Trierer Apokalypse und der blassrosa Satan

Trierer Apokalypse
Trierer Apokalypse – erste Darstellung eines Kummets

In godes minna ind in thes christânes folches ind unsêr bêdhero gehaltnissî, fon thesemo dage frammordes, sô fram sô mir got geuuizci indi mahd furgibit, sô haldih thesan mînan bruodher, sôso man mit rehtu sînan bruodher scal, in thiu thaz er mig sô sama duo, indi mit Ludheren in nohheiniu thing ne gegango, the mînan uuillon imo ce scadhen uuerdhên. (Altfränkisch bzw. Althochdeutsch, Straßburger Eide, 14. Februar 842, also ein oder zwei Jahrzehnte nach der Trierer Apokalypse)

Ich muss noch etwas zwischenschieben – „Agrarisch und revolutionär (II)“ folgt alsbald.

Das kam so: Ich wollte Mitterauers „Warum Europa? Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs“ weiterlesen, stockte aber, weil mir unangenehm auffiel, dass ich das Standardwerk Lynn WhitesMedieval Technology and Social Change“ über die Entwicklung der Produktivkräfte gar nicht kannte. [Triggerwarnung: Der folgende Satz hat sehr viele Wörter!] Seine zentrale These gilt zwar als widerlegt, aber seine Quellensammlung zur Geschichte der Technik sind immer noch die Basis, um die Frage zu beantworten, was eigentlich zwischen dem Untergang des Römischen Reiches und dem Hochfeudalismus geschah, ob man überhaupt von einem „Untergang“ reden sollte, und ob der Feudalismus – also das, was wir hinreichend definieren und einschätzen wollen, wie und warum ein revolutionärer (?!) Fortschritt war und ob die mitteleuropäische Geschichte, die am schnellsten zur Industriellen Revolution und zum Kapitalismus führte, eben, wie Mitterauer fragt, ein „Sonderfall“, also eine Ausnahme ist, oder ob es weltweit ähnlich abläuft, nur mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Ich hatte schon leise vor mich hinmurmelnd vermutet, dass, da es in China immerhin bis zum Staatskapitalismus und einer sich „kommunistisch“ nennenden Partei langte, in Europa nichts dergleichen zu beobachten ist, die asiatische Produktionsweise der asiatische Weg eher derjenige sein könnte, der der in die ferne Zukunft weisende kommunistischen Utopie immerhin näher kommt als alles andere.

Bei der Lektüre von Medieval Technology and Social Change (in deutsch) musste ich dann aus purer Neugier einige der extrem exotischen Quellen nachprüfen. Daher jetzt also die karolingische Trierer Apokalypse aus dem ersten Viertel des 9. Jahrhunderts, die überraschenderweise einige Fragen zur Kontinuität zwischen der Antike und dem frühen Feudalismus ein wenig beantwortet.

Trierer Apokalypse
Trierer Apokalypse – Darstellung fränkischer Krieger mit den typischen Wadenbinden

Auch der Stil der Bilder des Kodex weist in die Zeit [nach 804]. Die Zeichnung der jugendlich runden, unbärtigen Gesichter, die noch relativ differenzierte Gewanddrapierung, das Bemühen um getreue Wiedergabe kontrapostischer Stellungen und Bewegungen, die Andeutung von Schmerz und Leid im Gesichtsausdruck, all dies kommt der mutmaßlichen spätantiken Vorlage so unvermittelt nahe, wie es vor allem in der frühkarolingischen Buchmalerei anzutreffen ist. (Kommentar von Peter K. Klein in der Faksimile-Ausgabe)

Die Trierer Apokalypse ist neben der Valenciennes Apokalypse der älteste Zyklus zum Thema überhaupt. Sie fußt auf einer wesentlich älteren Vorlage. Die Wissenschaft kann anhand vieler Details aber feststellen, was das Original imitiert und was von den karolingischen Mönchen zugefügt wurde und was definitiv nicht spätantik ist. (Ich finde das spannend, aber im Buch nimmt das mehrere Seiten in Anspruch.) Zum Beispiel halten die Personen (Schrift)Rollen in den Händen und keine Bücher. Die Heiligen sind bartlos. Gott auf dem Thron sitzt auf einem Globus ohne Clipeus, war seit dem 4. Jahrhundert in der Kunst bekannt ist. Die Pferde sind ohne Steigbügel, obwohl die zur Zeit Karl des Großen allmählich bekannt und übernommen wurden. Die Frisuren der Frauen sind noch antik.

So weisen der Satan und böse Dämonen eine blaßrosa oder blaugraue Färbung auf, so wie man sie sich in der Spätantike vorstellte. Der Drache (…) erscheint als antike Flügelschlange, besitzt also noch nicht die Reptiliengestalt der früh- und hochmittelalterlichen Darstellungen. (SCNR)

Der Hetoimasia, der Thron Christi, stammt aus dem „heidnisch-antiken Hofzeremoniell“ und wurde seit dem Ende des 4. Jahrhunderts durch apokalyptische Motive (vier Wesen, Siegel-rolle, Lamm) eschatologisch umgedeutet.

Merke: Man nimmt etwas, was ursprünglich etwas ganz anderes bedeutet, und interpretiert das einfach um. Robert Ranke-Graves argumentiert in „Die Weiße Göttin“, dass das Christentum nur ein Abklatsch oder eine umgestaltete Version des römischen Mithras-Kultes gewesen sei.

Wir wissen jetzt so viel, dass wir wissen, dass wir gar nichts wissen. Natürlich ist das Pferdegeschirr am interessantesten. Wieder die Frage: Warum ist das den Römern nicht eingefallen? Lynn White schreibt, es stehe fest, dass das „Altertum die Pferde in einzigartig ungeschickter Form angeschirrt hat.“ Man nahm das Jochgeschirr der Ochsen und legte dem Pferd zwei Stränge um Brust und Hals. „Sobald das Pferd anzog, drückten die Stränge auf Schlagader und Luftröhre, so daß die Atmung und die Blutzufuhr zum Kopfe gedrosselt wurde.“

Das in der Trierer Apokalypse abgebildete Kummet beweist an diesem Beispiel, dass der Frühfeudalismus gegenüber den antiken Techniken revolutionär war: Die Arbeitsleistung eines Pferdes ist, trotz gleicher Zugkraft wie die des Ochsen, um 50 Prozent größer. Vom englischen König Alfred dem Großen, der dem Publikum vermutlich aus dem Ragnar-Lothbrok-Zyklus bekannt ist, wird berichtet, er sei erstaunt gewesen, dass (Ende des 9. Jahrhunderts) in Norwegen Pferde zum Pflügen benutzt wurden.

Wenn an also vom „Untergang“ des römischen Reiches spricht, bezieht man sich auf die politisch und ökonomische Sphäre. Ob das so negativ war, ist strittig. Der Feudalismus war so fortschrittlich, dass er nach der Jahrtausendwende eine Bevölkerungsexplosion nach sich zog, aber nördlich der Alpen. Der Süden wurde abgehängt, würde man heute in den Medien sagen.

Trierer Apokalypse
Trierer Apokalypse: In der ersten Zeile eine lateinische Geheimschrift – die Vokale werden durch die ihnen im Alphabet folgenden Konsonanten ersetzt. Danach ein Zusatz aus dem 15. Jahrhundert „apocaylsis cum pictoris“. Darunter 19 Zeilen Minuskel aus dem frühen 12. Jahrhundert – (Erläuterung Richard Laufners in der Faksimile-Ausgabe)

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Bisher zum Thema Feudalismus erschienen:
– Reaktionäre Schichttorte (31.01.2015) – über die scheinbare Natur und die Klasse
– Feudal oder nicht feudal? tl;dr, (05.05.2019) – über den Begriff Feudalismus (Fotos: Quedlinburg)
– Helidos, ubar hringa, do sie to dero hiltiu ritun (08.05.2019) – über die Funktion der verdinglichten Herrschaft in oralen Gesellschaften (Quedlinburger Domschatz I)
– Tria eburnea scrinia com reiquis sanctorum (09.05.2019) – über Gewalt und Konsum der herrschenden Feudalklasse als erkenntnistheoretische Schranke (Quedlinburger Domschatz II)
– Die wâren steine tiure lâgen drûf tunkel unde lieht (10.05.2019) – über die Entwicklung des Feudalismus in Deutschland und Polen (Quedlinburger Domschatz III)
– Authentische Heinrichsfeiern (13.05.2019) – über die nationalsozialistische Märchenstunde zum Feudalismus (in Quedlinburg)
– Der Zwang zum Hauen und Stechen oder: Seigneural Privileges (15.06.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [I] (24.07.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [II] (03.05.2020)
– Agrarisch und revolutionär (I) (21.02.2021)
– Trierer Apokalypse und der blassrose Satan (17.03.2021)
– Energie, Masse und Kraft (04.04.2021)
– Agrarisch und revolutionär II (15.05.2021)
– Gladius cum quo fuerunt decollati patroni nostri (Essener Domschatz I) (28.10.2021)
– Magische koloniebildende Nesseltiere mit kappadokischem Arm und Hand (Essener Domschatz II) (14.11.2021)
– Ida, Otto, Mathilde und Theophanu, kreuzweise (Essener Domschatz III) (27.11.2021)
– Hypapante, Pelikane und Siebenschläfer (Essener Domschatz IV) (17.12.2021)
– Pantokrator in der Mandorla, Frauen, die ihm huldigen und die Villikation (Essener Domschatz V) (23.12.21)
– Jenseits des Oxus (09.01.2022)
– Blut, Nägel und geküsste Tafeln, schmuckschließend (Essener Domschatz VI) (18.04.2022)
– Missing Link oder: Franziska und kleine Könige (28.05.2022)
– Die Riesen von Gobero (Die Kinder des Prometheus Teil I) (18.07.2022)
– Die Liebhaber von Sumpa, Ackergäule und Verhüttung (Die Kinder des Prometheus Teil II) (25.07.2022)

Zum Thema Sklavenhaltergesellschaft:
Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil I]) 05.11.2020)

Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil II]) 27.12.2020)

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#metoogegengendern

Falls jemand noch mehr Argumente braucht zum beliebten Thema: Die ARD-Reporterin Julia Ruhs twitterte: „Gendern ist kein natürlicher Sprachwandel, sondern vollkommen künstlich“. Auf meedia.de gibt es mehr: „Viele junge Frauen sind gegen das Gendern“.

„Für viele Bekannte von mir ist es eh schwer nachvollziehbar, weshalb sich die Welt mit solch nebensächlichen Themen wie dem Gendern befasst. Das zeigt mir immer wieder, in welcher akademischen Blase sich diese Debatte abspielt und wie schnell diese Diskussion bei einem Großteil der Leute auf komplette Verständnislosigkeit stößt.“

Es scheint also auch eine Frage der Zivilcourage zu sein, sich gegen den nur gefühlten Mainstream zu stemmen. Nützt aber alles nichts – es geht hier um Esoterik, und die ist gegen rationale Argumente immun.

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Mit Videos influencen [Update]

burks

Ich aber beschloss nun, Influencer zu werden. Zuvörderst wollte ich lernen, wie man mit Linux Videos macht zusammenschnippelt. Ich sehe das bei Leuten, die zum Beispiel Schachpartien kommentieren – sie sind in einem kleinen Feld zu sehen und das Schachbrett in einem anderen (gut, die benutzen vermutlich Windows). Oder wie macht Liv Boeree das? Wie also bekommt man womit in ein normales Video noch etwas hinein? Ich weiß noch nicht einmal, wie man Filmsequenzen zusammensetzt (vermutlich muss ich irgendein Handbuch lesen oder gar viele).

Welche Software ist unter Linux empfehlenswert? VLC? Meine Webcam bediene ich mit Cheese.

[Update] Der Schockwellenreiter hat allerhand dazu geschrieben, mitsamt Links zu Software und Tutorials.

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Schwampel oder: Wahl, wahler, am wahlsten

politische Farbenlehre

Die aktuellen Landtagswahlen bitte ich aus der Perspektive des Jahres 2052 zu sehen (wenn ich meinen ersten dreistelligen Geburtstag feiere). Das ist so, als versuchten wir heute die Landtagswahl in Lippe einzuschätzen, wer wichtig war und wer nicht und wozu das alles führt.

Die „Grünen“ sind also die Partei der modernen Bourgeoisie, also die neuen Konservativen. Die „Linke“ ist am Gesäß, aber will das nicht wahrhaben und auch keine Konsequenzen ziehen („viel Arbeit liegt vor uns“ – was für ein entsetzliches Gefasel…).

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Die Quadratur des politischen Kreises

diego rivera

Mexico-Stadt – Palacio de Bellas Artes: Wandgemälde „Der Mensch am Scheideweg“ (1934, gemeinfrei) von Diego Rivera. Ein großartiger Künstler! Warum habe ich damals, als ich mehrfach in Mexiko war, seine Bilder nicht angeschaut?

Interessanter Artikel, der aber die Quadratur des Kreises verlangt: „Arbeiter nicht gegen Frauen und Migranten ausspielen“. Restriktive Migration und eine Absage an Identitätspolitik werden die Sozialdemokratie nicht retten, meint Tarik Abou-Chadi von der Uni Zürich. Ich sehe das Problem, das er anspricht, aber teile seine Meinung nicht.

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Edificio desconocido [Update]

edificio la paz

Fotografiert 1984 in der Neustadt von La Paz, Bolivien. Da ich mehrfach in der größten Stadt des Andenstaates (so schreiben Journalisten, um Wortwiederholungen zu vermeiden, ein Wort zu wiederholen) war, weiß ich auch nicht mehr, in welchem Monat. Noch schlimmer: Ich habe keine Ahnung, wo das sein könnte, bin mir sogar nicht absolut sicher, ob es nicht seitenverkehrt ist (ich habe den Verkehr angeschaut und beschlossen, dass es so vermutlich richtig ist). Ich bin mit Google Earth eine Weile hin und hergesurft, habe mir zahlreiche Fotos von Hochhäusern angesehen und auch die Liste höchster Gebäude – ohne Ergebnis. Der Plaza del Estudiante ist es nicht, das Denkmal oder der Springbrunnen sieht anders aus. Die Kirche könnte ein Hinweis sein, aber die habe ich auch nicht gefunden.

[Update] Die geschätzte Leserschaft in Gestalt des Users Tobi ist unwahrscheinlich schnell, allwissend und überhaupt. Ich stand damals also auf der Avenida 16 de Julio am Puente de Agua – Paseo del Prado und blickte nach Süden zum Gebäude der Banco BISA. Dann haben sie das kirchenähnliche alte Gebäude abgerissen.

Die reaktionäre Putsch-Präsidentin Jeanine Áñez wurde festgenommen. Richtig so! Einsperren, das Pack!

Übrigens und nicht vergessen: Es geht unter anderem um Lithium.

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Nicht ohne meine Weste

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Das bin ich bei der Konfirmation meiner Schwester. Die rauchende Dame ist eine meiner Tanten. Es muss im Mai 1973 gewesen sein. Ja, auf meine Frisur bin ich nicht stolz, und es war wohl schon zur fortgerückten Stunde, und die Feier war ebenso fortgeschritten…

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25 qm

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Immer wieder Lifestyle-Themen hier… Ich lese gerade entsetzt in der Printausgabe des ehemaligen Nachrichtenmagazins, dass die Soziologin Christine Hannemann meint, mehr als 25 Quadratmeter brauche man eigentlich nicht zum Wohnen.

Mit ist natürlich klar, dass ich extrem privilegiert bin. Woanders ist es anders. Ich mag aber kein miniwohnen (schönes Verb!). Allein meine Bücher und meine Blumen brauchen schon 25 Quadratmeter. Soll ich die etwa abschaffen, vergesellschaften oder digitalisieren? Und wo soll ich dann schlafen? In der Hängematte? Da müsste ich aber bis zur kompletten Erderwärmung warten, inklusive Palmen vor dem Balkon.

Ich lebe nicht so luxuriös wie ein bekannter kleinbürgerlicher Couponschneider (mit Verlaub: „großbürgerlich“ ist eine ökonomische Kategorie – der Besitz von Produktionsmitteln, und zwar nicht nur einem – und kein Lebensgefühl), und auch meine Teller sind nur auf den ersten Blick phänotypisch den seinen vergleichbar, aber zwei Bäder und Balkon – obzwar winzig – und rund 100 bezahlbare und helle Altbau-Quadratmeter (inklusive Gästezimmer) mitten in Rixdorf aka Berlin-Neukölln sind schon fast so edel wie eine Villa am Tegernsee.

Liebe Frau Hannemann, auch nach der Revolution bestehe ich auf mindestens 80 Quadratmetern. Ein Garten wäre auch nicht schlecht.

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Teller, Vintage

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Diese Teller wollte jemand in den Müll werfen. Ich habe es gerade noch verhindert und sie mir angeeignet. Die Töpferei gibt es wohl nicht mehr (nur einer der Teller stammt von denen). Zur Zeit ist ein Teller preiswert, aber das könnte sich ändern… Ich finde sie schön.

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RAL 5010, reloaded [Update]

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Man hat ja auch sonst nichts zu tun. Das hatten wir übrigens schon 2019, 2016, 2014, 2012, 2011, 2009, 2008 (noch mit anderem Mobiliar).

Update: Vielen Dank an den edlen Spender der helleren Version des Bildes. Und ja, aber die Bodenversiegelung ist auch eine Zeitfrage. Was genau nimmt man da? Flüssigen Kunststoff? Zum Beispiel BEKATEQ Dielenlack farblos 1l glänzend, BE-410 Holzlack auf Wasserbasis zum Versiegeln von Böden und Holz, schmutz- und wasserabweisend?

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On the bright side of the moon

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Credits: art station|Kushagra tiwari, Montage: Burks

Russia And China Sign Deal To Build A Research Base On The Moon. (Russische Quelle, chinesische Quelle)

Großartig. Man müsste jetzt noch Stanislaw Lems „Die Jagd“ lesen, um sich mental darauf vorzubereiten.

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Selfie mit Bär. Und ihr so?

selfie

Auf dem Weg zur Arbeit, in aller HerrgottsFrühe (Die Metadaten sagen 5.12.54 Uhr). Frau Chebli würde jetzt fragen: Und ihr so?

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Identitärer Wahn

Leider hinter einer Paywall von FAZ.net (von Horst Bredekamp): „Warum der identitäre Wahn unsere größte Bedrohung ist“.

„Der schauerlichste Zug des Postkolonialismus liegt in seiner strukturell antijüdischen Konsequenz. Viel ist über den vorhandenen oder nur unterstellten Antisemitismus von Achille Mbembe diskutiert und geschrieben worden. Die Ausblendung des für alle Fragen des Rassismus höchst sensiblen Impulses jüdischer Anthropologen wird jedoch niemals thematisiert. Diese Strategie entspricht dem Ziel, eine Kulissenverschiebung von Auschwitz nach Namibia vorzunehmen und damit die Unvergleichlichkeit des Holocaust zu bestreiten.
Es ist dieser totalitäre Gestus, gegen den sich Wolfgang Thierse wehrt. Wie naiv muss man sein, um nicht zu erkennen, dass am Ende einer identitären Politik, wie er sie kritisiert, nicht etwa eine aufgeklärte multikulturelle Realität steht, sondern die Reinheit einer so sauberen wie menschenverachtenden Orientierung.(…)

Die AfD und Schlimmeres sind eine ständige Herausforderung, die aber zu bewältigen sein dürfte. Die Überwindung des identitären Angriffs auf die Vernunft dürfte schwerer zu erbringen sein, weil sie sich hinter dem Ethos einer linken Befreiungsrhetorik verpanzert hat. Wolfgang Thierse hat die Courage aufgebracht, den Unterschied von Sprache und Effekt auszusprechen und deutlich zu machen, dass die politische Korrektheit das Ende der Sozialdemokratie bedeutet. Sie sollte ihm ein Denkmal setzen.“

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Trierer Apokalypse

trierer apokalypse

Ich freue mich schon auf die Lektüre der Trierer Apokalypse.

In der karolingischen Handschrift ist eine Illustration, die bis jetzt nicht im Internet verfügbar ist, die ein „modernes“ Pferdegeschirr zeigt – die älteste Darstellung des Kummets bei Pferden in Europa.

Das Bild ist einer der Beweise für die landwirtschaftliche Revolution (vgl. auch Dreifelderwirtschaft) im Frühfeudalismus. Das Pferd war gegenüber dem noch in der Antike genutzten Ochsen bei der Feldbestellung haushoch überlegen. Die alten Römer kannten zwar die Fußbodenheizung und den Beton, aber das Kummet und der schwere Pflug waren ihnen ein Rätsel. Nicht Könige und Kaiser machen die Geschichte, sondern Werkzeuge (Produktivkräfte, würde Marx sagen).

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Islamogauchismus

Interessantes Interview in der NZZ mit der französischen Soziologin Nathalie Heinich: „Man kann nicht mehr von den Gefahren des Islamismus sprechen, ohne als islamophob stigmatisiert zu werden“.

So wird es in Deutschland auch kommen. „Im Kern geht es um eine Auseinandersetzung zwischen zwei Tendenzen der Linken: Auf der einen Seite haben wir eine extreme, radikale Linke, die stark von der amerikanischen Woke-Bewegung beeinflusst ist. Und auf der anderen Seite eine reformistische, moderate Linke, die ihrerseits den republikanischen Universalismus hochhält, vor allem über die Verteidigung der Laizität. (…) Die neuen Theorien tendieren dazu, alles, was auf der Welt geschieht, durch die Brille der Diskriminierung anzuschauen: Die einen sehen alles im Licht der Rassenfrage, andere betrachten alles durch das Raster des Sexismus. Diese radikalen amerikanischen Ideen haben an den Universitäten an Terrain gewonnen und faszinieren die jungen Studenten. (…) wenn wir so weitermachen, entwickelt sich die Uni zu dem Ort, an dem in Dauerschleife rein ideologische Arbeiten über Diskriminierung entstehen.“

Wenn ich so etwas lese, bin ich heilfroh, dass ich keinen Job mehr an irgendeiner Universität habe. Ich würde diese ideologische verkommende Studentenschaft nur anpöbeln.

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Texit oder: Remember the Alamo!

alamo

Texas spaltet sich vielleicht von den USA ab. Das Thema ist nicht neu. Außerdem gab es schon einmal die Republik Texas.

Texas ist doppelt so groß wie Deutschland. Seine Wirtschaft ist etwa so groß wie die Kanadas oder Brasiliens.

Wie ist das einzuschätzen? Ist der Texit vergleichbar mit Katalonien, Schottland, Kurdistan, den Basken? Sollen wir den Zerfall von Nationalstaaten begrüßen, weil sie mit Amazon dem weltweiten kapitalistischen Markt obsolet geworden sind?

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Planlose Bilder des Feindes

planlos

Kurze Durchsage der Politsekte DKP bzw. ihres Zentralorgans UZ:
Die Pflege der Feindbilder Russland und China macht auch vor Teilen der Linken nicht halt. So ermahnte die scheidende Linken-Ko-Vorsitzende Kipping die Bundesregierung vor dem EU-China-Gipfel im September im Stile Mike Pompeos: „Ich erwarte, dass die Bundesregierung gegenüber der chinesischen Führung eines sehr deutlich macht: Es muss Schluss sein damit, dass Uiguren, dass Minderheiten eingesperrt werden in China in Lager. Es darf keine Repression gegenüber der Demokratiebewegung in Hongkong geben.“ Leipziger Antifa-Gruppen demonstrierten unterdessen „Gegen die Festung Europa und das autoritäre Regime Chinas“..

Warum denke ich jetzt bei der UZ an blinde Hühner und Körner?

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Leute, die sich für links halten, fordern den Ausschuss, der die Geschäfte des Kapitals organisiert, auf, gegen die Regierung eines staatskapitalistischen Landes vorzugehen. Es ist zu lächerlich, als dass man sich damit ernsthaft befassen müsste. „Autoritär“ ist übrigens weder ein marxistischer Begriff noch erklärt er überhaupt irgendetwas, außer man denkt an die fragwürdige Kategorie Hannah Arendts.

Die „Proteste“ in Hongkong sind IMHO reaktionär. Daher ist es nur zu logisch, dass die Grünen sie unterstützen.

Ceterum censeo: Was den uigurischen Terror und den dortigen Islamismus angeht, halte ich mich mit Kritik an der VR China zurück. „Bärte ab“ und „Moscheen schließen“ finde ich klammheimlich sympathisch.

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Durstiges Vögelchen, reloaded

bird drinking

Fotografiert in meiner Pension in Vistahermosa, in der Nähe der Serranía de la Macarena im Osten Kolumbiens (Januar 1982).

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Woke, Woker, am Beklopptesten

Der nächste Schritt der Wokeness-Agitprop wird sein, „Islamophobie“ als gleichwertig mit „Antisemitismus“ zu etablieren:
Zwei Universitätsprofessoren in Grenoble müssen um ihr Leben fürchten, weil Studenten ihre Namen in großen Lettern an das Unigebäude plakatiert und sie der Islamophobie bezichtigt haben. „Faschisten in unseren Hörsälen! Professor K. Entlassung! Die Islamophobie tötet!“, stand an der Fassade. Auch in den sozialen Netzwerken hielten die von der Studentengewerkschaft Unef unterstützten Aktivisten den beiden Professoren islamfeindliche Haltungen vor.

Es gibt dazu einen Artikel in Französisch, auf Deutsch leider hinter einer Paywall.

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Frauen! Tach!

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Ich glaube nicht, dass die Teilnehmerinnen der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau 1921 sich hätten vorstellen können, dass 100 Jahre später viele Werktätige am 8. März im kapitalistischen Deutschland frei haben, weil sie damals beschlossen haben, dass der Internationale Frauentag eben an diesem Datum sein soll.

Als Mann kann man das divers unterschiedlich begehen: Man erfüllt die Wünsche der Damen, die fragen, welche Bücher Männer zum Weinen gebracht haben (vgl. oben). Oder man schaut Fotos von Damen an, die nie und nimmer an einer kommunistischen Frauenkonferenz teilnehmen würden. Oder man liest die South China Morning Post über Gewalt in China gegen Frauen – ein Beweis dafür, dass Rechte, die man als selbstverständlich ansehen sollte. auch im Staatskapitalismus einem nicht automatisch zufallen, sondern erkämpft werden müssen. Oder man schaut einer der schönsten Frauen der Welt zu, wie sie in einem ansonsten ziemlich doofen Film Männer niedermäht.

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Frauen mit und ohne Knarren müssen nicht automatisch emanzipiert sein, sie können trotzdem wie die letzte Tussy herumposieren. Und „unsittliche Anmachsprüche“ sind offenbar auch dann noch möglich, wenn die Frauen bewaffnet sind.

In der Schweiz haben sie jetzt zugunsten der Frauen abgestimmt: Burka und Niqab werden verboten. Vermutlich wird in einigen Jahrzehnten Deutschland das einzige Land Europas sein, in dem die Verschleierung von Frauen noch erlaubt ist. Dafür werden die Grünen schon sorgen.

Ich muss jetzt in die Küche und kochen.

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