Stille Tage in Rixdorf

balkon

Natürlich bin und war ich schon immer für die Emanzipation des schönen Geschlechts, einschließlich der hässlichen. Ich habe auch nichts dagegen, wenn die Frau mehr verdiente als ich. Dann könnte ich auf dem Balkon sitzen, herumräsonnieren, etwas Schönes kochen, putzen und waschen, und dafür sorgen, dass russische Raketen, Gendersternchen und arabischstämmigen Rapper möglichst weit weg blieben. Oder mich darüber freuen, dass die Krise der Bahn jetzt beendet ist.

And now for something completely different. Doch. Wir dürfen die Ukraine zu blöden Kompromissen zwingen. Inakzeptable Gesten sind natürlich völlig inakzeptabel. Da bin ich ganz beim Innenminister [sic]. Schön, dass wir darüber geredet haben. Man sollte darauf hinweisen, dass demnächst auch die Symbole des Regiments Asow auf deutschen Schulhöfen gezeigt werden. Ich wette darauf, dass ukrainische Eltern sich darüber beschweren werden, falls Stepan Bandera im Unterricht kritisch vorkäme – und nicht als Erlöser der Menschheit vom russischen Joch. Aber das wird er nicht.

wantan suppe
Wantan-Suppe im Vietbowl

Oh! Nachdem ein bekloppter Russe im Fernsehen vorschlug, Deutschland anzugreifen, müssen wir uns um den Zustand der Bundeswehr kümmern. „Dass nun drei statt vier Raketenwerfer geliefert werden, hängt nach Informationen von Business Insider unter anderem mit fehlender Munition zusammen. Deutschland kann laut Insidern einen größeren Teil seiner eigenen Munition nicht verschießen, weil ein Software-Update fehlt, das für Ende des Jahres angekündigt ist.“ Ach? Womöglich Munition, die mit Windows XP verschossen wird?

And now for something completley different. Die Franzosen haben Eier.

physiotherapie

Diversity ist ein Thema für 2000 Leute, die in den Medien arbeiten. 83 Millionen Deutsche wissen gar nicht, dass es dieses Thema gibt. (Harald Schmidt)

Ich fahre täglich viel Fahrrad, aber verlasse dabei mein Zimmer nicht. Aus dieser Perspektive ist vieles irrelevant, auch der Dienstplan, den meine Firma mir für Juli zuschickte und dem ich prophylaktisch widersprechen musste, es sei denn, mir würde erlaubt, dort auf Krücken oder noch humpelnd zu erscheinen. Ich muss jetzt nach dem Käsekuchen im Ofen sehen…

spargel
Z mit überbackenem Spargel an Schinken.




Zwei Wörter mit L, die untrennbar zusammengehören

leibesübungen

Leibesübungen und Valentina Lisitsa gehören für mich zur Zeit untrennbar zusammeen. Chopins Etüde No. 10 in C-Dur ist für eines der besten Klavierstücke überhaupt, vor allem, wenn die Lisitsa es wie gewohnt rasend schnell spielt. Die Etüden Chopins waren für mich, als ich in meiner Jugend Klavierunterricht hatte, immer eine Folter. Ich konnte nichts mit ihnen anfangen. Hätte ich sie damals vorab anhören können – in der Lisitsaschen (schreibt man das so?) Version -, hätte ich mehr verstanden und wäre motivierter gewesen.

By the way: Valentina Lisitsa ist eine sehr sympathische Ukrainerin mit einer passablen politischen Einstellung.

Gerade höre ich beim Bloggen Jean-Paul Amouroux Boogie for Piano and Harpsichord, auch gern hundert Male hintereinander.




Spezialoperationen im Tierreich

marienkäfer

Planen die etwa eine Spezialoperation gegen die (wenigen) Blattläuse auf meinem Balkon? Oder ist das nur ein Elternpaar mit drei Kindern?

Die Ameisen, die Trophobiose lieben, scheinen schon ganz aufgeregt. Und ganz leise höre ich die Blattläuse nach schweren Waffen rufen. Bei mir haben alle Aphidoidea denselben Namen – sie heißen Melnyk.




Ein Teller bunten Quatsch

treptower strasse 12

Was gibt es so?

– Noch mehr Vereinsmeierei. Also noch mehr Schriftführer, Kassenwarte und Beisitzer, Ämter, um die sich Leute bewerben, die sonst nichts auf die Reihe kriegen. Braucht dieses Land nicht.

– Nein. Ich kann den Quatsch nicht mehr hören. Dann doch lieber irgendeinen russischen Propagandakanal.

Warum bekommt die Ukraine keine Atomwaffen vom putinfreien Westen? Selenskij würde doch bestimmt vernünftig damit umgehen!

Manche Leute sind so dumm, dass es sogar verschwendete Zeit wäre, versuchte man, deren gar nicht vorhandenen Argumente zu widerlegen. #deutschersatzbau

olaf scholz
Wer hätte das gedacht! Gut, dass es Faktenchecker gibt! Die kriegen wirklich alles raus.

– Die Briten spielen mit dem Feuer. Doch halt! die Russen haben das schon gemerkt: „Laut BBC würden die ukrainischen Truppen nur drei dieser Kettenkampffahrzeuge erhalten. Wie britische Militärexperten bemerken, gibt es im Prinzip gar nicht sehr viele M270 im britischen Arsenal, die an Kiew geliefert werden könnten.“

– Nein, ich bin auf jeden Fall für die Chatkontrolle. Das funktioniert wie bei der „Online-Durchsuchung“: Wenn man fragt, wie das denn technisch umgesetzt werden soll, erntet man betretendes Schweigen. (Chat – was war das noch mal? IRC? Signal? Oder auf Suaheli in Second Life?) Vielleicht lernen dann einige Leute, wie man Kontrollen umgeht.

marmelade
Erdbeer- und Rharbarbermarmelade – man gönnt sich ja sonst nichts.




Krumme Löffel, Trampeln und andere schöne Dinge

qualitätsmedien

Die Medienblasenbewohner sollten vielleicht dessen eingedenk sein, dass ein großer Teil der Bevölkerung sie gar nicht zu Kenntnis nimmt oder dass deren Kenntnis über die Weltläufte sich aus der „Tagesschau“ speist und dem, was die Peer Group so an einen heranträgt. Die Rekonvaleszenten in der Reha-Klinik, mehrheitlich mit Rollator oder Krücken unterwegs, schienen mir weniger an Spezialfragen des Feudalismus, an Gamedesign in Second Life oder an Kryptografie interessiert, sondern an Johnny Depp und Amber Heard, die man hätte ins Colosseum sperren sollen. Wait a minute! Indisch essen für 59.000 Euro? Wie geht das?

für 59.000 Euro? Wie geht das? der Yellow Press im Allgemeinen und Besonderen, was die Auswahl auf der Theke der Rezeption zeigt.

patiententransport

Was haben wir noch? Die Opferzahlen der Ukraine im Kampf um den Donbass sind immens. Erneut sprach Kiew davon, dass täglich bis zu 100 Soldaten sterben. Die Verluste sind so hoch, dass mancher Experte bezweifelt, dass die Ukraine in einigen Wochen noch zu einer nennenswerten Gegenoffensive fähig ist. (Tagesspiegel)

Russia may be getting more revenue from its fossil fuels now than before its invasion of Ukraine, as global price increases offset the impact of western efforts to restrict its sales, US energy security envoy Amos Hochstein has said. „I can’t deny that,“ Mr Hochstein told the Senate Subcommittee on Europe and Regional Security Cooperation in response to a question about whether Moscow was making more money now off its crude oil and gas sales than before the war. (The Independent)

Seid ihr jetzt hinreichend informiert? Ich vergaß den Figaro: Au Donbass, ces soldats ukrainiens démunis qui abandonnent le front…

arbeitszimmerarbeitszimmerarbeitszimmer

Ich bin also wieder zu Hause und genieße den gewohnten Anblick. Just saying.

apfelstrudel

Das ist kein Kantinenfraß, sondern Apfelstrudel (der Kuchen in der Waldsiedlung war aber extrem gut!) Nur der Löffel gab mir irgendwie Rätsel auf.

Heute schon geradelt und dennoch nicht vom Fleck gekommen! (Danke, G.!)

ergometer




Band auf Kissen

theraband

Ich würde viel mehr schreiben, da über Pfingsten hier nichts stattfindet (man müsste höhere Löhne zahlen!). Leider kann ich noch nicht sehr lange auf meinem Allerwertesten sitzen, ohne dass es irgend schmerzt (beim Aufstehen) bzw. ich das Gefühl habe, mein rechtes Hüftgelenk sei eingerostet. Ich sitze auf einem so genannten orthopädischen Kissen, da das rechte Bein nicht mehr als 90 Grad angewinkelt sein darf, und mache ansonsten diverse Übungen mit einem so genannten Theraband, das ich vorher noch gar nicht kannte. Vielleicht sollte ich davon Videos erstellen…




Abseits der Weltläufte

Krücken

Meine Physiotherapeutin riet mir, die Krücken mal umzudrehen, weil meine Hardware schon in der Lage wäre, den Rest zum Laufen zu bringen, aber meine Software aka Gehirn das anders sähe, was zu ändern sei. Und siehe, es funktioniert, wenn auch noch nicht auf Dauer.

Was soll ich mich mit den Weltläuften beschäftigen? Es passiert doch eh nichts, was man nicht schon gehört hätte. Ukrainisches Militär meldet anhaltende Kämpfe um [bitte selbst ausfüllen]. #dreiunabhängigeQuellen

Die Ukraine gehört eindeutig zur Sowjetunion. (Auf Fratzenbuch schreiben sie sich ob dieses Postings die Finger wund, dabei wollte ich das Publikum nur in Medienkompetenz schulen. Ab 100 Kommentaren kaufe ich ein e.)

Fußpflege

Ich habe gelernt, was ein Fußpflegegerät ist (Link geht zur Großbourgeoisie). Man gönnt sich ja sonst nichts. Die Sache ist die 30 Euronen wert – ich darf mich rechts bis August nicht tief bücken.

Fußpflege

Grüße nach Unna ins Evangelische Krankenhaus! (Link geht zu Facebook)




Merciless und nicht vergessen

kunst

Surprise! Ab und zu kommen vereinzelte Stimmen der Vernunft zum Vorschein (nein, nicht in deutschen Medien), wie zum Beispiel im Guardian. Simon Jenkins: „The EU should forget about sanctions – they’re doing more harm than good – Far from compelling Russia to exit Ukraine, they are causing great suffering worldwide as food and energy prices soar“. Hätte uns doch jemand gewarnt!

Doch halt: Wir haben noch die Tagesschau: „Im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine steigen die Energiepreise. Russland rechnet deshalb in diesem Jahr mit fast 14 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Ein Teil des Geldes soll für den Krieg ausgegeben werden.“ Ach?!

Ich habe noch ein Stimmungsbild von der BBC: „I watched from afar Russia’s latest merciless assault on Severodonetsk“. Na sowas. Die Stadt ist schon zur Hälfte in russischer Hand. Das ging ja schnell. Im Ruhrpott fragt man dann: Un gezz?

Ganz ruhig: Wer fragt, verunsichert die Bevölkerung. Und den Abgeordneten des Bundestags erzählt man einfach nichts mehr. Demokratie wird eh überschätzt.

Ich darf übrigens zum heutigen 31. Mai auf mein Posting vom 01.06.20 hinweisen: „Nicht vergeben, nicht vergessen“.

Für diejenigen, die das Thema Krieg und auch den Rest satt haben: Man kann sich auch mit künstlichen Krabbeltieren, die durch Nadelöhre kriechen, beschäftigen. Oder was machen eigentlich die Chinesen? Sie weisen dezent darauf hin, dass man sie wohl kaum boykottieren kann, weil sie Rohstoffe besitzen, die sonst kaum jemand hat. Die deutsche Bahn übertrumpfen sie auch. Vieleicht sollte ich täglich die chinesische Propaganda hier posten, um irgendwann mitfliegen zu können.

kuchen
Ich arbeite noch immer daran, mein Idealgewicht zu erreichen.




In der Muckibude

muckibude

Endlich täglich Muckibude, leider viel zu kurz. Aber mehr solle ich mir nicht antun, sagt meine Lieblingsphysiotherapeutin (die mit dem schönen Charakter), die Operation sei noch nicht so lange her.

„Haben Sie einen Computer?“ fragte mich ein Sporttherapeut. Ich soll mir ein Ergometer anschaffen, gebraucht oder bei der Großbourgeoisie. Hat das Publikum Erfahrungen und Tipps. welchen man nehmen sollte? (Kein Schnickschnack nötig: Sitzhöhe muss verstellbar sein und die Kraft, die man braucht.)

„YMMD“ hätte ich am liebsten geantwortet. Aber das hätte er vermutlich nicht verstanden.




Fast Planwirtschaft sowie Greifzangen

windows xp

Ich konnte nicht widerstehen – ein Fall für das Softwaremuseum. Dabei ist die Maschine, auf der das oben läuft, extrem effektiv: Man loggt sich hier per Transponder, der Teil des Schlüsselbundes ist, ein und wählt per Touchpad aus, was man essen will, eine Woche im voraus. An dem jeweiligen Tag loggt man sich wieder ein, und die Küche kriegt einen digitalen „Bon“ und weiß, was sie liefern soll. Man wird platziert, und das Mahl wird an den Platz gebracht. Ich sehe keinen Unterschied zur kommunistischen Planwirtschaft: Nichts muss weggeworfen werden, und das Küchenpersonal kann ökonomisch rational handeln. Und ich gehe jetzt Jagen und Fischen. Oder irre ich mich?

Das profitorientierte Gesundheitssystem ist marode, selbstredend auch die Reha-Einrichtungen. Das äußere Luxus täuscht. Wenn man sich die medizinische Seite ansieht, weiß man nicht, ob man weinen oder lachen soll. Am Wochenenden und an Feiertagen wird nicht gearbeitet – es müssten höhere Löhne gezahlt werden. Das geht gar nicht. Und wenn ein Physiotherapeut krank wird, fällt seine Stunde eben aus. Wäre ich Fußballprofi, bekäme ich vermutlich täglich mindestens fünf Stunden irgendwas zu tun.

Ich werde zwei Tage zusätzlich verlieren – Himmelfahrt und Pfingstmontag. Zum Glück waren die Physiotherapeutinnen im Martin-Luther-Krankenhaus sehr professionell und haben mir Übungen empfohlen, die ich selbst machen kann. Hier „rehabilitiere“ ich schon fünf Tage und bin bisher nur zwei Mal je 15 Minuten Standfahrrad gefahren, habe zwei Mal in der „Hockergruppe „jeweils 20 Minuten die Beine geschlenkert, und durfte betreut spazierengehen, was ich auch allein geschafft hätte. Ich warte immer noch auf eine individuelle Physiotherapie. Die erste ist laut „Dienstplan“ am Freitag…

Gestern ist mir beim unbegleiteten Gehen mein neues Gelenk rausgeflogen (Luxation). Ich bewegte mein rechtes Bein falsch, es knackte hörbar, und mein rechter Fuß drehte sich nach außen, was nicht sein soll. Es tat höllisch weh, wie bei einem starken Krampf. Ich hatte großes Glück, weil die nächste Bank nur 20 Meter weit entfernt war. Als ich mich schmerzverkrümmt darauf fallen ließ, gabe es wieder einen hörbaren Knack, und das Gelenk war wieder drin. Learning by doing. Gelobt sei, was hart macht.

greifzangen

Falls jemand eine Greifzange braucht, weil zu weit Bücken temporär verboten ist: Das ein einschlägige Angebot der Großbourgeoisie (Foto links) ging hier schon am zweiten Tag kaputt, weil a) aus Plastik mit einem zerbrechlichen Scharnier und b) weil ich mich draufgesetzt hatte – allerdings auf weichem Untergrund. Heute bekam ich vom hiesigen Reha-Geräte-Experten eine neue. „Immer aus Metall“ war sein Rat, und der ist vermutlich richtig. Es geht in homoöpathischen Dosen voran.




Protokollstrecken und coordinated inauthentic behavior

waldsiedlung

Ich rekonvaleszenziere hier vor mich hin in Sichtweite der Waldsiedlung. Die, die hier wohnten, werden bis auf wenige Ausnahmen, irgendwann fast vergessen sein. Vielleicht ist das nicht richtig. Zum Beispiel:
Da Axens Tätigkeiten im Politbüro der SED nicht mit den Grundsätzen der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit zu vereinbaren seien, wurde der Witwe, Sonja Axen, die Entschädigungsrente von monatlich 800 DM, die sie nach ihrem verstorbenen Mann erhielt, 1992 aberkannt. Sie war die Tochter des antifaschistischen Widerstandskämpfers Harry Kuhn.

Nein, so etwas muss man den Nachgeborenen ab und zu unter die Nase reiben. By the way: Das Kunstwerk oben, das ich online nicht finden konnte, gefällt mir – es erinnert mich irgendwie an meine neue Hüfte.

waldsiedlungwaldsiedlung

Die Zeitläufte sind hier weit weg. Ich empfehle aber dringend, sich das Video von The New Atlas anzusehen: „Russian Ops in Ukraine – Ukraine Losing M777 Howitzers, Continues Losing Ground in Donbas“ (in Englisch, ca 23 Minuten). Danach lacht man sich über die Berichte in deutschen Medien nur kaputt. („Formally known as „Land Destroyer,“ The New Atlas provides geopolitical analysis by Brian Berletic (aka Tony Cartalucci) with a focus on Eurasia, based in Bangkok, Thailand.“) Nein, das ist kein russischer Propagandakanal. Das Publikum mag sich selbst ein Bild machen.

Oder auch Time lesen:
„While 141 countries in the UN voted to condemn Russia’s aggression, the number of African, Middle Eastern and South American countries who have imposed sanctions on Russia is 0. (…) …two-thirds of the world doesn’t see the war that we see.“

waldsiedlung




Betreutes Gehen (FYI Tag 9 nach Operation)

patiententransport

Was sonst noch geschah. Machen wir es sowjetisch: Der Plan ist, im August wieder unter der Spandauer Wasserstadtbrücke hindurchzupaddeln, und vorher unter der Spandauer Seebrücke (im Hintergrund des Fotos zu sehen).

zimmer

Studiert die Werke des Vorsitzenden Burks, hört auf seine Worte und handelt nach seinen Weisungen! Falls hier noch jemand Ersatzteile implantiert hat hüftgeschädigt ist: Ich kann nur empfehlen, die von den Kassen bezahlte Rehabilitation in Anspruch zu nehmen. Nach meinem doppeltem Hüftbruch 1995 habe ich das sträflich vernachlässigt, weil ich irrig dachte, das gäbe sich schon irgendwie. Und als ich es mir wenige Jahre später beweisen wollte und allein mit einem 20-kg-Rucksack durch Venezuela lief, bestätigte mich das. Die minimale Fehlhaltung war auch beim Laufen und bei Krav Maga kein Hindernis. Aber je älter man wird usw…[bitte selbst ergänzen].

internet

Dank des profitorientierten Gesundheitssystems Nun bin ich also Gast bei der Michels Unternehmensgruppe. Es kam, wie es kommen musste: Ein Computer für Tausende für das ganze Gebäude, und WLAN kostet zwei Euro pro Stunde. Zum Glück bin ich komplett hardwaremäßig autonom und führe auch mein Internet mit mir. Wieder sowjetisch: Ich plane, mich mal vor den hauseigenen Rechner zu setzen, wenn niemand guckt, um vielleicht die Startseite etwas attraktiver zu gestalten. Oder auch ein anderes Wallpaper? Erotik kommt immer gut.

girl

Das Schwimmbad ist kaputt. Ich dachte, mich erwartete ein Anblick etwa wie oben. Gut, ich mag Schwimmen sowieso nicht.

Ich dachte, Ost-Bräute hätten immer kurze blonde Haare und eine Walküren-Figur? Als Ersatz kann ich den Märkischen Konsum in der Offenbachallee empfehlen: Die Verkäuferin ist mehrere Blicke wert und äußerst attraktiv (sie trug ein schwarzes Tommy-Hifinger-1985-shirt – das ist aber nicht ihr Geburtsdatum. Ich habe sie gefragt!) Seife ist in der Reha-Klinik nicht im Preis inbegriffen, ich musste welche im Konsum kaufen.

seniorenresidenzLeberseniorenresidenzKuchen

Alles luxuriös hier, aber natürlich Abzocke. Der Obararzt sagte grinsend zu mir: Eine Flasche kostet 2,50 Euro, aber das Wasser dazu sei gratis. Ich trinke aus Protest Leitungswasser. Essen: Sehr gut, all you can eat bei Frühstück und Abendessen, und nicht vegan verseucht. Nehmt dies, Muselmanen: Leber und Wurst vom Schweinchen!

Kurschatten gibt es nicht Die Anlage hier ist umzingelt von Altenheimen Seniorenresidenzen, wo diese vor sich hin residenzen. Ich bin der einzige Mann mit langen Haaren und vermutlich auch der einzige mit Instagram, Linux usw. und dem üblichen Zeug, was man so braucht. Heute erstes betreute Gehen. Krückendichte bei fast 100 Prozent, ansonsten meistens weißhaarige Damen, die nicht zur Bulimie neigen und die mich natürlich überhaupt nicht ansprechen weil sie irrig denken, ich sei zwei Jahrzehnte jünger als sie.

girl

Mein Gang ist natürlich nicht so, wie er sein sollte (die Version „weiblich“ oben) und wie die liebreizenden Physiotherapeutinnen im Krankenhaus mir rieten. Ich muss deren Tipps erst in mein Langzeitgedächnis hämmern. Man kann hier aber auch den gewohnten Trott hinter sich lassen. Aufstehen um sechs Uhr – sonst kriege ich kein Frühstück ab. Ich werde übrigens am 8. Juni entlassen. Bis dahin muss ich ohne Krücken gut laufen können.

burks

Was macht eigentlich Putin?




Unter Jägerschnitten

jägerschnitte

Aus der Reihe „Rezepte fremder Völker“: die Jägerschnitte. Ich habe vor der investigativen Recherche im Internet versucht, meine Geschmacksnerven erkunden zu lassen, aus welcher Substanz diese Schnitte sei – Fleisch, Fisch, Wurst, pure Chemie oder gar geschmacklose arabische Pampe? Oder ist diese Schnitte eine embryonale Form des Jägerschnitzels?

Nein, ich beklage mich nicht. Ich würde nur gern wissen, ob Wurst, hier Jagdwurst, immer nach nichts so schmeckt? Und was ist Aufschnitt-Grundbrät? Hört sich nicht gut an, so wie „Erich Honecker“ oder „Sättigungsbeilage“…

Nach dem Verzehr habe ich aber beschlossen, das Rezept nicht unbedingt nachkochen zu müssen oder erst, wenn ich mir nichts anderes mehr leisten kann.




Feucht-schwüle nibelungische Killer-Hasen

woman in a bar

Während meine Gelenke quietschten und die Muskeln zappelten, sprach ich mit meiner bezaubernden, aber sehr jungen Physiotherapeutin über dieses und jenes. Als sie mich fragte, was ich studiert habe und ich „Altgermanistik“ anwortete, merkte ich an ihrem Gesichtsausdruck, dass ich auch hätte hieroglyphische Assyriologie antworten können, obzwar sie „interessant“ murmelte. Das, sehr geehrte alte weiße Männer mit feucht-schwülen Träumen, ist kein Interesse, sondern professionelle Empathie, bedeutet also rein gar nichts. Ich reagierte spontan und bot ihr an, am nächsten Tag – während meine neue Hüfte die ersten Salsa-ähnlichen Turns machte – das Nibelungenlied zu rezitieren, selbstredend auf Mittelhochdeutsch. Das fand sie dann doch lustig.

Später fiel mir ein, dass eine interessantere Anmache, fände dieses Gespräch in einer lauschigen Bar statt, gewesen wäre, etwas über Killerhasen in feudalen Handschriften zu erzählen. Darüber weiß ich aber nicht viel – ich müsste also, nachdem die Aufmerksamkeit geweckt, doch auf dem kürzestem Weg zurück zum Nibelungenlied, über das ich vermutlich stundenlang referieren könnte, ohne einmal im Internet nachschauen zu müssen oder auf meinem Blog.

Ich stelle mir also die Aufgabe, rein hypothetisch natürlich, wie so etwas aussehen könnte, umrahmt von schummerigem Licht, guten Getränken und einem Mädel gegenüber, dass schon fest entschlossen ist, wenn die ersten zwei Minuten langweilig werden, sich alsbald dem nächstbesten veganen Hipster mit Waschbrettbauch an denselbigen oder den Hals zu werfen.

killer rabbit

Wir wiederholen heimlich, um für alle Fragen gewappnet zu sein: Der zentrale (Klassen-)Konflikt im Nibelungenlied thematisiert genau das Problem: Während die eine Fraktion darauf beharrt, dass die Kriegerkaste hierarchisch geordnet ist – mit dementsprechenden eindeutigen Rechten und Pflichten, aber auch dem Risiko, dass jeder jedem baldmöglichst den Schädel einschlägt, um sozial aufzusteigen, verweigert die andere das, sondern schmuggelt unverbindliche Begriffe wie friund ein, die das Lehnswesen aushebeln, weil niemand weiß oder nachvollziehen kann, wer bei „Freunden“ das Sagen hat. Das ist das Todesurteil für eine orale Gesellschaft. Das Nibelungenlied – eigentlich eine Art Propagandaschrift der Ministerialen, die nicht mehr Vasallen waren, lässt die „altertümliche“ Fraktion sich gegenseitig abschlachten, bis niemand mehr übrig bleibt, was die Rezipienten sicher richtig verstanden haben. Das wäre so, als stünde am Schluss eines „Tatorts“ auch der Tod der Kommissare und aller Statisten.

Das Nibelungenlied ist aber trotzdem „altertümelnd“, weil alle vergleichbaren Epen, die im 13. Jahrhundert entstanden, etwa der Parzival – für mich das feudale Epos schlechthin – zwar Hauen und Stechen exzessiv schildern, aber die Protagonisten fast immer überleben lassen. So grimmig und gruselig (wenn man den stabgereimten Original-Text sich vorliest) wie das Nibelungenlied endet nur noch das rätselhafte Hildebrandslied, das aber rund 300 Jahre älter ist.

killer rabbit
14th century, Ms. 121, fol. 23r, Bibliothèque de la Sorbonne, Paris, France. Detail. (CC BY-NC 3.0)

So wird das natürlich nichts. Die Dame hängt schon auf dem Schoß des Hipsters. Also anders.

„Mitteldeutsch? Braucht man das oder kann das weg?“
„Wenn man sich für Literatur interessiert, kann man das nutzen, um zu kapieren, dass es immer nur um das Eine geht…“
„Um Sex? Bist du nicht ein bisschen zu direkt?“
„Das Eine meint meint hier: Klassen, die sich bekämpfen, nutzen die Geschichten (besser vielleicht wie das Original: alte maeren), die vorgesungen wurden, um sich gegenseitig die Welt zu erklären – ungefähr wie Linton Kwesi Johnson.“
„Der spielt doch Reggae?“ (Dame denkt: Kennt der Kerl sich etwa mit Popkultur aus?)
„Der Musikstil ist egal, aber Songs wie Forces of Victory erzählen mehr als das, was in den Medien vorkommt. Oral history und so. So ist es vor einem Jahrtausend auch, nur ein bisschen komplizierter.“
„Soso.“ (Dame nickt und bleibt sitzen.)
„Die Literatur um 1200 ist nur für die Herrschenden bestimmt, das Volk taucht nicht auf und hört auch nichts davon. Lesen konnten sowieso nur Mönche. Kompliziert, weil die Thesen kodiert sind und wir Texte heute sowieso anders rezipieren. Hegel hat gesagt, dass feudale Epen ungefähr wie eine katholische Messe seien. Hegel turnt garantiert ab.
„Kodiert? Ich bin keine Mathematerikerin!“
„Kostümiert ist besser. Denk an Fifty Shades of Grey – zu direkt Games of Thrones: Das ist eigentlich eine Soap Opera, nur mit komischen Klamotten und Drachen. (Eventuell ist der Zusatz nötig: Den Quatsch habe ich nie gesehen.) Im Nibelungenlied kostümieren sich Ministeriale, eine Klasse, damals recht „modern „war, als frühmittelalterliche Schlagetots. Deren Zeit war aber schon vorbei. Das ist extrem verkürzt – nein, das weckt falsche Assoziationen. Das würde jetzt langweilig werden, wenn wir ins Detail gingen, warum sie das tun und wie…“
„Kommt im Nibelungenlied auch Sex vor?“
„Ziemmlich drastisch sogar – Brünhilde denkt, sie fickte mit ihrem Ehemann Gunther, in Wahrheit ist es aber Siegfried – so eine Art indirekter Dreier. Willst du wirklich die Details?“
Dame lächelt und bestellt noch ein Getränk.

killer rabbit
A killer rabbit in the medieval manuscript Bréviaire de Renaud de Bar (1302-1304). Ms 107, fol.-89r-89r. Source: Bibliothèque de Verdun/ CC BY-NC 3.0




FYI: Tag 5 nach Operation, et al

mirror
Eine Krankenschwester bei der Morgentoilette (Symbolbild)

Komisch, das Gehen wieder neu lernen zu müssen. Eine meiner Physiotherapeutinnen hat mich vor den Badspiegel hier gestellt und gezeigt, wie ich ein paar Male die Beinchen heben kann, ohne die Schultern schräg zu halten. Ich hatte vergessen, wie das geht. Ich kann sogar das Becken bewegen, obwohl es zum Salsa nie mehr reichen wird. Alles ist jetzt schon besser als vorher, und ich bin guten Mutes.

Gibt es irgendwo eine Website, auf der ich dieses Krankenhaus bewerten könnte? Gerade hat eine Krankenschwester zwei heiße Tassen Kaffee neben den Laptop gestellt, ohne dass ich den gesondert hätte bestellen müssen. Und gestern bekam ich eine Fußwaschung mit anschließender Ölung händisch aufgetragener Creme – auch das hätte das Personal nicht machen müssen.

Einer meiner Operateure sagte mir, er habe mich an dem Röntgenbild meiner Hüfte „wiedererkannt“. Decken die das Gesicht während des Eingriffs ab? Machte Sinn, dass sie sich bei einem hässlichen Mann nicht weniger Mühe geben als bei einem nackichten Model, obwohl die selten neue Hüften brauchen.

urlaub

Zum Glück hatte ich schon im letzten Jahr einen Teil meines Urlaubs eingereicht, ohne zu wissen, dass der Termin für die Operation ausgerechnet im Mai sein würde. Dank Corona könnte man eh nicht genau planen. Ab heute habe ich Urlaub, aber doch nicht, sondern später. Mal sehen, ob das Kapital das auch weiß, oder ob jemand meint herumzicken zu müssen zuungunsten der arbeitenden Klasse.

physiotherapeutin
Eine Physiotherapeutin zeigt mir eine Körperhaltung, die dem muskulären Aufbau dient (Symbolbild)

fenster
Meine temporäre beschränkte Weltsicht, ohne Krankenschwester (Symbolbild)

Wahlergebnisse? Sagte hier jemand Wahlergebnisse? Wer in NRW regiert, wird in 1000 Jahren so wichtig sein wie für uns heute die Schlacht bei Mursa. Oder wie Söldner in der Ukraine kämpfen. Oder wie die Schlacht um Severodonezk.

strümpfe
Hat schon mal jemand versucht, zum Anziehen einfacher Socken Werkzeug zu benutzen?

By the way: Möchte jemand den Russen gutes Essen verkaufen? Oder einen Moskwitch erwerben?

mittagessen krankenhaus
Mittagessen, vermutlich ca. 134 Kalorien, aber mehr brauche ich auch nicht, wenn ich auf meinen Schrittzähler schaue.

And now for something completely different: Deniz Yücel im Interview: „[Bitte selbst ausfüllen] wird dominiert von einem Haufen Spießern und Knallchargen“.
Wer ist gemeint?
[ x ] die Linke?
[ x ] der Deutsche Journalisten-Verband?
[ x ] der PEN?
[ x ] alles?

Freut mich, dass der Kollege wieder Klartext spricht. Wenn er in den DJV einträte, insbesondere in Berlin, könnte er die Textbausteine wiederverwenden. Hier ist gerade ein Mitglied des Vorstands zurückgetreten. Er hat Streikbrecher gespielt hat und wurde von seinen Kollegen (nicht Verbandskollegen) anschließend gegrillt. Auch eine freie Mitarbeiterin beim RBB war einschlägig „tätig“ – um die kümmere ich mich noch, wenn ich wieder fit bin. Der Streikordnung des DJV bestimmt in § 13: Alle DJV-Mitglieder sind verpflichtet, den Streikaufruf zu befolgen. Arbeit in bestreikten Betrieben bzw. Rundfunkanstalten während des Arbeitskampfes ist Streikbruch. Die zentrale Streikleitung kann beim jeweiligen Landesverband beantragen, Streikbrecher aus dem Verband auszuschließen.

Leider war ich nicht in dieser Streikleitung. Ich muss gerade an meinen Gewährsmann Caligula denken. Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen wurde mir zugetragen, dass schon wieder ein paar abgehalfterte Funktionärinnen dort planen, mich irgendwie auszuschließen, weil ich immer so pöhse bin und auf die Satzung poche und Mauscheleien aufdecken möchte Viel Spaß dabei!

ausblick
Vermutlich wird mein Zimmer in der Reha so aussehen, mit Physiotherapeutin (Symbolbild von Van Morrison).




Ordnung der Spargelartigen

clivie

Wieso blüht meine Clivia miniata ausgerechnet dann, wenn ich gar nicht da bin?




Gespreizt

sex

Das kommt auf mich zu. Ich überlege, was genau die damit meinen und wie es aussähe. So wie auf dem Bild unten? Ich verstehe es nicht.

sex




Nehmt dies, Bildungsbürger!

„Die eigene Klasse prägt einen Menschen für immer“. Francis Seeck forscht zu sozialer Ungleichheit und Klassismus und sagt: Vor allem Bildungsbürger grenzen andere aus. Und sind sich ihrer Privilegien zu selten bewusst. (Alles versteckt hinter der Paywall der „Zeit“, die nur Bildungsbürger lesen und bezahlen können.)




Lifestyle auf Vorrat

balkon

Die Pflanzen auf meinem winzigen Balkon versuchen mich zu erfreuen. Sogar die Ameisen gucken irgendwie fröhlich.

Da ich vermutlich in eineinhalb Wochen für einen Monat nichts Gutes mehr zu essen bekomme, das aber nicht bedaure, weil ich fünf Kilo Übergewicht habe, was zu ändern sein wird, muss ich auf Vorrat speisen. Es gab also eine chinesische süß-sauer-scharfe Suppe mit Glasnudeln.

süss sauer suppe

Vorher und nachher (har har) noch Erdbeertorte, meine jedoch ohne Pistazien. In Kürze müssen wir uns dennoch wieder den Weltläuften zuwenden.

erdbeertorte




Unter Pagenschnittigen

pagenschnitt

Meine Mutter (rechts, Jahrgang 1925) und ihre Cousine Leni (Mitte) und zwei unbekannte Kinder in den 30-er Jahren (Weimarer Republik). Die Frisur – der so genannte Pagenschnitt – war damals modern.