Protokollstrecken und coordinated inauthentic behavior

waldsiedlung

Ich rekonvaleszenziere hier vor mich hin in Sichtweite der Waldsiedlung. Die, die hier wohnten, werden bis auf wenige Ausnahmen, irgendwann fast vergessen sein. Vielleicht ist das nicht richtig. Zum Beispiel:
Da Axens Tätigkeiten im Politbüro der SED nicht mit den Grundsätzen der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit zu vereinbaren seien, wurde der Witwe, Sonja Axen, die Entschädigungsrente von monatlich 800 DM, die sie nach ihrem verstorbenen Mann erhielt, 1992 aberkannt. Sie war die Tochter des antifaschistischen Widerstandskämpfers Harry Kuhn.

Nein, so etwas muss man den Nachgeborenen ab und zu unter die Nase reiben. By the way: Das Kunstwerk oben, das ich online nicht finden konnte, gefällt mir – es erinnert mich irgendwie an meine neue Hüfte.

waldsiedlungwaldsiedlung

Die Zeitläufte sind hier weit weg. Ich empfehle aber dringend, sich das Video von The New Atlas anzusehen: „Russian Ops in Ukraine – Ukraine Losing M777 Howitzers, Continues Losing Ground in Donbas“ (in Englisch, ca 23 Minuten). Danach lacht man sich über die Berichte in deutschen Medien nur kaputt. („Formally known as „Land Destroyer,“ The New Atlas provides geopolitical analysis by Brian Berletic (aka Tony Cartalucci) with a focus on Eurasia, based in Bangkok, Thailand.“) Nein, das ist kein russischer Propagandakanal. Das Publikum mag sich selbst ein Bild machen.

Oder auch Time lesen:
„While 141 countries in the UN voted to condemn Russia’s aggression, the number of African, Middle Eastern and South American countries who have imposed sanctions on Russia is 0. (…) …two-thirds of the world doesn’t see the war that we see.“

waldsiedlung




Leadership failures

azovstal

For the mayor of Odessa, the Azovstal fighters are real heroes. “In my opinion, Mariupol saves not only Odessa, but the whole of Ukraine,” said Hennady Trukhanov, according to the Unian agency. “Because this selflessness shown by our military in Mariupol is a true example of heroism.”

Ach. Damit ist es jetzt wohl vorbei. Ich erwarte bald die ersten Filmcrews in den Ruinen, um Postakopalyptisches abzulichten.

azovstal
Source: russische Propaganda und deshalb natürlich voll gelogen

Die Lage? Ich muss zugeben, dass ich mich nicht mehr aus deutschen Quellen informiere. Ein kurzer Überblick über die Themen reicht mir schon, damit ich mich voll Grausen abwende. Komplett Propaganda, nur nicht so offen wie die russische Version, sondern subtil und oft auf die Tränendrüsen drückend. Muss ich nicht haben: Nach dem ersten Satz kennt man den Rest schon.

Wir wollen alle Rüstungsexporte aus Deutschland verbieten. (…) Umbau der Rüstungsindustrie mit guter Arbeit für die Beschäftigten. (Die Linke)

Keine Analyse, nirgends. Keine verlässlichen Quellen, nirgends. Nehmt dies, Linke: Eure Forderungen nützen gar nichts, null. Man verhindert keine Kriege, indem man keine Waffen exportiert. Viel mehr sollten die Linken fordern: Waffen für die Guten! Ich habe nichts gegen eine vergesellschaftete Rüstungsindustrie. Ich fordere das aber erst, wenn die Linke unter fünf Prozent stürzt, was bekanntlich bei der nächsten Wahl geschehen wird.

azovstal
Mariupol, Bahnhof Азовсталь, 1988

Die Lage, revisited? Die Russen sagen: …the Russian army has changed the tactics of military operations in the Donbass. Instead of trying to create one big cauldron for the entire 40,000-strong group of the Armed Forces of Ukraine, now the enemy forces are dismembered, deprived of supplies and beaten in parts.

So, the largest boiler is being created in Lisichansk – there the catch can significantly beat the record of Azovstal. Nearly 10,000 Ukrainian soldiers will be surrounded. If the cauldron takes place, it will be not only a major military, but also a moral victory.

donbass

Ist das realistisch? Ich lese kaum etwas in den Mainstream-Medien über die Motivation der zwangsrekrutierten ukrainischen Soldaten, sehe aber viele Videos von welchen, die sich weigern zu kämpfen oder sich ergeben. Das kann ich nicht verifizieren, es ist aber logisch. Für was sollen die den Kopf hinhalten? Für die Kleptokratie der Ukraine und deren Marionette Selenskij? Die wollen doch nur überleben, und das ist ihr gutes Recht. Ich behaupte immer noch, dass Putin die gesetzen Ziele weitgehend erreichen wird.

russian soldiers
Russische Soldaten bei Sjewjerodonezk

Die Motivationsfrage stellt sich natürlich auch den Russen. Sie fangen an, ihr bestes Gerät aufzufahren, was meine These bestärkt, dass sie sich verschätzt haben, weil sie dachten, das werde ein Durchmarsch. Aber auch der „Terminator“ (unten) wird keine Schlachten entscheiden, wenn die Offiziere Pappnasen sind, korrupt und keine Initiative zulassen, und wenn der Nachschub bröckelt, je weiter die russische Armee vorrückt. Das tut sie:

Russian Airborne (VDV) forces reportedly took control of Volodymirivka and Lypove, and broke through Ukrainian defenses in Komyshuvakha, all north of Popasna. Troops of the Russian ”Wagner” Private Military Company reportedly took control of Trypillya and Vyskrivka to the west of Popasna. (ISW)

russian soldiers
BMPT (auch BMP-T, russisch Боевая машина поддержки танков, Bojewaja maschina podderschki tankow, zu deutsch: „Panzerunterstützungsfahrzeug“

Jetzt die guten Nachrichten. Ich habe zum ersten Mal von Volodymyr Ishchenko gehört, der in in Berlin lehrt. Roman Grabowski, der gerade bei den „Linken“ ausgetreten ist, zitierte mehrere seiner Artikel, u.a.
Courthouse News: „This is a war of leadership failures at many levels“.

Grabowski fasst das zusammen: Den Angriff auf die Ukraine rekonstruiert er hier als Folge einer dreifachen Krise der Hegemonie im Sinne der „capacity of the ruling class to lead the whole society, not simply to dominate it but to actually present themselves as actual leaders in the development of society“.
Auf globaler Ebene sei es eine Krise der Hegemonie der USA.

Zweitens sei es im Hinblick auf den postsowjetischen Raum eine Krise der Hegemonie nach außen, wo sich Russland durch den Mangel eines „attractive soft power project“, wie sie die USA oder die EU ausüben, auszeichne. Deshalb setze Russland nun für die Machtausübung auf Zwang und Gewalt (“So we should see this invasion as the failure of soft power, the failure of anything like an attractive development project,” he said. “Russia resorts to hard power.“).

Drittens handle es sich aber auch um eine Hegemoniekrise Russlands im Inneren, denn die russländischen Eliten würden von den Bürgern nicht als legitim betrachtet, das Putin-Regime sei grundlegend instabil und paternalistisch-klientelistisch sowie ideologielos („fundamentally unstable system based on paternalism and not on ideology“, „very non-ideological, […] relied on patronage networks, patron-clientelistic relations and […] discussed in concepts like clans, financial industrial groups“).
(…)
„No, the war is in the rational interests of the Russian ruling class. A stronger ideological regime might be an outcome of the war, not the other way round.“ He said Russian elites want to „assert their status globally, to empower themselves regionally and to consolidate their power on the domestic level.“

donbass
„Donbass“ painting by Alexander Deineka, USSR, 1947

Dem kann man vorbehaltlos zustimmen. Ich glaube auch nicht wie die alarmistische Fraktion der Linken, dass in Russland ein faschistischen Regime droht. Dazu sitzt die herrschende Klasse viel zu fest im Sattel, und außer dem städtischen Kleinbürgertum, das politisch irrelevant ist, aber um so mehr in den westlichen Medien abgefeiert wird, empört sich niemand.

Ich mach jetzt wieder Reha.




Wg. Mariugrad

soldier

Im Rahmen der Spezialoperation „Barbarossa“ wurden Soldaten der Wehrmacht aus Stalingrad evakuiert. #wording #propadanda

Wait a minute. Habe ich etwa ein falsches Foto zum falschen Thema genommen?




FYI: Tag 5 nach Operation, et al

mirror
Eine Krankenschwester bei der Morgentoilette (Symbolbild)

Komisch, das Gehen wieder neu lernen zu müssen. Eine meiner Physiotherapeutinnen hat mich vor den Badspiegel hier gestellt und gezeigt, wie ich ein paar Male die Beinchen heben kann, ohne die Schultern schräg zu halten. Ich hatte vergessen, wie das geht. Ich kann sogar das Becken bewegen, obwohl es zum Salsa nie mehr reichen wird. Alles ist jetzt schon besser als vorher, und ich bin guten Mutes.

Gibt es irgendwo eine Website, auf der ich dieses Krankenhaus bewerten könnte? Gerade hat eine Krankenschwester zwei heiße Tassen Kaffee neben den Laptop gestellt, ohne dass ich den gesondert hätte bestellen müssen. Und gestern bekam ich eine Fußwaschung mit anschließender Ölung händisch aufgetragener Creme – auch das hätte das Personal nicht machen müssen.

Einer meiner Operateure sagte mir, er habe mich an dem Röntgenbild meiner Hüfte „wiedererkannt“. Decken die das Gesicht während des Eingriffs ab? Machte Sinn, dass sie sich bei einem hässlichen Mann nicht weniger Mühe geben als bei einem nackichten Model, obwohl die selten neue Hüften brauchen.

urlaub

Zum Glück hatte ich schon im letzten Jahr einen Teil meines Urlaubs eingereicht, ohne zu wissen, dass der Termin für die Operation ausgerechnet im Mai sein würde. Dank Corona könnte man eh nicht genau planen. Ab heute habe ich Urlaub, aber doch nicht, sondern später. Mal sehen, ob das Kapital das auch weiß, oder ob jemand meint herumzicken zu müssen zuungunsten der arbeitenden Klasse.

physiotherapeutin
Eine Physiotherapeutin zeigt mir eine Körperhaltung, die dem muskulären Aufbau dient (Symbolbild)

fenster
Meine temporäre beschränkte Weltsicht, ohne Krankenschwester (Symbolbild)

Wahlergebnisse? Sagte hier jemand Wahlergebnisse? Wer in NRW regiert, wird in 1000 Jahren so wichtig sein wie für uns heute die Schlacht bei Mursa. Oder wie Söldner in der Ukraine kämpfen. Oder wie die Schlacht um Severodonezk.

strümpfe
Hat schon mal jemand versucht, zum Anziehen einfacher Socken Werkzeug zu benutzen?

By the way: Möchte jemand den Russen gutes Essen verkaufen? Oder einen Moskwitch erwerben?

mittagessen krankenhaus
Mittagessen, vermutlich ca. 134 Kalorien, aber mehr brauche ich auch nicht, wenn ich auf meinen Schrittzähler schaue.

And now for something completely different: Deniz Yücel im Interview: „[Bitte selbst ausfüllen] wird dominiert von einem Haufen Spießern und Knallchargen“.
Wer ist gemeint?
[ x ] die Linke?
[ x ] der Deutsche Journalisten-Verband?
[ x ] der PEN?
[ x ] alles?

Freut mich, dass der Kollege wieder Klartext spricht. Wenn er in den DJV einträte, insbesondere in Berlin, könnte er die Textbausteine wiederverwenden. Hier ist gerade ein Mitglied des Vorstands zurückgetreten. Er hat Streikbrecher gespielt hat und wurde von seinen Kollegen (nicht Verbandskollegen) anschließend gegrillt. Auch eine freie Mitarbeiterin beim RBB war einschlägig „tätig“ – um die kümmere ich mich noch, wenn ich wieder fit bin. Der Streikordnung des DJV bestimmt in § 13: Alle DJV-Mitglieder sind verpflichtet, den Streikaufruf zu befolgen. Arbeit in bestreikten Betrieben bzw. Rundfunkanstalten während des Arbeitskampfes ist Streikbruch. Die zentrale Streikleitung kann beim jeweiligen Landesverband beantragen, Streikbrecher aus dem Verband auszuschließen.

Leider war ich nicht in dieser Streikleitung. Ich muss gerade an meinen Gewährsmann Caligula denken. Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen wurde mir zugetragen, dass schon wieder ein paar abgehalfterte Funktionärinnen dort planen, mich irgendwie auszuschließen, weil ich immer so pöhse bin und auf die Satzung poche und Mauscheleien aufdecken möchte Viel Spaß dabei!

ausblick
Vermutlich wird mein Zimmer in der Reha so aussehen, mit Physiotherapeutin (Symbolbild von Van Morrison).




Agitprop oder: Was ist Wahrheit?

pontius pilatus
Mihály von Munkácsy (1844-1900): Jesus vor Pontius Pilatus

Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme. Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit? Nachdem er das gesagt hatte, ging er wieder zu den Juden hinaus und sagte zu ihnen: Ich finde keine Schuld an ihm. (Johannes 18,38)

Bis zum Jahresende werde die Ukraine wieder die Kontrolle über alle ihre Gebiete zurückerlangen, auch über die Halbinsel Krim, sagt der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes. Und vorher steckt Selenskij noch Moskau in Brand.

Seriously, folks: Wenn man beide Seiten – die russische und die ukrainische Propaganda (die vorwiegend und unkritisch in den „westlichen“ Medien wiedergekäut wird), fühlt man sich wie Pontius Pilatus: Wahrheit? Nirgends. Ich lese nebenher Gladius – Roms Legionen in Germanen und wurde an den aktuellen Krieg erinnert. Brücken – hier und dort, allüberall. Die Römer kannten das: Die „Germanen“ feixend auf der anderen Seite des Rheins. Dann bringen wir den Barbaren die Zivilisation, heiße Bäder, Steinbauten und Steuern und bauen mal kurz so ein Ding über da Flüsschen hier – weil wir es können. Könnt ihr gern kaputtmachen, falls ihr das könnt, was wir bezweifeln, aber dann müsst ihr wieder schwimmen oder paddeln. Ich schweife ab…

pontius pilatus
Jan Lievens (1607-1674): Pilatus wäscht sich die Hände

Ich weise auf total gelogene russische Propaganda Scott Ritter hin, der Anfang Mai auf RT deutsch schriebt: „Die Ukraine gewinnt den Kampf auf Twitter – nicht aber in der Realität des Krieges“. Interessant, weil die Russen – was so gut wie nie vorkommt – selbstkritisch sind und auflisten, was alles schief gelaufen ist. Nur wenige Analysten – einschließlich der Autor dieser Zeilen – haben erwartet, dass ein ernsthafter ukrainischer Widerstand länger als einen Monat andauern wird. Tatsächlich hatte General Milley den Kongress Anfang Februar während einer Anhörung hinter verschlossenen Türen darüber informiert, dass eine umfassende russische Invasion in der Ukraine innerhalb von 72 Stunden zum Fall von Kiew führen könnte.

Das hat bekanntlich nicht funktioniert. Alles deute darauf hin, dass Russland ein Geheimdienstversagen erlitten hat, wie es seit dem israelischen Versagen während des Jom-Kippur-Krieges im Oktober 1973, die Überquerung des Suezkanals durch ägyptische Truppen vorherzusagen, nicht mehr gesehen wurde. Und weiter: Es besteht kein Zweifel, dass die Anwesenheit von Ukrainern in der Asowstal-Fabrik einen Propagandasieg für die Ukraine darstellt. Aber die Realität ist, dass die Stadt Mariupol an Russland gefallen ist.

Natürlich besteht die russische Welt auch aus Wünschen und Wollen: Russland hat die Eisenbahnlinien, die als Versorgungslinien dienen entweder im Auge oder bereits zerstört. Die Wahrscheinlichkeit, dass die ukrainische Streitkräfte die vom Westen bereitgestellten schweren Waffen erhalten und die Front in erkennbarer Stärke erreichen werden, ist praktisch null. Ich halte es aber eher für wahrscheinlich, dass die Motivation der ukrainischen Armee am Boden liegt, zumal viele Männer zum Kämpfen gezwungen wurden.

Realistisch ist die politische Komponente, die gar nicht soviel damit zu tun hat, wer was und wo erobert oder nicht. Der heutigen Analyse des ISW kann ich nur beipflichten: The Kremlin likely plans to annex much of the Ukrainian territory currently occupied by Russian forces—portions of Kherson and Zaporizhia oblasts in the south and the areas of Donetsk and Luhansk oblasts in the east that Russian forces and their proxies control. Moscow may also annex other Kremlin proxy statelets like South Ossetia (in Georgia) and Transnistria (in Moldova).

Wenn die bis dahin eroberten Gebiete dann „zu Russland“ gehören, kann Putin ein neues Fass aufmachen und mit Atombomben drohen, falls jemand versucht, die Krim, Mariupol oder Luhansk und Donezk zurückzuerobern. Dazu ist die Ukraine allein gar nicht in der Lage. Genauso und mit ähnlichen Folgen könnte die NATO versuchen, Königberg einzunehmen. Das wird noch ein paar Monate dauern – der Knackpunkt wird Odessa werden. Ich denke nicht, dass die Russen auf die Landbrücke nach Tiraspol verzichten werden, zumal sie die Luftüberlegenheit haben.

pontius pilatus
George Hinke (1883-1953): Pilatus wäscht seine Hände

By the way: Die beiderseitige Propaganda ist erbärmlich und auf einem Niveau für Teenager. Das gilt auch für Thomas Röper. Ich überfliege das Geschreibsel manchmal, um zu bestimmten Themen selbst zu recherchieren. Wie geht man mit Propaganda um? Doch nicht so, dass man die Konten Alina Lipps und ihrer Familie sperrt? Wie armselig ist das denn?

Das erinnert mich an die Diskussion über meine Nazi-Linksammlung. Man darf auf Solidarität der Journaille nicht hoffen, wenn man nur einen Millimeter vom Mainstream abweicht, und wenn es nur der Tonfall ist, mit Ausnahme derjenigen, mit denen man befreundet ist. Das galt auch für meine Hausdurchsuchung. Im Zweifel ist die Leserschaft dieses Blogs solidarischer als Journalisten. Ich schweife schon wieder ab…




FYI: Tag 1

burks

Tag 1 nach der Operation: Ich kann ohne Krücken stehen und mit Krücken laufen. Schmerzfrei! Meine sonstigen Werte sind alle hervorragend. Die Ärzte nicken, lächeln und sind erstaunt. Sie haben auch schon andere Fälle gesehen.

Am 19. komme ich in die Reha. Wie lange genau – zwei oder drei Wochen – entscheidet sind erst dort. Drei Monate das rechte Knie nicht mehr als 90 Grad beugen und nicht übermäßig drehen.

Was sonst noch geschah: Meine Lieblingsschwester hier, die am häufigsten kommt, sieht so aus, als sei sie einem Titelblatt von Fitness & Beauty entsprungen (den Vergleich mit unanständigeren Magazinen, bei denen es auch um die Form der weiblichen Körper geht, erspare ich mir). Die schlechte Nachricht: Sie könnte meine Enkelin sein, also bleibt das Lechzen der Fantasie vorbehalten und rein platonisch.

Noch eine gute Nachricht, überbracht von einer ebenso liebreizenden, jungen, aber offenbar sehr professionellen Physiotherapeutin: Meine Fehlhaltung sei muskulär und knochenmäßig nicht nötig, könne also, wenn auch mühsam und langwierig, wieder abtrainiert werden. Das hatte eine andere Physiotherapeutin gestern nicht (so) gesehen. Leider wird sie mir nur eine Woche erhalten bleiben.




Verstand zuschalten! Oder: Bösartigkeit muss organisiert werden

sceptic cat

„De omnibus dubitandum“. (Karl Marx)

Nimm dies, [wer sitzt eigentlich der „Linken“ vor?] „Eine Linke, die sich über Zoff nicht freut, sondern ihm ausweicht, ist reif fürs Pflegeheim.“ (Wolfgang Pohrt, zitiert nach Klaus Bittermann: Der Intellektuelle als Unruhestifter: Wolfgang Pohrt)

Ich bin von Pohrts Biografie restlos begeistert, fühle mich aber außerstande, sie zu rezensieren, weil man dazu so viel zitieren müsste, dass es den Gebräuchen krass widerspräche. „Sich zuverlässig in die linken Nesseln setzen“, wie eine Zeitung aus dem Gendersterchen-Milieu schrieb, ist eine höchst erquickliche und notwendige Attitude – ein großer Querulant eben.

Diese Deutschnationalen und Antiimpis sind doch einfach nur verwahrlost. Wo die sind, bin ich nicht.

Pohrt hätte sich sicher auch gegen das Verdikt undogmatischer Linker gewehrt. Ich stimme mit ihm nicht immer überein, aber er ist eben nicht so langweilig wie fast alle, die sich für „links“ halten. Um so alt zu werden, wie heute die 20jährigen sind, hätte ein Mensch früher dreihundert Jahre gebraucht.

In Bittermanns Buch passieren alle Irrungen und Wirrungen der deutschen Linken seit den 68-ern Revue. Vieles kannte ich, aber ich war zu unwissend und zu jung, um damals zu begreifen, um was es ging. Pohrt ist eine halbe Generation älter als ich; das machte in den 70-ern viel aus.

Ein Lesebefehl gilt für die Passagen, die sich mit dem Antisemitismus in der deutschen Linken beschäftigen – und dessen Ursachen. Leider ist es heute noch schlimmer, weil es einen intellektuellen Echoraum gar nicht mehr gibt – die „Diskutanten“ der Jetztzeit sind meistens brunzdumm, tragen Wursthaare, essen vegan, brüllen irgendwas von „Palestine“ und hielten Jesus vermutlich für einen Araber. Mit so einer dämlichen Mischpoke argumentiert man nicht. Wie Pohrt richtig vermutete: Die Zivilgesellschaft, aus der angeblich die Boykott-Bewegung gegen Israel entstand (was eine Lüge ist und Pallywood) ist ein Synonym für brothers in crime. Ich sage nur: Einfach mal den Merkava an der richtigen Stelle parken.

Wenn ich weiß, dass die Natur mir eine übergroße Neigung zu Jähzorn oder Trübsinn ins Erbgut packte, kann ich Präventivmaßnahmen ergreifen, zum Beispiel keine geladene Pistole herumliegen lassen. Oder ich kann meinen Verstand zuschalten, wenn es mich wieder überkommt. Ich sollte meine Marotten, egal ob angeboren oder erworben, als solche erkennen, um die Welt und mich selbst vor ihnen schützen zu können. Zu diesen Marotten gehört wohl auch der Drang, ein Paradies auf Erden zu errichten.

Ich weiß nicht, ob das Werk den Nachgeborenen nützlich sein könnte. Wie es es denn mit Kapitalismus forever? Hat das jemand gelesen, und lohnt es sich?




March of Immortals

unsterbliches regiment

Die Idee finde ich gar nicht schlecht. Beim diesjährigen „Unsterblichen Regiment“ liefen allein in Moskau angeblich eine Million Menschen mit. Auch im Weltraum wurde gefeiert, man trank Stalin-Wein und feierte auch bei Mistwetter.

Man müsste jetzt natürlich über die Funktion der unsichtbaren Masse bei Elias Canetti reden.




Gedämmte Flüsse

9. Mai

Theweleit, übernehmen Sie! (Männerphantasien 1, S. 447ff: Damm und ‚Fluss – das Ritual der Massenaufmärsche“). Oder ist das unangemessen?

Die Flut bekommt einen Namen. „Fahneneinmarsch““ (codierter Strom). Ihr überschwemmendes Element ist getilgt. man geht in ihr nicht unter, aber erregend und faszinierend ist sie immer noch. Ihr bedrohlicher Teil ist ihr sicher durch die Formierung genommen, die Verwandlung der Flüsse in „Säulen“, des fließenden „Weiblichen“ in etwa starres „Männliches““.(…)

[Bitte selbst ausfüllen übersetzt so innere Zustände in riesige äußere Monumente, Ornamente als Kanalisationssysteme, in die die Menschen in großer Zahl einfließen, in denen ihr Wunsch wenigstens im (monumental vergrößert) vorgeschriebene Bett fließen darf, in denen sie erfahren können, dass sie nicht isoliert und gespalten sind, (…) Daher ertragen diese Massen auch nicht, wenn nur ein Einziger neben den Blöcken marschiert.




Besuch bei der Antifa, revisited

sowjetisches Ehrenmal Treptowsowjetisches Ehrenmal Treptowsowjetisches Ehrenmal Treptow

Never forget: (jetzt kommt eine kühne These!) Wenn es keine russische Revolution gegeben hätte und keine Rote Armee, wäre jetzt ganz Osteuropa unter der Herrschaft der Nationalsozialisten.




Spassiba! Merci! Thanks!

alliierte

Der deutsche Nationalcharakter erlaubte es offenbar nicht, sich selbst zu befreien. Und leider ging die Befreiung auch nicht weit und war nicht gründlich genug.




Вечная слава Красной Армии!

sowjetische Fahne




204 Jahre Wirkmächtig

karl Marx

Jan Korte schreibt auf Fratzenbuch:
Heute vor 204 Jahren wurde in Trier Karl Marx geboren. Die Gedanken und Ideen des wirkmächtigsten deutschen Denkers der Moderne und zusammen mit Friedrich Engels einflussreichsten Theoretikers des Sozialismus und Kommunismus sind bis heute topaktuell. Und der Auftrag „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“, steht nach wie vor auf der Tagesordnung!
Happy Birthday, Karl Marx! #Marx204
Fotografie von John Mayall jun. (1875)

Vielleicht könnte man das Deutsch ein wenig optimieren? Die Gedanken und Ideen des wirkmächtigsten deutschen Denkers der Moderne und zusammen mit Friedrich Engels einflussreichsten Theoretikers des Sozialismus und Kommunismus sind bis heute topaktuell. 25 Wörter und viel zu lang! Wer – die Gedanken und Ideen? Kann man mit die Theorien beschreiben. Was tun diese flüchtigen Dinge?

Jetzt kommt Mark Twain ins Spiel: „Ein durchschnittlicher Satz in einer deutschen Zeitung stellt eine erhabene und eindrucksvolle Sehenswürdigkeit dar; er nimmt ein Viertel einer Spalte in Beschlag; er enthält alle zehn Wortarten – nicht in der üblichen Reihenfolge, sondern durcheinander; er ist überwiegend aus zusammengesetzten Wörtern gebaut, die der Verfasser an Ort und Stelle konstruiert hat und die in keinem Wörterbuch zu finden sind – sechs oder sieben Wörter zu einem zusammengedrängt, ohne Naht oder Saum – das heißt ohne Bindestriche; er behandelt vierzehn oder fünfzehn verschiedene Gegenstände, ein jeder eingeschlossen in eine eigene Parenthese, hier und da zusätzliche Parenthesen, die wiederum drei oder vier der kleinen Parenthesen einschließen, sodass Pferche innerhalb von Pferchen entstehen; schlussendlich werden sämtliche Parenthesen und untergeordneten Parenthesen zwischen zwei Königs-Parenthesen gezwängt, von denen die eine in die erste Zeile des majestätischen Satzes gesetzt wird und die andere in die Mitte der letzten Zeile – und danach folgt das VERB, und zum ersten Mal erfährt man, wovon dieser Mensch eigentlich die ganze Zeit spricht; und hinter das Verb – nur so zur Zierde, soweit ich das beurteilen kann – schaufelt der Verfasser noch »haben sind gewesen gehabt haben geworden sein« oder Wörter ähnlicher Beschaffenheit, und fertig ist das Monument.“

So auch hier. Wir haben Ideen, die Moderne, Karl Marx und seine damaligen Gedanken, Friedrich Engels, beide zusammen (nicht etwa einzeln!), irgendjemand ist noch einflussreich, aber wir haben schon vergessen, ob es Marx oder die Moderne oder noch etwas anderes war, und dann dräuen Sozialismus und Kommunismus, und dann – aber hallo! – da taumelt ein Verb einher, aber wo fing es an und wer tat das Tun? Und dazwischen, halb versteckt, irrlichtert das merkwürdige „wirkmächtig“ – redet so jemand? Ich habe einen wirkmächtigen Kartoffelsalat angerichtet?

Korte will sagen: Die Theorien Karl Marxens sind immer noch aktuell. Er war der einflussreichste Theoretiker der Moderne (WTF?) des Kapitalismus und der darauf folgenden Gesellschaftsformationen, zusammen mit Friedrich Engels. Sozialismus brauchen wir noch nicht, und Kommunismus schon überhaupt nicht. Dafür sind die Chinesen zuständig.

Gern geschehen.




Faszination des Vormodernen

armageddon

„Inzwischen kann man sich die Frage stellen, ob die gegenwärtige Gesellschaft überhaupt noch eine bürgerliche ist oder ob nicht vielmehr der Verfall soweit fortgeschritten ist, dass sie sich schon gar nicht mehr als solche begreifen lässt. Zumindest die Produktivkräfte sind inzwischen so weit entwickelt, dass sie über die bürgerliche Gesellschaft hinausgewachsen sind, und wenn man einen Zusammenhang zwischen diesen Kräften und der Gesellschaftsordnung voraussetzt, dann nimmt es nicht wunder, dass bürgerliche Verkehrsformen nur noch rudimentär vorhanden sind. Aber da alles, was verschwindet, plötzlich interessant wird, so wie alte Menschen die Erinnerung an früher am Leben hält, steigt auch die Faszination des vormodernen Lebens und der untergegangenen Kulturen und Städte.“ (Klaus Bittermann: Der Intellektuelle als Unruhestifter: Wolfgang Pohrt)




Herumfräsern, einzelfallgeprüft

chinese hacker

Burks.de-exklusiv: Die chinesische Hackerin 你是如此的可爱 manipuliert einen Journalisten der New York Times via Webcam, eine E-Mail mit dem Attachment 安装自己.exe anzuklicken.

„Alle Macht ist Raub und all ihre Rechtfertigung ist pure Ideologie.“ (Niccoló Machiavelli)

– Eine gute Nachricht zuerst: „US agrees with Russia that nuclear war could not be won“.

– Aber: Die „spezielle Militäroperation“ könnte vielleicht bald in „Krieg“ umbenannt werden. Dann ist ja alles gut.

– (Via Fefe): Die Cyberhotline der Digitalagentur Berlin (montags-freitags, 9-17 Uhr) kann Ihnen ausschließlich allgemeine Auskünfte und Informationen zu den von Ihnen gestellten Fragen aus der Informationssicherheit geben. Wir können keine Einzelfallprüfung vornehmen, da hierfür regelmäßig eine Analyse der Systeme und Prozesse erforderlich wäre. Im Übrigen haftet die DAB Digitalagentur Berlin GmbH nur in Fällen des Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit. Angesichts des allgemein informatorischen Charakters unserer Hotline scheidet eine Haftung in Fällen leichter Fahrlässigkeit [vgl. Foto oben] gänzlich aus. Die spinnen, die.

– Ich fäsere mir jetzt einen Luftschutzkeller und höre dabei Valentina Lisitsa.




Aus Ostland kommen sie gefahren

schwarze Sonne

Ukrainische „Flüchtlinge“ in Bayern (Ort nicht verifizierbar, würden unsere Anstalten dazuschreiben).

Da deutsche Panzer vermutlich wieder da sein werden, wo sie sich auskennen, kann man auch davon ausgehen, dass es bald wieder möglich ist, mit Nazi-Symbolen herumzufahren oder herumzulaufen. Ukrainer dürfen das hierzulande offenbar jetzt schon. Ist alles egal, geht ja gegen die Russen.

Der dünne Firnis der Ziviliation wird durch den ersten Regen abgewaschen. Die alten und braun gebrannten Dinge kommen wieder zum Vorschein, als wären sie nie weg gewesen.

Nun brausen nach Osten die Heere
Ins russische Land hinein.
Kameraden, nun an die Gewehre!
Der Sieg wird unser sein!




Regret the error

hitler dead




Z!

soviet flag reichstag




Vierte Polnische Republik und die Koalition der Willigen

poland
Zweite Polnische Republik 1921-193.

Ich hatte ähnliche Gedanken wie das Publikum, da offenbar alle die russischen Propaganda-Kanäle konsumieren und daher ideologisch total verblendet sind beeinflusst werden, so dass die deutschen Qualitätsmedien gar nicht mehr gegenhalten können. Bei den Russen kann man u.a. lesen (was hier schon kommentiert wurde):

…wollen polnische Truppen in die westlichen Regionen der Ukraine einmarschieren, angeblich um diese vor einer russischen Aggression zu schützen. Das polnische Militär soll in jenen Gebieten eingesetzt werden, wo die Wahrscheinlichkeit von Zusammenstößen mit russischen Truppen minimal sei. Später sollen sie die Kontrolle über die dortigen strategischen Einrichtungen übernehmen, so Naryschkin.

Laut vorläufigen Vereinbarungen werde die Mission ohne NATO-Mandat stattfinden, aber unter Beteiligung „williger“ Staaten, sagte Naryschkin. Derzeit würden die Modalitäten des bevorstehenden Einsatzes mit der Verwaltung des US-Präsidenten besprochen.

Nach Einschätzung der polnischen Verwaltung werde dieser Schritt „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ zu einer Spaltung des Landes führen, erklärte der Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes. Warschau werde praktisch jene Gebiete kontrollieren, in denen die „polnischen Friedenstruppen“ stationiert sein werden.

Das ist doch eine vernünftige Idee, gegen die die Russen nichts einzuwenden hätten. Der aktuelle Grenzverlauf würde auf den „westlichen“ Karten beibehalten, wie auch die deutschen Karten nach 1945 immer noch die „besetzen Ostgebiete“ zeigten, bis sich alle an die Realität gewöhnt hatten und nicht mehr herummeckerten.

Falls das Kapital, das nach immerwährendem Profit strebt, rational dächte, wäre es eine Win-Win-Situation. Die Berliner Zeitung schrieb über den failed state Ukraine:
Nach einem Kriegsende würde es also in der Ukraine sehr große und mit dem Staat auf die oder andere Weise verbundene Gruppen geben. „Wenn aus der EU dann viel Geld in die Ukraine hereinkommt, würden diese Gruppen um dieses Geld kämpfen. Und am Ende würde das Geld einfach von ihnen benutzt werden für ihre eigenen Interessen.“ Dann würde die Ukraine dauerhaft zu einem Problemfall werden, warnt Libman, wie es teilweise heute bei einigen südosteuropäischen Staaten zu beobachten sei…

Sage mir niemand, das wüssten die westlichen Strategen nicht. Also werden die kontrollieren wollen, wohin nach Kriegs“ende“ das Geld fließt, um das Kiewer Regime als Marionette hochzupäppeln, trotz des Aderlasses von fünf Millionen Bürgern und dem absehbaren Verlust des gesamten Ostens und Südens. Vielleicht wollen die Nachfahren der polnischen Vertriebenen sogar zurück. Vielleicht möchte man auch Revanche für die Massaker in Wolhynien und Ostgalizien an Polen durch ukrainische Nationalisten. Die Polen und andere „willige Staaten“ würden nicht als Freunde nach Lemberg usw. kommen.




Generallinie oder: Die Vermeidbarkeit der Kriege im Imperialismus wird verkündet

generallinie

Ich dachte, ich besäße die Polemik über die Generallinie von Oberbaum-Verlag, aber sie blieb in meiner Bibliothek unauffindbar. Also musste ich eine neue Version besorgen, herausgegeben von irgendeiner irrelevanten maoistischen Politsekte, deren Namen ich schon vergessen hatte, bevor ich ihn las. Die Nachgeborenen werden denken, Oppa erzählte jetzt aus dem vorvorletzten Krieg, aber wir Ex-Maoisten ich behalte nur gern recht.

Das Original hat eine ganz großartigen Titel, stammt vom ZK der KP Chinas und wurde verlegt vom Verlag für fremdsprachige Literatur in Peking: Ein Vorschlag zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung – Antwort des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas auf den Brief des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion vom 30. März 1963 (14. Juni 1963). Man schrieb sich damals gegenseitig ellenlange Briefe.

Die „Polemik über die Generallinie“ führte zum Bruch zwischen der Sowjetunion und der VR China, hatte also eine weltgeschichtliche Komponente. Als Linksradikaler zu der Zeit musste man sich entscheiden: Hielt man zur Sowjetunion, also auch zur DDR, wo man alles aus Moskau nachplapperte, oder zu China oder zu Jugoslawien, was immer zwischen allen lavierte, oder war man vorsichtshalber gegen alles und bewunderte zwangsweise – weil keiner mehr sonst übrig blieb – Albanien?

Der Jargon von damals ist schwer verdauliche Kost und pseudo-religiös verbrämte Sektensprache vom allerfeinsten – um eines höheren Wesens willen nicht lesen! Wenn ich das nicht vor einem halben Jahrhundert getan und diskutiert hätte, würde ich nach wenigen Zeilen und nach diesem Textbausteinbombardement der chinesischen Sprechblasenfacharbeiter entnervt aufgeben.

Bei der Ausarbeitung der konkreten Linie und der Politik der kommunistischen und Arbeiterparteien für das eigene Land ist es äußerst wichtig, strikt am Prinzip der Verbindung der allgemeingültigen Wahrheit des Marxismus-Leninismus mit der konkreten Praxis der Revolution und des Aufbaus im eigenen Land festzuhalten. Aber immer doch! Mit großem Vergnügen!

Auch das aktualisierte und/oder kommentierte Geschwurbel bleibt unlesbar. Worum ging es eigentlich? Die chinesische KP rief damals dazu auf, dass in den Ländern der so genannten „Dritten Welt“ sogar die „patriotisch gesinnte Bourgeoisie“ unterstützt werden müsse, solange diese gegen den US-Imperialismus kämpfe. Schaute man sich die Details in der Realität an, wurde es schnell extrem unübersichtlich. In manchen der erst kürzlich unabhängig gewordenen Ländern steht die patriotisch gesinnte Nationalbourgeoisie auch weiterhin mit dem Volk zusammen im Kampf gegen Imperialismus und Kolonialismus und führt gewisse Maßnahmen für sozialen Fortschritt durch. Das erfordert, daß die proletarische Partei die fortschrittliche Rolle der patriotischen Nationalbourgeoisie in vollem Umfang einschätzt und die Einigkeit mit ihr festigt.

Das ist bekanntlich überall schiefgegangen, vor allem in Afrika. Heute machen die Chinesen genau die gleiche Politik wie damals gegenüber Ländern der Dritten Welt, nur ohne Gefasel drumherum. Man unterstützt die, die einem den größten Vorteil versprechen, und winkt den unterdrückten Volksmassen huldvoll zu mit der Miene, das müsse so sein, wenn man an das große Ganze denke.

Die leninistische These, daß imperialistische Kriege unvermeidbar sind, solange es den Imperialismus gibt, wird über Bord geworfen. Dies wird so begründet: „heute hat sich die Lage jedoch von Grund aus geändert“ und „Die Marxisten müssen …dabei die welthistorischen Veränderungen berücksichtigen“. („Rechenschaftsbericht„, S.42) Es wird die Epoche des Friedens im Imperialismus verkündet.

Aber klar doch. Das hat der Genosse Trotzki haben wir schon immer gewusst, nur nicht, dass Russland ein kapitalistischer Staat werden würde, der imperialistische Kriege führt. Das ist aber nur zu konsequent.