Another Eagle has landed

mars landing

Erinnert sich noch jemand an Juri Gagarin?

Für mich waren die Russen immer die Guten, weil die russischen Kriegsgefangenen in Bönen nach der Befreiung meine Großeltern und vor allem meine Mutter beschützt haben: Mein Großvater hatte ihnen in der Nazi-Zeit Lebensmittel heimlich zukommen lassen und wäre beinahe deswegen von der Gestapo erschossen worden. Nach dem Einmarsch der US-Amerikaner hielten sich „die Russen“ immer im Haus meiner Großeltern auf, bis sie Deutschland verlassen mussten und unter dem Regime Stalins einem ungewissen Schicksal entgegensahen. Meine Mutter kann sich heute noch daran erinnern, dass sie keine Angst vor „den Russen hatte“, im Gegensatz zu den meisten anderen Frauen. Immer ließen sie Brot und Fleisch zurück, wenn sie wieder gingen.

Als Kind war Gagarin mein Held. Kosmonaut! Das klang nach Abenteuer und nach Zukunft. Ich sage immer noch „Kosmonaut“ und nicht „Astronaut“ (ich sage auch „Studenten“ und nicht etwas anderes. Gut, Skaphander muss nicht sein, trotz der Romane Lems, klingt aber großartig).

Wenn die NASA heute auf dem Mars landet, ist das gar nicht mehr aufregend. Ich finde es faszinierend.

Auf meinem schwachbrüstigen kleinen PC, den ich nur zu Demonstrationszwecken und zum Anfertigen von Tutorials angeschafft habe und auf dem Windows läuft, habe ich mir gleich den passenden Hintergrund zum Thema eingerichtet.

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Die Robinhoodisierung der Linken

kommunistisches Manifest
Manuskriptseite des Manifests der Kommunistischen Partei

Interessanter Text von Thomas Kuczynski: „Widersprüche weiterdenken – Zum 170. Jahrestag des Kommunistischen Manifests„.

„Im Schlussteil des Manifests stellen die Verfasser fest: In allen revolutionären Bewegungen heben die Kommunisten „die Eigentumsfrage, welche mehr oder minder entwickelte Form sie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung hervor.“

Das Gros der Vordenker der Partei Die Linke stellt die Wahrheit dieses Satzes seit Jahren in Abrede und meint, es genüge, die „Verfügung“ über das Eigentum „sozialen Kriterien“ zu unterwerfen.“

Macht es Sinn, die Linken in der „Linken“ aufzurufen, gegen die kleinbürgerliche Parteiführung zu putschen? Oder soll man einfach dabei zusehen, wie der ganze Laden unter die 5-Prozent-Hürde schlittert, mitsamt der Gendersternchen?

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Agrarisch und revolutionär (I)

Holzwickede roggen
Getreidefeld (IMHO Roggen) in Holzwickede

Welche Verkettung von Umständen hat dazu geführt, dass gerade auf dem Boden des Okzidents, und nur hier, Kulturerscheinungen auftraten, welche doch – wie wenigstens wir uns gern vorstellen – in einer Entwicklungsrichtung von universeller Bedeutung und Gültigkeit lagen? (Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, 1920)

Da spricht der bürgerliche Historiker per ecellence. „Kultur“ gehört zur luftigen Sphäre des Überbaus. Wir fragen nach der materiellen Basis. Und ob das, was der Okzident hervorgebracht hat, „universell“ gültig sei, lassen wir als ungelöste strittige Frage weg.

Die Ausgangsfragen hier waren: Warum entstand der Kapitalismus in Europa zuerst, was genau ist der Feudalismus, der ihm vorausging? Bedarf das einer Sklavenhalterwirtschaft – oder ist letztere ein historische Sonderfall, also ein Zufall? Entwickelt sich jede Gesellschaft weltweit (!) nach immer ähnlichen Schemata, bei denen der Feudalismus offenbar nie fehlt, wohl aber oft eine Ökonomie, auf der das römische Weltreich fußte – wie etwa in Japan oder China?

Die gute Nachricht ist: Mir ist ein Buch in die Hände gefallen, das einige dieser Fragen stellt und auch höchst interessant beantwortet, so dass den historisch interessierten Lesern und geschichtskundigen Leserinnen eine weitschweifige Analyse der Sekundärliteratur zur Asiatischen Produktionsweise, welchselbige wir noch nicht richtig eingetütet haben, erspart bleibt – nein, nicht ganz, aber sie wird verkürzt werden.

mitterauerUnstrittig bei allen Historikern ist die Agrarrevolution im so genannten Frühmittelalter. Lynn White hat das schon 1962 in“ Medieval Technology and Social Change“ analysiert. Das ist auf den ersten Blick erstaunlich, da das nicht in Italien geschah, also im Kernland des römischen Reiches und der Sklavenwirtschaft, sondern im Nordwesten Europas. Revolutionär waren Roggen und Dinkel, der schwere Pflug (der von Tieren gezogene Räderpflug mit Kumt), der Einsatz von Pferden im Ackerbau und die Dreifelderwirtschaft.

Der Roggen breitete sich ab dem 5. Jahrhundert bis nach dem fränkischen Gallien aus – Mitterauer spricht von „Vergetreidung“. Roggen ist erheblich widerstandsfähiger als Weizen, erschöpft auch den Boden weniger, und reift in kühlen Gegenden schneller. Nördlich der Alpen wurden auch die Mühlen weiterentwickelt (u.a. weil es dort auch mehr Wasser gab). Resultat: das „weiße“ Brot des Mittelmeerraums wird durch das „schwarze“ Brot des Nordens langfristig ergänzt („allgemeine Durchsetzung der Brotnahrung“).

Jetzt aber zwei Fragen: 1) Die Arab Agricultural Revolution zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert und die Green Revolution zur Zeit der Song-Dynastie in China fanden fast zur selben Zeit statt, aber natürlich unabhängig voneinander. Kann man das vergleichen? Und worauf wirkt sich das aus? 2) Technische Erfindungen fallen nicht vom Himmel. Warum gab es im antiken Rom keine Dreifelderwirtschaft, warum pflügte man mit Ochsen und nicht mit Pferden? Beides wäre doch viel effektiver gewesen? Warum ist das den Römern nicht eingefallen?

dreifelderwirtschaft

Roggen und Weizen sind spezifische Kulturpflanzen der kühl-gemäßigten Klimazonen Europas. Ihre Expansion im Zuge der mittelalterlichen Agrarrevolution hat die Landwirtschaft des Mittelmeerraums kaum beeinflusst. (…) Insgesamt standen die klimatischen Verhältnisse dem Anbau von Sommergetreide entgegen, und damit dem Übergang von der Zwei- zur Dreifelderwirtschaft.

Um die Jahrtausendwende hatte – als Folge der Agrarrevolution – sich der Getreideertrag vervielfacht; die Bevölkerungszahl in Mitteleuropa vervierfachte sich zwischen dem Ende des römischen Reiches und dem 12. Jahrhundert. Trotz Betons, Fußbodenheizung, öffentlichen Bädern, riesigen Bibliotheken und einer Militärmaschinerie, die ihresgleichen suchte, war das römische Weltreich dem illiteraten Frühfeudalismus haushoch unterlegen, was die Landwirtschaft angeht? Wie das?

Die Wassermühle als zentrale Einrichtung lokaler ländlicher Regionen verweist auf eine soziale Rahmenbedingung der frühmittelalterlichen Agrarrevolution, nämlich die Villikation, die in Herrenland und Bauernland zweigeteilte Grundherrschaft. Die Verbreitung der Wassermühle ım Frankenreich erfolgte primär durch weltliche und geistliche Grundherren – vor allem den König und seine Amtsträger auf den einzelnen Königshofen sowie die Klöster in den Mittelpunkten ihrer Grundherrschaften. Auch andere zentrale Einrichtungen zur Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte waren vielfach in herrschaftlicher Hand. Das gilt etwa für den Backofen, der sich mit der Durchsetzung der Brotnahrung zunehmend verbreitete, die Weinkelter oder die für das Bierbrauen erforderlichen Anlagen. Die zweiteilige Grundherrschaft war für solche Prozesse der Arbeitsteilung ein günstiger, wenn auch kein notwendiger Rahmen. Absolut erforderlich war sie hingegen für die Durchsetzung der Dreifelderwirtschaft, die wohl zunächst nur auf dem Herrenland und erst sekundär dann auch auf dem Bauernland erfolgte. Ohne herrschaftliche Eingriffe wäre diese grundlegende Neuordnung wohl kaum durchführbar gewesen.

Obwohl Mitterauer ein bürgerlicher Historiker ist, argumentiert er hier „marxistisch“: Die Produktionsverhältnisse (er nennt das konkret die „zweigeteilte Grundherrschaft“ – also die Idealform des Feudalismus) sind die wahre Ursache der Agrarrevolution. Umgekehrt wäre also auch die These korrekt, dass die Produktionsverhältnisse in der Sklavenhaltergesellschaft eine Fessel waren, die nicht gelöst werden konnte, ohne das System in die Luft zu sprengen.

Wir müssen hier ein berühmtes Zitat aus dem Vorwort von „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ von Marx abklopfen, ob es mit der Realität übereinstimmt:
„Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um.“
„Soziale Revolution“ meint offenbar nicht das Klischee, dass Männer in langen Wintermäntel und mit Gewehren Paläste stürmen, sondern dass die Eigentums- und Produktionsformen radikal umgewälzt werden. Insofern ist die „Spätantike“ durchaus eine solche Epoche. Sehr interessant ist, dass die aktuelle bürgerliche Forschung das ähnlich sieht und von einer Transformation spricht.
Joseph Tainter scheint der Marxschen These sogar sehr nahe zu kommen. Sein Hauptwerk Collapse of Complex Societies definiert diese „soziale Revolution“ als „Kollaps“: a rapid, significant loss of an established level of sociopolitical complexity, also genau das, war mit dem Römischen Weltreich geschah.

By the way: Wir reden in dürren Worten über eine Epoche von mindestens 700 Jahren, also von der Teilung des römischen Reiches und dem Untergang der Sklavenhalterwirtschaft in Westeuropa bis zur Eroberung des byzantinischen Reiches im 15. Jahrhundert. In Byzanz entwickelte sich aber der klassische Feudalismus nicht, sondern eben nur und zuerst in Nordwesteuropa.

Hilfreich ist, kurz zu klären, um was es exakt geht: Am Ende des Prozesses sind freie Bauern in der Minderheit; überall hat sich eine Klasse von Warlords (Feudelherrn) gebildet, von denen die Bauern abhängig sind, zuerst durch Naturalabgaben und Dienstverpflichtung, später immer öfter auch in Form von Abgaben in Geldform.

Was ist aber der Unterschied zwischen dem Kolonat der spätrömischen Antike und der frühfeudalen Villikation“ (letzteres ist ein Fachausdruck für die von Mitterauer erwähnte „zweigeteilte Grundherrschaft“)? Der Kolone war ein bäuerlicher Pächter auf den römischen Latifundien, also den großen Gütern, und besaß kein eigenes Land mehr. Die rechtliche und ökonomische Stellung der Kolonen verschlechterte sich immer mehr, bis diese faktisch von den späteren abhängigen Bauern im Feudalismus nicht mehr zu unterscheiden waren.

Über die Villikation schreibt Wikipedia ganz richtig: „Nicht das geliehene Gut lag der Abhängigkeit des Bauern von seinem Herrn zugrunde, sondern seine persönliche Zugehörigkeit zum Herrschaftsverband. Der Bauer war also nicht einfach Pächter eines landwirtschaftlichen Gutes gegen Grundzins, sondern seinem Herrn hörig, was zusätzlich bedeutet, dass der Herr ihn zu Arbeitsleistungen verpflichten konnte und er der Gerichtshoheits eines Herren unterstand.“

Das ist also offenbar das „Endstadium“ – der „typische“ Bauer im Feudalismus besitzt genausowenig etwas wie die „idealtypische“ Proletarier, keine Produktionsmittel, mit denen er über die Runden käme; im Gegensatz zum Arbeiter im Kapitalismus ist er aber zusätzlich noch persönlich unfrei.

Teil II folgt in Kürze.
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Bisher zum Thema Feudalismus erschienen:
– Reaktionäre Schichttorte (31.01.2015) – über die scheinbare Natur und die Klasse
– Feudal oder nicht feudal? tl;dr, (05.05.2019) – über den Begriff Feudalismus (Fotos: Quedlinburg)
– Helidos, ubar hringa, do sie to dero hiltiu ritun (08.05.2019) – über die Funktion der verdinglichten Herrschaft in oralen Gesellschaften (Quedlinburger Domschatz I)
– Tria eburnea scrinia com reiquis sanctorum (09.05.2019) – über Gewalt und Konsum der herrschenden Feudalklasse als erkenntnistheoretische Schranke (Quedlinburger Domschatz II)
– Die wâren steine tiure lâgen drûf tunkel unde lieht (10.05.2019) – über die Entwicklung des Feudalismus in Deutschland und Polen (Quedlinburger Domschatz III)
– Authentische Heinrichsfeiern (13.05.2019) – über die nationalsozialistische Märchenstunde zum Feudalismus (in Quedlinburg)
– Der Zwang zum Hauen und Stechen oder: Seigneural Privileges (15.06.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [I] (24.07.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [II] (03.05.2020)
– Agrarisch und revolutionär (I) (21.02.2021)
– Trierer Apokalypse und der blassrose Satan (17.03.2021)
– Energie, Masse und Kraft (04.04.2021)
– Agrarisch und revolutionär II (15.05.2021)
– Gladius cum quo fuerunt decollati patroni nostri (Essener Domschatz I) (28.10.2021)
– Magische koloniebildende Nesseltiere mit kappadokischem Arm und Hand (Essener Domschatz II) (14.11.2021)
– Ida, Otto, Mathilde und Theophanu, kreuzweise (Essener Domschatz III) (27.11.2021)
– Hypapante, Pelikane und Siebenschläfer (Essener Domschatz IV) (17.12.2021)
– Pantokrator in der Mandorla, Frauen, die ihm huldigen und die Villikation (Essener Domschatz V) (23.12.21)
– Jenseits des Oxus (09.01.2022)
– Blut, Nägel und geküsste Tafeln, schmuckschließend (Essener Domschatz VI) (18.04.2022)
– Missing Link oder: Franziska und kleine Könige (28.05.2022)
– Die Riesen von Gobero (Die Kinder des Prometheus Teil I) (18.07.2022)
– Die Liebhaber von Sumpa, Ackergäule und Verhüttung (Die Kinder des Prometheus Teil II) (25.07.2022)

Zum Thema Sklavenhaltergesellschaft:
Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil I]) 05.11.2020)

Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil II]) 27.12.2020)

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Viajeros

viajeros

Das Foto habe ich 1979 irgendwo an der Bahnstrecke zwischen Guayaquil (eigentlich Durán) und Quito gemacht. Mit „Ponce“ (der Schriftzug auf der Mauer) könnte Camilo Ponce Enríquez gemeint sein.

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Stachelbeertorte

StachelbeertorteStachelbeertorte

Ich hatte mir vor einigen Wochen vorgenommen, die Kunst des Kuchenbackens zu erlernen. Das hätte ich schon vor vor 50 Jahren tun können, aber damals war ich zu blöde dazu oder hatte anderes im Sinn. Mittlerweile kann ich schon improvisieren. Im Supermarkt meines Vertrauens war ich auf der Suche nach Obst, das sich zu dem geplanten Zweck eignete. Da sah ich Gläser mit Stachelbeeren aus Brandenburg und griff zu.

Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal Stachelbeertorte gegessen habe. Vielleicht bei meiner Oma, die selbige aus ihrem Garten bezog (wurde leider schon vor vielen Jahrzehnten eingeebnet, war aber ein wichtiger Punkt der positiven Erinnerungen meiner Kindheit).

Man macht also zunächst einen Tortenboden. Ich habe erst jetzt herausgefunden (ganz ohne Youtube-Videos), dass eine Springform nicht immer die beste Wahl ist, weil der Teig gern eine Form annimmt, die er will und nicht soll. Eine Obstkuchenform ist besser. Dafür gibt es zahllose Rezepte.

Die Tortenglasur mache ich auch nach Rezept. Hier aber habe ich mehr von dem Stachelbeersaft genommen, weil die Springform größer war, und habe in die kurz aufgekochte Masse noch ein Päckchen aufgelöstes Vanillepuddingpulver gequirlt. Schmeckt alles vorzüglich, beim nächsten Mal muss aber die Tortenbodenform besser werden, ungefähr so wie bei meiner Oma vor mehr als 60 Jahren…

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VKPD

paul levi
Paul Levi (1882-1930), Mitbegründer der KPD, Vorsitzender 1919-1921

Die Sektierer in der Partei Die Linke wollen deren mit riesigem Abstand populärste Politikerin (wer ist das noch mal?) nicht nach Sachsen-Anhalt einladen. Auch in Köln ist es ähnlich – Sektiererei ist beileibe kein Problem des Beitrittsgebiets. Ich schlage vor, diese Mischpoke den „Thälmann-Flügel der Linken“ zu nennen.

Das erinnert an die Geschichte der KPD und an die vermutlich unstrittige These, dass die deutsche Linke dieses finstere Kapitel nicht aufarbeitet und auch nicht willens dazu ist. Erst seit der Wiedervereinigung ist das möglich: In der DDR wurde jede Kritik an der „offiziellen“ Geschichtsschreibung niedergebügelt. Ich schrieb im Juni 2020: „Ernst Thälmann und seine Abhängigkeit von den Direktiven Stalins und der Kommunistischen Internationale waren eine Katastrophe für die KPD. Genau so muss man es sehen. Vermutlich wäre Paul Levi erfolgreicher gewesen.“

VKPD

Eine „Bildungswebsite“ auf Fratzenbuch, die vermutlich der geschätzte Kollege Daniel Kulla betreibt (vgl. auch Classless Kulla), berichtete jüngst über die Wahlerfolge der Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands (VKPD) (von mir in verständliches Deutsch übersetzt):
Am 20. Februar 1921 votieren 29,8 Prozent der Wahlberechtigten (197 113 Stimmen) im Wahlkreis Merseburg für die Vereinigte Kommunistische Partei (VKPD). Der Wahlkreis umfasst in etwa das Mitteldeutsche Industrie- und Bergbaugebiet Halle-Leuna-Mansfeld. Die VKPD wird damit stärkste Partei des Wahlkreises. Sie entsendet 5 Abgeordnete in den Preußischen Landtag.

Die KPD hieß VKPD seit dem Zusammenschluss mit dem größeren Teil der USPD im Dezember 1920. Die VKPD hat mehr als 400.000 Mitglieder und wird damit zur nicht nur zur größen Partei Mitteldeutschlands, sondern auch im Ruhrgebiet und in anderen Industrieregionen. Damit ist sie eine der ersten kommunistischen Massenparteien außerhalb Sowjetrusslands. Die VKP ist zwar Teil der Komintern, verfolgt aber eine Einheitsfront-Politik. Das unterscheidet sie von der „Avantgarde“-Linie der Bolschewiki. Die deutschen Kommunisten wollen Bündnisse und gemeinsame Aktionen mit Gewerkschaften und den anderen Arbeiterparteien, vor allem deren Basis. Die Mehrheit der Arbeiterklasse soll für eine Sozialistische Rätedemokratie gewonnen werden.

Nach dem Tod Lenins und der konterrevolutionären Machtübernahme Stalins wurde Levi auf Betreiben der Mehrheit der Komintern-Führung um Grigori Sinowjew aus der KPD bzw. VKPD ausgeschlossen, da er seine Kritik an der Leitung der (V)KPD und der Komintern nicht revidieren wollte. Levi kehrte 1922 zur SPD zurück. In der stalinistischen Parteigeschichtsschreibung wurde sein Name entweder verschwiegen oder gegen ihn auf niedrigstem Niveau gehetzt. Die SPD vereinnahmt ihn bis heute für ihre antikommunistische Propaganda.

Bezeichnend: Nach Paul Levis Tod wurde im Reichstag seiner mit einer Gedenkminute gedacht, Die Abgeordneten erhoben sich. Die Mitglieder der KPD- und der NSDAP-Fraktion verließen dabei demonstrativ den Saal.

Jetzt kennt ihr meine Version.

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Nimm dies, Seuche!

friedel baumgart

Meine Mutter, geboren 1925, ist heute zum zweiten Mal gegen Corona geimpft worden. Das Foto ist aus dem Jahr 1943.

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Bunt ist das neue Braun

Expertinnen erklären den rasanten Mitgliederschwund deutscher Gewerkschaften vor allem mit der bisher viel zu wenig beachteten Tatsache, dass die Organisationen der Arbeiterklasse keine Buntheits-Beauftragtinnen hatten.

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Niedrige Motive

helfen wohltätigkeit

Ich muss leider hier noch einmal Eiswasser über die Köpfe schütten. Karl Marx 1845 ganz aktuell über die Motive des „Helfens“ (inklusive „Flüchtlingshilfe“ und „Willkommenskultur„) beim liberalen (Klein)Bürgertum:
Das Elend wird mit Bewußtsein ausgebeutet, um dem Wohltäter (…) Genuß der eignen Vortrefflichkeit (…) zu verschaffen. (…)… daß das menschliche Elend selbst, daß die unendliche Verworfenheit, welche das Almosen empfangen muß, der Aristokratie des Geldes und der Bildung zum Spiel, zur Befriedigung ihrer Selbstliebe, zum Kitzel ihres Übermuts, zum Amüsement dienen muß. Die vielen Wohltätigkeitsvereine in Deutschland, die vielen wohltätigen Gesellschaften in Frankreich, die zahlreichen wohltätigen Donquichotterien in England, die Konzerte, Bälle, Schauspiele, Essen für Arme, selbst die öffentlichen Subskriptionen für Verunglückte haben keinen andern Sinn.

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Verwohnt

hinterhof keller mansarde

„In einem Hinterhaus, das einen schlechten, stark verwohnten Eindruck macht, bewohnt der wegen einer Armwunde arbeitsunfähige Patient eine Stube und Küche der zweiten Etage. Die Stube ist 4,80 Meter lang, 4,00 Meter breit und 2,60 Meter hoch. Der Kranke teilt sie tagsüber mit drei und nachts mit zwei Personen. Notdürftiges Mobiliar und Trümmer alten Bauholzes usw. füllen den traurigen Raum. Der Hof zeigt bei Regenwetter sintflutartige Zustände.“

Aus Gesine Asmus (Hrsg.) Hinterhof, Keller und Mansarde. Einblicke in Berliner Wohnungselend 1901 – 1920.

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航天梦 oder Touchdown

nasa mars
Kolonie auf dem Mars in The Expanse

NASA: „NASA’s Mars Perseverance Rover Safely Lands on Red Planet“. Glückwunsch! Oder: Zu den Sternen kommt man mit Wissenschaft. Zu Gendersternen kommt man mit Esoterik. (Ich weiß, dass der Mars ein Planet ist.)

Ich würde auch gern auf dem Mond oder gar auf dem Mars herumlaufen. Vielleicht nehmen mich die Chinesen ein bisschen mit, wenn ich per Anhalter durch die Galaxis reise.

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Reaktionäres Pack oder: Volksgemeinschaft heisst jetzt gesellschaftlicher Zusammenhalt

volksgemeinschaft

Ich muss mir das von der Seele schreiben, weil ich das nur hier kann. In (oder sagt man auf?) sozialen Medien würde ich sofort wegen „Hassrede“ zensiert und gesperrt. Also laut und deutlich zum Mitschreiben: Die „Grünen“ sind ein reaktionäres Pack! Ich wiederhole: Reaktionäres Pack!

Die Partei der liberalen Bourgeoisie möchte jetzt ein Ministerium für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ich fass es nicht… In Neusprech heisst das „Gesellschaft der Vielen“.

Ob es jemandem auffällt, dass die „Grünen“ das Thema 1:1 von der CDU geklaut haben? Arsch und Eimer, sage ich nur.

Dann muss ich eben wieder zitieren:
Diese wenigen Andeutungen werden genügen, um zu zeigen, daß die ganze Entwicklung der modernen Industrie die Waagschale immer mehr zugunsten des Kapitalisten und gegen den Arbeiter neigen muß und daß es folglich die allgemeine Tendenz der kapitalistischen Produktion ist, den durchschnittlichen Lohnstandard nicht zu heben, sondern zu senken oder den Wert der Arbeit mehr oder weniger bis zu seiner Minimalgrenze zu drücken. (…)
Gleichzeitig, und ganz unabhängig von der allgemeinen Fron, die das Lohnsystem einschließt, sollte die Arbeiterklasse die endgültige Wirksamkeit dieser tagtäglichen Kämpfe nicht überschätzen. Sie sollte nicht vergessen, daß sie gegen Wirkungen kämpft, nicht aber gegen die Ursachen dieser Wirkungen; daß sie zwar die Abwärtsbewegung verlangsamt, nicht aber ihre Richtung ändert; daß sie Palliativmittel anwendet, die das Übel nicht kurieren. Sie sollte daher nicht ausschließlich in diesem unvermeidlichen Kleinkrieg aufgehen, der aus den nie enden wollenden Gewalttaten des Kapitals oder aus den Marktschwankungen unaufhörlich hervorgeht. Sie sollte begreifen, daß das gegenwärtige System bei all dem Elend, das es über sie verhängt, zugleich schwanger geht mit den materiellen Bedingungen und den gesellschaftlichen Formen, die für eine ökonomische Umgestaltung der Gesellschaft notwendig sind. Statt des konservativen Mottos: »Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk!«, sollte sie auf ihr Banner die revolutionäre Losung schreiben: »Nieder mit dem Lohnsystem

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Habanero Dulce

Chili samen

Herzlichen Dank an den edlen Spender T.! Am Wochenende werde ich den Sämann spielen. Jetzt brauche ich nur noch jemand, der mir einen größeren Balkon spendet.

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Endzeitliches

car apokalypse

…et congregavit illos in locum qui vocatur hebraice Hermagedon.

Ich muss zugeben, dass es mich bei apokalyptischen Zuständen immer sanft gruselt, nicht weil mich Katastrophen mit Ansage, erbärmliche Blamagen oder dreistesten Lügen (Superlativ) der Herrschenden, so dreist, dass sie schon wieder komisch sind (dramatischer Chor – mit Masken – im Hintergrund: Potjemkin, Söder! Kijŏng-dong!) nicht berührten, sondern weil seelisch tief vergrabenes Vergangenes an die Oberfläche des Bewusstseins bricht wie Lava aus einem Vulkan: Armageddon! Und wir, die Auserwählten, werden gerettet! Und ich bin natürlich dabei! Mein Mitleid gilt den Ungläubigen! Ihr hattet eure Chance und nutztet sie nicht. Auch die Medien kriegen ihr Fett weg.

By the way: Hatten wir heute schon genug Genitive? Ich wurde ihrer angesichtig dergestalt, dass ich, eingedenk meiner Kurzsichtigkeit, mich der Brille bediente…

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Ewige Schönheit

Catarina_van_Hemessen

Catarina von Hemessen: Portrait einer jungen Dame, 1560. Dieses Portrait, das mir zufällig über den Weg lief dessen ich in den sozialen Medien angesichtig wurde das irgendein Algorithmus im Internet mir in mein Sichtfeld spülte, hat mich gefesselt: Was für ein Gesichtsausdruck? Wie kann man so etwas malen? Catarina van Hemessen kannte ich bisher nicht – ihre Portraits sind alle so ausdrucksvoll. (Bei den Fingern habe ich meine Bedenken, zum Beispiel ist der kleine Finger der rechten Hand zu lang und nicht realistisch.)

Vielleicht können hier mitlesende Kunsthistoriker uns einen Vortrag halten über die materiellen (!) Voraussetzungen des Realismus in der Renaissance.

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Deutsch mich nicht voll

deutsch mich nicht voll

Große Heiterkeit in den sozialen Medien bei den Antideutschen…

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Capitani

mousel

Empfehlenswerte Krimiserie auf Netflix: Capitani. Aus einer Rezension: „Dabei spielt es dann keine wirkliche Rolle, ob es nun wie bei der Konkurrenz ein Staatsanwalt bzw. ein Journalist ist oder wie hier ein Polizist, das Prinzip ist immer gleich: Ein Protagonist begibt sich auf Spurensuche, die einheimische Bevölkerung mauert, weil jeder irgendwelche Geheimnisse mit sich herumschleppt, von denen niemand erfahren soll.“

Originell ist natürlich, dass die Serie in Luxemburg spielt und dass man sogar ein bisschen mithören und verstehen kann, wenn die Schauspieler Luxemburgisch reden (natürlich mit Untertiteln gucken!). „Eine moselfränkische Sprachvarietät des Westmitteldeutschen“ eben.

Falls hier jemand mich falsch verdächtigt, dass ich den Krimi nur wegen Sophie Mousel (als Dorfpolizistin Elsa Ley, oben) ansehnlich finde: Ja, das auch, aber sie ist schwanger im Film, und vermutlich wird es nicht zum Sex kommen zwischen ihr und dem Helden und Kommissar Capitani (Luc Schiltz). Der spielt seine Rolle recht interessant: Mürrisch wie Clint Eastwood, staucht die Dorfpolizisten ständig zusammen und lässt sich von dem mädchenhaften Charme seiner hübschen Kollegen rein gar nicht beeinflussen. Und ausnahmsweise ist es nicht der Plot „alter Kommissar“ und „junge Adeptin“ wie in Die purpurnen Flüsse. (Das kann natürlich ein Trick sein, um die Zuschauer weiter rätseln zu lassen, ob es zu einer Affäre kommt. Ich bin erst bei Folge fünf – bis jetzt nicht.)

Heaven of Horror resumiert: „A familiar concept – in a good way!“ Well said. „Even more so, however, it’s because the crime plot takes place in a small town. You know, the kind where everybody knows the business of everybody else. So full of gossip and set in their own small-town ways. Also, supposedly, there are no secrets and yet everyone has their own secret.“ Die haben recht mit der These, dass der Kommissar am Anfang etwas langweilig zu sein scheint, aber das ändert sich. (Auch der Musikexpress jubelt, aber leider mit Gendersternchen, daher wird hier nichts zitiert.)

Die zweite Staffel werde ich mir definitiv auch ansehen, wenn sie erscheint.

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Lima, un barrio

un barrio de Lima

Fotografiert Dezember 1979 in Lima, Peru. Man sagte damals, es sei für Touristen gefährlich, in den Vororten (barrios) oder gar den „Slums“ der peruanischen Hauptstadt herumzulaufen. Ich war aber zu neugierig, wie es abseits der Stadtzentrums aussah. Einen Stadtplan gab es nicht. Ich schnappte mir irgendeinen Lokalbus und fuhr stundenlang einfach bis zur Endhaltestelle (Foto) und dann stundenlang wieder zurück. Der Busfahrer guckte mich zwar komisch an, aber ich war zahlender Fahrgast. Ich weiß bis heute nicht, in welchem barrio ich damals war.

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Cumulative COVID-19 vaccination doses [Update]

Cumulative COVID-19 vaccination doses

Just saying. Das Totalversagen der Regierung wird aber keinerlei politische Folgen haben. Nicht bei deutschen Untertanen.

[Update] Der französische Pharmakonzern Sanofi wird 2021 keinen Impfstoff liefern können. Die Bundesregierung hatte mit mindestens 27,5 Millionen Impfdosen gerechnet.

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Trutz Blanke Hans

büsum strandpromenade

Mit fiel gerade wieder angenehm auf, dass ich hier jeden Unsinn schreiben und niemand etwas dagegen tun kann. Draußen im Lande können Kriege und Revolutionen toben oder die Insassen der Medienblase sich gegenseitig ellenlange Artikel um die Ohren hauen, die keinen Menschen interessieren – solange ich meine Strom- und Internetrechnung bezahlen kann, bleibe ich entspannt.

Langweilen kann ich auch -mit Strandfotos, die mehr als 60 Jahre alt sind und vermutlich von ähnlich vielen Surfen angesehen werden wie der NZZ-Artikel über eine Person, deren Namen mit jetzt schon wieder entfallen ist, gelesen wird. (Wenn die Leser das anders sehen. nur zu! Aber was an dem Thema – wie hieß er noch gleich? Daniele Ganser oder so? – ist spannend?)

An der Nordsee gibt es bekanntlich Ebbe und Flut. Der Mond, die Gezeiten, Nautik. Gut, so etwas Kindern zu erklären. Und wenn es dann live ist und selbst der beherzteste Wille, sich dem Ungestüm des heranschwellenden Wassers entgegen zu stemmen, nichts nützt, aber immerhin das heroische Gefühl bleibt, etwas versucht zu haben gegen den „Blanken Hans“, während andere sich schon auf den höchsten Punkt der Sandburg geflüchtet hatten, dann ist das pädagogisch wertvoll. (Fotos: Meine Cousine und ich, 1957 im Nordseebad Büsum.)

watt

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