#Neuland, revisited

digitalisierung

Ach ja? Das erklärt natürlich einiges. (via Fefe)

Seid bereit!

seid bereit

Die Grünen sind bereit für eine diverse Erlebniswelt irgendwo zwischen NS-Wehrbauern und Brave New World. Seid bereit! (Im Hintergrund hört man Hacken zusammenschlagen und ein Lastenfahrrad umkippen.)

Kriegerische Bevölkerung und aufgezwungener Feminismus

„In jeder Gesellschaft, die es je gegeben hat, sind Frauen (und Kinder) bei weitem das Wichtigste, was die Krieger haben und wofür sie kämpfen. Jeder Versuch von außen, sich an den Frauen und Kindern des Gegners zu vergreifen, wird daher zwangsläufig zu heftigstem Widerstand führen. Lieber sterben, als seine Frau in den Armen des Eroberers zu verlieren, sagte schon der homerische Held Hektor! Indem sie versuchten, dem Land den westlichen Feminismus aufzuzwingen, sorgten die USA dafür, dass sich ein Großteil der einheimischen Bevölkerung, sowohl der männlichen als auch – oft genug – der weiblichen, mit Händen und Füßen wehren würde. Und genau das taten sie, vor allem auf dem Lande.“ (Martin van Creveld, Militärwissenschaftler, hinter der Paywall der Welt)

Bei Wikipedia sollte man aber die Kritik an seinen´Thesen zur Kenntnis nehmen.

Smelo, tovarišči, v nogu!

In Russland ist ein Agrarkapitalist Chef der Kommunistischen Partei und hat mehr Erfolg als die hiesigen „Linken“. Das gibt naturgemäß Ärger, und Ärger ist gut fürs Politikgeschäft.

Siegen in Afghanistan

Peter Scholl-Latour 2009 als Prophet, der über Afghanistan mit jedem Wort recht behält. „Wir können nicht die Aufgabe des nation building übernehmen.“ Hätten unsere Politiker doch auf ihn gehört!

Saunieren in Kabul

Mal kurz zwischendurch: ein ultracooles Interview mit dem russischen Botschafter in Afghanistan: „Leute, entspannt euch, lasst uns in unsere Botschaftssauna gehen“. Von dem gibt es noch mehr Statements dieser tiefenentspannten Art.
Schirnow: Der Mensch kam ohne Tross, ohne Leibwächter, allein mit seinem Fahrer. Sie müssen wissen, es gibt noch keine politische Führung in Kabul, es gibt eine Art Kommandantur. Ich traf mich mit dem Menschen, der am 15. August die Kapitulation afghanischer Armeeeinheiten entgegennahm, er ist sozusagen der Kabul-Verantwortliche der Taliban.
SPIEGEL: Wie heißt er?
Schirnow: Ich sag mal so, er hat einen Vollbart und ist mittleren Alters.

Poppy or not Poppy: That is the question oder: Zur Lage der arbeitenden Klasse am Hindukusch [Update]

refugees afghanistan
Credits: Arianews Kabul

„Mittelalter“ – das Wort liest man zur Zeit häufig in den Qualitätsmedien, wenn es um Afghanistan geht. Ich habe meine Zweifel, zumal es marxistisch besser „Feudalismus“ hieße. Schauen wir auf die Ökonomie – ist das Land nun feudal, kapitalistisch oder was dazwischen? Es wäre doch gelacht, wenn das trotz vieler fehlender Fakten nicht marxistisch analysiert werden könnte.

Geografie und Ökologie: Afghanistan ist ein typisches „Entwicklungsland“: Landwirtschaft ernährt den übergroßen Teil der Bevölkerung; in den Städten ballt sich die schmale Mittelschicht zusammen. Man kann das Land etwa mit Peru vergleichen: Auch dort dominieren die Gebirge alles und sind extrem unwirtlich. Die Städte krallen sich in die wenigen Ebenen. Die einzig nennenswerte Industrie, die ein Proletariat verlangt, besteht im Abbau von Bodenschätzen. Sowohl in Afghanistan wie auch in fast allen andinen Staaten Lateinamerikas geht es immer darum, dass ausländische Konzerne die Bodenschätze fördern und die Bevölkerung fast nichts davon hat – der Erlös wird zwischen der korrupten herrschenden Klasse und dem Kapital aufgeteilt.

Agriculture makes up over a third of Afghanistan’s economy and employs about three quarters of its population. Up to 85 percent of the country’s food comes from irrigated farming, stellt die Food and Agriculture Organization of the UN fest. „Water means food.“

peasants afghanistan
Credits: Vision of Humanity

Wir haben also mitnichten „Mittelalter“ aka Feudalismus. Dazu gehörte, dass die Bauern unfrei, also abhängig vom einen Vertreter der herrschenden Klasse sind und ihr Land nicht verlassen dürfen („Leibeigenschaft“ im „Ideal“fall). So war es in zum Beispiel auch in Japan.

Die interessante Frage ist, warum sich in Afghanistan keine stabile Zentralgewalt entwickelt hat wie im absolutistischen Europa. Oder: Warum spielt der „Stamm“ eine größere Rolle? Clans oder auch Familien (was dasselbe ist) waren im „naturwüchsigen“ Feudalismus wichtig, weil die Herrschaft dadurch legitimiert wurde. Marx schreibt irgendwo in den Grundrissen, dass im Feudalismus die „Natur“ – also „natürliche Verwandtschaft“ – Herrschaft legitimiere, so wie die Natur Mund und Nasen macht. Man ist König oder sonst etwas durch Geburt – das reicht, um die Position hinreichend zu begründen.

Ich vermute, dass Afghanistan sich ohne die imperialistische Einmischung Englands entwickelt hätte wie Syrien, der Irak und der Iran – kapitalistische Staaten mit einer kleinen Arbeiterklasse: Die wird entweder von nationalistischen Regimes symbolisch und/oder zeitweilig an der Macht beteiligt (Syrien, Irak) oder von den Herrschenden, die Marionette einer ausländischer Macht sind, bekämpft. Einen König – vermutlich eher ein Primus inter Pares – hatten sie schon.

Die Taliban sind eben nicht eine „normale“ herrschende Klasse, sondern das Resultat einer ganz speziellen historischen Gemengelage. Im Kapitalismus hieße „herrschende Klasse“ Sie verfügt über die relevanten Produktionsmittel; der agrarische Teil des Landes wir tendenziell kleiner und industrialisiert. Die Talban schöpfen aber nur ab – wie Feudalherren, die sich mit Gewalt den gesellschaftliche Mehrwert aneignen.

Im Vergleich zur ersten Herrschaft der Taliban sind diese jetzt aber finanziell unabhängig. (Gutachten des Sicherheitsrats der UN). Man sollte sie keinesfalls für doof halten – also wieder nicht für „mittelalterlich“.

Der Tagesspiegel, der sich auf Radio Free Europe bezieht (keine unabhängige Quelle!), listet auf:
Bergbau 464 Millionen USD
Drogenhandel 416 USD
Ausländische Zahlungen/Spenden von Personen 240 Millionen USD
Exporte 240 Millionen USD
Steuern 160 Millionen USD
Immobilien 80 Millionen USD
.

peasants afghanistan
Credits unknown

Meine Prognose: Es wird bald zu einem neuen Bürgerkrieg kommen. Natürlich wird auch „der Westen“ nichts dazugelernt haben und diesen nach Kräften mit Geld und Waffen alimentieren. Erst Ansätze gibt es schon im extrem unzugänglichen Panjshir-Tal; unsere Qualitätsmedien jubeln frenetisch. Afghanistan wird sich auf lange Sicht nicht über das „Niveau“ afrikanischer failed states erheben können. Auch in Zukunft werden alle „Bürgerkriege“ auch Stellvertreter-Kriege sein. Nur den Chinesen traue ich zu, dass sie nicht so dämlich sein werden, da militärisch mitmischen zu wollen.

Auch eine afghanische Armee unter der Leitung der Taliban wird es nicht geben. Alles nötige dazu hat die Jerusalem Post: „The Afghan gov’t overthrown by Taliban never existed“. Was afghanische Soldaten wollen: „They didn’t want to do anything, except steal from people“.

[Update] The Guardian: „Afghan civil war ‘unavoidable’ if Taliban refuse talks, says opposition leader“. I told you so.

Thieves of State

Interessant und lehrreich: Ibrahim al Marashi schreibt auf Al Jazeera über „The collapse of Afghan military: We’ve seen this movie before“.

„In her book Thieves of State: Why Corruption Threatens Global Security, Sarah Chayes wrote about a disgruntled Afghan civilian who was so fed up with paying bribes to the post-2001 security forces that he wished for the Taliban to come and rid him of this nuisance.“

Der Bauer im Klassenkampf, Version Hindukusch

Mazrak Zadran
Mazrak Zadran, Anführer eines bewaffneten Bauernaufstandes 1944 in Afghanistan

Als Service für das Publikum habe ich einige Thesen und Infos aus wissenschaftlichen Publikationen über Afghanistan zusammengefasst. Die Geschichte ist bekanntlich die Geschichte von usw.. und it’s the economy, stupid. Nur um das Interesse zu wecken, sich selbst mehr zu informieren.

Der Streit um Land ist der wesentliche Motor für den Klassenkampf in Afghanistan außerhalb der Städte. Je unklarer und strittiger die Besitzfrage ist, um so mehr bedarf es formaler und informeller Mechanismen, das Problem zu lösen. In der Vergangenheit hat das meistens die Dorfgemeinde geregelt. Das funktionierte nach dem sowjetischen Einmarsch 1979 und der Intervention der „westlichen“ kapitalistischen Staaten immer weniger.

Die Regierung versuchte seit den 60-er Jahren, die Landfrage zu lösen und zu klären, was wem gehörte, beschränkte sich aber auf die urbanen Gebiete. Die gegenwärtigen Gesetze schaffen die paradoxe Situation, dass jemand gültige Besitzdokumente schon haben muss, um zu beweisen, dass das Land ihm gehört. Mehr als die Hälfte aller Afghanen sind aber Analphabeten. Die Regierungen waren nicht in der Lage, die Unterlagen zu archivieren, vieles ist verschwunden. Nur rund 20 Prozent des Landes ist „rechtmäßig“ registriert und hat einen „legalen“ Eigentümer. Das Problem der Besitzrechte ist die Quelle unzähliger Streite zwischen dem Staat und den Bauern und Gemeinden als auch zwischen den „Stämmen„.

Ab 2012 kamen 5,7 Millionen Afghanen, die geflüchtet waren, aus dem Ausland zurück. Das erhöhte die Bevölkerungszahl um ein Viertel. Land und Besitz der Kriegsflüchtlinge waren oft von anderen okkupiert worden, was zusätzlich unlösbare Probleme schaffte. In den ländlichen Regionen wurde der Mohn-Anbau intensiviert, was auch dort die Landpreise explodieren ließ. Landraub durch korrupte Regierungsbeamte und ihrer Klientel ist allgegenwärtig – die afghanischen Behörden schätzten, dass es um mindestens 340.000 Hektar ging – das ist rund ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche von Rheinland-Pfalz.

Die Sura der Dorfgemeinden ist seit der ersten Herrschaft der Taliban immer weniger in der Lage, Konflikte zu lösen: Die Hälfte der Bevölkerung war vertrieben worden, mehr als eine Million waren umgekommen.

Viele der „Stämme“ reklamieren, dass ihnen das Land gehörte, also eine Art kollektiver Besitz von Flüssen, Wäldern und Äckern. Das ist aber nach offiziellem afghanischen Recht gar nicht vorgesehen. Oft hat die Regierung Probleme so „gelöst“, dass das strittige Land zu Staatseigentum erklärt wurde, für das dann Pacht oder Steuern zu zahlen waren.

Die Frage, ob Afghanistan Frühkapitalismus sei und in welchem Stadium, reiche ich an die hier mitlesenden Marxisten weiter.

Weitere Literatur:
Adam Pain: Land, power and conflict in Afghanistan: seeking to understand complexity, (Volltext, 57 S.) 2013
Ilia Murtazashvili & Jennifer Murtazashvili: Does the sequence of land reform and political reform matter? Evidence from state-building in Afghanistan (free abstract), 2016
Erica Gaston & Lillian Dang: Adressing Land Conflict in Afghanistan (Volltext, 16 S.), 2015
Wikipedia: Afghan tribal revolts of 1944–1947

Talibanglottisschlaginnen, Graveyard of Empires and Proxy-War

taliban

Das Publikum wird stundenlang mit einschlägigen Reportagen zum aktuellen Thema Saigon Kabul überschüttet worden sein und sich, falls interessiert, informiert fühlen. Ich nicht. Die wichtigen Fragen werden weder gestellt noch beantwortet – und zwar genauso unisono, wie alle deutschen Medien die Präsenz ausländischer Militärs in Afghanistan begrüßt und begleitet haben. Also sollte ich meinen Mostrich dazugeben, nicht ohne vorher das recherchiert zu haben, was relevant ist.

Ich lese in fast jedem Artikel „der Westen“. Wer oder was ist das? Der eigentlich nur geographische Begriff erinnert mich an die „westlichen Werte“, für die in West(!)-Berlin vor vier Jahrzehnten demonstriert wurde und die zeitgleich satirisch mit der Jubelparade auf die Schippe genommen wurden. By the way – Wörter, die ich zwei Wochen nicht sehen will: „der Westen“ und „Kulturkreis“.

Man beruft sich gern auf die Aufklärung, die weltweit verteidigt werden müsste, vergisst aber, dass die Nation, aus der die Aufklärer stammten, wenig später auch zwei Weltkriege anzettelte und die Shoah auf dem Gewissen hat. Vom Kolonialismus aller größerer europäischen Staaten ganz zu schweigen. Wenn das nicht auch „westliche Werte“ sind, dann gibt es gar keine.

Wenn es einen ideellen Gesamttaliban gäbe, hätte dieser – natürlich auf einer steinzeitlichen Schiefertafel – die Araber, das Britische Empire, die Sowjetunion und jetzt die USA und den restlichen „Westen“ abgehakt. Was kommt danach? Wir haben da noch die Freunde Afghanistans, die die „Wahl“ des afghanischen Volks [das es gar nicht gibt] respektieren. Die wussten garantiert schon lange vorher Bescheid, was passieren würde, und trafen sich mit den Taliban. Wer hat da wohl wen eingeladen? (Das ist übrigens nicht zu vergleichen mit dem völkischen Gefasel, was einige Mitglieder der „Linken“ ablassen.)

Ich gehe davon aus, dass am Wakhjir-Pass bald gebaut wird. (Ein Traum, den zu überqueren! Abenteuer pur! Leider bin ich zu alt dafür – und keiner wird mich lassen.)

taliban

Aber wir haben noch Eisenerz aus Aynak und die Mine in Hajigak, die größte Asiens. Gehört schon den Chinesen, obwohl „der Westen“ 20 Jahre lang Afghanistan besetzt hatte. Haben die nur die Opiumfelder bewacht oder sich auch mal umgesehen? Und warum lese ich gar nichts aktuell da drüber in den Medien? Mich würde auch interessieren, ob die Kanadier und Inder schon raus sind.

Mathias Bröckers schrieb vor 20 Jahren: „1986 (…) verschärfte CIA-Chef Casey den Krieg gegen die Sowjetunion mit drei Maßnahmen: Er überzeugte den Kongress, die afghanischen Mujaheddin mit Stinger-Raketen auszurüsten und ihnen Ausbildung und Unterstützung für den Guerillakrieg zukommen zu lassen. In Zusammenarbeit mit der pakistanischen Inter-Services-Intelligence (ISI) und dem britischen MI 6 war darüber hinaus geplant, mit „islamischen“ Terror-Attacken die angrenzenden Sowjetrepubliken Usbekistan und Tadschikistan zu verunsichern. Drittens unterstützte die CIA fortan die Bemühungen der ISI, in anderen islamischen Ländern Kämpfer für den Heiligen Krieg zu akquirieren und sie in einem Netz von Lagern und „Religionsschulen“ ideologisch und militärisch auszubilden…“

Achmed Raschid schreibt in The Taliban: Exporting Extremism „The ongoing civil war has polarized the regin, with Pakistan und Saudi Arabia backing the Taliban regine while Iran, Russin, India and four former Soviet Central Asian republics support the opposition Northern Alliance.“

Dazu hat Goethe schon alles gesagt. Wir beobachten also Kompetenzdefizite des Lehrlings bei Goethe und eben das auch bei unserem politischen Personal. Das ist aber bekanntlich ein Feature und kein Bug und wird sich wiederholen.

Könnte also sein, dass China rechtzeitig gewittert hat, woher die Wind weht und damit gleichzeitig dem Erzfeind Indien eins auswischt. Vielleicht finanzieren sie ja als Bonus auch das Aussteigerprogramm für Taliban*innen weiter.

taliban

Kurz zum den wolkigen Gefilden des Überbaus, zu denen Religion bekanntlich gehört und mit der sich der Kampf der Klassen oft kostümiert: Vor zwei Jahrzehnten regten sich indische Medien darüber auf, dass die Militärs in Pakistan terroristische Organisationen unterstützten. Der pakistanische Geheimdienst startete zum Beispiel Operationen, um den Punjab von Indien abzuspalten und Pakistan zuzuschlagen. „Pakistan’s proxy war against India in J&K through cross-border terrorism started in 1989 after the withdrawal of the Soviet troops from Afghanistan.“ Conclusio: „The large-scale Pakistani, official and non-official, involvement in the building-up of not only the Taliban, but also of other terrorist infrastructure based in Afghanistan.“

Man könnte diese Argumente kontern: Die Taliban gehören zu einer deobandischen islamistischen Gruppe, die ihren Ursprung in der „Hochschule“ Dar ul-Ulum Deoband in Indien hatten. Diese Fraktionen des Islam sind vergleichbar mit den christlichen Sektengründungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Zeugen Jehovas, Mormonen, „apostolische“ Kirchen), die allesamt das Motto pflegten: Erneuern und back to the roots.

taliban

Wer führt und organisiert die Taliban? Mullah Mohammad Yaqoob ist zum Beispiel der Sohn des ehemaligen Staatsoberhaupts Mullah Omar. „Der Westen“ hat also den inneren Führungszirkel der Taliban, Rehbari Shura genannt, nie aufsprengen können.

Zum Schluss die gute Nachricht: Wie in diesem Kulturkreis so üblich, werden sich die Taliban und noch ein paar andere Warlords bald gegenseitig bekriegen, wie alle Jahrhunderte zuvor.

Vorhersehbar, revisited

„Wir haben gewusst, dass es so kommen wird. Ich habe Dorfbewohner mal gefragt: Was ist besser, die Zeit unter den Taliban, oder die Zeit jetzt mit uns? Die Antwort lautete: die Taliban.

Weil die berechenbar seien und es keine Korruption gegeben habe. Weil eine Ruhe ohne Freiheiten und mit Scharia erträglicher sei als dauernder Krieg mit Angst um das Leben von Frau und Kindern. Das zeigte mir, wie verzweifelt die Leute sind. Die Afghanen mögen ein kriegerisches Volk sein, aber sie sind des Kriegs müde. (…)

Ja, wir haben versucht, die Soldaten gut auszubilden. Aber es bringt nichts, wenn die Kommandeure den Sold bekommen, sich den Großteil in die eigene Tasche stecken und bei den einfachen Soldaten unten nichts ankommt. Um ihre Familien durchzubringen, holen die sich dann ihr Geld, indem sie die Zivilbevölkerung ausbeuten. (…)

Wir haben letztlich eine Handvoll Leute reich gemacht, aber die Mehrheit hat nicht profitiert.“ (Ein Hauptfeldwebel der Bundeswehr, der in Afghanistan war, hinter der Paywall der „Welt“)

Noch Fragen?

Vorhersehbar

Bettina Gaus sagt im Spiegel Vernünftiges zum Thema Afghanistan: „Das Scheitern des Westens in Afghanistan war vorhersehbar: Krieg ist kein Ersatz für Politik und niemals eine humanitäre Maßnahme.“

Was macht eigentlich die „Linke“? Sie will den Taliban Hilfsangebote machen. Dazu fällt mir gar nichts mehr ein.

Die Weltläufte, zwischen dem Tegeler Fließ versteckt

spandau südhafen
Südhafen Spandau

Sechseinhalb Stunden auf dem Wasser – so ungefähr lautete auch der Plan. Wie dem Publikum mittlerweile bekannt, muss ich triggerwarnen: Ich quetsche alles und jedes, was mir auf den Zehnägeln brennt in den Sinn kommt, zwischen die Fotos, von Trending Topics über Chiwetel Ejiofor, von der SPD bis zur Sechserbrücke, von nicht vorhandenen Nackedeis bis Kabul. Gendern fehlt heute ganz.

schleuse Spandau
Schleuse Spandau

Ich bekam auf dem Rückweg, um das Kaiila von hinten aufzuzäumen, eine gute und eine schlechte Nachricht. Ich hatte die Bootsschleppe den hier schon erwähnten Trolley unter Ächzen und Stöhnen (mein Boot wiegt 33 Kilogramm plus zugeladetem Krempel) benutzt, als mich eine Stimme aus einem Mikrofon, welchselbiges dort auf einem Ständer angebracht ist, ansprach wie ein höheres Wesen aus einem Dornbusch: „Guten Tag, können Sie mich verstehen?“ Ich könnte und erwartete, ich werde aufgefordert, für meine atheistisches Gesinnung Buße zu tun und mindestens auf den Knien bis Canossa zu rutschen.

Es war aber nur der Schleusenwärter, der meinte beobachtet zu haben, dass ich mich sehr habe anstrengen müssen und mich darauf hinwies, Hilfe sei möglich, das gehöre zum Service des Hauses. Ich wies das entrüstet von mir, die körperliche Quälerei sein ein Feature meines Aufenthalts auf dem Wasser und mitnichten ein Bug, den es zu korrigieren sei nach dem tugendhaften Motto, jüngere Leute müssten aufstehen, wenn ein alter Mann in den Bus steige. Ich fühle mich plötzlich um Jahre gealtert. Das nächste Mal werde ich das Kanu auf meinen Schultern tragen ich mehr auf den aufrechten Gang achten beim Tauziehen des Bootes.

maienwerder
Maienwerder

In Nachhinein wollte ich auch wissen, wie weit es war – vermutlich doch mehr als zwanzig Kilometer hin und zurück. Die Durchschnittsgeschwindigkeit entspricht also der eines halben Fußgängers kommt jedenfalls hin.

tegeler see

Während der Hafen Tegel und der s124stkr-haqu schon von weitem zu sehen sind, widmen wir uns dem Hindukusch und den dort ansässigen Völkern. Die Lage dort ist unstrittig am Gesäß. Die US-Botschaft dort verschwand aus dem Cyberraum, aus Sicherheitsgründen oder weil es jetzt auch Cybertaliban gibt, die einen Job dort suchen könnten – bis zum 31. August. Vielleicht warten die Taliban auch bis zum 15. September, um die Hauptstadt zu besetzen. Auf jeden Fall kann ich mir abschminken, einmal in den Band-e-Amir-Seen zu paddeln. Beim Noshak machte meine Hüfte ohnehin nicht mehr mit. Außer die Chinesen besetzten Afghanistan, um Gwadar profitabler zu machen. Warten wir also auf Bilder von Helikoptern über der Great Massoud Road. Oder Erdogan lässt einmarschieren.

sechserbrücke
Sechserbrücke

Die Sechserbrücke und die duellierende Historie in der Nähe sind der Stammleserschaft schon bekannt.

brücke zur tegeler humboldtinsel
Unter der Brücke zur Humboldtinsel – nach der vollzogenen Erderwärmung und steigendem Wasserpegel würde ich nicht mehr durchpassen, außer man engagiert die Niederländer, die Tegel eindeichten.

Auf der Humboldtinsel, wo vor jedem Haus mindestens ein Boot schaukelt, wohnt bekanntlich das Proletariat, dem man verbieten will, in Zukunft Fleisch zu essen. Darauf ein donnerndes populistisches #RettetDieCurrywurst!

tegeler fließ
Am Tegeler Fließ

Leider kann man den Nordgraben des Tegeler Fließes nicht bepaddeln, weil im Hafen Wehre den Zugang versperren. Backstage aber sieht es aus wie in Tiefwerder, leider nur sehr kurz. Halten Enten eigentlich auch den geforderten Mindestabstand ein, ist das eine Parabel, von der Natur arrangiert, sind die Viecher so territorial, dass sie nicht kuscheln? Oder glucken nur Paare zusammen, durchmischt von Enten-Singles?

tegeler Fließ
Im Fließ

Das Fließ sieht bei Google Maps schiffbar paddelbar aus. In der Realität ist es aber an manchen Stellen zu dieser Zeit fast zugewachsen. Man bleibt beinahe stecken und ist permanent damit beschäftigt, die Paddel vom grünen Modder zu befreien.

sechserbrücke
Tegeler Hafenbrücke mit Blick auf den Tegeler See

Während wir in Seerosen und Algen herumstaken, ein kurzer Blick ins Feuilleton. Ich tat mir Vor ihren Augen an, da ich das argentinische Original auch gar nicht kannte. Ich stimme mit der Kritik überein. Seriöser und nicht schlechter Krimi, überzeugende Hauptdarsteller, aber ein diffuser Plot ohne Tiefgang, der zwischen verschiedenen Geschichten oszilliert und sich nicht entscheiden kann, was das alles soll. Man merkt, dass Hollywood eben keine politischen Filme machen kann.

tegeler see
Tegeler See

Mir gelang es, per Handy ein Panorama-Foto des Tegeler Sees zu machen, das man auf Fratzenbuch auch drehen kann. Hier geht das offenbar nicht, man muss bei hoher Auflösung traditionell hin- und herscrollen.

eiswerder
Entenhausen auf Valentinswerder

Ich fühlte mich auch noch nach mehr als fünf Stunden ziemlich fit und musste weder pausieren noch pinkeln. Entweder lag es an den ruhigen Wassern oder an meiner verbesserten Kondition.

entenhausen
Wie der Name schon sagt

Mir fiel übrigens noch einmal die dahinsiechende „Linke“ ein, auch, weil hiesigerseits oder auf sozialen Medien auf mich eingeprügelt wurde, ich würde auf die Linken einprügeln. Ja, weil mir die am nächsten stehen und weil ich die früher gewählt. Die rechtsversifften Parteien interessieren mich nicht. Sogar die SPD hat in Berlin eingesehen, dass man die Grünen nicht imitieren darf.

Also weg mit dem Gendersprechen dem Klima-Scheiß! Das kann eh keiner mehr hören. Lieber das K-Wort wieder hoffähig machen. Man muss es nur einmal aussprechen, um genug Radau in den Medien zu bewirken, dass alle über einen reden (die wirksame „Methode Trump“).

Tut die „Linke“ übrigens etwas für die Arbeiter der Rüstungsindustrie? Ich habe nie verstanden, warum Linke auf die merkwürdige Idee gekommen sind, man dürfe keine Waffen exportieren. Gäbe es dann weniger Krieg? Mitnichten – nur die blümchensexpraktizierenden Protestanten fühlten sich dann besser. Meine Idee: Rüstungsidee verstaatlichen vergesellschaften, Waffen nur noch an die Richtigen verkaufen oder an Israel. Damit kriegte man Stimmen, zumal die Linke ohnehin für Volksbewaffnung sein sollte, wie in der Schweiz. Die deutsche Familie R. bekäme natürlich keine (aber Martin Hikel meine Erststimme).

tiefwerder

Warum sollte man islamistische Straftäter nicht nach Afghanistan abschieben? Da sind sie doch unter Freunden und Gleichgesinnten?! Frage für einen Freund.

tiefwerder
Kleiner Jürgengraben, Tiefwerder

Auf meiner To-Do-Liste steht übrigens immer noch der Hauptgraben.

tiefwerder

Taharrush gamea und diverses dramatisches Vielfältiges

taharrush gamea
Credits/Screenshot: Reuters 2011: „CBS reporter Lara Logan, photographed in Cairo’s Tahrir Square moments before she was assaulted in 2011. Her attack was one of the first known instances of ‚taharrush‘ to be reported in Western media“.

Macron asks Rwanda to forgive France over 1994 genocide role. French Catholic priest murdered by Rwandan refugee who torched cathedral in 2020.

Hat die zurückrudernde Berliner „Integrationssenatorin“ Elke Breitenbach (natürlich „Linke“, Grüne passte auch) schon erklärt, dass der Mord an dem französischen Priester nichts mit dem Islam zu habe, weil der Täter ein Katholik sei?

Was ist das heute alles kompliziert. Ehrenmorde, die „Femizide“ sein soll – wer blickt da noch durch? By the way: Ich halte den Begriff „Ehrenmord“ auch für Quatsch, weil er das archaische Verständnis von Ehre der arabisch und „türkisch“ islamisch geprägten Kulturen ernst nimmt. „Ehre“ ist dort der Machtanspruch einer strikt patriarchalisch geformten Familie, die von den Männern zuungunsten der Frauen mit sozialen Druck und oft auch mit Gewalt durchgesetzt wird. Mit der europäischen Ehre hat das nichts zu tun.

Die Genossin Breitenbach hat sich also bind und taub gestellt, aber leider nicht stumm. „Und ich habe leider keine Idee, wie man Männer besser integrieren kann. Es geht nicht um die Herkunft und die Nationalität der Täter, es geht um die Frage des Geschlechts.“ Nein, es geht hier auch und insbesondere um die Herkunft bzw. die Religion der Männer, die ihre Schwester ermordeten. Wer das abstreitet, muss sich intellektuell so verknoten und verhapseln, dass am Ende nur noch Gendersternchen zu Boden purzeln.

Es zeigt aber, wes Geistes Kind diese Integrations-Damen sind: Man darf ums Verrecken nicht um Allahs willen nichts Böses gegen Einwanderer, Religioten oder die Hijabisierung des öffentlichen Raums sagen. Das ist auch einer der vielen Gründe, warum die „Linke“ sich auf dem Weg auf die Fünf-Prozent-Hürde bewegt – zu Recht. Wer religiöse Wahnideen und deren kulturellen Auswüchse nicht bekämpft, gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.

Amaru Mayu – am Fluss der heiligen Schlange

chivé

Dschungelcamp Mitten im Dschungel am Gesäß der Welt ist es nie langweilig, zumal mal den ganzen Tag damit zubringt zu organisieren, wie man da wieder weg kommt. So erging es mir oft. Am Rio Madre de Dios in Bolivien, genauer gesagt: im winzigen Weiler Chivé hatten wir alles erlebt, was es zu erleben gab und warteten tagelang auf ein Schiff, das uns weiter nach Peru und nach Puerto Maldonado bringen sollte. Es war nicht klar, ob nur ungefähr jede Woche eines kommen würde oder noch seltener. Wir hatten auch schon alles gegessen, was es gab – eigentlich nur jeden Tag „chancho y su arroz“ bei einer Dame, die sich ein Zubrot verdiente, uns zu beköstigen. Irgendwann hing uns auch das fette Schwein zu den Ohren raus.

PandoDann aber traf das Unerwartete ein – und wurde wahrhaftig langweilig. Da entstand das Foto – meine damalige Freundin baute am Ufer aus lauter Verzweiflung eine Art Fächer. (Ich musste das Foto bearbeiten, weil es schon ziemlich demoliert war.)

Aus meinem Reisetagebuch, 23. Juni 1984:
Ich sitze auf einem Baum hoch über dem Rio Madre de Dios, immer noch oder schon wieder in der Hoffnung, dass das Schiff der empresa heute oder morgen – wie man sagte – zurückkehrt und uns nach Puerto Maldonado transportiert. Es ist Nachmittag, und fast alles ist still. Der Fluss fließt träge dahin, viele und große Wasserkringel und Blasen werfend. Abgerissene Musikfetzen dringen bis hierher. Ein leichtes Brummen – irgendein Flugzeug oder etwa ein barco? Im Wald gegenüber rührt sich nichts, nur ab und zu ein Vogelzwitschern.

Wir haben unser „Urwaldabenteuer“ hinter uns – ein schöner Abschluss [vgl. Der Kautschuksmamler, revisited, 04.04.2011]. (…) Die Leute kaufen das Land auf Kredit und müssen ca. fünf Jahre arbeiten, inklusive [Sammeln von] goma. Andere, die angheblich „faul“ seien, sind so verschuldet, dass sie nur in der Lagerhalle [für Paranüsse] wohnen müssen und wie Sklaven für alle Ewigkeit an das empresa gekettet sind: Wenn sie kein eigenes Haus haben, müssen sie für teures Geld im Laden der empresa Lebensmittel kaufen und die anschreiben lassen. Vermutlich gibt es beim Nüsse einsacken und Säcke schleppen keine hohen Entgelte.

Die ganze Gegend gehört angeblich einem Multimillionär, obwohl einige particulares auf ihre Unabhängigkeit pochen, wie der Freund unseres Arturo [der Kautschuksammler]. Der schleppte einen Sack mit Reis durch den nächtlichen Dschungel, und wir schenkten ihm einen Riemen der Marke Globetrotterausrüstung Bannat, was ihn erstaunt. (…)

…. die aufgehende Sonne, deren Strahlen durch die Urwaldbäume auf den Fluss fallen, ein toter Flussarm mit braunem Wasser, von Hunderten von Wurzeln überspannt, umrankt von Lianen, Bäume, die von Schlingpflanzen so eingepresst werden, dass sie beim Wachsen Knoten bilden müssen, der bayrisch-blaue Himmel mit weißen Wattewölkchen….

Geschichte ist zu voll, und was sonst so geschah

regal

Ich musste fünf Tage arbeiten und gleichzeitig auch noch an meinen Regalen werkeln. Jetzt sind Nummer vier und fünf endlich aufgerichtet (Geschichte, Ökonomie, „Rechtsextremismus“), aber trotz zwei Regalmetern mehr ist immer noch nicht Platz genug. Also morgen weiter… (Und den Fußboden muss ich auch noch weiterstreichen.)

Was sonst noch geschah: – Am 06. August 1945 warfen die US-Amerikaner Atombomben auf Hiroshima, drei Tage später auf Nagasaki. Bis heute sterben damalige Einwohner an Krebserkrankungen als Langzeitfolge der Strahlung. Aber das interessiert die Kriegstreiber von heute bekanntlich nicht.

– Ja, ab und zu darf man auch Krawallmedien zitieren: „So tendenziös berichten ARD und ZDF“. (Man hört irgendwie zugleich Glas klirren.)
Als eine Umfrage des ZDF-Politbarometers ergab, dass 71 Prozent der Menschen GEGEN Gendersternchen und Sprechpausen in den Nachrichtensendungen sind, versteckte der Sender das Ergebnis in einer Bildergalerie zur Umfrage, ohne es im Text zu erwähnen.
Aber Kritik interessiert die deutschen Medien bekanntlich nicht.

– Die Berliner Zeitung über die Unruhen in Frankreich: „Die Linke wird nicht mehr ernstgenommen“, sagt die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot. Sozusagen eine Vorschau auf das, was auch in Deutschland genau so kommen wird, vielleicht schon bei der nächsten Wahl. Aber das interessiert die „Linke“ bekanntlich nicht.

– Afghanistan verstehen heisst die Biografie von Abdul Raschid Dostum lesen und verstehen. Der ist gerade dorthin zurückgekehrt. Der ist vermutlich der einzige Warlord, der etwas gegen die Taliban ausrichten kann. Aber das interessiert bekanntlich die Russen die US-Amerikaner und ihre Verbündeten nicht.

– Es gibt in Deutschland 200 Lehrstühle für „Genderforschung“ (!), aber nur 17 für Wasserbau und Hydrologie. Aber das interessiert bekanntlich niemanden.

– Kanadische Forscher wollen Völkerball verbieten. Völkerball sei „unterdrückend“ und „entmenschlichend“. Vielleicht sollte man stattdessen 99 Luftballons zum Werfen nehmen: Aber die geistige Gesundheit von „Forschern“ dieser Art interessiert bekanntlich niemanden.

„Ich mache 49 Jahre Politik und habe mir im angeblichen Land der Dichter und Denker nicht vorstellen können, welches Ausmaß an Hetze es gibt.“ (Wolfgang Bosbach)
Ich hätte nie gedacht, dass ich Bosbach jemals bei irgend etwas zustimmen würde. Aber Kritik interessiert die CDU bekanntlich nicht.

Wo sind nur die Männer hin?

männer weg
Symbolfoto für #RepresentationMatters #Diversity

Was machen die PR-Leute der Grünen in Berlin-Mitte eigentlich beruflich?

Null Aslbewerber

migration
Key migrant routes from Africa to Europe (source: BBC, 2015)

Ich darf die geschätzte Leserschaft auf ein vermintes Thema aufmerksam machen: die Völkerwanderung Migration, wie es heute heißt, insbesondere was in Dänemark und vermutlich auch bald in Österreich der Konsens der Regierung ist: Null Asylbewerber sei das Ziel.

Jetzt setzt beim einschlägigen Publikum der lichterkettentragenden Art die Schnappatmung ein. Eine rationale Diskussion ist nicht mehr möglich. Ich referiere einige Sätze hinter der Paywall der Welt, dort tummeln sich im Forum auch die, die beim Thema mit verbalen Baseballschlägern unterwegs sind.

„Wir verwenden so viele Ressourcen auf Menschen, die überhaupt keinen Schutz brauchen. Das ist völlig verrückt“, so Dänemarks Ausländer- und Integrationsminister. „Und anschließend schieben wir sie ab – wenn wir Glück haben. Denn bis dahin sind sie in einem Ausreisezentrum einquartiert, wo sie uns im Jahr 40.000 Euro pro Person kosten.“

Der Minister, der selbst äthiopische Wurzeln hat [und Sozialdemokrat ist], verteidigte damit ein Gesetz, das nichts weniger anstrebt als eine radikale Neuausrichtung der europäischen Migrationspolitik. Im Kern will Dänemark nämlich eines erreichen: Es will die Möglichkeit erhalten, nicht nur abgelehnte Asylbewerber konsequent abzuschieben – sondern auch anerkannte Asylbewerber gar nicht erst nach Europa zu lassen.

Das Ziel: So würden nicht jene Menschen die größten Chancen auf Asyl erhalten, die sich bis nach Dänemark durchschlagen, sondern jene, denen die physischen und finanziellen Mittel fehlen, um sich auf den weiten Weg zu machen. Die Regierung in Kopenhagen führt Kanada und Australien als Vorbilder für die neue Strategie an.

Das hört sich nicht unvernünftig an, fände man „Drittstaaten“, die Asylbewerber (die Mehrheit sind schlicht Flüchtlinge vor diesem und jenem) aufnähmen. Mir fällt spontan die Türkei ein, die ohnehin die europäischen Regierungen erpresst. Die jetzige Praxis ist eh schon so, dass die afrikanischen Anrainerstaaten des Mittelmeers mit Geld gepampert werden, dass sie die Schmutzarbeit machen.

Ich war schon immer der Meinung, dass ein „Staat“, der von der jeweils herrschenden Klasse betrieben wird, nicht nach moralischen Prinzipien handeln sollte, sondern schlicht pragmatisch – wie Israel oder die VR China: Was dem Staatsvolk nützt, ist gut, was ihm schadet, ist schlecht. Hierzulande faselt man aber immer moraltheologisch von „Solidarität“ – irgendwie mit der ganzen Welt, was erstens pure Heuchelei ist und zweitens unpraktikabel. Für mich ist die Politik der Grüninnen hier nicht besser oder schlechter als die Orbans in Ungarn.

Es wird eh so kommen wie die dänische Sozialdemokratie das macht, oder das Thema wird irgendwann von einer rechtspopulistischen Partei umgesetzt werden, auch in Deutschland. Wenn die großen kapitalistischen Staaten unter lächerlichen Vorwänden die Regionen mit Krieg überziehen, in denen es für die Konzerne etwas zu holen gibt (Irak, Libyen), dann darf man sich nicht wundern, dass zahllose Menschen versuchen, in das immer noch in Ansätzen vorhandene „soziale Netz“ zu springen, das hier noch das schlimmste Elend verhindert.

Die Bourgeoisie weiß immer worauf es ihr ankommt. „Mangelhafte Schulqualität ist größtes Hindernis“, heißt es meistens. Die heutigen Lehrlinge sind einfach zu dumm und ungebildet. Das wird durch eingewanderte Araber oder Afghanen auch nicht besser werden. Vermutlich gibt es in der herrschenden Klasse wie immer zwei Fraktionen zum Thema Migration – und die werden sich nicht einig werden: Vertraut man darauf, dass die industrielle Reservearmee, zu der eben viele Einwanderer gehören, das Proletariat einschüchtert und die Löhne unten hält, oder möchte man – wie etwa in Kanada – gut ausgebildete Migranten haben, die anderen aber lieber nicht? Das sattsam bekannte Totschlagsargument, Deutschland sterbe irgendwie aus und brauchte mehr Leute, ist albern: Die Leute, die kommen, werden sich oft erst nach drei Generationen für den hiesigen Arbeitsmarkt eignen, und außerdem rationalisiert die aktuelle Revolution der Produktivkräfte massenhaft Arbeitsplätze weg. So what?

migration
Berliner Wirtschaft, 7-8 2021

Jeszcze Polska nie zginęła

duzen
Charles Michel Guilbert d’Anelle, Expiring Soldier of Liberty

Selten, sehr selten begegne ich einer Meinung, die der meinen widerspricht, die mich aber anregt, über das Thema nachzudenken. Ein Dennis Flesch, mit dem ich auf Fratzenbuch „befreundet“ bin, schrieb:

Dem allgemeinem Ressentiment gegen Polen und seiner nationalkonservativen Werteordnung – ein Land, dass sich immer wieder behaupten musste, vom NS wie sowjetischer Seite überrannt, gebrandschatzt, geplündert und gemeuchelt worden ist – muss weiterhin ungebrochen widersprochen werden.

Ein Land, das in jetziger Zeit wehrhaft und standhaft den Gefahren des postnazistischen Deutschlands und Russlands entgegentritt , die politische Zusammenarbeit mit den USA anstrebt und sich erfolgreich gegen eine Islamisierung seiner Gesellschaft stellt. Ein Land, dass im Osten liegt, aber wehrhaft den Westen und die republikanische Idee verteidigt.

Poland has not yet perished,
So long as we still live.
What the foreign force has taken from us,
We shall with sabre retrieve“.

Was ist heute mit den Mädchen los?

Irreversible Damage

Leider Welt-Paywall, aber in Englisch gibt es genug Rezensionen von Abigail Shriers Irreversible Damage: The Transgender Craze Seducing Our Daughters.

„Die gefährlichste Frau Amerikas? Transgender-Aktivisten würden Abigail Shrier gerne mundtot machen und ihre Schriften verbrennen. Denn sie argumentiert, dass nicht jeder vermeintlich transsexuelle Teenager es wirklich ist. Auch in Deutschland brechen Shriers Einwände ein Tabu. (…)

Neuerdings ist es aber so, dass Mädchen in der Pubertät ganz plötzlich – wie aus dem Nichts heraus – glauben, dass sie eigentlich Jungen seien und dass sie Selbstmord begehen müssten, wenn ihnen die Geschlechtsumwandlung verweigert werde. Die Zahlen sind frappierend: In Großbritannien stieg die Zahl der weiblichen Teenager mit Geschlechtsdysphorie innerhalb eines Jahrzehnts um 4400 Prozent, in den Vereinigten Staaten immerhin um 1000 Prozent. (…)

Auf YouTube verkünden Vorbilder, sogenannte Influencer, das Pubertätsproblem könne ganz einfach durch eine Geschlechtsumwandlung gelöst werden. Psychotherapeuten bestärken Mädchen in diesem Glauben, statt ihnen die fixe Idee mit sanften Worten auszureden. Ärzte verschreiben den Mädchen mitten in der Pubertät männliche Hormone, obwohl das sehr gefährlich ist. Chirurgen schneiden ihnen die Brüste weg; eine Ärztin behauptete im Gespräch mit Abigail Shrier allen Ernstes, dies lasse sich später wieder rückgängig machen. Manche Mädchen entscheiden sich sogar zu der rabiaten Maßnahme, sich mithilfe von Haut und Venen vom Oberarm einen künstlichen Penis basteln zu lassen, eine Operation, bei der die Klitoris abgetrennt und dann wieder angenäht wird – ziemlich oft geht die Sache schief. (…)

Abigail Shriers Buch ist – um es milde auszudrücken – umstritten. Der Economist und die Times in London haben es zu einem der besten Bücher des Jahres 2021 erklärt, aber manche Transsexuelle sind hell empört. Die American Civil Liberties Union (ACLU), eigentlich ein Verein, der sonst auch das Rederecht von Nazis verteidigt, findet Irreversible Damage ganz schlimm. (…)“

Das ist natürlich eine eindeutige Leseempfehlung, aber mich interessiert das Thema nicht wirklich. Man muss schlicht der Chicago Tribune zustimmen: „Progressives are no longer defenders of free expression“. Dann sind sie auch nicht mehr „progressiv“.

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