Irrelevantes Ethnisch

NZZ: „Wie rassistisch ist Grossbritannien? (…) Nun kommt eine Expertenkommission zu dem Schluss, dass die ethnische Herkunft für die Erklärung sozialer Unterschiede kaum noch eine Rolle spiele“.

„Der 246 Seiten starke Bericht kommt zu dem Schluss, dass der ethnische Hintergrund bei der Erklärung von sozioökonomischen Unterschieden an Bedeutung verloren habe. Entscheidender seien heute Faktoren wie die geografische, familiäre oder soziale Herkunft sowie Kultur oder Religion. Diese Aussage stützt sich vor allem auf Daten aus dem Bildungswesen: Demnach schneiden beim Abschluss der Sekundarstufe 14-jährige Briten mit indischen, bangalischen oder afrikanischen Wurzeln im Durchschnitt besser ab als ihre weissen Mitschüler. Weisse Jugendliche aus der Arbeiterschicht gelten sogar als besonders benachteiligt, wobei sich Knaben mit karibischem Hintergrund am Schluss der Rangliste wiederfinden.“

Wenn das stimmt, dann ist alles Bemühen um „Vielfalt“, „Diverstiy“ und wie die sinnfreien Textbausteine sonst noch heißen, ziemlich überflüssig, weil der Migrationshintergrund es auf die Herkunft gar nicht so sehr ankommt: Oder Deutschland ist ganz anders als Großbritannien.




Passwörter, voller Hass

keepass
Passwort-Manager Keepass für alle Betriebssysteme

Bei Heise und auch anderswo las ich über das neue Gesetz, das sich gegen bestimmte Gefühle und Gefühlsäußerungen richtet, aber mit Technischem verknpüft ist: Das Paket besteht aus dem „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“, das am Samstag in weiten Teilen in Kraft tritt, sowie dem ab Freitag geltenden „Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2020„.

Sie versuchen es immer wieder. Man muss wissen, dass ursprünglich geplant war, die Sache ohne richterlichen Beschluss durchziehen zu lassen. Allein schon die Chuzpe, dass das Justizministerium das versucht hat, spricht schon Bände. Interessant ist auch diese Passage: Anbieter von Telemediendiensten wie WhatsApp, Google, Facebook, Tinder & Co. müssen sensible Daten von Verdächtigen wie IP-Adressen und Passwörter künftig an Sicherheitsbehörden herausgeben.

Das wird natürlich lustig, wenn sich etwa Facebook weigerte. Und will das Gesetz auch auf Wechat, Weibo und Toutiao zugreifen? Die werden sich totlachen. Und was ist mit VKontakte, Odnoklassniki und Habr?

Golem schreibt: „Der nun vereinbarte Kompromiss zwischen Bundestag und Bundesländern ist 34 Seiten lang. Demnach ist die Herausgabe von Passwörtern, die in der Regel gehasht vorliegen, weiterhin an den Straftatenkatalog der Onlinedurchsuchung geknüpft.“

Onlinedurchsuchung. Wenn ich allein das Wort höre, schwillt mir schon der Kamm. (Zwischenfrage: wie macht man die?) Es geht aber nicht nur um Passwörter: „Weiter kritisiert der Verband der Internetwirtschaft scharf, dass Anbieter von Telekommunikations- und Telemediendiensten gleichermaßen dazu verpflichtet werden sollen, sämtliche unternehmensinterne Daten zur Verfügung stellen, um Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden Informationen zu Passwörtern und anderen Zugangsdaten zu liefern.“

Ich bin mal gespannt, wie das technisch umgesetzt werden soll und was passiert, wenn ein Betroffener dagegen klagte. Ich vermute ganz stark, das Gesetz würde dann auch vom Bundesverfassungsgericht in die Tonne getreten.




They regret the error

Der Chaos Computer Club hat heute auf einer Pressekonferenz mehrere Statements des Vereins widerrufen. 23 Jahre nach dem Tod des Hackers „Tron“ sei es unter anderem an der Zeit, die vom CCC auch öffentlich geäußerten Verschwörungstheorien, Tron sei „ermordet“ worden, zu kritisieren. Der damalige Pressesprecher Andy Müller-Maguhn habe sein Gesicht nicht verlieren wollen und deshalb den Unsinn zum Tode Trons nie zurückgenommen. CCC-Pressesprecherin Constanze Kurz sagte angesichts der anwesenden internationalen Presse in englischer Sprache: „We regret the error.“ Der CCC sein eben ein Verein, zu dem „quite a number of conspiracy theory enthusiasts“ gehöre.

Der Journalist Burkhard Schröder, so Constanze Kurz, habe 1998 ein Buch geschrieben und angesichts der Faktenlage suggeriert, dass Tron den Freitod gewählt habe. Schröder sei seit damals immer wieder von CCC-Mitgliedern wüst beschimpft und verleumdet worden. Der CCC distanziere sich mittlerweile von Andreas Bogk, der sich dabei besonders unrühmlich hervorgetan habe. Auch sei Schröder jetzt nicht mehr, wie der CCC noch 2008 offiziell verlautbart habe, „Persona non grata“.

„Wir können aber nicht ausschießen“, so Kurz, dass Journalisten, die sich kritisch über den CCC äußerten, „in Zukunft wieder gemobbt werden“. Zum Glück werde das aber nur auf sehr wenige Journalisten beschränkt sein, da die Presse ohnehin alles unkritisch wiedergebe, was der CCC behaupte. Viele Journalisten hätten so wenig Ahnung von technischen Themen – wie etwa von der so genannten ‚Online-Durchsuchung‘ -, dass sie „jeden Quatsch“ veröffentlichten, „wenn wir das publizieren“, sagte Kurz. Unter dem Gelächter der anwesenden Pressevertreter fügte sie hinzu: „Auch wenn Sie das nicht glauben: Der Chaos Computer Club ist nicht unfehlbar. Auch wir können irren.“




Nimm dies, Winnetou! [Update]

grüne

„Hinterfragen“ – ein Wort, das „aus dem Anus der deutschen Sprache ausgeschieden“ wurde (Wolf Schneider: Deutsch für Profis). Fehlenden Kommata lassen wir außer acht.

diversity

[Update] Wir lesen dazu aus der Rubrik „Unterhaltung“: War Beethoven ein Neger? Beethoven was black.




Hier kein Wartebereich

schnelltest

Merke: Trotz Termins in aller Herrgött[Glottisschlag]Innensfrühe gibt es eine lange Schlange. Wo „hier kein Wartebereich“ steht, ist der Wartebereich. Als ich an der Reihe war, streikte die Software, und ich sollte noch einmal alles per Hand eingeben. Das funktionierte nicht, also machte das der junge Mann noch einmal. Ergebnis: Ich heiße jetzt Burckart Schröder und wohne in der Zwistätterstraße (die es in Berlin nicht gibt).

schnelltest

Man kann nicht alles haben. Die E-Mail mit sensiblen Daten war natürlich unverschlüsselt und – gegen alle Ratschläge des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik – in einem Format, das mein E-Mail-Programm nicht anzeigt.

schnelltest

Immerhin war das Ergebnis akzeptabel. Warum hat man das nicht schon vor einem Jahr so gemacht? Weil der Markt das regelt – es gab keine Schnelltests.

Ceterum censeo: Ich würde lieber geimpft statt getestet werden.

schnelltest




Staatsfeindlich [Update]

„Der Staat muss kleiner werden. Es müssen ihm Mittel entzogen werden. Die Steuersätze müssen sinken, Bürgerämter ebenso privatisiert werden wie das Gesundheitssystem.“ (Ulf Poschardt, Chefredakteur der „Welt“, Paywall).

Das nenne ich „hate speech“. Dummdreist ist es auch. Aber so sind sie, die volkswirtschaftlichen Esoteriker, die an die „Märkte“ glauben wie Verehrer höherer Wesen an eben dasselbige. „Die Märkte“ haben also auch genügend Impfstoff bereitgestellt, Kollege Poschardt?

[Update] So muss man es machen. „Palmer: Ich glaube, wir haben in Deutschland Probleme, dass wir uns selber im Weg stehen mit der Bürokratie. Wir sind überbürokratisiert und unterdigitalisiert. Das haben wir gerade besprochen. Wir wollen alles planen. Das macht das Virus aber nicht mit. Und dann haben wir natürlich auch noch einen Hang, würde ich mal sagen, zum Verbieten und Gebieten.“




Ligna in silvam oder: Vandalisierung des Internets

project gutenberg

Die Leserschaft möge mir verzeihen, dass ich offene Türen einrenne, mit dem eigenen Samowar nach Tula fahre, Eulen nach Athen trage und etwas aufwärme, das schon einige Jahre alt ist, aber offenbar noch immer aktuell – den Rechtsstreit des US-amerikanischen Project Gutenberg Literary Archive Foundation mit dem deutschen S. Fischer Verlag. Heise schrieb 2018:
Dem beigelegten Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (AZ: 2-03 O 494/14) zufolge hat das Portal die Rechte des S. Fischer Verlags verletzt, als digitalisierte Werke Heinrich Manns, Thomas Manns und Alfred Döblin online gestellt wurden. Als Konsequenz hat Gutenberg.org nicht etwa die beanstandeten Werke offline genommen, sondern ausnahmslos alle Seiten und Unterseiten für Nutzer mit einer deutschen IP gesperrt.

Der Verlag hatte offenbar neuländisch argumentiert, mittels Geoblocking sei es den Machern möglich, deutsche Nutzer daran zu hindern, hierzulande urheberrechtlich geschützte Werke herunterzuladen.

Ach ja? Ist es das? Die damaligen Kommentare bei Heise sprechen für sich. Das mag das Publikum daran erinnern, dass das deutsche Urheberrecht – und nicht nur das – kapitalistischen Ursprungs ist und in dieser Form abgeschafft gehört. Urheberrechte künstlerischer Art sollten nicht vererbt oder verkauft werden können. Fordert das eine Partei in Deutschland? (Nein, die Piraten sind nicht wählbar aus vielen Gründen, unter anderem wegen ihrer Positionen zu „Migration“, was für die offenbar wichtiger ist als Ökonomie. Wer „Ausdehnung der Eierkennzeichnung auch auf verarbeitete Eiprodukte“ in einem Parteiprogramm (!) hat und über „Arbeitnehmer“ und „Staatstrojaner“ faselt, hat einen an der Waffel. Just saying.)

Ich project gutenbergfrischte gerade meine (nur rudimentär vorhandenen) Kenntnisse über die Vandalen auf, die – das war der Anlass – die römische Stadt Timgad (Thamugadi) im heutigen Algerien im 5. nachchristlichen Jahrhundert zerstört hatten. Eine wichtige Quelle zu diesem Ereignis ist Prokopius von Caesarea. Seine „Geheimgeschichte“ (Historia Arcana) und andere Texte wie den über die Vandalenkriege gibt es digital beim Project Gutenberg.

Ich weiß nicht, ob die Anwälte des Verlags Tor kennen oder VPN. Vermutlich nicht. Aber das würde nichts ändern. Was den Juristenhirnen nicht passt, wird passend gemacht. Vielleicht würden sie versuchen, das Lesen bestimmter Werke für strafbar erklären zu lassen.

Der S. Fischer Verlag schreibt auf seiner Website „Autor*innen“. Man sollte ihn boykottieren. Ich würde, selbst wenn ich die Chance hätte, dort nichts veröffentlichen.

project gutenberg




Siam-Nico, Buzzwords und der chinesische Imperialismus

myanmar
Link geht zu Facebook

Bei manchen Buzzwords (früher sagte man frankophil Slogan) schlägt mein Bullshit-Detektor sofort an, bei einigen Themen auch. Ich bedauere, die des Politischen kundigen Lesern und die an Medienkompetenz interessierten Leserinnen mit einer kleinen und vorläufigen Etüde in Recherche behelligen zu müssen.

Klassenkampf. Chinesischer Imperialismus. Mahnwache. Kommt alle. Fehlen nur noch die Fackeln Lichterketten, aber die sind mittlerweile sowas von out. Wer steckt dahinter? Aufmerksamkeitshuren, Marketing-Agenturen, etwas getarnt Politisches oder alles?

Setzen wir das Puzzle zusammen. Man sollte vermuten, dass bei a) Klassenkampf irgendwas „Linkes“ mitmacht, in Kombination mit b) chinesischer Imperialismus ergibt das aber zunächst wenig Sinn. „Die Linke“ lässt sich zwar von der pro-uigurischen Propaganda einlullen, aber sie würde nicht so weit gehen, eine „Volksrepublik“ als imperialistisch zu benennen. Die Grünen wiederum kriegen beim Begriff Klassenkampf sofort die Krätze. Beides – so unserer Arbeitshypothese nach 30 Sekunden – scheidet aus. Im Sinn haben wir den Namen „Nico Buchmüller“, der als Organisator der Mahnwache genannt ist.

myanmar

Die „Süddeutsche“ (Paywall) zitiert die (virtuelle) Gruppe German Solidarity with Myanmar Democracy. Man könnte irrig vermuten, dass die „Süddeutsche“ recherchiert hat, ob es diese Gruppe gibt. Dass sie das nicht getan hat, beweist die Zeichenkette „setzt sich nach eigenen Worten [bitte selbst ausfüllen] für ein freies Myanmar ein.“ Ohne drei unabhängige Quellen zu haben, durfte man früher, in den goldenen Zeiten des Journalismus, noch nicht mal furzen gehen. Heute reicht eine abhängige.

myanmar

Wait a minute. Warum sollte sich überhaupt jemand hierzulande ausgerechnet für Myanmar einsetzen, und was ist „frei“? Kapitalismus unter der Schirmherrschaft der NATO und faschistischer Banden wie in der Ukraine? Warum nicht Freiheit für Äquatorialguinea? Robbenbabys Negerkinder auf Fotos werden doch von jeder Werbeagentur mit Kusshand angenommen, weil sie immer in die Kamera lachen, außer wenn sie kurz vor dem Hungertod stehen (Amnesty, Brot für die Welt usw.). Kann man also für praktisch alles vermarkten.

myanmar

Doch halt, wie haben ein Motiv, sagt jetzt der Kommissar (wir sind erst bei Minute fünf der Recherche). Hier spricht Nico Buchmüller, man sieht ihn die Hände ringen und tränenkullernd schluchzen: Brutalität! Gewalt! Die ist nicht geil, sondern pöhse. Wir werden alle störben. Da muss man doch was tun!

Merke: Der Herr schreibt schlechtes Deutsch, und auch die Kommata fehlen oder stehen an der falschen Stelle. (Er hat also kein Abitur. Leider kann man heutzutage bei der Recherche aus diesem Tatbestand nichts folgern, weil das Kriterium sogar für die meisten Journalisten zutrifft.)

Wir merken uns in Rechercheminute fünf: Kein Profi, vermutlich keine der vorhandenen Parteien im Hintergrund (Arbeitshypothese, es fehlen die vorgestanzten Textbausteine), die Volksmassen jubeln noch nicht (was bei Myanmar auch extrem unwahrscheinlich ist, da vermutlich 90 Prozent der Bevölkerung das Land nicht auf einer Karte lokalisieren könnten). Appell an Gefühle, wie schon beim Kampf gegen „Hass“. Gefühle entpolitisieren sofort jedes Thema, lassen sich aber natürlich bei den intellektuell Schmalbrüstigen geistig Armen gezielt mobilisieren. Wer „gegen Gewalt“ ist, redet zur Mittelschicht. Man appelliert, sich zu benehmen: Man möchte bei denen da oben nicht unangenehm auffallen und sich gleichzeitig von denen da unten absetzen. „Klassenkampf“ und „gegen Gewalt“ – das passt nicht und spricht bei mir sofort für einen geistig verwirrten Einzeltäter oder Drogenmissbrauch.

myanmar

In Minute zehn der Recherche müssen wir nur noch die falschen Nico Buchmüllers aussortieren. Der richtige ist Klima-Nico von der Klimaliste Baden-Württemberg. Einw der Abspaltungen von der Befreiungsfront Judäas den Grünen, die sich auf nur ein Thema focussieren und den Kapitalismus reformieren wollen, aber selbstredend weiterhin zum GlottisschlagStimmritzenverschlusslaut-Milieu gehören. Ergo: Schon wieder nur Winkelreformer der buntscheckigsten Art.

Unser Klima- und Siam-Nico drückt mit Karacho auf alle Tränendrüsen: Er sammelt Spenden für Waisenkinder in Mayanmar. Das volle Programm also. Ich frage immer noch: Warum ausgerechnet Birma? (Ich hatte ein Kinderbuch über die KatzenTigerjagd in Siam – so hieß das früher.) Er hat dort eine Zeit verbracht. Das muss uns reichen. Man muss nicht alles runtermachen, auch wenn man „Entwicklungshilfe“ als eine Art Embryo des Imperialismus ansieht und „helfen“ durchweg als ein niedriges Motiv, um sich selbst besser zu fühlen.

Man kann natürlich noch weitermachen und den beruflichen Werdegang recherchieren, Bildersuche und -vergleich eingeschlossen). Wir haben Nico unrasiert, auf Linkedin rasiert. Bei krauth technology im Schwarzwald wurde er offenbar ausgebildet (7. von links). Bei highQ war er auch oder ist er noch.

Der „Klassenkampf“ war also nur ein Versehen und wird in die Rubrik attention whore eingetütet. Wenn man unseren Siam-Nico fragte, was Imperialismus sei, würde er garantiert ins Stottern kommen oder „die Uiguren, die Uiguren“ murmeln.

Übrigens: Die so genannte Opposition in Myanmar würde ich auch nur mit der Kneifzange anfassen.




Viel wenig Impfstoff [Update]

Der Tagesspiegel schreibt: „Bei Fortsetzung des derzeitigen Impftempos würden Mitte April knapp 15 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Erstimpfung haben.“

In besserem und logischem Deutsch: Wenn der Impfstoff weiterhin so knapp ist, haben Mitte April mehr als 85 Prozent der Bevölkerung noch nicht einmal eine Erstimpfung.

Merke: Ist etwas negativ („nicht geimpft“), sollte man es nicht positiv formulieren. („mindestens eine Erstimpfung“). Man sagt auch nicht: Von wenig Impfstoff ist viel vorhanden.

Teilsätze ohne Verben verschleiern, dass jemand verantwortlich ist (wer gibt das „Tempo“ vor und warum?). Außerdem sind Wörter mit -ung (Nominalstil) lang und hässlich.

Postscriptum: Korrektes Deutsch ist das alles natürlich auch nicht. Man muss sich aber entscheiden, was man prognostizieren will: „Wäre der Impfstoff weiterhin so knapp“ suggeriert, dass die zuständigen Pappnasen es schafften, mehr davon zu besorgen. Das bezweifle ich, obwohl der Tagesspiegel das offenbar glaubt. Also kein Irrealis, sondern schlicht Futur im Konditionalsatz: Wenn der Impfstoff weiterhin so knapp sein wird, werden Mitte April mehr als 85 Prozent der Bevölkerung noch nicht einmal eine Erstimpfung haben.

Postscriptum II: Journalisten, die, wie im Tagesspiegel, Doppelpunkte mitten in Wörter pressen, können oft gar kein korrektes und gutes Deutsch.

[Update zum Postscriptum II]
tagesspiegel




Bitte jetzt schnell ein Ehegatt[Stimmritzenverschlusslaut]*_Inneninsidergeschäft!

leben großstadt
Die Schönheit des Lebens in der Großstadt im Deutschland des 21. Jahrhunderts (Symbolbild)

In Tübingen braucht man keinen Lockdown. „… in Tübingen können die Menschen wieder fast so zusammenkommen wie vor der Corona-Pandemie. Kino, Besuche im Restaurant, Einkaufsbummel in der Innenstadt, alles möglich mit einem Tagespass nach einem Corona-Test.“

Boris Palmer ist dort Bürgermeister (das ist der, den die Glottisschlag-Fraktion der Grün[Stimmritzenverschlusslaut]:*_Innen am liebsten aus der Partei werfen will). Die Notärztin Lisa Federle organisiert das Ganze.

Das konnte anderswo auch funktionieren, wenn es genug Schnelltests gäbe. Gibt es aber nicht. Wir haben bekanntlich ein profit- und marktorientiertes Gesundheitssystem. Vielleicht kann der Ehemann des Gesundheitsministers kurzfristig aushelfen?




Alle Macht der proletarischen Schwarmintelligenz

kronstadt

Kronstadt – was fällt den Nachgeborenen dazu ein? Ich will nicht jammern, aber Kronstadt muss man kennen, weil die Frage, die die Aufständischen 1921 aufgeworfen haben, immer noch ungelöst ist. Alle Macht den Räten oder der Partei oder noch was anderes?

Klaus Gietinger schreibt: Vor 76 Jahren am 16. März 1921 griffen 50000 Rotarmisten unter General Tuchatschewski die Festung Kronstadt an, in der sich 14000 Matrosen verschanzt und zweieinhalb Wochen lang, zusammen mit der Zivilbevölkerung der Stadt, die „Dritte Revolution“ gelebt und verkündet hatten. Es waren jene Matrosen, die von Trotzki einmal als „Schönheit und Stolz der Oktoberrevolution“ gepriesen worden waren. weil sie über drei Jahre zuvor den Bolschewiki zum Sieg verholfen hatten.

Kronstadt gab einem Aufstand den Namen, der den Niedergang der Oktoberrevolution symbolisiert, wie kein anderer. Kronstadt ist der point of no return der russischen Revolution. Danach war die Sache praktisch gelaufen.

Ich suchte in meiner winzigen Bibliothek und fand nur ein Buch zum Thema: „Die revolutionären Aktionen der russischen Arbeiter und Bauern. Die Kommune von Kronstadt“. Vermutlich sind auch die Namen der Verfasser heute nicht jedem geläufig: Johannes Agnoli, großbürgerlicher Herkunft, Faschist, dann Sozialdemokrat [sic], dann einer der Vordenker der APO und des SDS, also der Studentenbewegung der 68-er. Von ihm muss man sich vermutlich den Satz merken: „Der Weg zur Emanzipation kann nicht mit Leichen gepflastert werden“. Cajo Brendel, niederländischer Rätekommunist. Ida Mett, russische Anarchistin und Kommunistin. Alle sind schon tot.

Ich schrieb am 24.11.2017 über das lesenswerte Standardwerk Bini Adamczaks Der schönste Tag im Leben des Alexander Berkman über die russische Revolution, wie sie hätte sein können und sollen: „Ich sehe mich durch die Lektüre bestätigt, das nicht nur mit dem Tod Lenins und der Machtübernahme Stalins die Konterrevolution in der Sowjetunion begann, sondern dass schon viel früher so viele entscheidende Fehler gemacht wurden, dass die Sache verloren war. Die Frage ist nur, ob diese “Sache” unter den damals gegebenen Umständen überhaupt eine ernsthafte Chance hatte.“

kronstadt

Das Kleinbürgertum weiß nicht genau, was es will, und kann es auch, seiner Stellung nach, nicht wissen. Deshalb auch deckte es die Verwirrung seiner Wünsche und Hoffnungen so bereitwillig mit den verschiedensten Flaggen zu – die der Anarchisten, der Sozialrevolutionäre, oder einfach der „Grünen“. (Leo Trotzki, 1938)

Lenin und Trotzki haben, das weiß man heute, über den Aufstand in Kronstadt gelogen und die Fakten verdreht, dass die Balken sich nicht nur bogen, sondern krachten. In der DDR wurde auch alles totgeschwiegen oder nur nachgeplappert, was die stalinistische Parteilinie zum Thema vorgab.

Einige Thesen des Buches (es ist eine Sammlung von Artikeln):
– Wer die russische Revolution als sozialistische Revolution ansehe, müsse den Kronstädter Aufstand als konterrevolutionär beurteilen. Wer aber die Kronstädter für Revolutionäre halte, könne den späteren sowjetischen „Sozialismus“ nicht mehr als solchen sehen.
– Die russische Revolution sei in Wahrheit eine bürgerliche Revolution gewesen, nur ohne ein relevantes Bürgertum oder sogar gegen die Bourgeoisie. Ein organisiertes und kämpfendes Proletariat habe es nicht gegeben.
– Was sich auf russischem Boden als „Marxismus“ entwickelte, sei in Wirklichkeit „dem jakobinischen Radikalismus eines Auguste Blanqui“ viel näher als den Auffassungen von Marx und Engels.
– Nicht die Arbeiterklasse verfügte nach der Revolution über die Produktionsmittel, sondern der Staat, also die Partei. [Das wird heute niemand bestreiten]

Die Fragen wurde genau so in der chinesischen Kulturrevolution gestellt und wird auch heute in China unter den Tisch gekehrt: Gibt es Klassenkampf und eine herrschende Klasse in einer Gesellschaft, die sich als sozialistisch versteht? Und wie gehen die Linken damit um?

Noch einmal Klaus Gietinger: Dem Einwand, gegen einen von allen Seiten einfallenden Feind hilft keine demokratisch organisierte Armee. kann man mit Rudi Dutschke antworten, daß „eine solche Situation gerade für Milizen und Partisanenkampf geeignet“ ist. Das kann man als naiv ansehen oder einfach als zynisch. So einfach kann man es sich nicht machen. Lieber auf die Macht verzichten und in den Untergrund gehen und die Bevölkerung den Faschisten überlassen?

Ich weiß es nicht. Ich muss mal jemanden fragen. Bini Adamzcak vielleicht.

kronstadt




TKÜ, ick hör dir nicht trapsen

Gerade schrob schrieb ich in einer Arbeitspause in den asozialen Medien: Wer „Ungleichheit“ bekämpfen, aber den Kapitalismus erhalten will, leidet an politischer Schizophrenie und hat schwer einen an der Waffel. #Grüne

Jetzt lese ich bei Fefe ein Zitat aus dem Wahlprogramm der neuen Bourgeoisie-Freundglottisschlaginnen: „…wollen wir es der Polizei ermöglichen, technische Geräte anhand einer rechtsstaatlich ausgestalteten Quellen-TKÜ zielgerichtet zu infiltrieren.“

Die haben ja noch mehr einen an der Waffel, als ich dachte. Vielleicht sollten sich mal die Wählerglottisschlaginnen trauen, mit mir eine Videokonferenz zu machen, mit Zuschauern natürlich – aus dem hiesigen Publikum, und sich für den hanebüchenen Quatsch rechtfertigen, den die ständig verzapfen? Aber vermutlich wählt die hier niemand, die habe ich schon alle vergrault…




Die Macht der Wokeness

Ganz wunderbarer Artikel vom Bernd Stegemann, leider hinter der Paywall der „Welt“ (die ich abonniert habe):

„Warum sind die Linken nicht mehr links? Diese Frage stellt sich mir schmerzhaft, schaue ich auf die erhitzten Debatten dieser Tage. Greift man beispielsweise zur linken Tageszeitung „taz“, so findet man einen Artikel über das Interview von Meghan Markle und Prinz Harry.

Eigentlich wäre das eine Steilvorlage für jeden Journalisten, der die kalkulierte Inszenierung und ihre materiellen Interessen enttarnen möchte. Als Pointe könnte man leicht herausfinden, wie ein royales Ehepaar nach Hollywood zieht und sich dort als Opfer inszeniert, um das Geschäft mit der eigenen Berühmtheit anzukurbeln.
Doch die „taz“ will nichts von diesem Marketingcoup erkennen und feiert stattdessen Prinzessin Markle als Stimme aller diskriminierten Minderheiten. Es schmerzt zu lesen, wie eine linke Zeitung blind ist für kommerzielle Interessen und wie sie den Trick nicht durchschaut, sich als Opfer zu feiern, um den Marktwert zu steigern. Im Pisa-Test „dialektisches Denken“ würde die „taz“ inzwischen auf den hinteren Plätzen landen. (…)

Woke Linke vertreten nicht mehr die Interessen der Beschäftigten, sondern die Interessen eines akademischen Milieus. Ihre Enteignung ist besonders raffiniert, weil sie dabei unter den Mantel linker Politik schlüpfen und alle nicht woken Genossen herausdrängen. (…)

Die woke Linke macht hingegen die persönliche Sensibilität zum Maßstab. Sie schaut mit einem moralischen Blick auf die Verhältnisse, und ihre wichtigste Waffe ist die Empörung. (…)

Die erfolgreichste Machtpolitik besteht schon immer darin, die eigenen Privilegien zu verteidigen, indem man sich selbst zum Opfer und zum guten Menschen macht. Die Wokeness erfüllt genau diese Funktion. (…)

Die Macht der Empörung liegt darin, dass sie unbesiegbar macht. Das Argument kann noch so gut sein, die Empörung münzt es zu einem Angriff auf das eigene Gefühl um. Und schon ist man wieder verletzt und kann mit noch mehr Empörung reagieren. Empörung ist eine Waffe, mit der man zum Opfer wird, das immer Sieger bleibt.“




Poliorketik und Haptik

trébuchet

Ich erforsche, wie dem Publikum bekannt, gerade u.a. die Geschichte der Kurbel im Frühfeudalismus. Mit Kurbeln ist es wie mit Frauen: In der Theorie ist alles blass, was zählt, ist das Haptische. Ich werde also ein Modell der Blide (frz. Trébuchet) Leonardo da Vincis kurz zusammenbauen, um die Physik zu kapieren.

Das ist wie ein Selbstversuch: Welche intellektuellen Fähigkeiten benötigt man, um das Prinzip nachzuvollziehen bzw. – was viel interessanter zu beantworten ist – was fehlt einem, wenn man das nicht versteht? Auf welchen kulturellen Vorleistungen basiert das eigene technische Wissen, vor allem beim Gegengewicht, und wie werden bzw. wurden die tradiert? Ceterum censeo: Warum ist das den alten Römern nicht eingefallen?




Buntscheckig [Update]

Ein Theil der Bourgeoisie wünscht den socialen Mißständen abzuhelfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern. Es gehören hierher, Oekonomisten, Philantropen, Humanitäre, Verbesserer der Lage der arbeitenden Klassen, Wohlthätigkeits-Organisirer, Abschaffer der Thierquälerei, Mäßigkeits-Vereinsstifter, Winkelreformer der buntscheckigsten Art. Und auch zu ganzen Systemen ist dieser Bourgeois-Socialismus ausgearbeitet worden.

[Update] Ich habe gerade nachgeschaut, wer sich hinter diesen Preudoradikalen verbirgt; offenbar mehrheitlich Ex-Grünglottisschlaginnen. Warum gehen die eigentlich nicht zu Jutta Ditfurth? Vermutlich können sie das Wort „antikapitalistisch“ nicht leiden, das die „Ökologische Linke“ immerhin auf ihre nicht vorhandenen Fahnen geschrieben hat.




Diversere Wohnviertel

Als advocatus diaboli sage ich: Dänemark fördert die Vielfalt und setzt sich für diversere Wohnviertel ein. Manche meinen, lechtsidentitär und rinksidentitär kann man nicht velwechsern, werch ein illtum. (Ernst Jandl)




Schwampel oder: Wahl, wahler, am wahlsten

politische Farbenlehre

Die aktuellen Landtagswahlen bitte ich aus der Perspektive des Jahres 2052 zu sehen (wenn ich meinen ersten dreistelligen Geburtstag feiere). Das ist so, als versuchten wir heute die Landtagswahl in Lippe einzuschätzen, wer wichtig war und wer nicht und wozu das alles führt.

Die „Grünen“ sind also die Partei der modernen Bourgeoisie, also die neuen Konservativen. Die „Linke“ ist am Gesäß, aber will das nicht wahrhaben und auch keine Konsequenzen ziehen („viel Arbeit liegt vor uns“ – was für ein entsetzliches Gefasel…).




Die Quadratur des politischen Kreises

diego rivera

Mexico-Stadt – Palacio de Bellas Artes: Wandgemälde „Der Mensch am Scheideweg“ (1934, gemeinfrei) von Diego Rivera. Ein großartiger Künstler! Warum habe ich damals, als ich mehrfach in Mexiko war, seine Bilder nicht angeschaut?

Interessanter Artikel, der aber die Quadratur des Kreises verlangt: „Arbeiter nicht gegen Frauen und Migranten ausspielen“. Restriktive Migration und eine Absage an Identitätspolitik werden die Sozialdemokratie nicht retten, meint Tarik Abou-Chadi von der Uni Zürich. Ich sehe das Problem, das er anspricht, aber teile seine Meinung nicht.




Identitärer Wahn

Leider hinter einer Paywall von FAZ.net (von Horst Bredekamp): „Warum der identitäre Wahn unsere größte Bedrohung ist“.

„Der schauerlichste Zug des Postkolonialismus liegt in seiner strukturell antijüdischen Konsequenz. Viel ist über den vorhandenen oder nur unterstellten Antisemitismus von Achille Mbembe diskutiert und geschrieben worden. Die Ausblendung des für alle Fragen des Rassismus höchst sensiblen Impulses jüdischer Anthropologen wird jedoch niemals thematisiert. Diese Strategie entspricht dem Ziel, eine Kulissenverschiebung von Auschwitz nach Namibia vorzunehmen und damit die Unvergleichlichkeit des Holocaust zu bestreiten.
Es ist dieser totalitäre Gestus, gegen den sich Wolfgang Thierse wehrt. Wie naiv muss man sein, um nicht zu erkennen, dass am Ende einer identitären Politik, wie er sie kritisiert, nicht etwa eine aufgeklärte multikulturelle Realität steht, sondern die Reinheit einer so sauberen wie menschenverachtenden Orientierung.(…)

Die AfD und Schlimmeres sind eine ständige Herausforderung, die aber zu bewältigen sein dürfte. Die Überwindung des identitären Angriffs auf die Vernunft dürfte schwerer zu erbringen sein, weil sie sich hinter dem Ethos einer linken Befreiungsrhetorik verpanzert hat. Wolfgang Thierse hat die Courage aufgebracht, den Unterschied von Sprache und Effekt auszusprechen und deutlich zu machen, dass die politische Korrektheit das Ende der Sozialdemokratie bedeutet. Sie sollte ihm ein Denkmal setzen.“




Islamogauchismus

Interessantes Interview in der NZZ mit der französischen Soziologin Nathalie Heinich: „Man kann nicht mehr von den Gefahren des Islamismus sprechen, ohne als islamophob stigmatisiert zu werden“.

So wird es in Deutschland auch kommen. „Im Kern geht es um eine Auseinandersetzung zwischen zwei Tendenzen der Linken: Auf der einen Seite haben wir eine extreme, radikale Linke, die stark von der amerikanischen Woke-Bewegung beeinflusst ist. Und auf der anderen Seite eine reformistische, moderate Linke, die ihrerseits den republikanischen Universalismus hochhält, vor allem über die Verteidigung der Laizität. (…) Die neuen Theorien tendieren dazu, alles, was auf der Welt geschieht, durch die Brille der Diskriminierung anzuschauen: Die einen sehen alles im Licht der Rassenfrage, andere betrachten alles durch das Raster des Sexismus. Diese radikalen amerikanischen Ideen haben an den Universitäten an Terrain gewonnen und faszinieren die jungen Studenten. (…) wenn wir so weitermachen, entwickelt sich die Uni zu dem Ort, an dem in Dauerschleife rein ideologische Arbeiten über Diskriminierung entstehen.“

Wenn ich so etwas lese, bin ich heilfroh, dass ich keinen Job mehr an irgendeiner Universität habe. Ich würde diese ideologische verkommende Studentenschaft nur anpöbeln.