zu verdammen; er erklärt.‘ Drittens: ‚Die Geschichte ist nicht die Sklavin der Aktualität. Der Historiker drückt der Vergangenheit nicht die ideologischen Schemata der Gegenwart auf und bringt in die Ereignisse von einst nicht die Sensibilität von heute.‘ Viertens: Die Geschichte ist nicht mit Gedächtnis gleichzusetzen, fünftens: ‚Die Geschichte ist kein Rechtsgegenstand. In einem freien Staat ist es weder Sache des Parlaments noch der Justiz, geschichtliche Wahrheit zu definieren. Die Politik des Staates, auch wenn sie von besten Intentionen getragen ist, ist nicht Politik der Geschichte.‘ Gezeichnet von, unter anderen: Elisabeth Badinter, Marc Ferro, Pierre Nora, Mona Ozouf, Paul Veyne.


Hehre Worte! Nach Jahrzehnten, in denen die Geschichtsschreibung sich ausgiebig selbst betrachtet und fleißig ihre ‚Diskurse‘ analysiert hat, klingt der Anspruch, Historiker kennten weder Dogmen noch Tabus, altertümlich selbstvergessen. Aber es ist eine Aufforderung, keine Beschreibung. Und es stimmt ja, daß jeder Historiker die Bereitschaft mitbringen muß, Revisionist zu sein. Wissenschaft kommt ohne Revision nicht aus; die Tatsache, daß die Zahl der Opfer in Auschwitz-Birkenau noch bis 1990 drei bis vier mal so hoch angegeben wurde wie heute, hat das Erschrecken über den Holocaust (und die geschätzte Gesamtzahl seiner Opfer) nicht gemindert. So wird historische Wahrheit ohnehin immer neu bestimmt …
(Christian Esch, Berliner Zeitung, 17.12.2005)

Freiheit auch für Irre

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar entschieden, die Leugnung des Holocaust sei nicht durch Artikel 5 Grundgesetz gedeckt. Weil dies keine Meinungsäußerung sei, sondern eine Tatsachenbehauptung, die ‚erwiesen unwahr‘ sei. In den USA, in Kanada und auch Großbritannien hingegen wird dies ganz anders gesehen – so unerträglich es auf den ersten Blick erscheinen mag. Dort ist auch die Leugnung des Holocaust durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, und der Vorstoß von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, die Leugnung des Holocaust europaweit unter Strafe stellen zu wollen, stieß in Großbritannien deshalb auf laute Proteste.


Statt die deutsche Praxis zu exportieren, sollte man über ihr Ende nachdenken. (…) Den demokratischen Staat hingegen muss man vor politisch motivierten Lügen nicht schützen. Im Gegenteil, er muss und kann sie aushalten, dafür ist die Meinungsfreiheit viel zu kostbar.
(Christoph Seils, Zeit Online, 15.02.2007)

Irreguläres Ausnahmestrafrecht

Paragraph 130 StGB enthält irreguläres Ausnahmestrafrecht und steht damit insoweit zu Verfassung und Meinungsfreiheit im Widerspruch. Der Gesetzgeber muß sich hier zu einer Richtungsänderung durchringen und – über 60 Jahre nach dem Ende des ‚Dritten Reiches‘- einen weit vorangetriebenen deutschen Sonderweg verlassen, um zu den normalen Maßstäben eines liberalen Rechtsstaates zurückzukehren.
(Dr. Günter Bertram: Der Rechtsstaat und seine Volksverhetzungs-Novelle, Neue Juristische Wochenschrift, Heft 21/2005, S. 1476 ff.)

Falsche Europäisierung
Äußerungen über historische Themen sind kein Fall für das Strafrecht.

Die alte Frage ‚Wie oft wird Hitler noch besiegt?‘ muss eigentlich lauten: Wann ist Hitler endlich besiegt? Bisher gibt es dafür kaum Anzeichen. Das Hakenkreuz steht weiterhin unter strengem staatlichen Markenschutz. Sogar in durchgestrichener Form ruft es Staatsanwälte und Gerichte auf den Plan; jetzt entscheidet darüber der Bundesgerichtshof. (…) Sondergesetze zum 8. Mai und zum Holocaust-Mahnmal sollen Geschmacklosigkeiten verhindern und die deutsche Erinnerungskultur frei halten von Missbrauch. Das offenbart die große Macht, welche die Extremisten über diese freiheitliche Grundordnung haben. (…)

Dieser merkwürdige Umgang mit dem hirnrissigen NS-Kult soll nun auch auf Europa ausgedehnt werden: Die Bundesregierung plant, während der deutschen Ratspräsidentschaft in der EU ein altes Vorhaben wiederzubeleben und die Leugnung des Holocaust und anderer Völkermorde unter Strafe zu stellen. Damit hat Deutschland Erfahrung. Gerade erst wurde der notorische Holocaust-Leugner Ernst Zündel – durchaus konsequent – zur Höchststrafe von fünf Jahren Haft verurteilt. Nicht wenige Gewaltverbrecher, die Menschen zu Tode gebracht haben, und viele Wirtschaftskriminelle kommen mit milderen Strafen davon; das ist ein Zeichen für die heutige Bedeutung der Strafnorm ‚Volksverhetzung‘.

Einst sollte damit die ‚Anreizung zum Klassenkampf‘ bekämpft werden. (…) Doch wurde das Delikt der Volksverhetzung unter einer recht großen Koalition immer mehr zu einem Sondergesetz gegen bestimmte Äußerungen und Meinungen – und das stößt sich an der Meinungsfreiheit des Grundgesetzes und auch an den europäischen Grundwerten.(…)

Äußerungen über geschichtliche Vorgänge sind keine Fälle für das Strafrecht, es sei denn, man will bestimmte Themen tabuisieren oder eine Denkart vorschreiben. Beides steht zur freiheitlichen Demokratie in Widerspruch. Wer allgemein bekannte historische Tatsachen leugnet, macht sich ohnehin lächerlich. Nachfragen muss aber jeder dürfen. Nichts darf per Gesetz außer Streit gestellt werden. (…)

Dass auch das Verharmlosen von historischem Unrecht strafbar ist, führt zu absurden Ergebnissen. So wurde ein Landesvorsitzender des Bundes der Vertriebenen angeklagt, weil er öffentlich darauf hingewiesen hatte, dass die Zahl der Auschwitz-Opfer, wie er in Polen erfahren habe, deutlich niedriger sei als früher angenommen. Tatsächlich entsprach seine Zahl in etwa dem Stand der neuesten Forschung. Doch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs kann auch ein solches ‚bewusstes Infragestellen der Opferzahlen von Auschwitz‘ strafbar sein.
(Reinhard Müller, FAZ, 12.03.2007)

Ex-Verfassungsrichter: „Holocaust-Leugner nicht bestrafen“

Wolfgang Hoffmann-Riem war bis April dieses Jahres Richter am Bundesverfassungsgericht. Bei einem Auftritt im Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung schockt der renomierte Jurist das Publikum mit einer gewagten These: Das Verbot der Holocaust-Leugnung schützt die Menschenwürde nicht.

Er ist einer der angesehensten Juristen der Bundesrepublik und gilt als strenger Hüter von Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Wenn einer wie er in einer öffentlichen Veranstaltung gefragt wird, ob die Leugnung des Holocaust strafbar bleiben soll, erwartet man gespannt die Antwort. Und dann kommt es: Wolfgang Hoffmann-Riem, bis zum April Richter am Bundesverfassungsgericht und ehemals Justizsenator in Hamburg, sagt: ‚Wäre ich Gesetzgeber, würde ich die Leugnung des Holocaust nicht unter Strafe stellen.‘ Hätte er als Verfassungsrichter dazu eine Entscheidung treffen müssen, ‚hätte ich mich schwer getan‘.


Hoffmann-Riem begründet seine Haltung nur kurz: Mit der Strafbarkeit der Holocaust-Leugnung werde nicht das Rechtsgut geschützt, das geschützt werden soll. Gemeint ist vor allem die Menschenwürde. Das Bundesverfassungsgericht habe sich, sagt Hoffman-Riem, bislang ’nicht sehr eingehend‘ mit der Strafbarkeit der Holocaust-Leugnung befasst. Aber womöglich gebe es dazu ‚mal eine neue, grundlegende Entscheidung‘.
(Frank Jansen, Tagesspiegel, 10.07.2008)

Der Kampf um die Erinnerung

Der Paragraph 130 des deutschen Strafgesetzbuches lohnt eine genauere Lektüre. Es ist eine beeindruckende Lektion in Sachen Geschichtspolitik statt Meinungsfreiheit. (…) Vergleichbare gesetzliche Regelungen gibt es inzwischen in 15 Staaten. In der Europäischen Union wird eine einheitliche Gesetzgebung dazu angestrebt. Französische Historiker haben nun eine Initiative gestartet gegen diese Versuche, ein staatlich verordnetes Geschichtsbild durchzusetzen, italienische Kollegen haben sich angeschlossen. Bisher haben nur sehr wenige Deutsche – darunter allerdings solche Erinnerungskapazitäten wie Aleida und Jan Assmann – den Appell unterschrieben.

In der Erklärung, dem Appell von Blois, heisst es: „In einem freien Staat ist es nicht die Aufgabe irgendeiner politischen Autorität zu definieren, was die historische Wahrheit sei, geschweige denn darf sie die Freiheit des Historikers mittels der Androhung von Strafsanktionen einschränken. Wir fordern die Historiker auf, in ihren Ländern ihre Kräfte zu sammeln und sich diesem Appell anzuschließen, um der Vermehrung von Erinnerungsgesetzen Einhalt zu gebieten. Die politisch Verantwortlichen bitten wir zu begreifen, dass es zwar zu ihren Aufgaben gehört, das kollektive Gedächtnis zu pflegen, dass sie aber keinesfalls per Gesetz Staatswahrheiten institutionalisieren sollen, die schwerwiegende Konsequenzen für die Arbeit des Historikers und für die intellektuelle Freiheit insgesamt haben können.“

Es ist gut, dass der Widerstand gegen ein staatlich verordnetes, mit Hilfe des Strafgesetzbuches festgezurrtes Geschichtsbild sich endlich so deutlich meldet. U.a. Timothy Garton Ash, Giuseppe Galasso, Eric Hobsbawm, Pierre Nora, Heinrich August Winkler haben schon unterschrieben.

Wo kommen wir hin, wenn die Leugnung historischer Tatsachen unter Strafe gestellt wird? (…)


Bei der Strafbelegung der Holocaustleugnung wird zwar so getan, als ginge es dabei um eine Verteidigung der Tatsache des Holocausts. Indem man aber die Diskussion über die Tatsache unter Strafe stellt, macht man aus einer – immer diskutierbaren – Tatsache einen Glaubensartikel, der nicht in Frage gestellt werden darf.
(Arno Widmann, Frankfurter Rundschau, 22.10.2008)

Weitere Quellen zum Beispiel:

Der Prozess gegen Ernst Zündel stellt deswegen erneut die Frage, ob die Strafbarkeit der Leugnung des Holcaust, ein Sondermerkmal deutscher Rechtsprechung, nicht genau das hervorbringt, was sie eigentlich verhindern soll: Eine Plattform für die Neonazis. (Jochen Schönmann, Spiegel Online, 15.02.2007)

Die Demokratie müsse das aushalten können, meinte an einem der letzten Verhandlungstage ein angehender Rechtsanwalt im Foyer. Was aber? Solche ekelhaften Prozesse? Oder solche ekelhaften Typen wie Zündel? Solange in Deutschland das Leugnen des Holocausts unter Strafe steht, ist das keine Frage. Die Rechtslage ist klar. Die Politik könnte das ändern. Denn schließlich haben die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen noch keinen Revanchisten davon abgehalten, seine volksverhetzenden Thesen in Wort und Schrift zu verbreiten. Ohne diesen Prozess jedenfalls wäre Zündel für die Rechtsextremisten jetzt kein Märtyrer
(Klaus-Peter Klingelschmitt, taz, 16.02.2007)

Deutschlandradio, 24.01.2007: Aufklärung lässt sich nicht verordnen – Italienische Historiker gegen Verbot des Holocaust-Leugnens

Neue Zürcher Zeitung, 22.10.2008: „Wider die ‚Staatswahrheit‘ -Ein Appell europäischer Historiker, von Marc Zitzmann.




Ignore this Wikifefe oder: Wann ist ein Blogger relevant?

Ich muss hier mal eine Lanze für Fefe brechen. Ja, wir haben schon oft Krieg geführt, hier und hier und hier, und immer auf unterschiedlicher Seite. Aber Felix Leitner für nicht relevant zu erklären, was einige bei/von Wikipedia versucht haben, ist einfach Nonsens. Wenn er nicht relevant war, dann ist er es jetzt – dank Wikipedia. Die Methode „ignore this sign“, oft auch im DJV gegen Kritiker angewendet, ist das Zweitdümmste, was man machen kann (das Dümmste wäre Suizid).

Hier ein Vorschlag zur Güte: Wann ist ein Blogger relevant?
– Er/sie muss im letzten Jahrtausend mindestens 10 Postings im Usenet verfasst haben,
– er/sie muss wissen, wie man nach de.alt.arnoo kommt,
– er/sie darf beim Begriff Perl nicht das fehlende e ersetzen wollen,
– er/sie sollte beim Begriff Gatling weder an ein Schnellfeuergewehr noch an einen Fisch denken,
– er/sie sollte mindestens eine E-Mail-Adresse von Herwart Holland-Moritz erraten können,
– er/sie sollte wissen, warum Gopher etwas mit der Universität von Minnesota zu tun hat,
– sollte Gödel nicht mit Dödel verwechseln,
– sollte Cap’n Crunch weder mit einem Piraten noch mit etwas Knusprigem verwechseln,
– sollte noch bloggen können, selbst wenn Zensursula ihm WordPress und alle Domains verböte, die die Zeichenkette „blogger“ enthalten,
– er muss schon einmal ein Terminal benutzt haben,
– er muss wissen, dass „shell“ nicht nur der Name einer Ölfirma ist,
– er muss wissen, was ein Semikolon ist,
– er muss einen flame war mindestens eine Woche durchhalten,
– er muss Brülls‘ Law, Tetzlaff’s Law und Hellinger’s Law kennen und Krietsch’s Egotheorem akzeptiert haben,
– er ist relevant, wenn er bei einer Beschlagnahme seiner Rechner „asymmetrische Kryptografie“ vor sich hin murmelt.




Kein [xxx]lob

Gottlob

Gestern war ich mit den TeilnehmerInnen meines Online-Journalismus-Seminars zum Abschluss und nach Zeugnis- und Zensurenvergabe in einer Kneipe, deren Namen ich absolut bescheuert fand. Nett und unterhaltsam war’s trotzdem.




Kaspersky will Anonymität im Internet verbieten

The Register: „Security boss calls for end to net anonymity“:
„The CEO of Russia’s No. 1 anti-virus package has said that the internet’s biggest security vulnerability is anonymity, calling for mandatory internet passports that would work much like driver licenses do in the offline world. (…) In Kaspersky’s world, services such as Psiphon and The Onion Router (Tor) – which are legitimately used by Chinese dissidents and Google users alike to shield personally identifiable information – would no longer be legal. Or at least they’d have to be redesigned from the ground up to give police the ability to surveil them. That’s not the kind of world many law-abiding citizens would feel comfortable inhabiting.“

Hier ist das Original-Interview auf zdnet.com:
What’s wrong with the design of the Internet?
There’s anonymity. Everyone should and must have an identification, or Internet passport. The Internet was designed not for public use, but for American scientists and the U.S. military. That was just a limited group of people–hundreds, or maybe thousands. Then it was introduced to the public and it was wrong…to introduce it in the same way.

I’d like to change the design of the Internet by introducing regulation–Internet passports, Internet police and international agreement–about following Internet standards. And if some countries don’t agree with or don’t pay attention to the agreement, just cut them off.“

Der Herr ist offenbar ein Gesinnungsgenosse von Zensursula, Schäuble und der KP Chinas. Geh doch rüber nach Nordkorea, Kaspersky!




Second Chance für Second Life (in deutschen Medien)

Second Life

Screenshot: die Benutzeroberfläche des Second-Life-Clienten. Mein virtuelles Büro in Cymric auf knapp 4000 „Meter“ Höhe. Der rote Button links ist für eine „minderlegale“ Software, mit der ich andere Avatare durch die Gegend schleudern kann, wenn sie mich nerven. Die Menüs rechts machen meinen Avatar zu einem Karatekämpfer, der andere wegpushen kann, auch wenn Avatare unverletzlich sind, und versetzen ihn in die Lage, die Chats anderer zu belauschen – auch aus einiger Entfernung. Als Inhaber einer virtuellen Detective Agency hat man immer ein paar schmutzige Tricks im Ärmel. Neulinge – „geboren“ nach 2007 – in Second Life wissen oft gar nicht, was es so alles gibt.

Deutsche Medien und Second Life – ich sollte ein Lehrbuch für Journalistik schreiben. Ich hatte gleich zahllose Beispiele, wie man es nicht machen sollte. Vielleicht tue ich Spiegel offline auch unrecht. Vielleicht ist es nur Selbstironie, wenn die über Second Life schreiben: „Totgeglaubte virtuelle Welt“. Vom Glauben wird man nicht satt, und Glaubensfragen zu verbreiten ist keine journalistische Aufgabe. wer glaubte denn – und warum?

„Glaubt man dem Medienecho, dürfte es ‚Second Life‘ längst nicht mehr geben. Die einst hochgelobte virtuelle Welt hat einen miesen Ruf. De facto aber ist ‚Second Life‘ ein profitables Unternehmen mit vielen Nutzern. Und Konkurrenten wie „Twinity“ [nein, Spiegel offline setzt keinen Link zu Twinity.] versuchen sich auf dem gleichen Feld.“

„Einst hochgelobt“ – vom wem? Vom gesunden Volksempfinden? Von Redakteuren, die sich zehn Minuten dort aufgehalten haben? Interessanter wäre es doch zu erklären, warum es zu einem sinnfreien Hype kam und warum der plötzlich abebbte. Natürlich – es handelt sich um deutsche Medien. Denen muss man nur das Wort „Kinderpornografie“ in den Rachen werfen. Irgendetwas wird schon hängen bleiben. Vergleiche den unsäglich dämlichen Artikel im österreichischen Standard: „Kinderpornos: Die Gefahr lauert nicht nur im WWW“. (Deutschsprachige, nicht deutsche Medien – wie wollen die Aussis nicht einverleiben.)

Einen „miesen“ Ruf hat Second Life nur bei denen, die alles glauben, was in der Zeitung steht oder im Fernsehen kommt. „Kinderpornografie in Second Life“ ist eine Medienente von Report Mainz. (Mittlerweile kenne ich sogar diejenigen, die damals agierten, als der Informant von Report Mainz Screenshots machte – es waren ohnehin keine Kinder involviert.)

Second LifeSecond Life

Mein Avatar besucht eine Sim in Second Life, die das Engadin virtuell präsentieren will.

Erstens: Twinity ist eine Totgeburt. Recherche bedeutet nicht, dass man das abschreibt, was die Macher behaupten. Das hingegen nennt man Public Relations, auch als Werbung bekannt. Schon mal davon gehört? Christof Kerkmann, dpa, ich wette, geschätzer Kollege, dass du weder einen Avatar in Twinity noch in Second Life hast.

„Bereits vor einigen Monaten verbannte die Firma aus San Francisco einige Inhalte in einen virtuellen Rotlichtbezirk. Nur wer sich bei der Registrierung als Erwachsener ausweisen kann, kommt dort rein. Kein Avatar soll ungewollt mit Sex, virtuellem Drogenkonsum und Gewalt zu tun bekommen – das schadet dem ohnehin angeschlagenen Ruf.“

Zweitens: Davon ist so gut wie kein Wort wahr. Es gibt – so wie das da steht – keinen „virtuellen Rotlichtbezirk“. Cybersex kann man überall kriegen und haben. Ich will nicht schon wieder von Gor in Second Life anfangen. Gemeint ist: Eine Sim mit „adult“-content, also Inhalt für Erwachsene, kann man als Avatar nur betreten, wenn man eine „age verification“ gemacht hat. Ein 16-Jähriger kann Second Life genau so leicht spielen wie er ein Video ausleihen kann, das nur für Erwachsene ist. Die „Altersverifikation“ ist ein Placebo. Vermutlich hat Lindenlab die nur eingeführt, damit deutsche Medien mit ihrer calvinistischen Obsession endlich das Maul halten. Aber um das herauszufinden, müsste man „vor Ort“ recherchieren. Beim Thema Second Life ist Google offenbar noch nicht einmal der Minimalstandard der Recherche. Und noch eins: „virtuellem Drogenkonsum und Gewalt“. Tickt ihr noch ganz richtig bei Spiegel Offline bzw. dpa? Was zum Teufel ist „virtueller Drogenkonsum“? Und haben das die Jugendschutzwarte auch verboten? Zuzutrauen wäre es ihnen. Wie kann man so einen Unfug unredigiert auf die Leute loslassen?.

Second Life

Es nützt auch nichts, wenn ab und zu virtuelle Welten gelobt werden mit dem Hinweis, dass die nächste Generation (für Zensursula und Schäuble wäre das die gefühlte überüberübernächste Generation) schon mit Avataren aufwächst. Diese Welten sind Datenkraken, erziehen die lieben Kleinen zu Konsumfetischisten und sind nur primitive 3D-Chats – kein Vergleich mit Second Life.

Auch Zeit Online stößt ins gleiche Horn: „Ausgestorben, unfertig, völlig überschätzt: «Second Life» hat einen miserablen Ruf. Die virtuelle Welt erlebte erst einen beispiellosen Höhenflug bei Nutzern und Medien, stürzte dann aber umso tiefer ab.“

Wieso „stürzte sie ab“? Die Nutzerzahlen sind kontinuierlich gestiegen, die Performance hat sich kontinuierlich verbessert. Fakten, Fakten, Fakten, und nicht an die Gefühle denken. Das wäre Journalismus. Der Text des Artikels konterkariert sich immerhin selbst: „‚Die Wahrnehmung von Second Life entspricht nicht der Realität‘, sagt der Chef von Linden Lab. Das Entwicklerteam habe anfangs nicht mit dem riesigen Andrang Schritt halten können, gesteht er ein. Doch heute sei die 3D-Welt stabil – und bei weitem nicht entvölkert: Rund 16 Millionen Nutzer sind registriert, jeden Monat loggt sich eine Million von ihnen ein, ein beträchtlicher Teil davon aus Deutschland. Ebenso wichtig für die Firma: Sie verbringen im Schnitt immer mehr Zeit auf der Plattform.“

Ja, was deutsche Medien schrieben, entsprach nicht der Realität. So einfach ist das. Darüber sollte man ein wenig nachdenken. Und woher das wohl kommt? Ansonsten ist es dergleiche Artikel von dpa, nur dass Zeit Online den Namen des Autors weglässt. Zeit online und Spiegel „Online“ bringen identische Artikel? Ja. Bin mal gespannt, was passierte, wenn ich beiden denselben Artikel anböte mit dem Hinweis, das wäre doch kein Problem..

Second Life

Mein Avatar mit zwei Freundinnen in Second Life, einer Holländerin, meiner virtuellen „Partnerin“, und einer Freundin aus Mendoza in Argentinien. Mit beiden chatte ich in Englisch, obwohl beide Deutsch verstehen.




Es gibt keinen Fall Tauss

Jörg Tauss, Ex-MdB der SPD, Mitgled der Piratenpartei, schreibt in seinem Blog über Report Mainz: „Report Mainz liegt nach eigenen Angaben die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vor. Dies ist ein weiterer bemerkenswerter Vorgang im ‚Fall Tauss‘. Die Beurteilung, ob die gesamte Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft noch mit rechtsstaatlichen Ermittlungen zu tun hat, soll anderen überlassen bleiben und braucht an dieser Stelle nicht kommentiert werden. (…) Das gesamte Verfahren leidet leider darunter, dass Vermutungen ohne weitere Nachfrage als Verdacht formuliert worden sind. Und dies auch immer wieder öffentlich, wie Ihre Anfrage zeigt.“

Dazu kommentiert Hartmut in Kritik und Kunst: „Wenn das stimmt, wenn es wirklich Personen gibt, die von Tauss vorab über seine Rechercheabsicht informiert wurden (zu der er nach meinem Rechtsverständnis bei Lektüre des Gesetzestextes allemal berechtigt war als Bundestagsabgeordneter, der mit diesem Thema inhaltlich befasst war), dann existiert schlicht und ergreifend kein Fall Tauss. Dann existiert bestenfalls oder schlimmstenfalls ein Fall Schwiegersohn-Schäuble/von der Leyen. Sollte Tauss´ Darstellung – es habe natürlich Personen gegeben, die er vorab über seine Rechercheabsicht informiert habe – nicht widerlegt werden, so haben wir es hier mit einem ziemlich widerwärtigen Verfahren zu tun.(…)

PS: Bei den aufgefundenen CDs / DVDs wird jetzt die Zahl 35 MBs kolportiert. Ich weiß nicht, ob diese Zahl stimmt. Wenn sie stimmt, breche sogar ich oller Digi-Knipser in schallendes Gelächter aus. Sogar jeder dahergelaufene Trottel, der, wie ich (Ihro regierende Majestät Hartmut DAU I.) von digitalen Dingen nur marginal Ahnung habe, weiß: 35 MBs bei hunderten von Photos? Besonders dulle kann die Qualität seiner Wichsvorlagen ja nicht gewesen sein…“

Ich lege mich jetzt fest, ohne die Fakten zu kennen. Report Mainz recherchiert ohnehin nicht immer seriös. Ich erinnere an die Falschmeldung (ja, Falschmeldung!), in Second Life gebe es verbotene „Kinderpornografie„. Man muss so etwas nur behauptetn, dann bleibt es in der Welt wie die Zahnpasta, die aus der Tube ist. Die mengelnde Seriösität von Report Mainz mag an der örtlichen Nähe zu der Zensur-Lobby und den Jugendschutzwarten liegen.

Für mich gibt es keinen „Fall Tauss“. Für mich gibt es den Fall, dass in der Tradition McCarthys eine Hexenjagd veranstaltet wird,.ein kollektiver Exorzismus, von untergründiger Angst geschürt, von sensationslüsternen Medien (ja, ich bin gern Nestbeschmutzer!) und Teilen der Justiz und Zensur-Lobby bewusst angefeuert.

By the way: Ich weiß, wovon ich rede. Die Staatsanwaltschaft in Berlin hat gerade erfolglos versucht, mich wegen § 353d StGB – „Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen“ – verurteilen zu lassen: „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer (…) die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.“ Ich überlege, ob ich nicht Strafanzeige gegen Report Mainz stelle, nur um zu sehen, was dabei herauskommt.

Und zweitens kenne ich Vorwürfe, da wäre doch irgendwas mit Kinderpornografie, aus dem verbandsinternen Mobbing beim DJV. Am 30. Novemebr 2005, als alles schon vorbei war, habe ich einen offenen Brief an einen Funktionär iom DJV verfasst: „Ich darf Sie daran erinnen, dass keine Kollegin und kein Kollege aus Ihrem Verband, dem DJV Baden-Württemberg, es für nötig gefunden hat, auf die unsägliche und bundesweite E-Mail des Berliner Landesvorsitzenden Alexander Kulpok aus dem vorletzten Jahr zu reagieren, die an alle Geschäftsstellen des DJV ging, in der mir vorgeworfen wurde, gegen mich läge ein Ermittlungsverfahren wegen der Verbreitung von Kinderpornografie vor. Das Landgericht und das Kammergericht Berlin haben dazu erfreulich eindeutig und zu meine Gunsten geurteilt.“

Ich kann Jörg Tauss nur raten, mit äußerster Härte und Konsequenz gegen alle die vorzugehen, die jetzt fahrlässig das Maul aufmachen über Dinge, die sie nur vom Hlörensagen kennen. Es hilft überhaupt nichts, Rücksicht zu nehmen. Man muss gleich mit Feuer und Schwert unter die Intriganten und Verleumder fahren wie der Teufel unter die armen Seelen. Ich habe es damals so gemacht und habe gewonnen, und es kam meine Gegner teuer zu stehen. Aber ich hatte Kollegen, die mir halfen. Das hat nicht jeder.

Ceterum censeo. Für mich gibt es keine causa Tauss.




Erst löschen, dann sperren oder umgekehrt [Update]

Netzpolitik.org sagt das Nötige über den faulen Kompromiss bei den Koalitionsverhandlungen, der kein Kompromiss ist, sondern „Volksverdummung“: „Bei der Vorratsdatenspeicherung soll die Nutzung auf schwere Straftaten beschränkt bleiben, was das Bundesverfassungsgericht auch schon durchgesetzt hat.“ Die Regierungsparteien haben sich auf etwas geeinigt, was ihnen vom höchsten deutschen Gericht ohnehin vorgeschrieben wurde. Na toll. Man muss ja froh darüber sein, dass die Parteien nicht beschlossen haben, das Recht zu brechen. (Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist automatisch geltendes Recht.)

„Tolle Infos gibt es bei der Netzzensur. Hier soll tatsächlich das Bundeskriminalamt ‚zunächst versuchen‘, kinderpornographische Seiten zu löschen statt zu sperren. Nach einem Jahr soll mit die Erfahrung mit der Löschung ausgewertet werden.“ Spiegel Online macht darauf eine suggestive Falschmeldung: „FDP stoppt Internetsperren“. Die Überschrift „FDP stoppt Internetsperren nicht“ wäre genauso richtig gewesen. Nun, Der Spiegel-Gründer Rudolf Augstein war mal Bundestagskandidat der FDP. Das merkt man irgendwie noch.

Felix Leitner schreibt: „Das liest sich jetzt wie ein großer Gewinn, aber wenn man mal kurz das Hirn anschaltet, wird man feststellen, dass sie das beides auch schon vorher gesagt haben.“

Sehr ausführlich odem.org. Die Statements dort sind mit jedoch zu unkritisch. Wenn die CDU das so unterschreiben soll, hieße das, dass ihr gesamtes polititsches Konzept, wenn man davon reden kann, die Überwachung des Internet betreffend, nur Wahlkampfgetöse und nicht ernst gemeint gewesen wäre.

Besonders lustig Focus Online: „Union und FDP haben sich auf höhere Hürden bei Online-Durchsuchungen und über eine Aussetzung der Internetsperren für Kinderpornografie geeinigt. Entsprechende Seiten werden zunächst gelöscht und nicht gesperrt, sagte eine FDP-Sprecherin.“ Umgekehrt wäre doch auch schön: Zunächst gesperrt und dann gelöscht. Was ist für die Rezipienten eigentlich der Unterschied? Und für den ermittelnden Staatsanwalt?

Da es Online-Durchsuchungen technisch gar nicht geben kann, brauche ich das nicht weiter zu kommentieren. Der Hoax ist nun einmal in den Köpfen, und der Intelligenzquotient deutscher Journalisten ist nicht so hoch, dass sie auf die Idee kämen, noch einmal zu recherchieren, wann die Ente in die Welt kam.

Update: Zeit Online: Der Pyrrhussieg der Liberalen. Die FDP wollte die bisherige Unions-Politik der Inneren Sicherheit stoppen und ihr eine neue Richtung geben. Es ist ihr gründlich misslungen.“ [mehr…]