Wokeness and Diversity

„Der neoliberale Traum ist, dass das in punkto Reichtum obere Prozent der Bevölkerung genauso divers ist wie die restlichen 99 Prozent, damit niemand seine ökonomische Situation mehr auf Diskriminierung schieben kann. Dann können die Reichen nämlich behaupten, dass jeder seinen Platz in der Gesellschaft verdient habe. Bei Diversity-Bestrebungen geht es nicht in erster Linie darum, Ungleichheiten zu minimieren, sondern sie zu rechtfertigen.“ (Walter Benn Michaels 2019, via Fefe)

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Engineer Modus

bauschlüssel

Das hiesige Publikum wird sicher wissen, was ich da in der Hand halte. Ich vermute aber, dass die marginalisierten Intellektuellen aus der kleinbürgerlichen Mittelklasse, die merkwürdige Abkürzungen wie „cis“, „Poc“ und „trans“ wie Adjektive benutzen und dreist Sonder- und Satzzeichen mitten in unschuldigen Wörtern platzieren, keine Ahnung haben, wofür ich dieses Gerät benutzen werde.

By the way: Das Publikum merkte ganz richtig an, dass ich viel zu tun habe. Das war aber noch nie anders. Gestern wurde mir eine recht komplizierte Alarmanlage mit gefühlt zwei Millionen Features von einem nur Englisch sprechenden Ingenieur mündlich erklärt. Ein fucking manual gibt es nicht. Ich verfasse daher jetzt eine Anleitung auf Deutsch für Kollegen, die ausländischer Sprachen nicht mächtig sind. Um zu beschreiben, wie man die Anlage scharf schaltet, habe ich schon sechs Seiten gebraucht…

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Ich impfe, du impfst, wir impfen

brennendes haus

An unsere Bedenkenträger, was das Impfen angeht:

Aber am Abend, als sie gegangen waren,
Saß der Buddha noch unter dem Brotbaum und sagte den andern,
Denen, die nicht gefragt hatten, folgendes Gleichnis:
«Neulich sah ich ein Haus. Es brannte. Am Dache
Leckte die Flamme. Ich ging hinzu und bemerkte,
Dass noch Menschen drin waren. Ich trat in die Tür und rief
Ihnen zu, daß Feuer im Dach sei, sie also auffordernd,
Schnell hinauszugehen. Aber die Leute
Schienen nicht eilig. Einer fragte mich,
Während ihm schon die Hitze die Braue versengte,
Wie es draußen denn sei, ob es auch nicht regne,
Ob nicht doch Wind ginge, ob da ein anderes Haus sei,
Und so noch einiges. Ohne zu antworten,
Ging ich wieder hinaus. Diese, dachte ich,
Müssen verbrennen, bevor sie zu fragen aufhören. Wirklich, Freunde,
Wem der Boden noch nicht so heiß ist, daß er ihn lieber
Mit jedem andern vertausche, als daß er da bliebe, dem
Habe ich nichts zu sagen.»
So Gothama, der Buddha. (Bertolt Brecht)

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Total number of vaccination doses

covid-19 Total number of vaccination doses

Warum gehen unsere Medien mit Totalversagern wie Spahn so zartfühlend um? Liegt das an der freiwilligen staatstragenden Attitude, die typisch ist für die Mittelklasse, aus der fast alle Journalisten stammen?

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Das Geheimnis der Maya-Scherbe

uxmaluxmal

Ich muss gestehen, dass ich ein Dieb bin, obwohl der Eigentümer sich nicht beschweren wird, da er schon rund 1000 Jahre tot ist. In Uxmal (Yucatan, Mexiko) habe ich am 17.10.1979 ein Artefakt mitgenommen, das vermutlich Teil eines Kruges oder Gefäßes gewesen sein wird, fernab von den Ruinen. Ich streifte durch das Areal, was schwierig war, da außerhalb der wenigen gerodeten Plätze wegen des dicken Dschungels kaum ein Durchkommen ist. Ich fand eine kleine Lichtung mit vielen steinernden Trümmer, aber auch verstreute Tonscherben. Eine davon steckte ich ein.

In Uxmal waren wir fast allein. Auf keinem der ein Dutzend Fotos ist ein anderer Tourist (außer meinem Reisebegleiter) zu sehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Archäologen diese Scherbe zurückgelassen haben. Andererseits ist es auch schwer vorstellbar, dass diese Scherben nicht im Laufe der Jahrhunderte völlig überwuchert wurden, zumal Uxmal seit einem Jahrtausend nicht mehr besiedelt ist. Es wird ein Geheimnis bleiben.

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An der Bobbahn

winterberg bobbahnwinterberg bobbahn

Die Fotos wurden an der Natureisbobbahn in Winterberg (Sauerland) aufgenommen, am Kahlen Asten (ca. 1957). Ich sitze da auf einem ausrangierten Bob, unten sieht man meine Eltern und meine Wenigkeit. Leider ist es mir nicht gelungen herauszufinden, was das für eine Hütte ist bzw. war. Auch auf alten Postkarten bin ich nicht fündig geworden. Meine Eltern hatten damals kein Auto. Man muss also zu Fuß vom Kahlen Asten aus dahin spazieren können. (Es könnte die Hütte links am Anfang der Bobbahn sein; sie ist aber auf der Postkarte kaum zu erkennen – außerdem fehlt der Wald ringsum.)

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Zur emergenten Methode und produktive Kräfte

roman family
Gemälde aus Pompeji, jetzt im Museo Archeologico Nazionale (Neapel): Ein Bankett oder eine familiäre römische Zeremonie

Das neue Jahr sollte mit hochgestochener Wissenschaft beginnen um ein Zeichen zu setzen. Ich wurde angeregt durch die Kommentare der wohlwollenden Leserschaft, ein paar Worte zur Methode zu formulieren. Außerdem habe ich das höchst interessante und originelle Buch Egon Flaigs Ritualisierte Politik – Zeichen, Gesten und Herrschaft im Alten Rom jetzt gelesen und kann einige Argumente nachlegen.

1. Ich schrieb am 05.11.20: Zu Spartacus und den Sklavenaufständen hatten einige marxistische Historiker die These aufgestellt, dass der Wechsel von der Republik zur „Kaiserzeit“ von den ritualisierte politikHerrschenden unter anderem als Option gewählt wurde, weil sie Angst vor weiteren Aufständen gehabt hätten und eine Ökonomie, die massenhaft auf Sklavenarbeit beruht, nicht mehr effizient genug gewesen sei.

Der erste Teil dieser These ist eindeutig falsch, durch keine Quellen belegt und beruht vermutlich auf Wunschdenken. Ich neige mittlerweile sogar dazu zu behaupten, dass der Klassenkampf zwischen den Freien und den Sklaven nicht der bestimmende für den Charakter der Sklavenhaltergesellschaft war, sondern der zwischen den „Ständen“ der Senatoren und Rittern einerseits und den Freien, insbesondere den Bauern, andererseits. Man muss auch bedenken, dass sich der ökonomische Charakter des römischen Reiches von den Punischen Kriegen bis zu Justinian – also fast 800 Jahre! – nicht wesentlich änderte. Die Rebellion des Spartacus fand aber schon im 1. Jahrhundert v. Chr. statt. Danach sind zwar zahlreiche kleinere Sklavenaufstände bekannt, aber keiner, der das Imperium oder gar die Form der Klassenherrschaft real bedrohte.

Im Klippschulen-Marxismus heißt es: Engen die Produktionsverhältnisse die Entwicklung der Produktivkräfte ein, so geraten beide in Widerspruch zueinander. Es folgt eine sozialen Revolution, die die Produktionsverhältnisse und den juristischen und politischen Überbau umwälzt. Gab es am Ende der Sklavenhaltergesellschaft, die hier mit dem Römischen Reich identisch ist, eine soziale Revolution, die irgendetwas umwälzte? Ich sehe keine. Es kommt aber darauf an, was man unter „Revolution“ versteht.

Egon Flaig schreibt: „Nicht bedachte oder tatsächlich unabschätzbare Folgen ergeben sich unentwegt aus menschlichen Handlungen; sie gehören zum Phänomen der Emergenz: Neues taucht auf, ohne dass richtig zu erkennen wäre, woher es eigentlich kommt. Die objektive Folgewirkung eines Ereignisses und die Bedeutung, die ihm in den Augen der Akteure anhaftet, driften in der Regel auseinander.“

Man kann also eine Revolution machen oder erleben, ohne es zu wissen. Für das Römische Reich heißt das: Massenhafte Sklavenarbeit wurde in der Spätantike ökonomisch immer unwichtiger oder sogar unprofitabel, ohne dass das jemand geplant oder vorhergesehen hätte. Das hatte aber mehrere Gründe, u.a. den Zusammenbruch der überregionalen Absatzmärkte für die Produkte der Latifundien. Man kann vermuten, dass bäuerliche Arbeit im Kolonat und später und feudalen Verhältnissen schlicht effektiver war als die Arbeit von Sklaven.

Eine Tendenz ist unstrittig: Die freien Bauern im Römischen Reich – zu Beginn dessen Basis – wurden mehrheitlich komplett ruiniert und ihres Landes beraubt. Das kann man vergleichen mit der Landflucht während der Industrialisierung in Europa: Der Kapitalismus braucht Menschen, die nichts mehr besitzen als ihre Arbeitskraft – das ist die klassische Definition des Proletariats. Im Spätfeudalismus hieß das Bauernlegen – nur dass die enteigneten Bauern nicht in die Städte abwandern konnten, sondern unter die Fuchtel der immer mächtigeren Feudalherrn gerieten. Erst die Entwicklung der Produktivkräfte in der Industriellen Revolution schuf für landlose Bauern eine Alternative.

roman mosaic
Römisches Bankett nach der Jagd, aus der Villa Romana del Casale in Sizilien

Zur Methode: Man kann Zufälle nicht als den treibenden Motor der Geschichte ansehen. (Ich will jetzt nicht die Schlacht von Salamis diskutieren.) Es hat auch im römischen Reich zum Beispiel immer wieder Seuchen gegeben wie etwa die Antoninische Pest; aber die haben den Lauf der Geschichte nicht wesentlich geändert, obwohl die Pandemie vermutlich mindestens 20 Prozent der Gesamtbevölkerung auslöschte. Auch die Pest im 14 Jahrhundert und der 30-jährige Krieg haben die Produktionsverhältnisse nicht umgewälzt. (Das gilt auch für „Klimaänderungen“ oder Vulkanausbrüche.)

An drei Orten kann das römische Volk am meisten sein Urteil und seinen Willen bezüglich der Res publica äußern: bei den Informationsveranstaltungen (contiones), bei den Stimmversammlungen (comitia) sowie bei den ludi und bei Gladiatorendarbietungen. (Marcus Tullius Cicero: Pro Sestio (56 v. Chr.)
Lateinisch ist hier viel kürzer und eleganter: Etenim tribus locis significari maxime de re publica populi Romani iudicium ac voluntas potest, contione, comitiis, ludorum gladiatorumque consessu.

2. Ich fragte mich selbst: „Republik“ oder „Militärdiktatur“ – sind das nur zwei Formen derselben Herrschaft, wie auch die „Demokratie“ und der „Faschismus“ beide Formen der Klassenherrschaft im Kapitalismus sind?

Die Antwort ist eindeutig ja! Fraig schreibt: „Die römische Republik ist untergegangen, weil die politischen Institutionen zusehends wehrloser wurden gegen die Konzentration riesiger Machtpotentiale in den Händen einzelner Nobiles. (…) Im Rom ließen sich ökonomische Ressourcen mühelos in soziale Macht verwandeln, das Klientelsystem eignete sich dafür bestens. Wo aber machten römische Aristokraten ihre größten ökonomischen Gewinne? Nicht in der Landwirtschaft und nicht im Handel, sondern bei der Verwaltung von Provinzen und im Kriege. Die Kriegsbeute war erheblicher als die Gewinne, die ein Statthalter normalerweise aus seiner Provinz herauszog. Mit ihr erwarb der Feldherr schlagartig Reichtümer in einem solchen Umfang, dass andere Senatoren keine Chance hatte, durch eine allmähliche Optimierung ihrer landwirtschaftlichen Einkommen den Vorsprung aufzuholen.“

Je weiter der römische Imperialismus sich ausdehnte, um so mehr untergrub er also die Basis der traditionell herrschenden Klasse der Senatoren. Der Senat verlor die Kontrolle über den Staat, aber nicht zugunsten der Plebs – sein klassischer Gegenpart in den Frühzeiten der Republik. „Als die Kräfteverhältnisse sich zuungunsten des aristokratischen Leitungsgremiums verschoben, profitierten vielmehr herausragende Adlige, die riesige Ressourcen ansammelten , wie z. B. Marius, Sulla, Pompeius und Caesar…“

Die Herrschaft eines Imperators (also de facto eine Militärdiktatur) ist daher die effektivste Form der Klassenherrschaft der römischen Sklavenhaltergesellschaft und musste zwangsläufig irgendwann eintreten – eine Republik ist eher eine „Ausnahme“. Nach der Lektüre Flaigs, dessen Ansatz und zentrale Thesen ich hier gar nicht analysieren kann, habe ich den Eindruck, dass die Republik nur eine Art Nährboden war – von einer ursprünglich tribalistischen Bauernrepublik bis hin zur Militärdiktatur mit massenhafter Versklavung von Kriegsgefangenen und Schuldnern und deren Einsatz in der Produktion.

In der marxistischen Diskussion wurde vereinzelt auch die Frage gestellt, ob die antike Sklavenhaltergesellschaft zwangsläufig erforderlich sei als Vorstufe des Feudalismus, oder ob sich feudale Gesellschaften auch ohne diese „Vorstufe“ zum Kapitalismus entwickelten könnten? Daraus folgt die Frage, ob die Tatsache, dass der Kapitalismus sich zuerst in Mitteleuropa entwickelt habe, kein historischer „Vorsprung“ war und auch kein Vorteil in Richtung Sozialismus? Man sieht natürlich heute, dass die Annahme, der Sozialismus würde eben darum zuerst in Europa siegen, falsch war.

Mein Argument, nur als Arbeitshypothese: Die Sklavenhaltergesellschaft des römischen Reiches schuf die „besten“ Voraussetzungen für den Ruin der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und somit für deren Abhängigkeit vom Grundherrn – die Basis des entwickelten Feudalismus. (Man müsste das anhand der chinesischen Geschichte verifizieren oder falsifizieren – da kenne ich mich aber zu wenig aus.)

gladiatoren
Gladiatorendarstellung auf einem Mosaik in Leptis Magna, heutiges Libyen, etwa 80 bis 100 n. Chr.

Noch ein Detail – ich musste meine Meinung zu den Gladiatoren ändern. Flaigs These: Die Spiele und die Kämpfe der Gladiatoren hatten rituellen und einen politischen Charakter. Spiele waren ein Barometer, das die aktuelle Popularität der Senatoren anzeigte. Sie waren genauso wichtig wie die contiones und die Stimmversammlungen comitia. Die Gladiatoren galten als exemplum römischen Verhaltens – die sozialen Regeln wurden durch eine Art Referenzkultur eingeübt und durchgesetzt (der Vergleich mit dem britischen Common Law liegt nahe).

„Die Verfemten und Ausgestoßenen fungierten als lebendige mnemische Zeichen, Eben die Verfemten, deren Leben eigentlich verwirkt war, führen nun ein Verhalten vor, das von römischen Werten gesteuert wurde, von Disziplin, Technik, Gehorsam und Todesverachtung. Ausgestoßene und Kriminelle inszenierten römische Werte, choreografierten römische Tugenden. (…) Tierkämpfe (venationes) Hinrichtungen und Gladiatorenkämpfe wurden wahrscheinlich erst am Ende der Republik zu einem kanonischen Ensemble kombiniert, in welchem – nach Tageszeichen geschieden, die römische Ordnung sich darstellt. Morgens bei der Tierhatz als siegreicher Kampf der Kultur gegen die Natur, mittags bei den Hinrichtungen als schonungslose Ausmerzung der nicht integrierbaren Feinde, diese Ordnung nach nachmittags bei der Gladiatur als disziplinierender Rahmen, innerhalb dessen Verfemt und Geächtete eine Chance hatte, unter Einsatz ihres Lebens sich vor einer versammelten Öffentlichkeit zu bewähren.“

Die historische Realität war – wen wundert’s – anders als in ausnahmslos allen Gladiatorenfilmen: Die meisten Gladiatoren überlebten die Kämpfe, obwohl manche fast nie siegten. „Georges Ville hat geschätzt, dass im ersten Jahrhundert ein Gladiator pro Kampf im Durchschnitt eine 80-prozentige Chance hatte, zu überleben, allerdings verschlechterten sieh die Chancen im dritten Jahrhundert, wo sie durchschnittlich nur noch 50% betrug.“ Es gibt keinerlei Hinweise oder Quellen, dass das Publikum jemals unterschiedlicher Meinung gewesen ist, ob ein Besiegter begnadigt wurde oder nicht – das ist merkwürdig und muss erklärt werden: „…die römische Plebs verfügte über keine Organe und kein Forum, wo sie ihren politischen Willen in einem institutionalisierten Kommunikationsprozess hätte bilden können. Doch im Amphitheater konnte sie das tun.“ Es war also das Gegenteil der Comitien: „Dort legte der Magistrat eine rogatio vor, das Volk stimmte zu und führe mit der Zustimmung ein iussum populi, einen Volksbeschluss herbei; im Amphitheater richtete das Volk seine Bitte an den Spielgeber (…), das Volk stellt mit dieser Bitte einen Antrag, eine rogatio, an den Spielgeber; der stimmte normalerweise zu…“ Der Spielgeber musste bestätigen, dass er mit den Grundwerten der römischen Bürger übereinstimmte.

Das Ritual änderte sich natürlich im Lauf der Jahrhunderte. Caesar zum Beispiel befahl, dass besiegte Gladiatoren schlicht die Arena zu verlassen hatten, auch wenn das Volk deren Tod wollte – er sparte sie für weitere Kämpfe auf. Wie wichtig das Ritual des Gladiatorenkampfes war, beweist, dass Augustus ein Gesetz erließ, das Kämpfe verbot, die keine Begnadigung (missio) vorsahen. Die Senatoren kämpfen auch verbittert dagegen, dass Adlige als Gladiatoren auftraten. Kaiser Tiberius erließ sogar ein Gesetz, dass dafür die Todesstrafe vorsah, auch für die Verwandten des Adligen, der es übertreten hatte. Flaig spricht von einem „Kulturkampf“ in Rom gegen die Hellenisierung der Gladiatorenkämpfe. Nur Kaiser Nero sah das anders, er gestaltete „….gezielt den sozialen Rahmen de Rituals um. Er scheiterte letztlich an der stadtrömischen Bürgerschaft, welche sich den kulturellen Zumutungen des Kaisers erbittert widersetzte. Der Kampf um die politische Symbolik der römischen ludi endete mit einer totalen Niederlage der Hellenisierer.“

Die Gladiatorenkämpfe nahmen erst in der späten Kaiserzeit ab; die Bürger des Reiches hatten zunehmend Angst um ihre zivile und politische Sicherheit, „so wurde ihnen der öffentlich inszenierte tödliche Kampf inmitten einer befriedeten Gesellschaft immer unzumutbarer.“ Das Christentum gab den Gladiatoren und auch den Tierkämpfen den Rest.

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Die heißblütige Seele Havannas

Cuatro estaciones en La Habana

Deutsche Filme bei Netflix schaue ich gar nicht mehr, ich wurde immer nur enttäuscht. Bei Criminal sind die englischen, spanischen und französischen Version gut und solide Krimi-Kost, die deutsche hingegen unausstehlicher Quatsch mit gestelzten Dialogen und lächerlichem Plot. Die Schauspieler können nichts dafür. Ähnlich ist es in The Team: einige Darsteller werden synchronisiert, andere sprechen deutschen, die Handlung ist vorhersehbar und hüpft im Minutentakt zwischen den Schauplätzen in halb Europa hin und her, als wollte man die fehlende Weltläufigkeit so kompensieren. Ich haben nur eine halbe Stunde ausgehalten, dann hatte ich es satt.

Noch schlimmer waren andere Fehlgriffe. Das Imperium der Wölfe hat einen geradezu hanebüchenen Plot, der zwischen Mystery, Fantasy und Thriller schwankt, so dass noch nicht einmal Jean Reno das wieder wettmachen kann. Auch sehen sich zwei wichtige Frauenfiguren (Araceli Jover und Laura Morante vom Typus her so ähnlich, dass man immer genau hingucken muss, wer da gerade agiert.

Ich muss auch verschämt zugeben, dass ich eine Stunde Der Nebel ausgehalten habe. Der Plot stammt immerhin von einer Novelle Stephen Kings.

Vermutlich wird man als aufgeklärter Europäer US-amerikanische Filme bald gar nicht mehr anschauen können, weil sie nach dem immergleichen Muster aufgebaut sind, ganz gleich, um welches Genre es sich handelt. Am – oft quälend langatmigem – Anfang steht die wahlweise intakte oder zerbröselnde Kleinfamilie aus der Mittelklasse, deren Zusammenhalt mit dem pädagogischen Holzhammer beschworen wird, und die sich in der Krise bewähren muss. Außerdem geht mir das triefende christliche Gedöns und der Sermon der Pfaffen, das nie fehlt, auf die Nerven.

Cuatro estaciones en La Habana

Ich empfehle die sehenswerte spanisch-kubanische Mini-Serie Four Seasons in Havana, auf die ich zufällig gestoßen bin. Havanna ist immer ein interessanter und origineller Schauplatz (außer in US-amerikanischen Filmen, die ohne antikommunistische Propaganda nicht auskommen). Man merkt, dass die Schauspieler spanisches Spanisch sprechen – ich konnte manche Dialoge ohne Untertitel verfolgen. Die Kubaner sprechen aber im Original meistens einen Slang vom Feinsten und so schnell, dass ich, als ich 1984 in Havanna war, nur selten was mitbekommen habe.

Witzig sind auch die uralten Telefone. Es gibt keine Smartphones, und die Computer laufen mit DOS (vermutlich ist das heute ein bisschen anders), Die Polizei tritt viel weniger martialisch auf als in den USA und Europa. Während bei der Brücke – Transit in den Tod jede Festnahme mit einem Sondereinsatzkommando vonstatten geht, rennen in Havanna sogar die Chefs ohne Schutzweste und höchstpersönlich hinter den Verdächtigen her. Das liegt natürlich daran, dass Kuba eines der sichersten Länder ist und das sicherste in ganz Lateinamerika, insbesondere für Reisende.

Bonus: Natürlich sehen fast alle Frauen umwerfend aus und laufen fast immer in kurzen Höschen oder Minirock herum. Die kurvige Dame auf dem unteren Screenshot ist aber eine Italienerin – Yessica Borroto.

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Guten Rutsch!

panama

Ich wünsche allen wohlwollenden Leserinnen und geneigten Lesern einen guten Rutsch ins neue Jahr 2021! Alles wird gut und besser werden!

Das Foto habe ich in der Altstadt von Panama am Jahreswechsel 1981/1982 gemacht. In der Pension Panama habe ich gewohnt.

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Fehlerlos

„Es ist ein Arbeitsgrundsatz der Behörde, daß mit Fehlermöglichkeiten überhaupt nicht gerechnet wird. Dieser Grundsatz ist berechtigt durch die vorzügliche Organisation des Ganzen, und er ist notwendig, wenn äußerste Schnelligkeit der Erledigung erreicht werden soll.“ (Franz Kafka über Impfungen gegen COVID-19)

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Einmal mit Profis arbeiten

Dr. Carola Holzner aka Doc Caro:

„Sehr geehrter Herr Armin Laschet , sehr geehrter Karl-Josef Laumann !
Mein Name ist Dr. Carola Holzner- vielleicht kennen Sie mich bereits durch meine Blogaktivitäten als Doc Caro. Wenn nicht, dann erreiche ich Sie hoffentlich mit diesem Post. Ich bin leitende Oberärztin im Universitätsklinikum Essen in der Notaufnahme.

Wir sind der größte Covid19 Versorger in der Region Rhein/Ruhr. Mittlerweile haben wir die VIERTE (!) Intensivstation für Covid19 erkrankte Patienten eröffnen müssen, versorgen tagtäglich die meisten Patienten in der Umgebung und darüber hinaus.

Meine Kollegen und ich setzen sich täglich dem Infektionsrisiko aus. Das tun wir gerne. Aber auch wir sind nicht davor geschützt, uns zu infizieren und vielleicht zu erkranken.

Wir wurden zurecht an die Spitze der Liste bei der Verteilung der Impfungen gesetzt.. Notaufnahmen, Intensivstationen, Personal von Covid Stationen..
Ja, wir stehen als Risikogruppe 1 ganz oben auf der Liste…

Warum schreibe ich das?

Sehr geehrter Herr Laschet, sehr geehrter Karl-Josef Laumann ,
gerne würden meine Kollegen und ich uns schützen! Gerne würden wir uns impfen (vielleicht nicht alle- aber die meisten!). Wir erhofften die Impfung- wie viele andere auch. Jetzt ist sie da!

Aber überraschend wurden wir nicht berücksichtigt? Vergessen? Sind der Priorisierung zum Opfer gefallen?

Ja, Risikogruppen gilt es zu schützen, die Altenheime werden zuerst geimpft. Aber wer versorgt die Patienten, die in die Krankenhäuser kommen? Wenn wir doch gemeinsam ganz oben auf der Liste stehen, wieso wird nicht mindestens aufgeteilt?

Wie kann es sein, dass Pflegekräfte, Ärzte, Personal in Risikobereichen keinen Impfstoff bekommen- sind wir doch bitte die, die nicht ausfallen dürfen, die die Risikogruppen behandeln und dazu tatsächlich und zu Recht(!) gemeinsam mit den Risikogruppen oben auf der Liste stehen?

Ich möchte ausdrücklich im Namen meiner Kollegen und mir, stellvertretend für das Krankenhauspersonal dringend appellieren – vergessen Sie uns nicht! Wir wollen die Impfung und zwar schnell! Vergessen Sie uns nicht bei der Verteilung des Impfstoffs und auch danach nicht! Wir halten hier den „Laden am Laufen“! Ja, wir sind relevant. Wir wollen es weiter sein.

Wir möchten gesund ins neue Jahr starten und es bleiben. Das haben wir verdient! (…)“

Beate Otto schreibt auf Fratzenbuch: Biontech als deutsches Unternehmen erhält dieses Jahr eine Förderung von 375 Mio. aus Steuergeldern und Deutschland verzichtet auf eine bevorzugte Lieferung von Impfdosen, um „ein Zeichen für die Solidarität in der EU zu setzen“! Die EU wiederum verzichtet auf erhebliche Mengen des angebotenen Impfstoffs von Biontech (immerhin wurde auf 200 Mio. zusätzliche Dosen verzichtet), um sich dafür den französischen Impfstoff von Sanofi zu sichern – der wird aber voraussichtlich erst Ende 2021 zugelassen werden. (…)

Spiegel online: „Während Staaten wie die USA und Israel ihre Impfstoffe allein einkaufen, bestellt die Bundesrepublik sie gemeinsam mit den anderen Staaten der Europäischen Union (EU). Als im Herbst bekannt wurde, dass der Biontech-Impfstoff sehr wirksam ist, reagierte die israelische Regierung schneller und bestellte pro Kopf mehr Dosen bei Pfizer als die EU-Staaten.“

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Uxmal, Taubenhaus

uxmal

Noch einmal Uxmal – das Taubenhaus. Ich war es leid, immer nur Ruinen zu fotografieren, über die ich damals noch nicht viel wusste (es gab kein Internet – und ich hatte keinen Reiseführer!). Deshalb kroch ich ins Gestrüpp, um eine ungewöhnliche Perspektive zu finden.

Das Original-Dia war schon arg ramponiert, als ich es einscannte. Ich bitte die mangelnde Qualität zu entschuldigen – es war auch kompliziert, den erheblichen Blaustich wegzukriegen.

Fotografiert in Yucatan, Mexiko, am 17.10.1979.

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Schnelle Herde

israel vaccination

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Schnell oder nicht schnell

Christian Y. Schmidt schreibt auf Fratzenbuch: „Vor einer Stunde Nachrichten von einem Freund, der in einem Dorf nördlich von Peking wohnt. Nachdem vor vier Tagen in Gaoliying- einer kleinen Stadt nördlich der sechsten Ringstrasse im Shunyi District – ein Corona-Infizierter identifiziert wurde, wurde heute jemand in einem der Dörfer in der näheren Umgebung des Dorfes, in dem der Freund wohnt, positiv getestet.
Daraufhin wurden sofort die Bewohner aller Dörfer der Umgebung zusammengetrommelt, und zwar mitten in der Nacht (um 22:30 Uhr), damit sie sich im Gemeinschaftszentrum des Dorfes testen lassen. Natürlich sind die PCR-Tests kostenlos. Falls einer fragt, wieso in China seit Mitte Mai keiner mehr an Corona gestorben ist: Auch wegen solcher schneller Reaktionen.“

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Uxmal

uxmal

Ich stehe da auf der Hauptpyramide der Maya-Stadt Uxmal, Yucatan (Mexiko), im Hintergrund eine noch nicht ausgegrabene Pyramide – es dürfte sich um den Chimez-Tempel (Chanchimez) handeln.

Nur das ehemalige Stadtzentrum ist archäologisch erschlossen. „Die Geschichte von Uxmal ist so gut wie unbekannt. Die archäologischen Forschungen sind, trotz einer großen Leistung auf dem Gebiet der Konservierung und Rekonstruktion, nur oberflächlich gewesen.“

Ich gäbe etwas darum, eine eintägige kurze Zeitreise machen und sehen zu können, wie die Stadt unter Chan Chak K’ak’nal Ajaw etwa im Jahr 900 aussah. Das Foto habe ich am 17.10.1979 gemacht.

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Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil 2]

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[Fortsetzung der Rezension des Buchs von Armin Eich Die römische Kaiserzeit: Die Legionen und das Imperium.]

Ich muss die althistorisch interessieren Leserinnen und die der Antike aus marxistischer Sicht kundigen Leser um Nachsicht und Geduld bitten: Je mehr ich zum Thema recherchiere, um so komplizierter wird es. Das Folgende ist also eher ein Exzerpt mit Notizen und work in progress.

Zum Erinnern: Die Eigentümer der villae waren die dominante soziale Klasse des Imperiums. (…) Die Gesamtzahl (…) ist auf etwa 200.000 bis 250.000 Personen geschätzt worden. Diese lokale Grundbesitzeraristokratie profitierte von der Schaffung des imperialen Friedensraumes, der einen weitgehend ungestörten Handelsverkehr zwischen weit auseinanderliegenden Regionen ermöglichte.

Die Zeitspanne, die Armin Eich behandelt, umfasst mehr als 250 Jahre, von der Machtergreifung des Imperators Augustus bis zum letzten Soldatenkaiser Marcus Aurelius Carus, kurz vor der Diocletianischen Ära.

Will man langfristige Tendenzen analysieren, steht man vor dem Problem, dass es natürlich niemals einen „Masterplan“ der jeweiligen Vertreters der herrschenden Klasse gab, was zu geschehen hätte. Man kann ebensowenig behaupten, dass Bismarck hätte vorhersehen oder gar planen können, wie der Kapitalismus ein Jahrhundert nach seinem Tod aussehen würde.

Zwei Dinge kann man aber unstrittig feststellen:

– Die Produktionsverhältnisse blieben unverändert; genauso funktionierte die Verwaltung inklusive der Steuern ungeachtet dessen, ob gerade eine Marionette des Senats Kaiser war wie der 13-jährige Severus Alexander, oder ob die Kaiser so schnell wechselten, dass in den entfernten Provinzen des Kaiser niemand wer wusste, wer in Rom das Sagen hatte, oder ob der Kaisertitel an den Meistbietenden verhökert wurde – wie an Didius Julianus.

– Die soziologische Zusammensetzung der herrschenden Klasse änderte sich: Waren in Zeiten der Republik und noch in der Ära des Augustus die Senatoren, also die Großgrundbesitzer, die auch politisch bestimmenden Funktionsträger, wurden die Klassenschranken zunehmend löchrig: nicht nur die Ritter konnten höchste Ämter – wie etwa Präfekt einer reichen Provinz – erreichen, sondern auch Emporkömmlinge und sogar freigelassene Sklaven.

…banden die Imperatoren die Sklaven und Freigelassenen ihres privaten Haushalts großzügig in Regierungsaufgaben ein. Sehr früh wird das bei den Rechnungsleitern des kaiserlichen Haushaltes, den a rationibus, deutlich. Die öffentlichen Kassen, von dem zentralen aerarium in Rom bis zu den Provinzialfisci, hatte Augustus unter der Leitung senatorischer oder ritterlicher Geschäftsträger belassen. Doch das System dieser öffentlichen Kassen hatte stets darunter gelitten, dass es keine Gesamtbilanz und keine zentrale Buchhaltungsstelle gab. Die Gesamtberechnung des staatlichen Haushalts konnte Augustus daher leicht an sich ziehen und übertrug sie den spezialisierten Freigelassenen und Sklaven seines eigenen Haushalts. Dies war die Keimzelle eines eigenständigen Finanzressorts.

Die Kaiser bauten ihre Macht und die ihres eigenen Apparats politisch und ökonomisch immer weiter aus – mit Hilfe der eigenen Klientel, strukturell vergleichbar etwa mit den feudalen Ministerialen. Kaiser Aurelian setzte durch, dass nur der Imperator Münzen prägen durfte (mit wenigen Ausnahmen). Ein im Ansatz „modernes“ Steuersystem bekam das Römische Reich aber erst unter Diocletian – mit der Capitatio-Iugatio im Jahr 287 n. Chr..

Exkurs:
Von Geoffrey Ernest Maurice de Ste. Croix hatte ich bis jetzt noch nie etwas gehört.

Sein Standardwerk der marxistischer Geschichtswissenschaft Class Struggle in the Ancient Greek World – „From the Archaic Age to the Arab Conquests“ erschien 1981. class struggle

Das Buch wurde bis jetzt nicht in Deutsche übersetzt. Das ist vermutlich kein Zufall: St. Croix‘ Interpretation der Geschichte entspricht nicht der offiziellen Parteidoktrin im Ostblock, und hierzulande ignoriert man grundsätzlich alles, was auch nur nach Marx riecht. Im Vergleich etwa zu Frankreich oder Großbritannien geht Deutschland damit einen lächerlichen Sonderweg, der nur beweist, dass hierzulande die Wissenschaft eben nicht „frei“ ist, obwohl nicht direkt zensiert wird. Der gewünschte Mainstream setzt sich automatisch durch.

Wer an einer deutschen Universität marxistisch argumentiert, darf sicher sein, keinen Job zu bekommen – und schon gar keine Professur. Das steht nirgendwo so geschrieben, ist aber dennoch wahr.

Armin Eich etwa hat sicher seinen Marx gelesen – das merkt man an manchen Stellen, auch am Titel seiner leider nicht erhältlichen Monografie „Die politische Ökonomie des antiken Griechenland“, hütet sich aber, Einschlägiges zu zitieren. Sein Buch ist dennoch hervorragend und wäre von Marx sicher über alle Maßen gelobt worden.

Die römischen Bürger hatten immer steuerliche und strafrechtliche Vorteile genossen. Das änderte sich, nachdem der Imperator Caracalla 212 n. Chr. fast der gesamten Bevölkerung des Reiches das römische Bürgerrecht verlieh. Danach bedeutete dieser Status immer weniger. Stattdessen trat die im Strafrecht verankerte Unterscheidung zwischen „ehrenwerten“ (honestiores) und „geringeren“ (humiliores) Bürgern stärker in den Vordergrund. (…) Ein humilior war nicht einmal vor dem Verlust der Freizügigkeit geschü+tzt und konnte beispielsweise gezwungen werden, nach Abschluss eines Pachtvertrages, lebenslang in dem betreffenden Pachtverhältnis zubleiben und seine Pachtstelle nicht zu verlassen.

Paradoxerweise führte die Verleihung des Bürgerrechts an mehrere Millionen Menschen dazu, dass die weniger Vermögenden und Armen immer ärmer wurden und immer weniger Rechte besaßen. Der schon zu Zeiten der Republik tobende Klassenkampf zwischen Großgrundbesitzern und kleinen Bauern verschärfte sich noch, weil immer mehr kleinere Landwirte sich verschuldeten oder sogar ihr Land verlassen mussten und sich unter die Herrschaft eines Großgrundbesitzers begeben mussten (vgl. Kolonat.) Das ist immer und überall so, sogar im Kapitalismus: Je mehr in Landwirtschaft investiert werden muss, um einen ausreichenden Ertrag zu erzielen, der das Subsistenzminimum überschreitet, also auf dem Markt, um so mehr dünnt sich die untere Schicht aus, um so mehr konzentriert sich der Profit bei den Besitzern der großen Güter.

Ich schrieb 2016: „Die „Produktivkäfte“ bedeuten am Ende der Republik: Die Bauern wurden ruiniert zugunsten der Großgrundbesitzer mit deren Latifundien. Die Produktion für den immer größer werdenden städtischen Markt verlangte nach „industrieller“ Massenproduktion. Dafür setzte man immer mehr und öfter Sklaven ein; gleichzeitig wanderten ruinierte Bauern und Landlose in die Städte ab.“

römische Kaiser
Credits: Daniel Voshart/medium.com (Photoreal Roman Emperor Project)

Der Klassenkampf der Sklaven war zwar immer präsent, aber seit Spartacus im 1. Jh. vor Chr. erreichte er nie Ausmaße, die die herrschende Klasse gefährdeten. Es gab aber andere, wegen der desolaten Quellenlage weitgehend unerforschte Aufstände vor allem von landlosen Bauern, aber auch entflohenen Sklaven, die immer wieder ein geballtes militärisches Eingreifen nach sich zogen. Im 3. Jahrhundert zog der „Räuberhauptmann“ Felix Bulla durch Italien, zu dessen Gefolgschaft auch ehemalige Sklaven gehörten. Viel bedrohlicher waren zur gleichen Zeit und bis in die Zeit des Konstantin die Bagaudae, bewaffnete Bauern und Hirten („peasant insurgents“ laut Wikipedia) in Gallien und Hispanien.

Nebenaspekt: Im 3. Jahrhundert wurde das Christentum eine staatlich geförderte Religion.

Achim Eich dazu: „Christen sollten, nach den Vorstellungen des Paulus, so in der Welt leben, „als ob sie nicht in ihr lebten“*, d.h. die Institutionen des Staates und seiner Untergliederungen sollten gegenüber den neuen, „kirchlichen“ keine ernsthafte Bedeutung haben. Demgegenüber hat die bekannte Formel des Römerbriefs, dass jede Obrigkeit von Gott eingesetzt sei, lediglich pazifizierenden Charakter: Sie entspricht der allgemeinen Tendenz der frühen Kirchenlehrer, sozialrevolutionären Bestrebungen innerhalb der jungen Bewegung durch Ermahnungen vorzubeugen.“

Das Christentum änderte also nichts an den Produktionsverhältnissen oder minderte auch nicht die Zahl der Kriege. Der Monotheismus der christlichen Art blieb (trotz Julian) diejenige Religion, die der herrschenden Klasse am meisten nützte, sowohl in der so genannten „Spätantike“ und besonders im Feudalismus. Ein Aspekt ist sicher, dass die potenziell sozialrevolutionäre Sehnsucht nach „Erlösung“ sozusagen „verstaatlicht“ und somit vorab unschädlich gemacht wurde.**

Eich dazu: „Die von Decius, Valerian und später Diocletian (284-305 n. Chr.) angestrebte religiöse Gleichschaltung der Reichsbevölkerung wurde mit nachhaltiger Konsequenz erst von den Nachfolgern Konstantins vorangetrieben, paradoxerweise doch unter christlichen Vorzeichen.“

Ich schrieb im ersten Teil über die „klassische imperialistische Eroberungsstrategie und anschließend die fiskalische Erschließung der neuen Territorien“: „Die Römer wollten also auch ihre Produktionsordnung per Gewalt exportieren.“ Diese Strategie, von der die Besitzer der villae profitierten – solange keine Niederlagen drohten – konnte im 3. Jahrhundert, während der so genannten „Reichskrise“, nicht mehr effektiv verfolgt werden. Ein Grund ist sehr einfach: Die „Barbaren“ hatten die römische Militärtechnik adaptiert, die Parther und später die Sassaniden waren der römischen Infantrie mit den Kataphrakten – der Vorform mittelalterlicher Panzerreiter – sogar überlegen gewesen, so dass die Römer ihrerseits die Form der Kriegsführung übernahmen. Auch wurden die Legionen, vor allem seit dem 4. Jahrhundert, ständig verkleinert, von gut 5.000 Mann bis zu nur noch 1.000. Das machte natürlich Sinn, falls wieder mal eine Heeresabteilung auf die Idee gekommen wäre, ihren Kommandeur zum Gegenkaiser auszurufen. Um 214 v. Chr. gab es keine Provinz mehr, in der mehr als zwei Legionen stationiert waren.

Ich kann und will mich nicht mit der Frage befassen, warum das Römische Reich untergegangen ist. Vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig: Viel interessanter ist, dass die Arbeit unfreier Bauern bzw. Kolonen effektiver war als die von Sklaven auf Latifundien. Die Dreifelderwirtschaft zum Beispiel, die sich erst im 12. Jahrhundert durchsetzte, war effektiver als die römische Landwirtschaft. Die Römer haben auch das Kummet nicht erfunden und spannten Ochsen statt Pferde vor den Pflug, was weniger effektiv war. Die Sklavenhaltergesellschaft war kein Erfolgsmodell mehr, vielleicht auch, weil mit dem Zusammenbruch der überregionalen Märkte des Mittelmeerraums und der Städte die vorindustrielle Massenproduktion nicht mehr gefordert war.

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* Ein Phänomen, das auch vom aktuellen Islam in kapitalistischen Ländern zu beobachten ist.
** Da der Islam keine Kirche kennt, konnten sich in der Geschichte oft Klassenkämpfe und Rebellionen der buntscheckigsten Art mit dem Islam leichter kostümieren, zum Beispiel beim Mahdi-Aufstand im heutigen Sudan.

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WWW 1.0

nexus
Source: CERN – ein Screenshot von Tim Berners-Lees Browser Nexus.

Vor 29 Jahren veröffentlichte Tim Berners-Lee die erste Website. Leider – das sieht man am HTML-Code – ist das Original verschollen.

Ich frage immer gern junge Menschen, die meinen, sie kennten sich mit „dem Internet“ aus: Laut Wikipedia gibt es das Internet seit 1969, das World Wide Web aber erst seit seit 1991. Wie sah denn das Internet etwa 1984 aus? Wie „surfte“ und wie suchte man etwas? Dann kommt meist verlegenes Schweigen.

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Betriebstechnische Grenzparameter

güterzug
Source: People’s Daily Online

In der VR China fahren Güterzüge jetzt mit 350 km/h.

Ich interessierte mich natürlich dafür, wie schnell das hierzulande geht bzw. ginge. Es gibt betriebstechnische Grenzparameter für Güterzüge. „Güterzüge können je nach Länge und Gewicht bis zu 120 Kilometer pro Stunde fahren. Die durchschnittliche Geschwindigkeit liegt jedoch zwischen 90 – 110 Kilometer pro Stunde.“

Vielleicht wird es irgendwann so sein, dass die Chinesen auf Länder wie Deutschland herabblicken wie die Römer auf die Barbaren.

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Computer-Voodoo, revisited

computer-voodoo

Aus „Die Brücke – Transit in den Tod„, Staffel 3.

Man wundert sich nicht mehr, welch abstruse Ideen in den Köpfen der Leute ihr Unwesen treiben, wenn in jedem Film, in dem Computer zu sehen sind, per Drehbuch irgendeine magische Handlung bzw. Voodoo vorkommt.

Das mach ich auch. Ich schicke Andy Allo jetzt per E-Mail eine Datei, und wenn sie die öffnet (was sie natürlich macht), wird sie mich anrufen und einen One-Night-Stand mit mir verabreden. So einfach ist das.

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In dunkler Nacht allein und fern

nachtschicht

Solidarische Grüße an alle die draußen im Lande, die die ganze Nacht wach bleiben und arbeiten müssen!

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