Unter Arabern

araber

Mitten in der Hauptstadt Deutschlands rufen Araber „Tod den Juden“. Vielleicht sollte man einen Merkava über die Sonnenallee fahren lassen, der über Lautsprecher „Tod den Arabern“ verkündet? Nein? Warum nicht? Weil dort zu viele Araber in der zweiten Reihe parken? Das Problem wäre dann ja auch gelöst.

merkava

Verrohte Mitte

mitte
Die Mitte (Symbolbild)

Christian Baron verabschiedet sich vorläufig von den sozialen Medien mit einem großartigen Text. Auf Facebook schreibt er:

Was reg ich mich also auf? (…) Die Attacken durch eine diskursrelevante Minderheit „hochwohlgeborener“ und/oder materiell bestens versorgter Leute verfehlen leider trotzdem selten ihre beabsichtigte Wirkung. Es fällt schwer, das einzugestehen. Denn wie gern würde ich behaupten, mir wäre alles egal, weil ich doch so stark sei! Aber, nein, das bin ich nicht. Ich bin schwach. Vor allem bin ich ökonomisch verwundbarer als fast alle anderen, die im Diskurstheater eine Stimme haben. Der Ausschluss aus diesem Theater, der bei „falscher“ politischer Haltung und aufgrund des Prinzips der Kontaktschuld droht, träfe mich ultimativ. Es ist alarmierend, wie viele Menschen nicht mehr damit klarkommen, dass es nicht nur ihre eigene, sondern auch viele andere politische Meinungen gibt, die unter Umständen ebenso berechtigt und durchdacht sein können. Mich beängstigt auch, wie viele Leute aus meinem Umfeld hinter vorgehaltener Hand eingestehen, sich zu Themen wie Corona oder Ukraine-Krieg aus Furcht vor sozialen oder beruflichen Sanktionen nicht öffentlich äußern zu wollen. Dass Rechtsextreme auf Widerspruch mit Feindseligkeit reagieren, ist nicht neu. Bedenklich ist aber, dass dieser Hass immer öfter auch aus der „Mitte“ und von „Linken“ kommt. (…)

Ich würde gern sehen, dass jemand aus dieser Blase reicher Beamter auf Twitter einem Menschen mit Migrationsgeschichte „Pseudo-Rassismus-Takes“ vorwirft. Das wird besagte Professorin nie tun, denn darauf würde ein berechtigter Sturm der Kritik folgen. Verachtung gegen „die da unten“ bleibt unter deutschen Intellektuellen aller politischer Richtungen aber leider sozial erwünscht. Es dürfte auf der Welt kaum ein Land geben, in dem die gesellschaftliche Linke sich so wenig für die soziale Klassenfrage interessiert wie in Deutschland. Einige andere – interessanterweise auch hier fast nur solche, die ihre Schäfchen längst im Trockenen haben – rückten zuletzt alle Erstunterzeichner des „Manifests für Frieden“ (zu denen ich zähle) sowie die inzwischen beinahe 800.000 Mitunterzeichner öffentlich in die Nähe der Neuen Rechten und der „Querdenker“. Sie diffamierten die von ca. 30.000 Menschen besuchte Kundgebung „Aufstand für Frieden“ vom 25. Februar in Berlin als „rechtsoffen“. Diese Lüge ist ideologisch motiviert, denn sie zielt darauf, jeden zum Schweigen zu bringen, der die NATO-Propaganda genauso kritisch bewertet wie die russische.

Abenteuerlicher wurde es ansonsten nicht mehr, aber durchaus brutaler. Denn „Linke“, „Mittige“ und Rechte griffen nach meinen Zeitungstexten zu Krieg und Sozialer Frage zu Baseballschlägervokabeln wie „feige“, „armselig“, „erbärmlich“, „asozial“, „Pussy“, „Warmduscher“ und „Verlierer“. Manche wollten mir das Wahlrecht entziehen oder drohten mir körperliche Gewalt an. (…)

Von Rechtsaußen bis ins progressive Milieu hinein hat sich eine verrohte Mitte etabliert, die eine unversöhnliche Aggressivität gegen Andersdenkende mit vermeintlicher moralischer Überlegenheit rechtfertigt.

Als Marxist habe ich den Vorteil, dass mein Menschenbild sich nicht verschlechtern kann. Denn ich habe kein Menschenbild. Eine materialistische Weltanschauung geht nach meinem Verständnis davon aus, dass kein Mensch von Natur aus „gut“ oder „böse“ ist. Fast immer sind es die sozialen Umstände, die uns zu guten oder schlechten Wesen machen. Das Sein bestimmt das Bewusstsein.

Guckst du

salami antares

Meine Katzen Salami und Antares, Knesebeckstrasse 76 in Berlin-Charlottenburg, ca. 1978

Top Secret

top secret leaked

Wir müssen heute etwas zur staatsbürgerlichen Aufklärung beitragen. Ich möchte hier aber keinen Abgrund von Landesverrat buddeln – außerdem wüsste man nicht, ob zu ungunsten der Ukraine oder zu ungunsten Russlands. Die New York Times scoopte: „Ukraine War Plans Leak Prompts Pentagon Investigation – Classified documents detailing secret American and NATO plans have appeared on Twitter and Telegram.“

Man wartet natürlich als beunruhigter besorgter Bürger auf die Qualitätsmedien, ob die ihrer Pflicht nachkämen, wie es allda so prägnant heißt: Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muß er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang; sie beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung. In ihr artikuliert sich die öffentliche Meinung; die Argumente klären sich in Rede und Gegenrede, gewinnen deutliche Konturen und erleichtern so dem Bürger Urteil und Entscheidung.

Aber mitnichten. Keine Links zu den ominösen Dokumenten, nirgends. So sind sie eben, die Qualitätsmedien. Entweder zu faul oder zu dumm zum Suchen und Finden. Oder die Attitude vor sich hertragend: Im Gegensatz zu uns könnten die splitternackten Fakten die Bevölkerung beunruhigen. Die Leser mögen mit dem vorlieb nehmen, was wir ihnen geruhen, in indirekter Rede mitzuteilen. Mehr müssen sie nicht wissen.

top secret leaked

Das gefällt mir nicht. Ich habe also gesucht und gefunden, was jeder tun kann, dessen Intelligenzquotient größer ist der einen Aschenbechers. Und ich kann noch nicht einmal Russisch. Einige dieser „Fundstellen“ sind eher versteckt und mit Inhalten gefüllt, die man noch nicht einmal mit der Kneifzange anfassen möchte. Seriöse Quellen sehen anders aus. Andere kennt man schon und kann einschätzen, in wessen Sinne sie Propaganda machen.

Ich bin nicht überzeugt, dass diese „Top Secret“-Dokumente echt sind. Es könnte genauso gut eine False-Flag-Operation der Russen sein. Man sieht die Truppenstärken und -Einheiten auf dem gesamten Kriegsschauplatz in der Ukraine. Der Stern räsonniert: Versuche der US-Regierung, die Dokumente löschen zu lassen, seien bisher nicht erfolgreich gewesen, schrieb die Zeitung. Die Unterlagen wurden über die Social-Media-Plattformen Twitter und Telegram verbreitet. Die Dokumente seien fünf Wochen alt und enthielten keine konkreten Pläne für Angriffe oder größere Offensiven, hieß es. (…) Russische Militärexperten könnten aus den Unterlagen dennoch wertvolle Informationen ziehen, wie zum Beispiel Zeitpläne für Waffenlieferungen oder ukrainische Truppenstärken…

Wenn das alles so harmlos ist, warum denn dann das Getue? „Die Dokumente löschen lassen“? Haben die USA die Russen in Dubai oder Berlin angerufen oder Elon Musk und denen gesagt: So geht das aber nicht? Warum sollten die Russen Informationen über ihre eigene Truppenstärke irgendwo hin posten, wo sie jeder finden kann?

Außerdem sehen die Screenshots so aus, also führen die USA und die Ukraine einen Krieg wie im 19. Jahrhundert: Karten auf Papier, die da so herumliegen? (Wer druckt die eigentlich?) Und vielleicht noch kleine hölzerne Panzerchen, die man hin- und herschiebt?

Aber man weiß nie. Vielleicht sind die dümmer, als man denkt.

top secret leaked

Ich gehe davon aus, dass beide Seiten recht genau von der anderen Seite weiß, wo die sind und wie viele und was die so können, obwohl ich der US-amerikanischen Aufklärung mehr zutraue als den Russen. Man muss sich eher fragen, ob es genug fähige Kommandeure mit passender Infrastruktur und Technik gibt, die so handeln, dass das Wissen auch an der Front und bei der Logistik ankommt.

Mit einem haben die Russen aber recht – und das beweisen auch die Dokumente: „Die veröffentlichten, als geheim eingestuften Dokumente unterstreichen, dass es sich bei dem Konflikt in der Ukraine um einen geopolitischen Konflikt zwischen Russland und den USA sowie deren Satelliten-Staaten handelt.“

top secret leaked

Unter elitären Flintenweibern oder: Der Zukunft getreue Kämpfer

kpd

Ich darf die geschätzte Leserschaft mit drei Zitaten behelligen, die niemandem etwas sagen außer mir.

Der Elitarismus, der hinter diesem »Phönix-Komplex« steht, bewog nach den Ergebnissen des Kongresses »Glaube, Kult, Seelenheil«, der 1996 stattfand, in den 1970er Jahren viele ehemalige Mitglieder der Neuapostolischen Kirche, zu den K-Gruppen zu wechseln, um religiöse gegen politsche Auserwähltheit einzutauschen. (Aus: Andreas Kühn: „Stalins Enkel, Maos Söhne: Die Lebenswelt der K-Gruppen in der Bundesrepublik der 70er Jahre“ – „Das Werk von Andreas Kühn wurde 2004 an der Universität Düsseldorf unter dem Titel „Der Zukunft getreue Kämpfer: Die maoistischen K-Gruppen als Lebenswelt junger Intellektueller in der Bundesrepublik Deutschland 1970 – 1980″ als Dissertation angenommen.“)

maoisten

Daß die Mädchen, untoupiert mit der Pille in der Handtasche, Parolen brüllen und Fensterscheiben einwerfend durch die Straßen rannten, reaktiviert die deutsche Männerphantasie vom kommunistischen Flintenweib. (Aus: Kurt Holl und Claudia Glunz: „1968 am Rhein: Satisfaction und Ruhender Verkehr“, zitiert nach Kühn.)

Dazu könnte man recht viel schreiben, aber ich muss das hervorragende Buch erst bis zum Schluss lesen. Man könnte auch ununterbrochen „heilige Scheiße!“ rufen.

Hybride Regime oder: Die verratene Revolution

sowjetunion
survey findingsThe map reflects the findings of Freedom House’s Nations in Transit 2021 survey, which assessed the status of democratic development in 29 countries from Central Europe to Central Asia during 2020. Freedom House introduced a Democracy Score—an average of each country’s ratings on all of the indicators covered by Nations in Transit—beginning with the 2004 edition. The Democracy Score is designed to simplify analysis of the countries’ overall progress or deterioration from year to year. Based on the Democracy Score and its scale of 1 to 7, Freedom House has defined the following regime types: Consolidated Authoritarian Regime (1.00–2.00), Semi-Consolidated Authoritarian Regime (2.01–3.00), Transitional/Hybrid Regime (3.01–4.00), Semi-Consolidated Democracy (4.01–5.00), Consolidated Democracy (5.01–7.00). (Credits: Freedom House)

Wir müssen über die Sowjetunion den russischen Kapitalismus reden. Wie unterscheidet sich dieser vom Kapitalismus „westlicher“ Prägung? Ist er weniger entwickelt? Oder ist er anders, weil er aus dem sowjetischen Staatskapitalimus geboren wurde? Schon die richtigen Fragen zu stellen, ist extrem kompliziert.

Dieter Segert hat das in einem Essay versucht: „Post-sowjetischer Kapitalismus als Gesellschaftsform – Russland und Ukraine im Vergleich.“

Als Ex-Maoist zuckt man natürlich bei Zitaten wie diesem zusammen: „Die Formierung der herrschenden Klasse bzw. der kapitalistischen Klassenfraktionen (…) begann im Zuge der Gorbatschowschen Perestroika“. Erst dann – und nicht schon viel früher? Wir meinten damals, dass die Sowjetunion nur dem Namen nach ein sozialistischer Staat gewesen sei. (Und ich meine heute, dass spätestens seit Stalin von „Sozialismus“ nicht wirklich die Rede sein konnte.) In der an Marx und Engels orientierten Geschichtswissenschaft war ein „Zurückentwickeln“ einer Gesellschaftsform aber nicht vorgesehen: Der Kapitalismus kann zum Beispiel nicht zurück zum Feudalismus. Was soll man also vom Zerfall der „sozialistischen“ Staaten halten? Und wie wird das alles enden?

Die Größe eines Landes ist irrelevant: Ob die Sowjetunion zerbröselt wäre oder nicht, wirkt sich nicht auf den Charakter der Ökonomie aus. Ob Luxemburg, Venezuela oder USA: Analytisch ist das alles der gleiche Kapitalismus. Heute muss man fragen, ob die Ökonomie Russlands prinzipiell anders ist als die in den Anrainerstaaten, die vorher zur Sowjetunion gehörten? Meiner Meinung nach nicht.

Segert schreibt: In Russland und der Ukraine bildete die Umwandlung von Staatsbetrieben durch Privatisierung den Kern des Übergangs zu einer Form des Kapitalismus. Die damit verbundene Entstehung einer Klasse von kapitalistischen Unternehmern und Lohnarbeitern kann auch mit dem Marxschen Begriff als (für diese Gesellschaften historisch zweite) ursprüngliche Akkumulation bezeichnet werden. In diesem Fall diente sie der Auflösung der nur formellen, staatlich-zentralisierten Einheit von Produzenten und Produktionsmitteln.

Obwohl die Entstehung des kapitalistischen Privateigentums in allen post-sozialistischen Staaten gleichermaßen stattfand, trug sie in den beiden betrachteten Staaten, in Russland und der Ukraine, spezifische Züge. Sie erfolgte in großem Umfang als Insiderprivatisierung, einem Direktverkauf an das Management der Unternehmen oder über den Umweg einer Voucherprivatisierung an die Belegschaften, wobei die Voucher später durch deren Besitzer weiterverkauft und in den Händen von Finanz-Industriegruppen konzentriert wurden. Verkäufe an ausländische Investoren spielten nur eine untergeordnete Rolle.

Diese Coupon-Privatisierung war selbstredend ein großer Betrug, der nur als Mäntelchen diente, den ausgebeuteten Klassen die Illusion zu lassen, sie besäßen irgendetwas. Am Ende hatte sich nur das Personal der herrschenden Klasse geändert, nicht aber der Charakter der Klassenherrschaft. Das kann man mit dem Übergang von der römischen Republik zur Kaiserzeit vergleichen: Beide Formen fußten (mehr oder weniger) auf der Arbeit von Sklaven, waren analytisch also identisch, aber die Herrschenden regierten anders: Der Senat als klassische Form, wie sich die Sklavenhalterklasse in der Republik organisierte, gab die Macht mehr und mehr ab an eine einzelne Person und deren Günstlinge. (Alle Vergleiche hinken.)

Der Besitz an Produktionsmitteln gruppierte sich nach der Privatisierung um „Clans“, die miteinander politisch konkurrierten, sowohl in der Ukraine als auch in Russland. Die beschriebene Transformation der Eigentums- und sozialökonomischen Verhältnisse wurde in Russland noch durch massiven Einsatz politischer Gewalt bewerkstelligt, sowohl durch den misslungenen Putschversuch eines Teils der politischen Klasse im August 1991 als auch durch die Gewalt, die der russische Präsident Jelzin im Oktober 1993 gegen das Parlament anwendete. In der Ukraine spielte Gewalt ebenfalls eine Rolle im Prozess der Entstehung des Kapitalismus, hier besonders in der Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Fraktionen der nationalen Bourgeoisie. (…)

Die Entstehung kapitalistischer Wirtschaften in beiden Staaten war mit einem Abbau des in der staatssozialistischen Periode vorhandenen Systems sozialer Absicherung verbunden: einem Schutz vor Entlassungen, einer weitgehend kostenlosen Gesundheitsversorgung und einem entsprechenden Bildungssystem.

Letzeres halte ich ebenfalls für irrelevant: Auch im „westlichen“ Kapitalismus – etwa in den USA – ist es nur eine Frage lokaler Traditionen, ob sich der Staat sich um so etwas kümmert (bei uns wegen Bismarck), oder ob jeder selbst um sich sorgen muss und der öffentliche Schulsektor nur da ist, damit das Proletariat nicht vollkommen verblödet und damit für den Arbeitsmarkt ungeignet wird. Dito Gesundheitsvorsorge.

Die Ukraine gilt nach dem Nations-in-transit Index von Freedom House“ vom letzten Jahr als Hybrides Regime, also ein Regime, in dem es Elemente sowohl von Demokratie als auch Autokratie gibt, Russland als Konsolidiertes Autoritäres Regime. (siehe oben)

Die Kategorie „Regime“ halte ich für ungeeignet, um die Ökonomie und den Charakter eines Staates zu beschreiben. Aber analytische Tiefenschärfe erwartetet man von einem privaten US-amerikanischen Think Tank wie Freedom House natürlich nicht. Wir haben „ein Regime“ in Nicaragua, Afghanistan, Usbekistan, Brunei, Ägypten – und ist eine Monarchie wie Jordanien ein „Regime“?

Siegert schreibt: Der Kapitalismus, der in den beiden betrachteten Staaten nach 1991 entstanden ist, unterscheidet sich von anderen Typen des globalen Kapitalismus. (…)

Wesentlicher war allerdings der steigende Einfluss eines ethnischen Nationalismus sowohl in Russland (hier besonders ab 2011, als es zu verstärkten Protesten der städtischen Mittelschicht kam) als auch in der Ukraine (v.a. mit der Präsidentschaft von Juschtschenko, 2005-2010). Der ethnische Nationalismus wurde vollends mit dem Krieg von 2022 zur alles beherrschenden Legitimationsideologie der politischen Macht. In Russland ist die nationalistische Ideologie mit einer imperialen Komponente verbunden, die sich in der Konzeption einer „russischen Welt“ äußert. Man kann dieses Konzept verschieden lesen, entweder als Grundlage für den Einfluss Russlands auf Staaten mit russischer Minderheit in der Bevölkerung oder als Formulierung direkter Gebietsansprüche über die Grenzen der heutigen Russländischen Föderation hinaus. Die ukrainische Variante des Nationalismus richtet sich dagegen auf eine ethnische Homogenisierung der Bevölkerung im Rahmen der Staatsgrenzen.

Der neue Kapitalismus in den ex-sowjetischen Ländern sucht sich also eine ideologische Legitimät zusammen und findet sie, wie gewohnt, im Nationalismus, der – auch wie gewohnt – stark rassistische Züge trägt, und irrational ist das sowieso. Russland besteht aus vielen Völkern, genau wie China – der herrschenden Klasse muss anders „argumentieren“ als in der Ukraine (oder auch in Polen), wo alles einfach unterdrückt wird, was nicht der fiktiven Idee des Staatsvolkes entspricht. In Russland wähnt man sich im Kampf gegen den Westen, eine Methode also, die alle arabischen Regime, der Iran und die Warlords der „Palästinenser“ benutzen, um ihre korrupte Herrschaft zu legitimieren – nur ist dort der Feind nicht der Westen, sondern Israel als pars pro toto.

Interessant ist Siegerts Fazit:
1. Die entstehende Unternehmerklasse erwuchs, zumindest in ihrer obersten Schicht, aus den Privatisierungen des vormaligen Staatseigentums. In gewissem Sinne hatte das Trotzki 1936 in seiner Schrift Die verratene Revolution vorhergesagt. Im Unterschied zu Trotzkis Prognose verwandelte sich jedoch nicht die Nomenklatura insgesamt in eine Kapitalistenklasse, sondern es waren Personen aus der Nomenklatura (Jelzin, Krawtschuk, Kutschma u.a.), die einer Gruppe von Managern von Staatsbetrieben oder ausgewählten Personen der intellektuellen Dienstklasse einen Aufstieg in die Klasse kapitalistischer Eigentümer ermöglichten.

Neben dem weltanschaulichen Kitt des Nationalismus spielt die Apathie der „Werktätigen“ eine Rolle:

2. Die im „Konsumsozialismus“ entstandene Lebensweise von Teilen der Bevölkerung unterstützte die Transformation in Richtung auf den Kapitalismus. Zudem wirkte sich ihre passive Orientierung gegenüber der Politik aus, welche aus den autoritären Strukturen des Staatssozialismus und der dadurch geformten politischen Kultur erwuchs. Dadurch erduldete diese Mehrheit der Bevölkerung die sozialen Verwerfungen der Transformationsperiode ohne aktiven Widerstand. So bildete sich der andere Pol des Kapitalverhältnisses, eine eigentumslose arbeitende Bevölkerung, die sich der Produktions- und Lebensweise anpasst.

Langer Rede kurzer Sinn: Der Kapitalismus in der Ukraine und Russland ist vergleichbar, nur die Legitimationsbasis der Herrschenden unterscheidet sich.

Mein Fazit: Die russisch-ukrainische Version des Kapitalismus ist eher eine, die keine Zukunft hat, weil sie vom Verkauf der Rohstoffe lebt, aber nicht flexibel genug ist, sich selbst zu reformieren. Das machen die Chinesen um Klassen besser. Und warum ist zum Beispiel das winzige kapitalistische Israel trotz ungünstigster Ausgangsbedingungen eine Start-Up-Nation? „In gewisser Weise hat Israels Wirtschaftsentwicklung das 20. Jahrhundert übersprungen, wodurch die klassischen Stützpfeiler anderer Industrienationen wie Kfz-Produktion, Maschinenbau, Chemische Industrie und Schwerindustrie fehlen.“

Russland und die Ukraine jedoch leben offenbar noch im 20. Jahrhundert und werden beide ihr Tafelsilber verkaufen müssen. Nur wird Russland länger durchhalten.

Unter Cyberneusprechenden

censored

„Vertreter Chinas und Kubas haben heute ein Abkommen über Cybersicherheit [was ist das denn?] unterzeichnet, das den Willen ihrer Regierungen bestätigt, für ein Internet zu arbeiten, das auf der Entwicklung und dem Wohlergehen der Völker basiert.

Frage: Dient Zensur – wie in Deutschand und China praktiziert – dem Wohlergehen „der Völker“?

Klartext vom Vorsitzenden des Ausschusses

Im Guardian liest man Klartext vom Vorsitzenden des Ausschusses, der die Geschäfte der Bourgeoisie organisiert: Political correctness has stopped us from weeding out vile criminals who prey on children and young women…

Ach?! Das hat natürlich nichts mit dem Islam zu tun.

Perussuomalaiset oder: Unter Rechtsruckenden

wahlergebnis Finnland

Jetzt kommen wieder die Textbausteine beim Wahlausgang in Finnland: Rechtsruck. Ach was. So einfach ist das? Warum rucken sie denn nach „rechts“? „Die Rechtsaußenpartei der Wahren Finnen erzielte mit 20,1 Prozent und 46 Mandaten das beste Ergebnis ihrer Geschichte“, schreibt die taz gewohnt linkfrei (im 21. Jahrhundert auf einer Medien-Website! Links auf sich selbst gelten nicht).

Die abgewählte finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin konnte mehr Stimmen für sich holen, aber im zukünftigen Koalitionspoker wird sie leer ausgehen, auch weil die finnischen Grünen erfreulicherweise zusammenschrumpelten. Die sind eine Partei der städtischen Mittelschichten und stehen für das Übliche: Klima, Frauen, Kinder, (Was ist mit den Tieren? Denkt niemand an die Tiere?) Behinderte, und LGBT (Sex sells, aber sind das nicht ein paar Buchstaben zu wenig?) usw..

Warum wollen die Wähler es so und nicht anders? Die ultrarechten Basisfinnen sind genau so ein spaltpilzender Chaotenhaufen wie die AfD hierzulande. Das scheint aber deren Wähler nicht abzuschrecken, was mich wiederum auch nicht überrascht. Die „Wahren Finnen“ sind vermutlich eher mit den Lepenisten in Frankreich zuvergleichen. Merke: Rechtspopulistische Parteien sind immer Sammlungsbewegungen gegen das „System“. wobei eben diese Rechten das System aka den Kapitalismus nicht begreifen.

Die Rechten in Finnalnd fordern übrigens etwas, was die Grünen dort nicht wollen: Erhöhung der Steuern auf Kapitalgewinne und die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer.

Aber noch ist die Messe nicht gesungen. Vielleicht gibt es noch eine Überraschung. Wenn ein Zipfel der Macht in greifbarer Nähe ist, gelten politische Programme und Ideen nichts. Siehe Berlin.

Gewonnen, weil verloren

Vorratsdatenspeicherung
Computerterminal (Symbolbild)

Heute müssen wir kurz Herumgeschwurbeltes zerschlagen und verquastes Deutsch übersetzen. Ich habe jedenfalls beim ersten Lesen nichts verstanden.

Das Bundesverfassungsgericht verkündet: Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Die Beschwerdeführenden wenden sich mit ihrer am 19. Januar 2016 erhobenen Rechtssatzverfassungsbeschwerde der Sache nach gegen § 113b Abs. 1 bis 4 sowie § 113c Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und § 100g Abs. 2 sowie § 100g Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 100g Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) in der Fassung des Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 (BGBl I S. 2218), die die sogenannte anlasslose Vorratsspeicherung regelten. Zur Begründung machten die Beschwerdeführenden geltend, die anlasslose Speicherung ihrer Verkehrsdaten verstoße insbesondere gegen ihre Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 GG (Telekommunikationsfreiheit) und Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit). (…)

Puls und Atmung noch normal? Ist das jetzt gut oder schlecht? Positiv oder negativ? Lauschen wir Digitalcourage e. V.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt mit einem soeben veröffentlichen Beschluss die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 20. September 2022, nach der das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung unanwendbar und mit EU-Recht unvereinbar ist.

Die Verfassungsbeschwerde von Digitalcourage wurde für unzulässig erklärt, mit der Begründung, dass die angegriffene Regelung zur Vorratsdatenspeicherung nicht mehr anwendbar ist. Die für ungültig erklärte Norm hatte eine anlasslose Speicherung sämlicher Verbindungsdaten von Anrufen, SMS und IP-Adressen samt Standortinformation vorgesehen. Und zwar nicht von Verdächtigen, sondern von der gesamten Bevölkerung.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unterstreicht nun noch einmal, dass das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung keine Rechtswirkung mehr entfaltet und nicht mehr angewendet werden kann.

In etwa ist das so: Wir haben gewonnen, weil das Bundesverfassungsgericht unsere Klage nicht angenommen hat. Wie meinen?

Heise: Unionsrecht hat bei Vorratsdatenspeicherung Vorrang

Das Bundesverfassungsgericht hat drei Verfassungsbeschwerden gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen. Der Europäische Gerichtshof habe im September 2022 entschieden, dass eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung dem Unionsrecht widerspricht, sie dürfe daher innerstaatlich nicht angewendet werden, geht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervor. Das Gericht habe mit seiner Entscheidung noch einmal unterstrichen, dass das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung keine Rechtswirkung mehr entfaltet und nicht mehr angewendet werden kann, erklären die Bürgerrechtler von Digitalcourage. Sie hatten gemeinsam mit dem Maildienstleister mailbox.org (Oh? Die gibt es noch? Wenn ich nicht schon einen hervorragenden Provider/Hoster hätte, wären die erste Wahl oder doch erst, nachdem ich Jan gefragt hätte) und dem Journalistenverband DJV die Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Noch mal: Die Beschwerdeführer (nein, BVerfG, keine Beschwerdeführenden!) klagten gegen die Vorratsdatenspeicherung. Das Bundesverfassungsgerich antwortet: Vergesst es! Die ist eh nichtig.

Jetzt habe ich es verstanden.

Nimm dies, Fgzrisc! Oder: Unter Zusammenhaltpanelten

zusammenhalt begreifen
Gesellschaftlicher Zusammenhalt (Symbolbild)

In der bürgerlichen Presse (Paywall) las ich einen recht interessanten Artikel „Diese Konsequenzen fürchten die Deutschen, wenn sie ihre Meinung offen sagen“. Es geht weniger um die Inhalte, sondern um die wissenschaftliche Methodik festzustellen, ob das so ist und warum („mithilfe neuartiger Umfragedaten“).

Zitate: Aus Sicht der Sozialwissenschaften bemisst sich der Grad der Meinungsfreiheit am Ausmaß ihrer Sanktionierung oder, anders ausgedrückt: an den Kosten, die mit der freien Meinungsäußerung einhergehen. Die in einer Gesellschaft bestehende Meinungsfreiheit lässt sich also auf eine einfache Formel bringen: Sie ist umso höher, je kleiner die Wahrscheinlichkeit ist, für seine Meinungsäußerung sanktioniert zu werden, und je geringer die mit der Sanktion einhergehenden Kosten sind. (…)

Tatsächlich ist es eine klassische Einsicht der Sozialwissenschaften, dass die Meinungsfreiheit in liberalen Demokratien nicht in erster Linie formell durch den Staat, sondern informell durch kulturelle Normen und soziale Mechanismen sanktioniert wird. (…)

Laut den hier zum ersten Mal veröffentlichten Ergebnissen fühlt sich ein Viertel der Menschen in Deutschland (25 Prozent) nicht frei zu sagen, was es wirklich denkt. Das ist ein bemerkenswerter Befund für eine liberale Demokratie, insbesondere wenn man bedenkt, dass eine vergleichbare Frage während der McCarthy-Ära in den USA der 50er-Jahre nur von 13 Prozent der Amerikaner verneint wurde.

Witzig, dass das Institut, das diese „Studie“ gemacht und publiziert hat, ein hervorragendes Beispiel für die These ist, dass bestimmte Meinungen, ja sogar Wörter, in Deutschland sanktioniert werden, nicht durch direkte Zensur, sondern dadurch, dass der Ausschuss, der die Geschäfte der Bourgeoisie organisiert, Lautsprecher des Kapitals Projekte finanziert, die Narrative das verbreiten, was dem Kapitalismus nützt. (Der Satz ist viel zu lang, aber mir war danach.)

Im Rahmen des neuen, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Zusammenhaltspanels des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) bla bla“. (Was ist das für ein beschissener Satzanfang gegen alle Regeln der Verständlichkeit?)

Allein schon der Name dieses Panels (ohnehin ein unpassender Begriff) ist übles affirmatives Neusprech. Zusammenhalt wessen? Arbeiter und Kapital kleben zusammen und streicheln sich gegenseitig Honig um die Hipsterbärte? Man könnte auf die Idee kommen, diese Wissenschaftler würden nur dafür bezahlt, Methoden zu entwickeln, dass der Begriff Klassenkampf aus dem öffentlichen Diskurs und den Medien verschwindet und dass sich alle ununterbrochen liebhaben.

…arbeiten über 200 Wissenschaftler zu Fragen des Zusammenhalts: Identitäten und regionale Erfahrungswelten, Ungleichheiten und Solidarität, Medien und Konfliktkultur, Polarisierung und Populismus, aber auch Antisemitismus und Hasskriminalität.

Meine Fresse Es fehlen nur: Klima und Gendern. Die schwurbeln, dass es qualmt und raucht wie in den Ruinen von Bakhmut. Aber natürlich bin ich insgeheim neidisch, dass man mir nicht so ein vermutlich nicht schlecht bezahltes Pöstchen angeboten hat. „Konfliktkultur“ würde mir gefallen, seelisch und auch körperlich. Ich wollte immer schon einmal wissen, wie oft man einem arabischen Störer die Arme verwinkeln und anschließend draufschlagen muss, damit dieser sich vorbildlich verhält oder gar seine Meinung ändert.

Wozu das alles führt, überrascht nicht. Wer gegen Gendern ist, ist hasskriminell. Dieses Institut behauptet, es gebe antimuslimischen Rassismus. Mehr muss man nicht wissen. Und natürlich veröffentlichen die meinen Kommentar nicht.

zusammenhalt begreifen

Leere Räume

palästinensische Geschichte
Museum für palästinensische Geschichte (Symbolbild)

Im Pergamon-Museum ist eh nur Raubkunst. Kann alles weg und zurückgegeben werden. Ein leerer Raum wird dann umbenannt in Roger-Waters-Saal und beherbergt das Museum für „palästinensische Geschichte“ mit der Direktorin Sawsan Chebli. In die anderen Räume können Flüchtlinge aus der Ukraine und später die ukrainische Exilregierung.

Unter Religioten

relgioten raus

Tolerant gegenüber Religionen zu sein, ist NICHT links. „Links“ zu sein bedeutet, Religion aus der Öffentlichkeit zurückzudrängen und sie zur Privatsache zu machen. Hijabs raus den den Schulen!

„Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.

Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammerthales, dessen Heiligenschein die Religion ist.“

Wer wen? Oder: Allgemeine Organisation der Arbeiter im Land [bitte selbst ausfüllen]

protests israel
Aktueller Klassenkampf in Israel, Tel Aviv

In political science, the term Class conflict (also class struggle, class warfare, capital-labour conflict) identifies the political tension and economic antagonism that exist among the social classes a society, because of socio-economic competition for resources among the social classes, between the rich and the poor.

Die geschätzte Leserschaft sei angehalten, sich mit den aktuelle Klassenkämpfen in verschiedenen Ländern zu beschäftigen und zu vergleichen, die Struktur betreffend, was ähnlich und was verschieden sei. Ich empfehle: Frankreich, Israel (כוח לעובדים), China, Iran, Ägypten.

Wer wen? Wie organisieren die Leute sich? Wie kommunizieren sie? Was können die herrschenden Klassen dagegen tun?

Koach la’Owdim
Credits: Koach la’Owdim

Unstrittig ist, dass es in keinem der genannten Beispiele eine relevante linke Partei gibt, die den Kapitalismus abschaffen will bzw. wollte. China ist ein komplizierter Sonderfall – dort gibt es Klassenkampf, aber die Herrschenden dort können es sich langfristig – auch wegen des eigenen Anspruches – nicht erlauben, gegen die Interessen der Mehrheit zu handeln. Auch die – nur zeitweilig – erfolgreiche Revolution in Ägypten 2011 wollte nicht das System ändern, sondern den Ausschuss, der die Geschäfte der Bourgeoisie organisiert, neu besetzen, was zwar gelang, aber man kam vom Regen in die Traufe.

Braucht man also im Leninschen Sinne eine geschulte revolutionäre Avantgarde, die die empörten Massen in die richtige Richtung – zum Sturz des Systems – dirigiert? Nein, das ist nur ein romantischer Traum, der vielleicht unter ganz speziellen Umständen noch funktioniert, aber nicht im entwickelten Kapitalismus. Aber: Wenn die Linke kein Rezept und keinen Plan hat, was zu tun wäre, wenn der Weltgeist der historische Zufall sie an die Hebel der Macht spült, kann wird sie wie gewohnt kläglich scheitern.

class struggle china
Klassenkampf in China, Credits: Al Jazeera

Erst seit ein paar Jahren lässt sich die Kommunikation der da unten, wenn es um Rebellion geht, nicht mehr großflächig kontrollieren und im Zaune halten. China ist das beste Beispiel. Ich traue der Schwarmintelligenz aber nicht über den Weg; meistens ist es eher Schwarmdummheit, was am Ende rauskommt – der Herdentrieb aka Opportunismus siegt. Trotzdem ist das eine gute Nachricht.

In Frankreich ist es mir unklar, worum es eigentlich geht. Die Franzosen brauchen aber keinen Anlass, um zu streiken, sie tun es einfach, auch ohne Purifikationsrituale. Wenn man sich die Fotos anschaut, kann man sich vorstellen, dass der arabischstämmige Abschaum aus den Vorstädten, die politisch sehr durchwachsenen „Gelbwesten“, die extreme Sektenlinke und die Ultrarechte dabei sind, alle aus unterschiedlichen Gründen. Unsere „Linken“ würden gleich einen Nervenzusammenbruch erleiden beim Gedanken an diese „Mitstreiter“ gegen die Regierung und zu Hause bleiben und herumjammern, dass das Volk die erhabenen Weisheiten der klimatisch-genderistischen Partei nicht goutiert.

Ich weissage prophezeie, dass alle derzeitigen „Rebellionen“ welthistorisch ähnlich unwichtig sind und folgenlos bleiben werden wie die preußische Katoffelrevolution.

protests france
Klassenkampf in Frankreich, Bordeaux

Una Chica

chica venezuela

Mädchen aus Quibor oder El Tocuyo, Venezuela 1998.

Antisemitische Mischpoke und die junge Impotenz

„Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, dass ich da was richten kann. … Es ist alles umsonst. Was ich Ihnen sagen könnte, das sind doch immer nur Gründe, logische und sittliche Argumente. Darauf hört doch kein Antisemit. Die hören nur auf den eigenen Hass und den eigenen Neid, auf die schädlichen Instinkte. Alles andere ist ihnen gleich. Gegen Vernunft, Recht und Sitte sind sie taub.“ (Theodor Mommsen (1817-1903), deutscher Historiker, Nobelpreisträger für Literatur, 1890 einer der Gründer des Vereins zur Abwehr des Antisemitismus)

Was würde Mommsen zur heutigen BDS-Bewegung sagen? Vermutlich genau das noch einmal.

Mein Lieblingszitat: Den meisten von Mommsens Schülern gelang es nie, aus dem Schatten ihres übermächtigen Lehrers zu treten, zumal dieser auf die meisten von ihnen als „die junge Impotenz“ herabblickte.

PS: Ich verkneife mir, diesen Beitrag einschlägig zu bebildern.

Hinreichende Staatsferne

zervakis twitter

Die russische Propaganda (also automatisch voll gelogen) schrieb vor einigen Tagen: „Für Tageshonorare von bis zu 6.000 Euro (zuweilen wohl noch mehr) hatte die Regierung rund 200 Journalisten von ARD, ZDF und einigen großen Privatsendern in ihre Propaganda eingespannt. Diese „Qualitätsjournalisten“ hatten für Ministerien diverse Werbespots gedreht, Talkrunden moderiert, Interviews geführt oder Vorträge gehalten.“ (Der Link funktioniert nicht! Was kann ich tun?)

Ich habe mir das Original der Anfrage und die Antwort angesehen. (Wieso macht so etwas die AfD und nicht die Linke?)

Würde die Bundesregierung die Informationen freigeben, so wäre zudem zu befürchten, dass Kooperationspartner ihrerseits die Vertraulichkeit nicht oder nur noch eingeschränkt wahren würden. In der Konsequenz könnte es künftig zu einem Rückgang oder zum Wegfall zukünftiger Vertragspartner und in der Folge zu einem Wegfall der Erkenntnisgewinnung der deutschen Nachrichtendienste kommen. Zudem würde das Offenlegen von Vertragspartnern in Bezug auf vergütete Aufträge, Honorare oder sonstige Zahlungen (etwa für Moderation, Präsentation, Beratung, Expertisen, Interviews, Rhetorik- oder Sprachtraining usw.) durch den Bundesnachrichtendienst staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren eine belastbare Grundlage und einen erheblichen Mehrwert mit Blick auf deren Bestreben zur Informationsgewinnung bieten.

Dies alles würde dem deutschen Staatswohl zuwiderlaufen. Dies hätte signifikante Informationslücken und negative Folgewirkungen für die Abbildung der Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland sowie im Hinblick auf den Schutz deutscher Interessen im Ausland zur Folge. Insofern muss ausnahmsweise das Fragerecht der Abgeordneten gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung zurückstehen. Dabei ist der Umstand, dass die Antwort nicht gegeben werden kann, weder als Bestätigung noch als Verneinung des angefragten Sachverhalts zu werten.

Das ist ja niedlich. Sie vergaßen noch zu erwähnen, dass die Bevölkerung verunsichert würde.

Reichelt mit seinem „Pleiteticker“ war offenbar derjenige, der das recherchiert hat. Das ist aber kein großes Geheimnis. Opportunismus ist eine Charaktereigenschaft, die in der Branche ab Werk eingebaut ist, vor allem in Deutschland. Die Anzahl der Journalistenpreise verhält sich zur Qualität der Berichterstattung reziprok proportional.

Man hört auch eine grandiose Erklärung der voll in die Branche integrierten Dame:: „Bei den von Ihnen benannten weiteren Veranstaltungen ist Linda Zervakis als Moderatorin, nicht als Journalistin, tätig geworden“. Schon klar. Ich blogge hier auch nicht als Journalist, sondern als Blogger.

Mittlerweile sind as olle Kamellen, und jeder geht zur Tagesordnung über. Und wenn ausgerechnet die Russen sich über die zu große Staatsnähe ihrer deutschen Kollegen mokieren, muss ich herzlich lachen.

Unter Nichtdenkenden

denken

Ich finde es praktisch, dass die hyperventilierenden höheren Klimatöchter eine eigene Partei gründen wollen. Das zwackt den Grünen einen hoffentlich relevanten Teil der kapitalismusrettenden Wähler ab. Jetzt muss nur noch die Wagenknecht auch eine Partei gründen, dann sind die identitären Genderlinken und die AfD kaputt. Wir leben in interessanten Zeiten!

Unter Selbstbetrügern oder: Was ich noch zu sagen hätte

dutschke vollmer
Demonstration gegen den Vietnamkrieg, 1968, vorn Rudi Dutschke, rechts neben dem Fotografen Antje Vollmer. Klaus Mehner/Bundesstiftung Aufarbeitung Nr. 70249790 (Rechte vorbehalten-freier Zugang)

Noch kurz zum Vermächtnis Antje Vollmers (danke, Harald!). Das interessiert natürlich niemanden, am allerwenigsten die kriegshetzenden Grüninnen, aber einige Details sollten diskutiert werden.

Es ist üblich geworden, zu Beginn jeder Erwähnung der ungeheuren Tragödie um den Ukraine-Krieg wie eine Schwurformel von der „Zeitenwende“, vom völkerrechtswidrigen brutalen Angriffskrieg Putins bei feststehender Alleinschuld der russischen Seite zu reden und demütig zu bekennen, wie sehr man sich geirrt habe im Vertrauen auf eine Phase der Entspannung und der Versöhnung mit Russland nach der großen Wende 1989/90. Diese Schwurformel wird wie ein Ritual eingefordert, wie ein Kotau, um überhaupt weiter mitreden zu dürfen. Die Feststellung ist ja auch nicht falsch, sie verdeckt aber häufig genau die zentralen Fragen, die es eigentlich zu klären gäbe.

Moment. „Zentrale Fragen“ hört sich gut an, im Gegensatz zu den oft erwähnten dezentralen Fragen. Ist nicht jeder Angriffskrieg „völkerrechtswidrig„? „Der Westen“ hält sich doch selbst nicht daran, vgl. die USA. Und gibt es auch Kriege, die nicht „brutal“ sind? Das ist wieder typisches moralinsaures und affirmatives Geschwurbel.

„Versöhnung“ zwischen Staaten? Mir ist schon klar, dass die neuen Mittelschichten, die das soziale Milieu der Partei „die Grünen“ prägen, die Klassenfrage gern ignorieren oder schlicht eskamotieren. Niemand hat sich mir irgendjemandem versöhnt, als die pseudosozialistischen Staaten zusammenbrachen. „Entspannung“ ist eine Illusion – lassen wir dazu ausnahmsweise den Genossen Trotzki zu Wort kommen, der sich auf Lenin beruft:
Kampf um die Märkte und Raub fremder Länder, das Bestreben, die revolutionäre Bewegung des Proletariats und der Demokratie im Innern der Länder zu unterbinden, das Bestreben, die Proletarier aller Länder zu übertölpeln, zu entzweien und abzuschlachten, indem man im Interesse der Bourgeoisie die Lohnsklaven der einen Nation gegen die Lohnsklaven der anderen Nation hetzt – das ist der einzige reale Inhalt, die einzige reale Bedeutung des Krieges. (Puls und Atmung noch normal?)

Krieg ist ein Feature des Kapitalismus, nicht ein Bug. Die Frage ist natürlich, mit welchen Mitteln je ein Kapitalist viele totschlägt.

Die Unfähigkeit, nach so umfassenden Umbrüchen andere gleichberechtigte Lösungen zu suchen, hat in dieser fatalen Überheblichkeit ihre Hauptursache. Vor allem aber wurde so das ungeheure und einzigartige Verdienst der sowjetischen Führung unter Michail Gorbatschow mit einer verblüffenden Ignoranz als gerngesehenes Geschenk der Geschichte eingeordnet: Die große Vorleistung des Gewaltverzichts in der Reaktion auf das Freiheitsbestreben der Völker des Ostblocks galt als nahezu selbstverständlich.

Über Gorbatschow kann ich nicht jubeln. Natürlich war auch er eine Charaktermaske, aber zusätztlich hat er sich übertölpeln lassen bei den Verhandlungen, ob und wie Deutschland wieder vereint werden sollte. Ich kann nicht einschätzen, ob er -aus ökonomischer Sicht – eine andere Optionen hatte als die Sowjetunion zusammenbrechen zu lassen.

Alle kundigen Zeitzeugen wissen genau, dass der Widerstand und der Heldenmut von Joachim Gauck, Marianne Birthler, Katrin Göring-Eckardt durchaus maßvoll war und den Grad überlebenstüchtiger Anpassung nicht wesentlich überschritt. Manche Selbstbeschreibungen lesen sich allerdings heute wie Hochstapelei. Sie verschweigen oder verkennen, was andere Kräfte zum großen Wandel beitrugen und dass mancher Reformer im System keineswegs weniger Einsatz und Mut gewagt hatte. (…) Fatal allerdings ist, dass dieser Teil der Bürgerrechtler heute zu den eifrigsten Kronzeugen eines billigen antirussischen Ressentiments zählt. Dies knüpft dabei bruchlos an jene Ideologie des Kalten Krieges an, die vom berechtigten Antistalinismus über den verständlichen Antikommunismus bis hin zur irrationalen Slawenphobie viele Varianten von westlichen Feindbildern bis heute prägt.

Full ack, Genossin Vollmer.

In unseren Medien verkörpert die Ukraine das Ideal und Vorbild einer freiheitsliebenden westlichen Demokratie heroischen Zuschnitts. Die Ukraine, so heißt es, kämpfe nicht nur für ihre eigene Nation, sondern zugleich für die universale historische Mission des Westens.

Das sind nicht „meine“ Medien, sondern die Lautsprecher der Kapitals aus der Mittelklasse, die den Echoraum für die Interessen der Herrschenden abgeben. (Was bin ich heute wieder radikal!)

Neben diesem Hang zum Heroischen und zur Selbsterhöhung liegt hier die Wurzel, die ich für den Grundirrtum einer europäischen Identität halte: das scheinbar unausrottbare Bedürfnis nach nationalem Chauvinismus. Jahrhundertelang haben nationale Exzesse die Geschichte unseres Kontinents geprägt. Keine Nation war frei davon: nicht die Franzosen, schon gar nicht die Briten, nicht die Spanier, nicht die Polen, nicht die Ukrainer, nicht die Balten, nicht die Schweden, nicht die Russen, noch nicht einmal die Tschechen – und schon gar nicht die Deutschen.

Dagegen kann man nichts einwenden. Nationalismus ist aber ein Symptom, keine Ursache. Die Nation im Kapitalismus ist immer ein politisches Konstrukt, das ausgenutzt wird, um zu verdecken, was die „zentralen Fragen“ sind. Der ukrainische Nationalismus hatte schon immer Schnittstellen mit faschistischen Ideen. Deswegen ist Antje Vollmers Satz aktuell, wird aber von ihren heute bis auf die Knochen völkischen Parteigenossen nicht akzeptiert werden:
Es ist ein fataler Irrtum, zu meinen, durch den Widerstand gegen die anderen imperialen Mächte gewinne der eigene Nationalismus so etwas wie eine historische Unschuld. Das ist Selbstbetrug und einer der folgenschwersten europäischen Irrtümer.

Die Menschen irren sich gern und mehrfach, aber jedes Mal mit anderem Personal.

Wirtschaftlich und politisch zahlen wir dafür einen hohen Preis. Der deutsche Wirtschaftsminister bemüht sich, die alten Abhängigkeiten von Russland und China durch neue Abhängigkeiten zu Staaten zu ersetzen, die keineswegs als Musterdemokratien durchgehen können. Die Außenministerin ist die schrillste Trompete der neuen antagonistischen Nato-Strategie.

Nein, „wir“ zahlen keinen Preis. Die Kosten der verfehlten Politik werden auf die kleinen Leute umgelegt. Die herrschende Klasse zahlt nie oder nur sehr selten.

Wenn mich nicht alles täuscht, steht Europa kurz vor der Phase einer großen Ernüchterung, die das eigene Selbstbild tief erschüttern wird. Für mich aber ist das ein Grund zur Hoffnung. Der so selbstgewisse Westen muss einfach lernen, dass die übrige Welt unser Selbstbild nicht teilt und uns nicht beistehen wird. Die eilig ausgesandten Sendboten einer neuen antichinesischen Allianz im anstehenden Kreuzzug gegen das Reich der Mitte scheinen nicht besonders erfolgreich zu sein.(…) Wie konnten wir nur annehmen, dass das große China und die Hochkulturen Asiens die Zeit der willkürlichen Freihandels- und Opiumkriege je vergessen würden? (…) Meine Hoffnung besteht darin, dass sich aus all dem eine neue Blockfreienbewegung ergeben wird, die nach der Zeit der vielen Völkerrechtsbrüche wieder am alleinigen Recht der UNO arbeiten wird, dem Frieden und dem Überleben des ganzen Planeten zu dienen.

Nein, das wird nicht passieren, weil es keine „Blöcke“ mehr gibt und auch keine konkurrierenden Systeme (China lassen wir weg, die Fragen nach dem Systemcharakter ist auf burks.de noch ungeklärt). Frieden und Kapitalismus ging noch nie zusammen – das werden die Grüninnen nie begreifen und das musste mal gesagt werden, weil mir danach ist.

Pariser Commune [Reprint]

commune

Heute ist der 152ste Jahrestag [das Publikum entscheide selbst über die Seriösität der verlinkten Quelle!] der Pariser Kommune. „On March 18, 1871, the workers of Paris rose up and declared a revolutionary Commune whose historical experience continues to resonate today. (…) The Commune was eventually defeated at the hands of the Versailles government, setting the stage for the bloody massacre of up to 30,000 Communards and unarmed citizens. But for all the force and vengeance the Versaillais could muster, the Commune did not die — the idea survived its “own working existence” and lived on, subterraneously, in the sacrifices of its martyrs, the aspirations of its survivors and the writings of its leading theoreticians.

Mehr lesen: Karl Marx: Der Bürgerkrieg in Frankreich“:
„Am Morgen des 18. März 1871 wurde Paris geweckt durch den Donnerruf: „Es lebe die Kommune!“ Was ist die Kommune, diese Sphinx, die den Bourgeoisverstand auf so harte Proben setzt?

„Die Proletarier von Paris“, sagte das Zentralkomitee in seinem Manifest vom 18. März, „inmitten der Niederlagen und des Verrats der herrschenden Klassen, haben begriffen, daß die Stunde geschlagen hat, wo sie die Lage retten müssen, dadurch, daß |336| sie die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten in ihre eignen Hände nehmen … Sie haben begriffen, daß es ihre höchste Pflicht und ihr absolutes Recht ist, sich zu Herren ihrer eignen Geschicke zu machen und die Regierungsgewalt zu ergreifen.“

Aber die Arbeiterklasse kann nicht die fertige Staatsmaschinerie einfach in Besitz nehmen und diese für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen. (-..)

Das stehende Heer und die Polizei, die Werkzeuge der materiellen Macht der alten Regierung einmal beseitigt, ging die Kommune sofort darauf aus, das geistliche Unterdrückungswerkzeug, die Pfaffenmacht, zu brechen; sie dekretierte die Auflösung und Enteignung aller Kirchen, soweit sie besitzende Körperschaften waren. Die Pfaffen wurden in die Stille des Privatlebens zurückgesandt, um dort, nach dem Bilde ihrer Vorgänger, der Apostel, sich von dem Almosen der Gläubigen zu nähren. Sämtliche Unterrichtsanstalten wurden dem Volk unentgeltlich geöffnet und gleichzeitig von aller Einmischung des Staats und der Kirche gereinigt. Damit war nicht nur die Schulbildung für jedermann zugänglich gemacht, sondern auch die Wissenschaft selbst von den ihr durch das Klassenvorurteil und die Regierungsgewalt auferlegten Fesseln befreit. (…)

Und doch war dies die erste Revolution, in der die Arbeiterklasse offen anerkannt wurde als die einzige Klasse, die noch einer gesellschaftlichen Initiative fähig war; anerkannt selbst durch die große Masse der Pariser Mittelklasse – Kleinhändler, Handwerker, Kaufleute -, die reichen Kapitalisten allein ausgenommen. (…)

Das Paris der Arbeiter, mit seiner Kommune, wird ewig gefeiert werden als der ruhmvolle Vorbote einer neuen Gesellschaft.“

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