Marktradikal völkisch
Heute las ich Stefan Dietl: Die AfD und die soziale Frage – Zwischen Marktradikalismus und ‚völkischem Antikapitalismus'“. Ein ärgerliches Buch! Ich habe nur wenig für mich Neues gefunden, dafür aber um so mehr abgedroschene Textbausteine, die man aus der orthodoxen Antifa-Lyrik kennt: Immer ein jammernder Unterton, wie schlimm alles sei und dass es noch schlimmer käme.
Der Erfolg der AfD beruht in erster Linie auf der anhaltenden Krise der kapitalistischen Gesellschaftsordnung.
Wer hätte das gedacht? Und anhaltend ist die Krise auch? Das ist einigen womöglich neu. Soll das eine Analyse sein?
Ich habe versucht, das Buch möglichst schnell zu überfliegen und nur die wenigen interessanten Passagen genauer. Die AfD vertritt – das wusste ich schon – bis jetzt eine so genannte „marktliberale“ Position. Was diese Position wirtschaftspolitisch aber zum Beispiel von der Gewerkschaftsfeindin Margaret Thatchers oder der Donald Trumps unterscheidet, erfahren wir nicht. In den USA ist die Doktrin, der Staat sollte sich aus allem möglichst heraushalten, Mainstream. Das hat mit „rechts“ oder „links“ nicht unbedingt etwas zu tun.
Ich stimme dem Autor Stefan Dietl zu, wenn er meint, die AfD werde (zur Zeit) von eher von mittelständischen Kapitalisten unterstützt (S. 93), die sich nicht – im Gegensatz zum Großkapital – primär am Export orientieren. Wenn man das mit der Situation der Weimarer Republik vergleicht, wäre dann AfD weitaus weniger gefährlich als die NSDAP. Die, die wirklich herrschen, unterstützen Merkel und ihre Epigonen.
Natürlich geht es bei der Rechten und auch den Salonfaschisten immer darum, die Löhne zu senken. Aber zum Mindestlohn zum Beispiel schwankt die AfD noch hin und her.
Es gibt auch keinen Beleg dafür, dass die AfD „auf dem Weg zur neoliberalen Massenpartei“ wäre. Es würde erst dann interessant – so sehe ich das -, wenn sie ökonomische Positionen verträte, die den „kleinen Leuten“ nützten oder gar „links“ klängen.
Der Autor kann auch nicht erklären, warum viele Arbeiter rechts wählen. Stattdessen käut er die alten Rezepte wieder („Gegenmacht organisieren“), von denen doch jeder weiß, dass sie nicht funktioniert haben.
Man kann „Die AfD und die soziale Frage“ als Quellensammlung nutzen. Neue Antworten gibt das Werk nicht. Man kann sich gut ausmalen, warum Gewerkschaftsfunktionäre wie der Autor wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen und sich lieber fressen lassen als nur einen Millimeter von ihrer bisherigen Position abweichen. (Klar, dass Dietl auch über Sarah Wagenknecht herzieht – „linkspopulistischer Nationalismus“. – Man weiß bei solchen Autoren schon am Anfang, was alles noch kommt. Langweilig und ein Todesurteil für Bücher!)
Zudem ist das gesamte Buch mit Gendersternchen förmlich übersät, was die Lektüre quälend und den Text schwer lesbar und schon komisch macht („Vertreter*innen des Großkapitals“ usw.). Es ist nur noch lächerlich. Wer so schreibt, outet sich sofort als Angehöriger eines bestimmen sozialen Milieus mitsamt dessen Jargon. Ich dachte immer, Bücher sollten vielleicht auch die überzeugen, die noch nicht meiner Meinung waren? So funktioniert das nicht.
Nein, das Buch ist das Geld nicht wert.