Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil 1]

Plötzlich ist das Thema aktuell: Wenn nicht geregelt worden ist, wie die Macht an den jeweils nachfolgenden Vertreter der herrschenden Klasse übergeben wird, ist alles möglich. prinzipat

Ich hatte eine Rezension des ganz hervorragenden Buchs von Armin Eich Die römische Kaiserzeit: Die Legionen und das Imperium hier schon angekündigt. Vorab sei den Nachgeborenen aber erklärt, warum man sich mit so einem exotischen Thema beschäftigen sollte bzw. muss.

Erstens ist das Buch ein gut lesbares Standardwerk und insofern einzigartig, weil es die ökonomischen Grundlagen der Macht im antiken Rom dokumentiert, was sonst nirgendwo so analysiert wird. Wer sich so, wie ich, für die Sklavenaufstände der Antike interessiert, muss auch wissen, wie die Ökonomie der Herrschaft funktioniert.

Zweitens: Weil bei dem Thema auch gleich viele andere Fragen folgen, als da zum Beispiel wären: Warum wählten die herrschenden Klassen Roms eine Gesellschaftsform, die dazu führte, dass eben die, die daraus Vorteile zogen, sich ununterbrochen gegenseitig massakrierten – also nicht nur während der Bürgerkriege vor dem früher so genannten Prinzipat bzw. des Augustus, sondern auch danach? Ist das nicht unpraktisch oder gar „masochistisch“? Ging es nicht anders, und warum nicht? Warum ist das im Kapitalismus anders?

Exkurs:
Wer die „Klassiker“ des Marxismus als ewige Wahrheit nutzt und nur deren heilige Bücher zitiert, ist dumm und würde von Marx ausgelacht. Marx‘ Kenntnisse der „Sklavenhaltergesellschaft“ fußten weniger auf antiken Quellen, sondern auf oft falschen Analogien, die er aus der US-amerikanischen Sklaverei in den Südstaaten zog. [Dazu gibt es ein hervorragendes Buch von Wilhelm Backhaus: Marx, Engels und die Sklaverei. Zur ökonomischen Problematik der Unfreiheit.]
Auch Friedrich Engels lag meines Erachtens falsch, wenn er in Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates schrieb: „So war der antike Staat vor allem Staat der Sklavenbesitzer zur Niederhaltung der Sklaven…“ So einfach ist es nicht, zumal es „den antiken Staat“ rund 800 Jahre lang gab, aber keineswegs zwingend und immer eine Dominanz einer Wirtschaftsform, die auf der Arbeit von Sklaven beruhte. Man muss aber zugeben, dass sogar die ärmsten römischen Bürger sich einen oder zwei Sklaven leisten konnte. Sie hatten damit ein gemeinsames Interesse mit ihren Klassengegnern, dern großen Grundbesitzerń, die die kleinen Bauern ruinierten.
Zu Spartacus und den Sklavenaufständen hatten einige marxistische Historiker die These aufgestellt, dass der Wechsel von der Republik zur „Kaiserzeit“ von den Herrschenden unter anderem als Option gewählt wurde, weil sie Angst vor weiteren Aufständen gehabt hätten und eine Ökonomie, die massenhaft auf Sklavenarbeit beruht, nicht mehr effizient genug gewesen sei.
Ich schrieb: Man könnte die These aufstellen, dass der Wandel des „Überbaus“ von der Republik zur Diktatur des Kaiserreichs vor allem durch den Klassenkampf der Sklaven verursacht wurde. Die These halte ich bis jetzt für ziemlich wackelig und nicht verifiziert, zumal noch andere Klassen mitmischten – freie Bauern etwa und verschiedenen Fraktionen der Herrschenden, zum Beispiel die eques Romanus, die jeweils gegensätzliche Interessen hatten.

römische Legion
Römische Legion auf dem Marsch (aus „Ben Hur“)

Um 29 v.u.Z. endet die Phase der Bürgerkriege, die zwei Jahrzehnte gedauert hatte. Gaius Octavius, später: „Kaiser“ Augustus, war als Sieger aus dem Gemetzel hervorgegangen. Als Großneffe des legendären Julius Caesar hatte er Anspruch auf dessen riesiges Privatvermögen. Die Römische Republik endete nach rund 400 Jahren; jetzt begann das so genannte Prinzipat. Das ist aber nichts anderes als eine Militärdiktatur: Die Machtbasis des Imperators ruhte nicht mehr auf der Legitimation durch Senatus Populusque Romanus, sondern auf der Armee.

Frage: „Republik“ oder „Militärdiktatur“ – sind das nur zwei Formen derselben Herrschaft, wie auch die „Demokratie“ und der „Faschismus“ beide Formen der Klassenherrschaft im Kapitalismus sind?

Die Republik hatte weitgehend nach einer Art Gewohnheitsrecht funktioniert. Die herrschende Klasse der Senatoren- und Ritterfamilien definierte sich über den (Grund)Besitz und kungelte die Ämter unter sich aus, mit denen man reich werden konnte. Die Plebejer, vor allem Handwerker und Bauern, hatte in zum Teil blutigen und ebenso vier Jahrhunderte dauernden Klassenkämpfen gewisse Rechte erreicht; ihre Volkstribune waren zum Beispiel „Beamte“ des Staates. Es gab in der Republik keine Berufsarmee.

Schon während der Bürgerkriege waren aber die Soldaten auf die jeweiligen Befehlshaber eingeschworen worden. Der spätere Alleinherrscher Augustus stützte sich hierauf: Doch Gaius Octavius hatte niemals Skrupel, eben diese urwüchsige Treue der „caesarischen“ Soldaten zur Eroberung einer militärisch abgesicherten Machtposition zu nutzen. Diese Veteranen hatten zudem in ersten Linie von den Vertreibungen und Enteignungen im Italien der 50er und 30er Jahre profitiert, so dass ein Band des Komplizentums den jungen Kriegsherrn und seine bewaffneten Leute aneinanderknüpfte. Im Falle seines Sturzes hätten die Veteranen ihren Raub kaum behaupten können.

Die Senatoren hätten die faktische Alleinherrschaft des Augustus nur um den Preis des erneuten Bürgerkriegs in Frage stellen können. Sie mussten das Spiel mitspielen, dass die Institutionen der Republik, die einstige Basis ihrer Klassenherrschaft, pro forma erhalten blieben, aber so ausgehöhlt wurden, dass man noch nicht einmal von einer „Mitbestimmung“ reden konnte. Der neue Prinzeps legitimierte sich in Zukunft durch eine Art Notstandsrecht, das die Senatoren selbst vorschlagen mussten. Er durfte gegen alles, was der Senat vorschlug, sein Veto einlegen. Armin Eich schreibt süffisant: Da nur wenige Monate zuvor die allgemeine Befriedung (..) mit großem Aufwand gefeiert worden war, war die Begründung für den Staatsnotstand, der jetzt verkündet werden sollte, eine semantisch anspruchsvolle Aufgabe. (…) Die Notstandsfiktion gab hingegen Gelegenheit, Bürger und Untertanen an das „Doppeldenken“ der neuen Zeit zu gewöhnen: Augustus war zur selben Zeit Friedensherrscher und erfolgreicher Feldherr an zahlreichen Fronten…

Augustus erhielt durch diesen „Notstand“ zahlreiche Provinzen als besonderen Kommandobereich. Dort sollte er für Frieden sorgen – „zufällig“ waren in diesen Provinzen auch die kampfkräftigsten und meisten Legionen stationiert. Und „zufällig“ wählte der neue Herrscher auch persönlich die Gouverneure aus – also die, die die Steuern dort eintrieben. „De jure“ hätte ihm der Senat die Soldauszahlungen sperren können. De facto war das jetzt irrelevant, weil Augustus die Soldaten zunächst selbst finanzieren konnte, die er brauchte, um die ehemalige herrschende Klasse in Schach zu halten. Die zeigte zwar, wie Eich das ausdrückt, eine gewissen Renitenz, blieb aber passiv: Für manche Ämter gab es gar keine Bewerber mehr, die traditionelle Oberschicht ging kaum noch Ehen ein; viele hatte keine Kinder mehr. Der Diktator verbot daher die Ehelosigkeit, und wer keine Kinder zeugte, wurde systematisch benachteiligt. Alle Bürger wurden zudem per Gesetz verpflichtet, alle zu denunzieren, die sich illoyal gegenüber dem neuen Herrscher verhielten oder sich abfällig äußerten.

Interessant wird es, wenn man die materiellen Grundlagen untersucht, die dem Wechsel von der Republik zur Alleinherrschaft einer Person zugrunde liegen. In Wahrheit herrschte der Imperator nicht „allein“; das System funktionierte nur, wenn es im Interesse aller herrschenden Klassen war. Wer aber war das jetzt?

römische Kaiser
Credits: Daniel Voshart/medium.com: Photoreal Roman Emperor Project

Der römische Historiker Cassius Dio hat das hübsch auf den Punkt gebracht:
Ich rate [dir,] der Unverschämtheit der Massen Einhalt [zu] gebieten und die Leitung der Staatsgeschäfte in deine eigenen Hände und die der Besten [zu] legen, damit die nötigen Überlegungen von den verständigsten Männern angestellt werden und die tüchtigsten Männer die Führungspositionen wahrnehmen, während der Söldnerdienst in der Armee den kräftigsten, dabei wirtschaftlich schwächsten Bürgern überlassen bleibt. Denn auf solche Weise erledigen die einzelnen Klassen eifrig die ihnen jeweils zufallenden Aufgaben. (Römische Geschichte, Buch 52)

Hunderttausende römischer Bürger waren bereit, unter Führung eines Warlords für Beute und den sozialen Aufstieg zu kämpfen. Sie waren der Rohstoff für Umstürze, der später von den Soldatenkaisern genau so instrumentalisiert wurden. Die Armee machte die bisherigen Klassenschranken durchlässiger, verpflichtete aber den jeweiligen Prinzeps, den Sold zu zahlen und für Geld und Land zu sorgen, wenn die Soldaten zu Veteranen wurden. Gelang ihm das nicht, drohte Meuterei. Indem junge Männer aus ärmeren Familien zum Militärdienst an die entlegenen Grenzen des Imperiums beordert wurden, wurden potentielle Unruhestifter (dem Kalkül zufolge) aus Italien entfernt und zudem durch militärischen Drill diszipliniert. Das innenpolitische Gewaltpotential wurde exportiert.

Woher kam das Geld? Während der Republik hatte der Staat reichlich Einnahmen, aber kaum Ausgaben, weil die Armee de facto eine Bürgermiliz gewesen war. Augustus ließ zum ersten Mal die Reichtümer des Imperiums systematisch erfassen, dazu sogar Archive bauen. Augustus erwähnt in seinem posthum publizierten Rechenschaftsbericht, dass er die zentrale Staatskasse durch Zuschüsse aus seinem Privatvermögen mehrfach vor dem Bankrott retten musste. Wenn aber der reichste Staat der Welt dauerhaft aus einer einzigen Privatkasse finanziell über Wasser gehalten wurde, dann war die Finanzlage dieses Staates offenbar nicht befriedigend.

Man ahnt schon, was jetzt folgt: Die klassische imperialistische Eroberungsstrategie und anschließend die fiskalische Erschließung der neuen Territorien. Anders hätte das gar nicht funktioniert. Der Imperator war eine „Charaktermaske“ der neuen Herrschaftsform. Sämtliche Stämme rechts des Rheins wurden attackiert und teilweise ausgerottet, sogar wenn sie Rom freundlich gesinnt waren. Auf dem heutigen Balkan wurde der pannonische Aufstand niedergeschlagen, dazu waren zeitweilig 100.000 Soldaten im Einsatz, ein Drittel der Gesamtstärke der römischen Armee. In Afrika rückten die Legionen bis in den heutigen Sudan vor. Einer der späteren Imperatoren, Trajan eroberte den Staatschatz der Daker: „Die gewaltige römische Kriegsbeute soll sich auf 50.000 Kriegsgefangene, 500.000 Pfund (165.000 kg) Gold und 1.000.000 Pfund (331.000 kg) Silber belaufen.“ Damit kann man eine Weile „wirtschaften“. (Zum Vergleich: Als die Republik 168 v.u.Z. das makedonische Reich eroberte, wurden nach antiken Quellen 700.000 (!) Menschen versklavt.)

Warum Germanien? Bauern, Jäger und Hirten waren uninteressant, die brachten keine Einnahmen. Um Zölle und Tribute an das Imperium abführen zu können, musste die Bevölkerung zunächst an die überregionalen Geldkreisläufe angeschlossen werden und dann monetäre Überschüsse erzielen, also einen Teil ihrer Ernten oder handwerklichen Produkte auf lokalen oder sogar überregionalen Märkten verkaufen. Nicht zuletzt diesem Zweck, nämlich der Bereitstellung von Marktplätzen, diente der Ausbau von städtischen Zentren… Die Römer wollten also auch ihre Produktionsordnung per Gewalt exportieren. In Germanien ging das bekanntlich schief. In Britannien erwies sich das Vorhaben als zu kostspielig, die Besetzung der Britischen Inseln war langfristig ein Zuschussgeschäft, weil zu aufwändig.

Eine der zentralen Thesen Armin Eichs: …dass die Einnahmen aus dem Imperium in der Ausdehnung der 20er Jahre v. Chr. die Kosten der neuen Berufsarmee nicht deckten und dass Augusts aus diesen Gründen eine systematische Vergrößerung des imperialen Territoriums und zugleich dessen intensivere Ausbeutung anstrebte.

roman villa
Antike Darstellung einer römischen „Villa“

Was genau meint Produktionsordnung? Niemand, der alle Sinnen beisammen hat und die wesentlichen Quellen kennt, wird bezweifeln, dass das Römische Reich eine „Sklavenhaltergesellschaft“ war. Das ist aber eine analytische ökonomische Kategorie und meint mitnichten eine bestimmte Zeitspanne, die man exakt benennen könnte. In der Kaiserzeit war rund ein Viertel der Bevölkerung versklavt. Zum Vergleich: Die Anzahl der Sklaven verhielt sich zu der Anzahl der Freien fast exakt so wie die Anzahl der klassischen Arbeiter heute zur Anzahl der anderen Erwerbstätigen.

Armin Eich erklärt die Details im Kapitel „Die soziale und politische Verfassung“. Ein Teil des imperialen Bodens gehörte dem Imperator direkt. Der wurde landwirtschaftlich genutzt oder diente dem Gewinnen von Rohstoffen. Auch die Legionen hatten Grundbesitz. Daneben existierten „Gemeindestaaten“ [wie Athen], deren Land und Forste ihnen gehörte. Der kleinste Teil des Landes war städtischer Boden. Der übergroße und die Ökonomie maßgeblich bestimmende Teil des römischen Imperiums bestand aus landwirtschaftlich genutztem Privateigentum.

Vor allem im Westen des Imperiums war die vorherrschende Nutzungseinheit die villa, ein nach italischem Vorbild gestalteter kombinierter Wohn- und Produktionsbereich, dessen agrarisch genutzte, an den Wohnbereich angrenzende Flächen sich über wenige Hektar bis zu deutlich über hundert Hektar [das sind rund 140 Fußballfelder]. Besonders verbreitet waren, jedenfalls im Nordwesten des Reiches, Größen zwischen 20 und 120 Hektar. (…) In den obersten Gesellschaftsklassen war der Besitz mehrerer verstreuter Villen üblich.

Meistens wurden diverse landwirtschaftliche Produkte angebaut, Oliven, Wein, Getreide, Obst. Manche Latifundien betrieben aber auch reine Monokultur – wie beim Weizen Siziliens und Nordafrikas oder den Oliven Spaniens. Kleine Bauern arbeiteten wegen der Konkurrenz der Großbetriebe sehr oft am Rand des Bankrotts. Waren sie überschuldet oder sahen keine Hoffnung mehr, ihren Betrieb zu halten, wurden sie, vor allem am Ende des Prinzipats, zu von einem Grundbesitzer abhängigen Pächtern, eine Vorform der späteren feudalen Leibeigenschaft.

Die Eigentümer der villae waren die dominante soziale Klasse des Imperiums. (…) Die Gesamtzahl (…) ist auf etwa 200.000 bis 250.000 Personen geschätzt worden. Diese lokale Grundbesitzeraristokratie profitierte von der Schaffung des imperialen Friedensraumes, der einen weitgehend ungestörten Handelsverkehr zwischen weit auseinanderliegenden Regionen ermöglichte.

Wird fortgesetzt.

image_pdfimage_print

Porto de Ceasa

porto de Ceasa Brasil amazonas

Die Ankunft der Fähre von Porto do Careiro Castanho am Solimoes (Amazonas) in Porto de Ceasa. Mit dem Bus auf dem Bild bin ich von Porto Velho nach Manaus gereist.

Aus meinem Reisetagbuch, 24.02.1980 [Porto Velho]:
Brasilianisches Portugiesisch ist das letzte: Ich verstehe kein Wort. Wir fragen uns trotzdem durch zur Busgesellschaft Rondonia. [Scheint es nicht mehr zu geben.] Im Bus [von Guaramirim] quatschen wir mit Kenneth, der einen schottischen Vater und eine deutsche Mutter hat und recht gut Deutsch spricht. Er lädt uns in sein Appartement ein und bezahlt auch noch das teure Taxi.

Kenneth arbeitet in irgendeiner Landwirtschaftsbehörde. Jedenfalls hat er nicht viel zu tun. Es gibt Kaffee aus großen Kanistern. Er führt uns über den Markt von Porto Velho, und wir probieren alles aus: Ein Getränk aus Cupuaçu, Tapioka (schmeckt wie Maniok mit Zimt, lecker!), Tambaqui, ein wahnsinnig großer Fisch. Eine Gemüserolle mittags schmeckt auch ausgezeichnet. Das Essen ist vergleichsweise teuer, aber auch um mehrere Klassen besser als in Bolivien.

[Was nicht in meinem Tagebuch steht, was ich aber nie vergessen werde: Auf dem Markt begegnete uns ein Mann in sehr ärmlicher Kleidung, der seinen zerfetzen Hut abnahm, in den Händen drehte und unseren Gastgeber Kenneth in unterwürfiger Haltung bat, die „reichen ausländischen Herren“ – also uns! – zu fragen, ob sie nicht Arbeit für ihn hätten.]

Wir gehen noch in ein Eisenbahn-Museum. Alle Lokomotiven sind schon sehr schrottig.

Kenneth hat sich mehrere Flächen Land gekauft, 200 km südlich von Porto Velho, 500 Hektar für 40.000 DM. Die Leute aus den südlichen Regionen Brasiliens kommen alle in den Norden und arbeiten für die Grundbesitzer. Die Indianer hätten zwei seiner Leute umgebracht. So etwas hören wir auch von der Busstrecke nach Boa Vista, wo wir nach Manaus hinwollen. Aus irgendwelchen Gründen greifen die Indianer nur in der Nacht an, deswegen warten die Busse vor dem gefährlichen Gebiet, bis ein Konvoi zusammen ist.

Der Bus nach Manaus kostet 1022 Cruzeiros – wir nehmen versehentlich den Luxus-Bus, der doppelt so teuer wie der normale Bus ist, weil wir nicht kapieren, dass leito „mit Liegesitzen“ bedeutet. Nur drei Sitze nebeneinander! Mit Kopfkissen, großen Colaflaschen, Kaffee und Bonbons.

26.02. Wir kommen um ca. acht Uhr am Rio Solimoes an und warten eine Stunde auf die Fähre. Ich rede mit dem Busfahrer, der sogar einen Schlips trägt. Der erzählt, dass er studieren wollte, aber dass ihm die Regierung das nicht erlaubt habe, weil er bei den Studentenunruhen vor 12 Jahren mitgemischt hat.

image_pdfimage_print

Trump? [Update] [2. Update]

trump

Trump. I told you so.

Alle diejenigen, die sich über den Klassencharakter des bürgerlichen Staates Illusionen gemacht haben und meinten, Biden sei besser als Trump, müssen jetzt sehr stark sein.

Zum mentalen Einstimmen auf das Thema empfehle ich Georg Lukács: „Der Staat als Waffe“: „Man kann“, hat schon Talleyrand gesagt, „mit den Bajonetten alles mögliche anfangen, nur kann man sich nicht auf sie setzen.“ Jede Minderheitsherrschaft ist also sozial in einer Weise organisiert, die die herrschende Klasse konzentriert und zum einheitlich-geschlossenen Auftreten tauglich macht und zugleich die unterdrückten Klassen desorganisiert und zersplittert.

Ist die Sache schon gelaufen? Welt Online: Entscheiden könnte sich die US-Wahl in drei Staaten: Michigan, Pennsylvania und Wisconsin. Wer auch immer zwei von diesen drei Staaten holt, die 2016 alle republikanisch wählten, dürfte siegen. (…)
– Michigan (16 Wahlleute): Aktuell sind hier 75 Prozent der Stimmen ausgezählt, derzeit liegt Trump (52 Prozent) in Führung (…)
Pennsylvania (20 Wahlleute): Hier liegt nach Auszählung von 74 Prozent der Stimmen Trump deutlich mit 55,7 Prozent der Stimmen vorn. (…)
– Wisconsin (10 Wahlleute): 83 Prozent der Stimmen sind aktuell ausgezählt, Trump liegt knapp mit 50,9 Prozent vor Biden (47,3).
[Biden scheint hier hauchdünn gewonnen zu haben.]

Wie konnte das passieren? Im Januar 2018 zitierte ich die New York Times: The anti-Trump movement suffers from insularity [„Tunnelblick“]. Most of the people who detest Trump don’t know anybody who works with him or supports him. And if they do have friends and family members who admire Trump, they’ve learned not to talk about this subject. So they get most of their information about Trumpism from others who also detest Trumpism, which is always a recipe for epistemic closure.

Es sieht so aus, als wäre der Wahlsieg Trump rechnerisch kaum noch zu nehmen, es sei denn, die Briefwähler zum Beispiel in Pennsylvania würden sich überraschend mehrheitlich für Biden entschieden haben – was aber unwahrscheinlich ist.

Aber darauf kommt es gar nicht an. Trump weiß bekanntlich, warum er was sagt -und zu wem. Er hat angekündigt, sich an den Obersten Gerichtshof der USA wenden zu wollen, um zu verhindern, dass weiterhin Stimmen ausgezählt werden. Das gab es schon einmal.
Das Gericht kritisierte u.a. in seinem Urteil vom 12.12.2000, „dass es in den verschiedenen Distrikten des Bundesstaates Florida keine einheitlichen Standards dafür gebe, wie die strittigen Stimmen ausgewertet werden sollen“.

Das Motiv Trumps ist sonnenklar: Entscheidend ist das Wahlmännerkollegium. Die Wahlmänner geben ihre Stimme in den Bundesstaaten am 15. Dezember ab. Wenn keine klare Mehrheit abzusehen ist, wonach es jetzt aussieht, entscheidet das Gericht, nicht der Ausgang der Wahl. Es geht also darum (darum ging es auch 2000), welcher Bundesstaat wann wie viele Wahlmänner in dieses Gremium schickt. Was geschieht aber, wenn das bis zur Frist nicht klar ist?

Übrigens: „Wenn keiner der Präsidentschaftskandidaten die Mehrheit der Wahlmännerstimmen erhält, sieht der 12. Zusatzartikel der Verfassung vor, dass die Wahl durch das Repräsentantenhaus entschieden wird. In diesem Fall wählt das Repräsentantenhaus den Präsidenten durch Mehrheitsentscheid unter den drei Kandidaten, die die meisten Wahlmännerstimmen erhalten haben. Jeder Staat gibt eine Stimme ab.“ Da die Demokraten hier die Mehrheit haben, wird Trump letzteres auf jeden Fall verhindern wollen.

[Update] Nevada gibt das Ergebnis erst am Donnerstag bekannt. Das scheint ein so enges Rennen zu werden – in Michigan liegt Biden nur mit ca. 30.000 Stimmen vorn bei 96 Prozent ausgezählten Stimmen, dass Trump vermutlich versuchen wird, die Sache noch einmal auszählen zu lassen. Die Republikaner haben außerdem den Senat gewonnen, so dass Biden keine Gesetze ohne deren Zustimmung erlassen kann.

[2. Update] Meine Annahme, dass Trump gewinnen würde, fußte auf der statistischen Tatsache, dass bisher jeder Kandidat Präsident wurde, der Texas und Florida gewann. Vielleicht ändert sich das jetzt. Mehr wissen wir erst, wenn die Wahlmänner Mitte Dezember zusammentreten.

image_pdfimage_print

Ideensteinbrecher

„Der Islam“ ist wie jede Religion der Weltgeschichte kein eigenständig wirkendes Subjekt, sondern ein je nach historischer Konstellation beliebig verwendbarer Ideensteinbruch, ein Sammelsurium verschiedenster Texte, Traditionen und exegetischen Strömungen, die so heterogen sind, dass man sich daraus eine Argumentation für und gegen ungefähr alles basteln kann. (Fabian Lehr)

Das hat wieder nichts mit dem Islam zu tun. Alle haben zum aktuellen Thema schon etwas gesagt, nur ich noch nicht. Es wiederholt sich ohnehin alles. Daher nur Textbausteine, die dem Publikum bekannt erscheinen werden.

Der Attentäter von Wien gehört der albanischen Minderheit in Nordmazedonien an. Er stammte er aus dem Dorf Celopek nahe der Stadt Tetovo. Das Gebiet ist nahezu ausschließlich von ethnischen Albanern bewohnt. Diese Minderheit bildet etwa 25 Prozent der Bevölkerung des Landes und bekennt sich größtenteils zum Islam.

Man könnte bei Stichwort „Islam“ wieder Gilles Kepel heranziehen: „Das Schwarzbuch des Dschihad – Aufstieg und Niedergang des Islamismus“ oder „Die Rache Gottes“ – Standardwerke zu den radikalen Auswüchsen der monotheistischen Religionen. Kepel behauptet sinngemäß, der Terror sei immer ein Zeichen dafür, dass die ursprüngliche Idee sich nicht hat verwirklichen lassen, was, wenn wir ihm glauben, auch für die deutsche RAF zutraf, die erst dann aktiv wurde, als klar wurde, dass die in der Theorie erwünschte und prognostizierte Revolution nicht kommen würde. Osama bin Laden war für Kepel die „medienwirksamste Form“ des Scheiterns der „salafistisch-dschihadistischen“ Bewegung.

Im Januar diesen Jahres schrieb ich: Zum Thema muss man nur eine Presseerklärung der Aleviten lesen (nicht mehr online, von 2009): „Die Dominanz und das Selbstbewusstsein, mit dem der politische Islam in Deutschland eine Form der Religiösität in den Mittelpunkt der Gesellschaft rückt, der in seiner Ausprägung mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist, verängstigt nicht nur alevitische Mitbürgerinnen und Mitbürger in Deutschland zunehmend. (…) Dieses Urteil (das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29.09.2009 (AZ.: VG 3 A 984.07), wonach einem muslimischen Schüler das Recht eingeräumt wurde, einmal täglich sein Gebet in der Schule verrichten zu dürfen) ist die Fortführung einer befremdlichen Tradition der deutschen Justiz. Das betäubungslose Schächten von Tieren, die Teilnahme am Schwimmunterricht im Burkini, Kinder die Jihad heißen sowie Frauen, die mit Verweis auf die Scharia keine Härtefallscheidung von prügelnden muslimischen Ehemännern bekommen. All das hat den Segen der freiheitlich demokratischen Justiz in Deutschland. Dieses Maß an Liberalität bei Entscheidungen deutscher Gerichte in Bezug auf den Islam vermissen wir in Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit z.B. in ausländer- und asylrechtlichen Entscheidungen“.

Man könnte auch etwas fordern, wie etwa Ulf Poschardt (hinter der Paywall der „Welt“):„Moscheen, in denen der Hass auf Christen, Juden, Homosexuelle, Frauen, Nichtgläubige gepredigt wird, müssen umgehend geschlossen werden, eingeflogene Imame, die so predigen, müssen ausgewiesen werden. Die Finanzierung der Moscheen muss transparent gemacht werden. Wer sich von undurchsichtigen Verbänden finanzieren lässt, darf nicht eine Moschee auf deutschem Boden betreiben.“

Ich war in meiner Studentenzeit Abonnent der „Peking Rundschau“, bin daher ideologisch verblendet und sympathisiere immer zuerst mit chinesischen Methoden.

image_pdfimage_print

Damengambit

Queen's Gambit

Vielleicht etwas für passionierte Schachspieler (zu denen ich mich zähle): The Queen’s Gambit (Damengambit) auf Netflix, nach dem Roman von Walter Tevis (ich wusste gar nicht, dass „bildungsroman“ ins Englische übernommen wurde, har har).

Das Thema: Schach, vor allem mit sich selbst, kann in den Wahnsinn treiben oder an dessen Rand, hat Stefan Zweig mit seiner Schachnovelle ultimativ behandelt. Man sollte vermuten, dass alles Nachfolgende nur ein schlechter Abklatsch sein könnte oder die Vorlage misshandeln muss (wie bei „Polaris“). Der Film versucht das zu umgehen, indem die zentrale Figur von einer jungen Frau gespielt wird. Das geht nur deshalb nicht schief, weil die Hauptdarstellin Anya Taylor-Joy wandlungsfähig wie ein Chamäleon ist und durch ihre Präsenz alle Mitspieler in den Schatten stellt. Allein ihre Blicke reichen aus, um eine ganze Geschichte zu erzählen.

Die Süddeutsche meint: In „Das Damengambit“ geht es Anya Taylor-Joy als Schachgenie ums Gewinnen und um andere Suchtmittel. Selbst wer mit Schach nichts anfangen kann, wird diese Serie mögen. Ich meine: Nur die. Schachspieler, die mehr wissen als der normale Laie, bekommen nicht viel Schachliches geboten, obwohl es um nichts anderes geht, da man natürlich dem Publikum nicht zumuten kann, etwa eine zweistündige Meisterpartie zu verfolgen. Deswegen spielen alle rasend schnell wie im Blitzschach, was dazu führt, dass man die Stellungen weder versteht noch erkennen noch analysieren kann. Das wahre Thema handelt von „Obsession“, wie Vulture es formuliert: „Anya Taylor-Joy Is Addicted to Chess, Drugs, and More Chess“. Und den Preis, den man dafür zahlt, ein Genie zu sein.

Die Story könnte die von Paul Murphy sein, mit Einsprengseln von Bobby Fischer (ich habe die Serie noch nicht bis zum Schluss angesehen und weiß nicht, wie es ausgeht, aber ich kann es ahnen). Historisch gesehen ist der Plot, der in den 60-er Jahren in den USA spielt, politisch korrekter Blödsinn: Die erste Schachgroßmeistern war Nona Gaprindaschwili 1978. Noch heute findet man viel weniger Frauen in der obersten Elo-Liga als Männer. Zum Glück wird man nicht von feministischen Plattituden belästigt. Die Heldin Beth weiß, was sie kann, und fegt die Männer reihenweise vom Brett.

Meine bisherige Lieblingszene: Beth ist schon bekannt und alle wissen, wie gut sie ist. Bei einem Turnier geht sie zu dem ihr zugewiesenen Platz, wo schon ein jüngerer Mann gedankenversunken wartet, der, als er sieht, dass er gegen Beth spielen muss, erbleicht und laut shit! ruft.

SchachbücherSchachbücher

Ich spiele Schach, seitdem ich acht oder neun war, mit meinem Vater, der aber von Theorie nichts wusste. Als ich zum ersten Mal allein in den Urlaub fahren durfte, mit 16, ins Kleine Walsertal, weil ich da schon mit meinen Großeltern gewesen war, wusste ich nicht so recht, was ich mit mir selbst anstellen sollte und kaufte mir dort ein Reiseschachspiel und ein Lehrbuch über Schacheröffnungen, eine Übersetzung aus dem Russischen, und lernte es so gut wie auswendig. Ich weiß nicht mehr, was damals in mich gefahren war. (In der letzten Woche hatte ich dann zum ersten Mail ein Techtelmechtel mit einem bildhübschen Mädel und keine Lust mehr auf Schach.) Seit der Lektüre dieses Buches spiele ich auf Vereinsniveau, und Laienspieler haben nicht den Hauch einer Chance.

Im „The Queen’s Gambit“ kommt zu Beginn oft die Sizilianische Verteidigung vor, die ich so gut wie nie nutze und die mich nervt, wenn ich mit den weißen Steinen spiele. Irgendwie mag ich es nicht, wenn man mir beim Kampf ausweicht – ich spiele immer e2-e4 und erwarte den gegnerischen Bauern dann auf e5. Heute morgen haben ich in meinen Schachbüchern geblättert und mir vorgekommen, meine Kenntnisse über „den Sizilianer“ aufzufrischen. Der Film scheint also auch – bei mir jedenfalls – ein bildungsfilm zu sein.

image_pdfimage_print

Eine teure Reise mit Umwegen in die Pampa

kaulsdorfer Seen

Es begab sich aber zu der Zeit, dass Angela Merkel Kanzlerin von Deutschland war, dass ich tun und lassen konnte, was ich wollte und keinerlei Gebot der Herrschenden ausging, ich dürfe keine Musikinstrumente besitzen. Und jedermann ging nicht mehr aus dem Haus, dass er den Lockdown respektiere, ein jeglicher in seiner Stadt.

Da machte sich auch auf Burks aus Rixdorf, aus der Stadt Neukölln, nach ausgiebigem Googeln, in das sogenannte Mahlsdorf in der Stadt Preußens, die da heißt Berlin, auf dass er ein neues E-Piano erstünde. Und siehe, der Weg war lang, holperig und führe an exotischen und abgelegenen Regionen wie den Kaulsdorfer Seen vorbei.

get the sound

Bei einem Musikinstrumenten-Dealer kehrte er ein und erstand ein Gerät, für das er sich schon vorher entschieden hatte.

Interessant, dass die Lieferfristen für alle Instrumente extrem lang sind – für ein schwarzes E-Piano meiner Wahl hätte ich fast bis zum April nächsten Jahres warten müssen. Das liegt angeblich an der aktuellen Pandemie. Die Leute machen offenbar mehr Hausmusik und mahlsdorf neukölln border=kaufen dafür wie verrückt ein. Ich nahm also ein weißes Exemplar, was ohnehin unauffälliger ist und Mitte Dezember kommen wird. Für den Preis – weniger als 1.000 Euro – darf man nicht zu viel erwarten, aber ich spiele selten. Wenn man vieles verlernt hat und üben will, ist ein Klavier mit Kopfhörer erste Wahl – im Sinne der Nachbarn.

Auf dem Rückweg geriet ich noch mehr in die Pampa, weil die Hauptstrecke für Fahrräder teilweise nicht befahrbar ist, sogar auf Schlammstrecken, die eigentlich für Pferde gedacht waren. Ein Mountainbike zickt da aber nicht herum. Irgendwann musste ich Google fragen und wurde per Frauenstimme leider über Köpenick gelotst. Also bin ich gestern fast 50 Kilometer gefahren, was ich dann in meinen bettschweren Füßen spürte.

image_pdfimage_print

Sexiest Man of the Century

Sean Connery

Der ältere Sean Connery war immer mein Lieblingsschauspieler. (Nein, Zardoz habe ich nie gesehen, und das muss ich auch nicht nachholen).

Ich weiß gar nicht, wieviele DVDs mit Filmen ich hier habe, in denen er mitspielt (alle Links gehen zu Amazon): Outland – einer meiner Lieblingsfilme, natürlich Der Name der Rose und Jagd auf Roter Oktober und Die Wiege der Sonne. Die 007-Reihe hat nie Eindruck auf mich gemacht, ich kann mich auch nicht erinnern, ob die die Filme überhaupt gesehen habe.

Wenn er auf der Szene erschien, machte seine körperliche Präsenz alle anderen kleiner, ähnlich wie bei Lino Ventura. Eine Frage der Attitude – so etwas kann man vermutlich im Schauspielunterricht nicht lernen.

Schade, dass er schon gestorben ist. Filme mit ihm hätte ich sogar angesehen, wenn er mit dem Rollator erschienen wäre.

image_pdfimage_print

Trends of repression, censorship and ideological homogeneity

The Intercept fliegt aus der Blogroll.
The final, precipitating cause is that The Intercept’s editors, in violation of my contractual right of editorial freedom, censored an article I wrote this week, refusing to publish it unless I remove all sections critical of Democratic presidential candidate Joe Biden, the candidate vehemently supported by all New-York-based Intercept editors involved in this effort at suppression.

image_pdfimage_print

Run through the jungle

run through the jungle

Bolivien, Pando-Dschungel (ungefähr hier), fotografiert Ende Juni 1984. Meine damalige Freundin und ich waren auf dem Marsch zu einem Kautschuksammler samt Familie. Man hatte uns gesagt, der „Weg“ sei leicht zu finden. Vermutlich hätte Winnetou die Aufgabe als „leicht“ empfunden, wir waren ganz schön verunsichert. Wer den Urwald kennt, weiß, dass manchmal wenige falsche Schritte ausreichen, um verloren zu sein. (Vgl. „Tag der Arbeit“ 01.05.2019, „Der Kautschuksammler, revisited“ 04.04.2011)

image_pdfimage_print

Gadget 008

spionage Kugelschreiberspionage Kugelschreiberspionage Kugelschreiber

Ich konnte nicht widerstehen und habe mir eine Spionage-Überwachungskamera in Form eines Kugelschreibers gekauft.

Das Teilchen macht alles, was die Produktbeschreibung behauptet. Man muss aber per trial and error versuchen, was die beste Entfernung für Fotos ist. Die Videoqualität ist ausreichend.

Was bei mir jedoch ein „ungenügend“ bekommt, ist die „Anleitung“. Auch in Englisch habe ich eine Weile gebraucht um zu kapieren, was die meinen. So etwas ist unverschämt, zumal auch online nichts zu finden ist, was verständlicher ist.

Ich habe auch nicht herausbekommen, wer den Stift herstellt – die Suche nach der Marke MiniYamaso ergibt keine vernünftigen Ergebnisse. Es war den Versuch wert. Für den Preis kann man vermutlich nichts besseres erwarten.

image_pdfimage_print

Leerstelle

leerstelle

14 Jahre lang stand dort mein Klavier an der Wand. Ich habe es verschenkt und werde mir ein E-Piano kaufen. Ich weiß nur nicht nicht, welches ich nehmen soll. Ich neige zum Yamaha YDP-144 B. Was sagt die musikalische Schwarmintelligenz?

image_pdfimage_print

Gesucht: Fucking Manual

netz
Netz (Symboldbild)

Gibt es irgendwo eine verständliche und einfache Anleitung, wie man Linux- und Windows-Rechner in seinem eigenen Netzwerk verbindet, ohne dass man mit der Kommandozeile arbeiten muss?

Beispiele, wie es nicht funktioniert, habe ich jetzt gefühlt 20 Fantastilliarden Mal gelesen. Chip: „Die Verbindung zu Netzwerkfreigaben stellen Sie unter den verschiedenen Systemen am einfachsten über den jeweiligen Dateimanager her. Linux-Benutzer gehen auf „Netzwerk“ und dann auf „Netzwerk durchsuchen“. Bei mir gibt es diesen Menüpunkt „durchsuchen“ nicht, obwohl hier vier Rechner im Netz hängen.

Samba ist auf allen Linux-Rechnern installiert, aber ich kapiere es nicht. Kein Rechner kann auf den anderen zugreifen – nur per ssh und Kommandozeile. Oder sollte ich etwas installieren? Ich habe wirklich keine Lust mehr, mich mit den Mist zu beschäftigen, vor allem, wenn ich in den zahllosen fucking manuals das Wort einfach lesen muss.

image_pdfimage_print

The barest whisper of a lead

Florida und Texas entscheiden. Wenn Trump Florida und/oder Texas gewinnt, bleibt er Präsident. Wenn ich irre, dürft ihr mich einen falschen Propheten nennen, ohne erschossen zu werden.

Trump is unlikely to win a second term without winning the Sunshine State, a richly diverse mix of peninsula and panhandle that he put in his column with a margin of just 113,000 votes four years ago. Polls suggest he has the barest whisper of a lead against the former vice president in a state with 29 electoral votes.

image_pdfimage_print

Harte Linie und die ersten Maßnahmen

female worker

Die grüne Partei ist, was ihre Führung angeht, also Habeck, Frau Baerbock, vor allen Dingen auch Frau Göring-Eckardt, das ist eine neokonservative Partei, das muss man wissen. (Gerhard Sch.)

Ja, meine Rede, aber die „Linke“ hat das noch nicht gemerkt. Sie sollte ideologisch auf Distanz gehen.

Was Sahra Wagenknecht sagt, ist auch nicht neu: „Statt um soziale Ungleichheit, Armutslöhne und niedrige Renten drehen sich linke Debatten heute oft um Sprachsensibilitäten, Gendersternchen und Lifestyle-Fragen. (…) Von Arbeitern und Arbeitslosen werden linke Parteien kaum noch gewählt.“

[Passiv ist schwerer zu verstehen als aktives Tun. Als Linkspopulist und Sprachspartaner empfehle ich: Arbeiter (sic) und Arbeitslose wählen heute kaum noch linke Parteien.]

Es sei auch nicht rechts, anzusprechen, dass es kaum möglich sei, eine Schulklasse zu unterrichten, in der über die Hälfte der Kinder kein Deutsch spricht, „oder dass wir auch in Deutschland ein Problem mit dem radikalen Islamismus haben“. Wenn Linke das alles ausblenden, müsse man sich nicht wundern, dass viele Bürger zur AfD überlaufen.“

Was tun? Ich fürchte, „Die Linke“ ist nur noch durch einen parteiinternen Putsch vom Weg in den Abgrund aufzuhalten. Wäre ich 20 Jahre jünger und Mitglied, böte ich mich als Strippenzieher an – eine Frau müsste aber die Revolte führen.

Erste Maßnahme: Das Wort „Klima“ wird gestrichen. Klima, Öko, Bio gehören nicht zur corporate identity einer linken Partei Das ist kleinbürgerlicher Lifestyle und Feuilleton. Man kann sich um die verirrten Seelen, die nur das wichtig finden, kümmern, aber dieses Thema gehört nicht vorn in die Agenda. (Das Wort „nachhaltig“ wird auch verboten.)

„Eine sozial gerechte Energiewende und ökologische Produktion ist dringend notwendig.“ „Sozial gerecht“ im Kapitalismus? Das ist reformistischer, ja reaktionärer Unfug und mitnichten „links“. Da erwarte ich doch gleich „gerechte Löhne“ und „gerechten Handel“. Es kommt aber noch schlimmer: Die „Linke“ kämpft „für faire Produktionsverhältnisse“. Habt ihr noch alle Tassen im Schrank? Euch sollte man ein in Schweinsleder gebundenes „Kommunistisches Manifest“ um die Ohren hauen, am besten die Prachtausgabe mit Metallbeschlägen. Klassenkampf! Und am besten so unfair wie möglich gegen das Kapital!

Das Gesagte gilt auch für „Flüchtlinge“. Schon der Begriff zeigt die suggestive und die hierzulande paternalistisch gemeinte Absicht. Das Wort „Einwanderer“ hört sich für die urbanen Mittelschichten offenbar viel zu einfach an, wäre aber ehrlicher, weil man sich nicht erdreisten sollte, aus der bloßen Tatsache, dass jemand irgendwie nach Deutschland kommt, auf die Motive schließen zu können. Viele flüchten unstrittig vor dem Elend und den Kriegen, darunter sind aber auch Glücksritter, religiöse Fanatiker, Kriminelle und andere Gestalten, mit denen man nicht ernsthaft etwas zu tun haben möchte. Wenn man sich die Sprechblasen und mantraförmigen Textbausteine der „Linken“ ansieht, könnte man meinen, Einwanderer seien ihnen wichtiger als das Elend in deutschen Pflegeheimen.

„Wir fordern ein Bleiberecht für alle Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus, spätestens, wenn sie fünf Jahren in Deutschland leben.“ Damit kann man beim Pfarrer punkten, und gut gemeint ist es wohl, aber so sollte man das nicht verkaufen. In Deutschland gibt es 187.000 Menschen, die ausreisen sollen, das aber nicht tun (können). Für die möchte die „Linke“ ein Bleiberecht? Oder was? Nicht? Dann sagt es genauer. Oder haltet einfach das Maul bei diesem Thema. Als Linker kann man dazu ohnehin nichts Vernünftiges sagen oder nur moralinsauer herumschwallen. Das würde niemand übelnehmen.

Ich habe kein Problem damit, beim Thema „innere Sicherheit“ eine harte Linie zu fordern von der linken Partei, die ich wählen würde. Mehr Mittel und höhere Löhne für die Polizei: bin ich dabei. Es gibt ähnliche viele „linke“ Polizisten wie in der Gesamtbevölkerung. Wenn die Bewerber aber der Abschaum sind, weil kaum noch jemand einen Beruf wählt, der stressig ist und mies bezahlt wird, kann auch eine Ausbildung nichts daran ändern, dass sich bei der Polizei Leute tummeln, die dort nichts zu suchen haben.

[Tagtraum: Wenn es eine Revolution gegeben hätte (wie in Griechenland, als ein Linksbündnis plötzlich und unerwartet die Macht errang), würde ich zuerst die Polizei und das Militär auf meine Seite ziehen und denen notfalls das Blaue vom Himmel versprechen. Besuch bei der GSG 9 mit Fototermin und Pralinen. Wäre auch eine hübsche Botschaft an die Feinde. Die politische Macht kommt aus den Gewehrläufen, sagte mal jemand. Dann würde ich eine Nachtsitzung mit dem Bundesverfassungsgericht ansetzen und versichern, dass das Grundgesetz unverändert gälte, aber bekanntlich den Kapitalismus nicht vorschreibe. Am frühen Morgen würde ich alle Banken besetzen lassen. Mehr braucht man nicht, um zu gewinnen. Tagtraum Ende.]

image_pdfimage_print

De omnibus dubitandum

Karsten Krogmann war „Chefreporter“ der Nordwest-Zeitung und ist jetzt „Kommunikationschef“ beim Weißen Ring. (Schon komisch, welche Titel in der Medienblase vergeben werden.) In einem Interview mit dem „Branchendienst“ Kress (von dem ich aus mehreren Gründen nicht viel halte) sagt er einige kluge Dinge:
Und wie unabhängig ist eine Magazinredaktion, die Aktivisten eine Ausgabe gestalten lässt, wie das der „stern“ gerade zusammen mit Fridays for Future gemacht hat? Viele Journalisten lösen doch selbst nicht ein, was sie als Anspruch formulieren. Ich glaube, dass in der sich rasant verändernden Medienwelt ein Kriterium zunehmend wichtiger wird als Unabhängigkeit, nämlich Transparenz. Das bedeutet, Interessen und Abhängigkeiten sichtbar zu machen… (…)
Ich habe aber erlebt, wie in der Redaktion zunehmend alles auf den Prüfstand kommt: Es wird genau gemessen, welche Themen wie viele Abos generieren, welche Beiträge die größte Reichweite erzielen oder die stärksten Socal-Media-Reaktionen auslösen. In vielen Häusern rücken Vertrieb und Marketing immer näher an die Redaktionen heran. Ich habe die Zeitung zu einem Zeitpunkt verlassen, zu dem immer sichtbarer wurde, dass sich die ganze Branche in diese Richtung entwickelt und die wichtigsten redaktionellen Kriterien mittlerweile Verkaufbarkeit und Reichweite heißen.

Das ist nicht neu. Ich hätte aber vor gut 30 Jahren nie gedacht, dass ich erleben würde, dass der klassische Journalismus, wie ich ihn später auch lehrte, fast komplett abgeschafft wird bzw. sich selbst abschafft. Journalismus lebte immer von der Illusion, „objektiv“ zu sein und „wahrheitsgetreu“ zu berichten. Dem stehen der Klassenstandpunkt und die soziale Herkunft der Journaille entgegen, die sich gerade in Deutschland immer schon den Herrschenden angebiedert hat. Nicht zufällig ist das lächerliche „autorisierte Interview“ eine deutsche Erfindung.

Vom schreibenden Journalismus kann man nicht leben, wenn man unabhängig bleiben will wie ich, also keine „feste“ Stelle hat. Wer etwas anderes behauptet, hat entweder Lebensabschnittsgefährten, die notfalls mit durchfüttern und die Miete bezahlen, oder wurde schon mit einem Silberlöffel im Mund geboren. Oder lügt und hochstapelt. Oder ist Aufstocker.

Ich verdiene mit diesem Blog nichts. Amazon zahlt alle drei (!) Monate eine niedrige zweistellige Summe für Klicks auf Links zu manchen Büchern. Ich verdiene etwas durch die Seminare, die ich an verschiedenen Einrichtungen gebe, und bald auch hier solo und online, aber nicht soviel, dass ich davon meinen Lebensunterhalt komplett bestreiten könnte. Das macht mein Job in der Sicherheitsbranche. Pro Jahr kommt immer noch ein dreistelliger Betrag von der VG Wort. Ich werde nichts erben, meine Eltern hatten kein Häuschen. Solange ich arbeiten kann, werde ich das also tun müssen, es sei den, ich schriebe einen Bestseller.

Solange ich keine Gicht bekomme oder dement werde, werde ich also bloggen, und zwar genau so, wie das Publikum es gewohnt ist: Niemand redet mir rein, ich nehme keine Rücksichten, ich schone niemanden, und ich lege mich mit jedem an, der mir dumm kommt. Ich muss niemandem nach dem Mund reden. Descartes (Cartesius) schrieb: An allem ist zu zweifeln. Das ist gut und richtig so. Es gilt auch hier das Marxsche Motto aus dem „Kapital“:

Jedes Urtheil wissenschaftlicher Kritik ist mir willkommen. Gegenüber den Vorurtheilen der s.g. öffentlichen Meinung, der ich nie Koncessionen gemacht habe, gilt mir nach wie vor der Wahlspruch des grossen Florentiners:
Segui il tuo corso, e lascia dir le genti!
[„Geh deinen Weg und lass die Leute reden“, abgewandeltes Zitat aus Dante, „Die göttliche Komödie“, „Das Fegefeuer“, 5. Gesang].

image_pdfimage_print

Lang ist’s her

burks und mutter

Meine Mutter und ich, 1953. To whom it may concern: Mein 94-jährige Mutter ist gestern wieder nach Hause gekommen. Die Lähmung ist fast ganz weg, sie kann auch wieder normal sprechen. Aber in dem Alter kann man viele Dinge nicht mehr tun.

Zwei nette Damen vom Pflegedienst schauten alsbald in meinem Beisein nach dem Rechten. Eine sagte lächelnd zu meiner Mutter: „Wir wissen ja, dass Sie sehr autonom, willensstark und aufmüpfig sind.“ Aha. Jetzt weiß ich, woher meine Gene kommen.

image_pdfimage_print

Nimm dies, Erdogan!

charlie hebdo' bein

Das morgige Titelblatt von Charlie Hebdo. Ich gehe davon aus, dass sich so etwas hierzulande noch nicht einmal die Titanic trauen würde.

image_pdfimage_print

Burks‘ Bein

burks' bein

FYI. So sieht ein Bein nach einer Woche aus, wenn einem eine Krampfader operativ entfernt wurde. Heute gab es noch eine zweite Nachuntersuchung. Der Arzt sagte: Alles super, alles wird wieder gut. Die Flecken gehen auch wieder weg.

image_pdfimage_print

Wir sind kein Horst

Sehr geehrter Herr Neonazi Horst Mahler!
Sie beschweren sich darüber, dass Sie verpflichtet werden sollen, in Zukunft ihre sämtlichen Texte eine Woche vor der Veröffentlichung dem brandenburgischen Landeskriminalamt vorzulegen. Das sei Zensur. Ist es nicht, solange Sie unter Führungsaufsicht stehen.
Ich empfehle Ihnen auch einen Blick in § 138 StGB, insbesondere Absatz 2:
(2) Ebenso wird bestraft, wer
1. von der Ausführung einer Straftat nach § 89a oder
2. von dem Vorhaben oder der Ausführung einer Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2,
zu einer Zeit, zu der die Ausführung noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterlässt, der Behörde unverzüglich Anzeige zu erstatten.

Ceterum censeo: Ich bin gegen Zensur und meine auch, dass eine Demokratie verirrte Gestalten wie Attila Hildmann und Horst Mahler aushalten sollte.

image_pdfimage_print

Zickzack und das Bad der Inka

qenkoqenkoqenkotambomachay

Die oberen drei Fotos zeigen Qenko – das Quechua-Wort für „Zickzack“, ein „heiliger“ Platz der Inka; das untere Tambomachay, das „Bad der Inka“ im Valle Sagrado bei Cusco, alle fotografiert im November 1980. Auf dem unteren bin ich zu sehen.

Mein Tagebucheintrag an dem Tag ist lächerlich und kurz. Offenbar war ich von Eindrücken schon so übersättigt, dass ich die beiden archäologischen Stätten nicht mehr verkraften konnte. (Im deutschen Wikipeida ist Quenko irrelevant.) „It is one of the largest huacas (holy places) in the Cusco Region. Many huacas were based on naturally occurring rock formations. It was believed to be a place where sacrifices and mummification took place“. Natürliche Felsenformation? Man muss das gesehen haben – ich keine keinen Ort auf der Welt, der so ähnlich ist, auch nicht in den Andenstaaten. Der riesige Felsblock ist perforiert und ähnelt eher einem Meteoriten.

Qenko war und ist mir heute noch unheimlich. Innen wie eine Art labyrinthische Tropfsteinhöhle, und steinerne „Tische“, zweifellos aus dem Felsen gehauen. Man man mag sich gar nicht vorstellen, was die da gemacht haben. Offenbar ist auch die Literatur zu Qenko spärlich und überschaubar. Man weiß also kaum etwas.

image_pdfimage_print

← Nächste Einträge Ältere Einträge →