Die Ohren der Frösche

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Während meiner Reise nach Venezuela 1998 – ich war allein unterwegs – habe ich kein richtiges Reisetagebuch geführt, sondern nur Notizen gemacht über Dinge und Fakten, die ich für meinen Roman Die Konquistadoren brauchte. Der spielt genau da, nur zwischen 1534 und 1539, in der Zeit der Eroberung des Landes durch deutsche und spanische Landsknechte. Die Konquistadoren zogen plündernd und mordend von Coro im Norden nach Südwesten, entlang der Anden, endlich über den Fluss Arauca weiter ins heutige Kolumbien.

Ich war nach sechs oder sieben Wochen und nach einigen Strapazen in Palmarito angekommen und von dort nach Amparo an der kolumbianischen Grenze gereist und hatte meine Recherchen so gut wie abgeschlossen. Der Rest der Reise war „Urlaub“, wenn man das so nennen kann.

Jetzt wollte ich nach Osten zum zum Rio Meta und zum Orinoco. Dorthin verirrt sich so gut wie nie ein Fremder. (Wie ich zum Rio Apure gelangte, habe ich hier vor zwei Jahren beschrieben.)

venezuela

In Amparo nahm ich einen Bus nach Elorza. Den (vgl. Foto unten) fand ich recht komfortabel, da ich 1979, 1982 und 1984 entweder per LKW oder Pickup gereist war oder fast immer in Bussen, die ausrangierte Schulbusse waren und für große Europäer daher nicht unbedingt bequem, zudem während der Fahrt meistens repariert werden mussten, wenn sie nicht ganz auseinanderfielen (wie 1982 ein Bus auf der brasilianischen Transamazonica). Ich war trotzdem gespannt, weil ich keinen blassen Schimmer hatte, was mich erwartete.

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Ich saß neben einer Schwarzen, die zahllose Tüten und Pakete und noch mehr Krempel um sich gestapelt hatte. Wir kamen natürlich ins Gespräch, weil ich Informationen über mein Reiseziel Elorza brauchte. Sie war bestimmt genauso neugierig, sie hatte noch nie einen Deutschen getroffen. Sie sagte mir, ich könne bei ihr im Garten meine Hängematte aufhängen, ich müsse ihr jetzt nur beim Tragen ihrer Sachen helfen.

So geschah es, es waren nur noch mehr Tüten, als ich gesehen hatte – sogar ein ziemlich ramponiertes Kinderfahrrad war dabei. Wir kamen an einem Sonntag genau gegen Mittag an, bei glühender Hitze. Mein Rucksack damals wog gut zwanzig Kilo und die Dame guckte mich fragend an. Ich ließ mich nicht lumpen und nahm die Tüten, Taschen und was es sonst noch gab, auch das Kinderfahrrad unter den Arm. Wir marschieren frohgemut los.

Elorza ist ein kleines Nest (heute 26.000 Einwohner). Ich dachte, dass es nicht weit sein könne. Das war aber nicht so. Sie wohnte in den „Slums“ im Süden des Ortes, einer ärmlichen Gegend mit roh gemauerten Häusern, meistens mit Wellblech gedeckt, oft ohne Strom und fließend Wasser. Ich weiß nicht mehr, wie lange der Fußmarsch war, nur, dass ich fast gestorben wäre. Ich war so nassgeschwitzt, als wäre ich in einen Fluss gefallen.

Ich konnte aber nicht aufgeben, denn vor den Häusern lungerten viele Leute herum, die Siesta machten oder in der Gluthölle dösten, und alle glotzten die kleine Lastenkarawane an. Die Frau kannte die meisten und plauderte angeregt auch noch ein wenig hier und da, während ich versuchte auf den Beinen zu bleiben und gute Miene zum anstrengenden Spiel machte. Sie musste unbedingt jedem erzählen, welch exotischen Kerl sie aufgegabelt hatte. Ich wurde besonders von einem Mann motiviert, die uns sah, offenbar alle seine Nachbarn herbeirief, auf mich zeigte und laut rief: „Mira, el toro!“ [etwa: Guck dir den Stier an!] Mein „Gepäck“ war gar nicht so schwer, nur unhandlich, aber die Hitze brachte mich fast um. Bei so einem „Kompliment“ musste ich natürlich durchhalten. Heute könnte ich mich kaputtlachen, aber damals fand ich das nicht lustig.

Die Hütte meine Gastwirtin war an der östlichen Seite einer nicht benannten Straße. Es gab nur einen Raum, der als Wohnzimmer, Küche und Kinderzimmer für ihre drei Sprößlinge diente. Das Grundstück war klein und hatte einen verwilderten Garten. Einen der minderjährigen Söhne habe ich nicht kennengelernt – er war gerade im Knast, und sie versuchte jeden Tag ihn herauszubekommen. Einen Mann hatte sie auch nicht, aber derjenige, von dem eines oder zwei der Kinder waren, hatte ihr wohl die Hütte geschenkt. Ein Bad existierte ebensowenig, nur ein Wasseranschluss für einen Schlauch auf einer Art Waschbecken aus Steinen. Man musste über einen Stacheldrahtzaun zu den Nachbarn klettern und dort sein Geschäft auf einem Plumpsklo verrichten, das mit Wellblech nach außen notdürftig abgeschirmt war (oberstes Foto).

Ich kann mich fast an jedes Detail erinnern, weil ich in einer Nacht Durchfall hatte, mich aus der Hängematte quälte und zu allem Überfluss in den Stacheldrahtzaun fiel, weil es trotz meiner kleinen Taschenlampe stockdunkel war, und blutete. (Irgendwo habe ich noch einen kleine Narbe davon.) Auf dem Plumpsklo erwartete mich ein unvergessliches Szenario: Hunderte kleiner Frösche saßen überall, sogar auf der hölzernen Klobrille, weil die „Toilette“ der einzige feuchte Fleck weit und breit war (es war Sommerzeit) Ich weiß heute noch, dass ich mich fragte, ob Frösche Ohren haben und durch Händeklatschen zu vertreiben wären. Irgendwie habe ich mir Platz geschaffen, ich weiß aber nicht mehr, wie.

Auf der Straße zum Hauptplatz war ein kleiner Laden mit einem ungemein freundlichen Ehepaar, das mich jedes Mal hereinwinkte, wenn ich vorbeikam, um ein Schwätzchen zu halten. Das Geschäft war so winzig, dass man sich kaum umdrehen konnte. (Die Ecke könnte an der Avenida Aeroperto sein – ich weiß noch, dass ich nach Süden fotografiert habe – im Hintergrund, wo die großen Bäume zu sehen sind, biegt die Via Caribe nach Osten ab.)

Der Inhaber kannte jede und jeden, und als ich ihm erzähle, ich wolle versuchen, zu den Guahibos zu gelangen, die Halbnomaden sind und mal hier und mal dort in den Llanos leben, fand er gleich eine Lösung. Er brüllte laut über die Straße: „Roberto, telefono!“ Der Gerufene kam herbeigerannt. Der Ladenbesitzer lachte sich kaputt und erklärte ihm, was ich wollte. Roberto Parra hatte einen Jeep und fuhr mich ein paar Tage später gratis zu den Guahibo am Rio Capanaparo, einfach, weil er nett und neugierig war, obwohl wir einen ganzen Tag unterwegs sein mussten.

Auf der halsbrecherischen Fahrt ist mein liebstes Selfie entstanden.

(Ich wollte etwas Politisches bloggen, aber ich habe ziemlich viel Zeit verplempert, um die Fotos aufzubereiten, die ich vor Jahren digitalisiert und archiviert hatte.)

Der gottverlassene Landstrich, revisited

Dieser Text erschien am 19.9.97 im Berliner Tagesspiegel – leider erheblich und sinnentstellend gekürzt.

San Fernando de Atabapo
San Fernando de Atabapo im venezolanischen Bundesstaat Amazonas (obwohl der Ort am Orinoco liegt).

Oberhalb der großen Katarakte fanden wir längs des Orinoco auf einer Strecke von 450 km nur drei christliche Niederlassungen, und in denselben waren kaum sechs bis acht Weiße, das heißt Menschen europäischer Abkunft. Es ist nicht zu verwundern, daß ein so ödes Land von jeher der klassische Boden für Sagen und Wundergeschichten war. Hierher versetzten einst Missionare die Völker, die ein Auge auf der Stirn, einen Hundskopf oder den Mund unter dem Magen haben. (Alexander von Humboldt)

Wuchtiger Granit, von der stillen Kraft der Strömung rund geschliffen, versperrt den Weg. Den Orinoco aufwärts, oberhalb der unpassierbaren Stromschnellen: Die Trockenzeit hat den Pegel so weit fallen lassen, daß schwarze Felsbrocken sich unerwartet dort auftürmen, wo man vor einigen Tagen noch ohne Mühe passieren konnte. Der indianische Kapitän strahlt über das ganze Gesicht: Er darf zeigen, daß er jeden Quadratmeter des Flusses kennt. Das Steuer abrupt nach links und rechts, Außenbordmotoren röhren, die Passagiere stöhnen auf, die Bugwelle klatscht an die vorbeihuschenden Felsen, gerettet.

Wer von Puerto Ayacucho, der quirligen und stickigen Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas, nach Süden reisen will, muß zunächst mit einem Lastwagen vorliebnehmen. Der bringt ihn an den Katarakten vorbei an den Oberlauf des Orinoco. Die Straße endet abrupt im Fluß. In einer Bretterbude verkaufen zwei Frauen gekühlte Getränke. Ein einsamer Ventilator surrt aufgeregt, aber vergeblich gegen die Hitze. Umsteigen in ein hoffnungslos überladenes Schnellboot. Die Fahrt nach San Fernando de Atabapo im tiefsten Urwald Venezuelas dauert vier Stunden.

Hier, inmitten des neuen Kontinents, gewöhnt man sich beinahe daran, den Menschen als etwas zu betrachten, das nicht notwendig zur Naturordnung gehört… Krokodile und Boa sind die Herren des Stromes; der Jaguar, der Pecarim, der Tapir und die Affen streifen durch den Wald, ohne Furcht und ohne Gefährde; sie hausen hier wie auf einem angestammten Stück Erde.

Das schrieb Alexander von Humboldt im April 1800, als er und sein Gefährte Bonpland im Auftrag der spanischen Krone die Region erforschten. Humboldt bewies, daß zwischen den größten Flußsystemen Südamerikas eine Verbindung besteht. Der Cassiquiare, den Humboldt als erster Europäer befuhr, zweigt vom Orinoco ab, östlich von San Fernando de Atabapo, und ergießt sich zwei Tagesreisen mit dem Kanu weiter südlich in den Rio Negro. Der wiederum mündet bei Manaus in den Amazonas. Das Gebiet am Oberlauf des Orinoco ist weitgehend unerforscht und gilt als letzte Heimstatt indianischer Völker, die sich dem Kontakt mit der Zivilisation weitgehend verweigern. Die Schilderungen Humboldts, ab 1805 unter dem Titel „Reise in die Äquinoctial-Gegenden des Neuen Kontinents“ veröffentlicht, können noch heute als Reiseführer dienen.

Auf beiden Seiten lief fortwährend dicker Wald am Strome hin. Die Berge im Osten schienen immer weiter wegzurücken. Wir kamen an einer merkwürdig gestalteten Insel vorbei. Ein viereckiger Granitfels steigt wie eine Kiste gerade aus dem Wasser empor; die Missionare nennen ihn El Castillito.

Orinoco
„El Castillito“

San Fernando de Atabapo: ein verschlafener Ort mit 3000 Einwohnern. Eine Kirche. Ein Restaurant: der folgenlose Genuß des Tagesmenüs setzt eine tropentaugliche Darmflora voraus. Das einzige Hotel an der Plaza Bolivar: nur drei Zimmer, weit jenseits von mitteleuropäischem Standard und Komfort. Mittendurch eine Heerstraße für Ameisen und die in Volksliedern liebevoll besungenen Cucarachas. Am Abend schauen auch ein paar Kröten herein, die der kurze, aber um so heftigere Tropenregen unternehmungskustig macht. Hängematte und Moskitonetz gehörten zur Grundausstattung des Reisenden wie Toilettenpapier und Plastikfolie, um Papiere und Geld vor Feuchtigkeit zu schützen.

San Fernando de Atabapo

Das grandiose Panorama entschädigt: Eine Gewitterwolke dräut über dem satten Dunkelgrün des Urwalds, die letzten Sonnenstrahlen gleißen durch das kitschige Abendrot und lassen die Sandbänke weiß leuchten. Hier fließen drei Ströme zusammen: Guaviare, Atabapo und Orinoco. Der Guaviare, breiter als der Rhein, entspringt tausend Kilometer westlich in den kolumbianischen Anden und hat weißes Wasser, und der ganze Anblick seiner Ufer, seiner gefiederten Fischfänger, seine Fische, die großen Krokodile, die darin hausen, machen, daß er dem Orinoco weit mehr gleicht. Von Süden ergießt sich der Atabapo in den Guaviare. Wassertemperatur: erstaunliche 37 Grad. Der sonnendurchglühte Granit heizt den Fluß auf. Er ist dunkel wie schwarzer Tee, aber klar bis auf den Grund. Die Färbung rührt von Gerbsäure, die Insekten abhält, ihre Eier zu legen.

Für Individualreisende ist die Region östlich und südlich von San Fernando Sperrgebiet – zum Schutz der Indianer. Um hier zu reisen, benötigt man eine schriftliche Erlaubnis der Indianerbehörde im Kultusministerium, des Innenministeriums in Caracas und der Distriktsverwaltung in Puerto Ayacucho. Aber die Behörden sind weit, und Papier zählt weniger als der menschliche Kontakt. Am oberen Orinoco gibt es zwei Dutzend illegale Goldminen. Der Kommandant der örtlichen Guardia Nacional kann die genauen Standorte auf der Karte zeigen. Wichtige Honoratioren des Ortes sind daran nicht ganz unbeteiligt, und der Schmuggel nach Kolumbien ist ebenfalls einträglich. Übermäßiger Aktivismus der Sicherheitskräfte würden den regen Bootsverkehr nur unnötig stören. Auch die kolumbianischen Grenzposten auf der anderen Seite des Guivare beobachten den Fluß, manchmal. Was gringos tun, interessiert sie nicht. Jede zweite Nacht sind in der Ferne Schußwechsel zu hören. Die Guerilla, sagen die Venezolaner.

Orinoco
Der Autor in San Fernando de Atabapo

Clemente Guicho ist Curripaco – eine indianische Ethnie, die am Westufer des Atabapo lebt, aber äußerlich nicht von den Kreolen zu unterscheiden ist. Deshalb bleiben die Curripaco von Touristen auf der Suche nach Naturvölkern unbehelligt. Curripaco, ein Aruak-Dialekt, wird nur noch von 600 Menschen in rund dreißig Dörfern gesprochen. Guicho hat ein schnelles Boot, eine Vorliebe für amerikanische Dollar, kümmert sich nicht um Vorschriften und fährt gern den Atababo hinab, bis nach Javita kurz vor der brasilianischen Grenze.

Unsere Piroge bleib ein paar Minuten lang zwischen zwei Baumstämmen stecken. Kaum war sie wieder losgemacht, kamen wir an eine Stelle, wo mehrere Wasserpfade oder kleine Kanäle sich kreuzten, und der Steuermann wußte nicht gleich, welches der befahrenste Weg war. Sobald die Sonne aufgegangen war, ging es wieder, um der starken Strömung auszuweichen, durch den überschwemmten Wald. Das Klima in Javita ist ungemein regnerisch.

Doch die Wettergötter haben ein Einsehen. Keine Wolke trübt den Himmel, und am Abend kann der Reisende die Hängematte unter freiem Himmel aufspannen. Das Kreuz des Südens steigt langsam zum Zenit.

Es war eine der stillen, heiteren Nächte, welche im heißen Erdstrich so gewöhnlich sind. Die Sterne glänzten im milden planetarischen Licht. Ein Funkeln war kaum am Horizont bemerkbar, den die großen Nebelflächen der südlichen Halbkugel zu beleuchten schienen. Ungeheure Insektenschwärme verbreiteten ein rötliches Licht in der Luft. Der dichtbewachsene Boden glühte von lebendigem Feuer, als hätte sich die gestirnte Himmelsdecke auf die Grasflur niedergesenkt.

Elorza am Rio Arauca, südliche Llanos. Selten verirrt sich jemand nach Elorza. Nur die Fiesta im März, die toros coleados, zieht venezolanische Touristen an, die die Wildwest-Atmosphäre genießen wollen: breitbeinige Männer mit staubigen Stiefeln und Cowboy-Hut, schmelzender Gesang, untermalt von Gitarre und Harfe, Reiter, die versuchen, einen Stier möglichst schnell am Schwanz zu Fall zu bringen.

Am Ortsrand leben knapp hundert Guahibos, eng zusammengedrängt unter einem Wellblechdach und umgeben von Müllbergen. Die Guahibos sind Nomaden, die Mehrzahl stammt aus Kolumbien. Sie nennen ihre Wohnstätte garpón, „großes Haus“, und erhalten Sozialhilfe; einige Männer sprechen spanisch und verdingen sich für ein Almosen als Gelegenheitsarbeiter auf den umliegenden Farmen. Das gibt böses Blut: der Wahlkampf steht vor der Tür, und Lokalpolitiker haben Parolen ausgegeben, die frei übersetzt lauten: „Guahibos raus!“ und: „Arbeitsplätze zuerst für Einheimische!“

Pater Christobal ist Pole und aus Ostpreußen gebürtig. Sein klimatisierter Amtssitz nimmt die ganze Breite der Plaza Bolivar von Elorza ein. Als öffentliche Person könne er zwar nicht immer laut sagen, was er denke, aber seine kirchliche Autorität geltend machen. „Vor fünfzehn Jahren haben Viehzüchter und ihre Handlanger ein Massaker an den Guahibos verübt“, erzählt er, „es gab siebzehn Tote, auch Frauen und Kinder. Einige Überlebende hausen im garpón. Sie haben heute noch Angst. Die Schuldigen waren bekannt, wurden aber nicht bestraft.“

Guahibos
Guahibo, auch Wayapopihíwi genannt, im Süden Venezuelas, irgendwo in einem winzigen Dorf ungefähr hier. Das Stammpublikum wird auch mich erkennen.

Man erfährt, daß der örtliche Automechaniker Roberto Para vor einigen Jahren eine Anthropologin aus Paris zu den nomadisierenden Guahibos gefahren hat, die irgendwo in der Savanne leben. Bis zum Rio Meta, der Grenze zu Kolumbien, sind es rund 200 Kilometer, aber es gibt in diesem gottverlassenen Landstrich nur zwei aufgegebene Gehöfte. Die kolumbianische Guerilla macht das Gebiet unsicher, attackiert die venezolanischen Grenzposten und erhebt bei nächtlichen Überfällen von den Viehzüchtern „Kriegssteuern“.

Fünf Stunden mit dem rüttelnden Jeep durch die Savanne (vgl. Foto). Der Boden zeigte überall, wo er von der Vegetation entbößt war, eine Temperatur von 48 bis 50 Grad. Die Ebenen ringsum schienen zum Himmel anzusteigen, und die weite unermeßliche Einöde stellte sich unseren Blicken als eine mit Tang und Meeralgen bedeckte See dar. Im Norden stehen Rauchsäulen am Himmel – die Rancher nennen das „Flurbereinigung“.

Ein schlammiger Fluß: der Rio Capanaparo. Ein alter Mann rudert den Reisenden schweigend an das andere Ufer. Wieder ein garpón. Aller Augen richten sich auf den chefe. Der erklärt in stockendem Spanisch: Das Feuer und die Viehzucht engen den Lebensraum der Guahibos immer mehr ein. Sie litten Hunger, weil sie nicht mehr jagen könnten. Die Regierung lobt sich im Ausland für ihre gut gemeinte, das heißt paternalistische Indianerpolitik. Sie bietet den Nomaden an, gratis in Reihenhaussiedlungen wohnen zu können wie die katholischen und assimilierten Indianer am Orinoco. Dort wären sie geschützt vor Übergriffen sowohl der kolumbianischen Guerilla als auch der Viehzüchter. Doch sie wollen nicht.

Kein Stamm ist schwerer seßhaft zu machen als die Guahibos. Lieber leben sie von faulen Fischen, Tausendfüßen und Würmern, als daß sie ein kleines Stück Land bebauen. Wir fanden daselbst sechs von noch nicht katechisierten Guahibos bewohnte Häuser. Sie unterschieden sich in nichts von den wilden Indianern. Ihre ziemlich großen schwarzen Augen verrieten mehr Lebendigkeit als die der Indianer in den übrigen Missionen… Mehrere hatten einen Bart; sie schienen stolz darauf, faßten uns am Kinn und gaben uns durch Zeichen zu verstehen, sie seien wie wir.

Die ersten Weißen, die die Guahibos kennenlernten, waren Deutsche – im 16. Jahrhundert. Die Konquistadoren Georg Hohermuth von Speyer und Friedrich von Hutten zogen 1535 im Auftrag der Welser von Coro an der Küste nach Süden, bis in das Quellgebiet des Guaviare im heutigen Kolumbien. Mehrere hundert deutsche und spanische Landsknechte durchstreiften monatelang die Savanne, ausgemergelt vor Hunger und vergeblich auf der Suche nach einem Paß in die Anden, in das Land der Muisca, zum legendären El Dorado. Die Muisca zahlten mit Gold für die Kinder der Guahibos, erfuhren sie.

Fiengent ain Cassicquen oder Obersten, ßo sagt, er wer auff der andern Seitten des Birgs gewest, gab uns groß Zeittung von Reichtumb. Vermochten aber mit den Pfferden nit hynuber… berichtet der fränkische Edelmann Philipp von Hutten am 30. Oktober 1538 aus Coro an den kaiserlichen Rat Matthias Zimmermann in einem der ersten Briefe, den ein Deutscher aus Südamerika geschrieben hat.

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Plaza von Santa Ana de Coro, gegründet 1527 vom Spanier Juan de Ampiés, der sich dazu die Erlaubnis des Kaziken Manaure holte. Die kleine Kathedrale, dem heiligen Franziskus geweiht, war noch im Bau, als Georg Hohermuth von Speyer und Philipp von Hutten 1528 auf diesem Platz standen.

Coro, im Nordwesten Venezuelas. Auf einem Platz, inmitten liebevoll restaurierter Kolonial-Architektur, steht ein Glaskasten. Darin ein schlichtes Holzkreuz. Die Legende sagt, hier sei 1528 die erste Messe der Stadt gelesen worden, und das Holz stammte von dem Baum, unter dem sich der spanische Konquistador Juan de Ampiés und der Caquetio-Kazike Manaure zum ersten Mal trafen. Ein Jahr später kam Ambrosius Dalfinger aus Ulm, um im Auftrag der Welser einen schwunghaften Handel mit afrikanischen und indianischen Sklaven aufzuziehen. Ganz privat suchte er El Dorado. Ihm folgten deutsche und spanische Glücksritter und die Pocken, die die Indianer dezimierten.

Eine Geschichte, die sich in Südamerika Dutzende Male in verschiedenen Variationen ereignet hat. Warum also das flaue Gefühl des Autors im Magen, auf der Plaza Bolivar zu stehen, vor der eintürmigen Kathedrale Coros? Hans Hauser ist eine literarische Figur, die zum Glück und zu Recht vergessen worden ist. „Mit den Konquistadoren ins Goldland“ hieß das Buch, erschienen im Jahr 1958 in Stuttgart, von einem ebenso vergessenen Autor: Blonde deutsche Männer sorgen in fremden Landen für Ordnung, bekehren heidnische wilde Indianer und erleben prächtige Abenteuer. Der Held ist frei erfunden, nicht jedoch die Nebenfiguren: der leutselige Ambrosius Dalfinger, der tapfere Georg Hohermuth von Speyer, der stolze Philipp von Hutten und der finstere Nikolaus Federmann, Gründer von Bogota.

„Was so durch kindliche Eindrücke, was durch Zufälligkeiten der Lebensverhältnisse in uns erweckt wird, nimmt später eine ernstere Richtung an, wird oft ein Motiv wissenschaftlicher Arbeiten, weiterführender Unternehmungen.“ Das schreibt Alexander von Humboldt über das Motiv seiner Reise. Und Philipp von Hutten schrieb am 31. März 1539 an seinen Vater: Weiß Gott kein Geitz Gelds hat mich bewegt, diese Reiß zu thun dann allein ein sonderlicher Lust, so ich vor langer Zeit gehabt, dünckt mich auch, wäre ich nicht mit Ruhe gestorben, wo ich Indien nicht erst gesehen.

Die Zitate Alexander von Humboldts (kursiv) sind entnommen aus: „Eine südamerikanische Reise“, hg. v. Reinhard Jaspert, Berlin 1979, einer Auswahl u.a. aus Humboldts Voyage aux régions équinoxiales du Nouveau Continent, (Reise in die Äquinoctial-Gegenden des Neuen Kontinents), 36 Bände, 1806ff., (Nachdruck bei Brockhaus 1970).

Die Zitate Philipp von Huttens aus: Eberhard Schmitt und Friedrich Karl von Hutten: Das Gold der Neuen Welt. Die Papiere des Welser-Konquistadors und Generalkapitäns von Venezuela Philipp von Hutten 1534-1541, Hildburghausen 1996.

Attentäter und Bikinimädchen usw.

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Leseempfehlung für gute Laune: Un operativo histórico: cuando un comando guerrillero argentino ajustició a Somoza. Das musste jetzt sein.

Noch was Schönes: Juan Guaidó in Venezuela ist vorerst am Arsch. Und das ist gut so. Vermutlich kommt es irgendwann doch zu einer Militärinvasion, die Herrschenden in Kolumbien würden das begrüßen.

Lesebefehl bei den Ruhrbaronen: Klimaproteste: „Der Feind ist ein Hippie“. „Zur grüngutbürgerlichen Dekadenz gehört es, zu ignorieren, dass es die Menschen mit den gut bezahlten Jobs in der Industrie sind, die nicht nur die Güter herstellen, deren Export das Geld bringt, von dem all die Gemeinschaftskundelehrer, Verwaltungsbeamten und Betroffenheitswissenschaftler leben. (…) Heute feierte sich eine arrogante und zum Teil erschreckend dumme Ökobourgeoisie selbst. Der Protest ihrer Kinder, der so ist, wie Protest von Kindern nun einmal ist, gab ihnen die Gelegenheit, ihre ganze Ignoranz auf die Straße zu tragen.“

Villa Romana del Casale

Noch mehr Schönes: Die Bikinimädchen stammen aus der Villa Romana del Casale auf Sizilien. Die herrschende Klasse im antiken Rom hatte eine guten Geschmack, besser als die heutige.

Im deutschen Wikipedia gibt es dazu einen geradezu lächerlichen Satz: „Während der ersten beiden Jahrhunderte der römischen Kaiserzeit hatte Sizilien unter einer Phase der Depression gelitten, hervorgerufen durch das auf Sklavenarbeit basierende Produktionssystem der Latifundien.“

Gelitten haben die Sklaven und armen landarbeiter und Bauern, nicht „Sizilien“.

Interessant ist aber, dass hier die Klassenkämpfe und was darauf folgte, durchscheinen. Ich schrieb im November 2016: „Die Bauern wurden ruiniert zugunsten der Großgrundbesitzer mit deren Latifundien. Die Produktion für den immer größer werdenden städtischen Markt verlangte nach ‚industrieller‘ Massenproduktion. Dafür setzte man immer mehr und öfter Sklaven ein; gleichzeitig wanderten ruinierte Bauern und Landlose in die Städte ab.“ Die Sklavenaufstände und andere Faktoren machten die Latifundienwirtschaft unrentabel – das bedeutet gleichzeitig: Die Diktatur der römischen Kaiserzeit war für die herrschende Klasse effektiver als die ursprüngliche formal existierende Republik aus Patriziern und Plebejern. (Historische Vergleich sind immer schief – aber der Faschismus – in welchem Kostüm auch immer – ist immer eine Option im Kapitalismus – wenn man das Volk nicht mehr anders in Schach halten kann. Das musste jetzt auch gesagt werden.)

Massaker und Propaganda-Sprache

Wer den Propaganda-Begriff Tian’anmen-„Massaker“ benutzt, muss konsequent sein und in Venezuela auch vom Caracazo-Massaker sprechen oder in der Ukraine vom Euromaidan-Massaker. Auf dem Platz des Himmlischen Friedens hat es gar kein Massaker gegeben. (N-TV: „Falsche Berichterstattung hält sich jahrelang“. Warum wohl?)

Imperialistas ¡manos fuera de Venezuela!

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Zusammenfluss von Rio Meta und Rio Atabapo, die hier – bei San Fernando de Atabapo – in den Orinoco münden. Auf der anderen Seite liegt Amanaven (Kolumbien). Fotografiert in Venezuela 1998.

Telepolis: „Vor 30 Jahren ereignete sich der berüchtigte Caracazo, der zum Aufstieg der bolivarianischen Bewegung führte“. – „Die Armen, die sowieso nichts mehr zu verlieren hatten, verließen ihre Barrios und protestierten im Zentrum von Venezuela. Dabei gingen auch viele Scheiben von Nobelläden zu Bruch. Die Polizei reagierte mit Massenrepression.

Dass heute man davon so wenig hört, ist nicht verwunderlich. Das Massaker an zum großen Teil nur mit Steinen bewaffneten Barriobewohnern von Caracas führte nicht dazu, dass die USA und die venezolanischen Nachbarländer die für die Menschenrechtsverletzungen verantwortliche Regierung für illegitim erklärten und vor einen Internationalen Gerichtshof zerren wollten.

Im Gegenteil: Die US-Regierung betonte damals, dass es um so notwendiger sei, mit der Regierung von Venezuela zusammenzuarbeiten.“

Ceterum censeo: Hände weg von Venezuela!

Traffic Analysis

berlin

Caracas, Venezuela, Anfang März 1998

Sierra de Falcón

sierra de San luis

Sierra de Falcón südlich von Coro, Venezuela 1998.

Ich hatte einen speziellen Grund, dorthin zu reisen – obwohl die Gegend in Reiseführern nur selten erwähnt wird. Ich habe übrigens immer das berühmte South America Handbook benutzt – die Briten verstehen etwas vom (individuellen) Reisen.

The Spanish Road is a fantastic 3-hr walk through orange groves and tropical forest from Curimagua to Cabure. Take water as there is none en route.

Spanish road? Ganz einfach: Diesen Weg durch die Berge haben die Konquistadoren im 16. Jahrhundert genommen, die von Coro aus nach Süden zogen. Ich habe das Thema im 1. Kapitel des 2. Teil meines Romans verarbeitet: „Am Rio Tocuyo“.

Memories

venezuela

16. Januar 1998 – die Küste Lateinamerikas kommt in Sicht – hier Venezuela. Nach 14 Jahren Abwesenheit kehrte ich in meine zweite (bzw. dritte) Heimat zurück. Als ich bei Sonnenuntergang auf dem Flughafen in Caracas ankam, war ich glücklich.

Heiss und träge

San Fernando de Atabapo

Ein träger und brüllend heißer Sonntag in San Fernando de Atababo am Orinoco (1998). Ich finde den Platz auf der aktuellen Karte gar nicht mehr; das Gebäude der Guardia Nacional Bolivariana war auch da – ich hatte sogar eine „Audienz“ beim Kommandanten. Vielleicht haben sie es abgerissen…

Ich schrieb 2011: …der letzte Ort am oberen Orinoco, den man noch mit „öffentlichen“ Verkehrsmitteln erreichen kann – sogar in der Trockenzeit nur per Boot. „Man sollte allerdings bedenken“, schreibt der Reiseführer, „dass solche Touren auf eigene Faust nicht ganz ungefährlich sind, man bewegt sich hier schon am Rande der „zivilisierten“ Welt. Gen Süden und Westen gibt es nur noch selten Orte – den Casiquiare aufwärts ist das Gebiet fast menschenleer.

Vete, Maduro! [Update]

caracas

Foto: Caracas 1998. Ich bin mir nicht sicher, wo genau das war, vermutlich an der Ecke Sur 9/Avenida Bolivar oder Avenida Lecuna. Schräg gegenüber war ein Busbahnhof. Nicht weit davon war meine Pension.

Maduro, lass dich abwählen wie die FSLN in Nicaragua!

Die Nachfolger werden es nicht besser machen, sondern Venezuela völlig ruinieren und ausländischen Konzernen verkaufen. Ein paar Jahre später kannst du dann erneut Wahlen gewinnen. Aber dazu braucht es nicht einen korrupten Bürokraten, sondern einen Charismatiker wie Chavez, auch wenn der viel Unsinn erzählt hat. „Links“ heisst in vorindustriellen Ländern Lateinamerikas nur, dass der Reichtum anders verteilt wird.

Einen Präsidenten von Gnaden Trumps kann aber niemand den Venezolanern wünschen.

[Update] Fefe weist auf ein Video hin: „Leftist Debunks John Oliver’s Venezuela Episode“. Das Video kann man nicht so ohne weiteres ansehen, vermutlich weil der Mainstream-Version des Themas widerspricht. Es gibt noch ein Video von BBC (2016, Flash required), das relativ sachlich ist.

Hände weg von Venezuela!

elorza

Mädchen aus Elorza, Venezuela 1998

LowerClassMagazine: „Wie auch immer man zur Amtsführung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro stehen mag, die Ablehnung des US-geführten Putsches in dem lateinamerikanischen Land sollte Minimalkonsens unter Linken sein.“

America21 hat einen ausführlichen Bericht zum Thema.

Venezuela

Ist alles schon in Avatar zu hören, was die USA jetzt tun werden oder billigend in Kauf nehmen.

Der wilde Fluss

Masparro

[Reprint vom 26.12.2003]

Im Febuar 1998, Venezuela. Der Bus fuhr in der Nacht von Quibor über Acarigua nach Barinas. In der staubigen Provinzstadt – es war Trockenzeit – suchte ich mir ein billiges Hotel direkt am kleinen Busbahnhof. In Barinas gab es nichts von touristischem Interesse: eine kleine Plaza, Geschäfte, deren Inhaber arabischer Herkunft zu sein schienen wie so oft im Westen Venezuelas. Und ein paar Banken. Ich brauchte drei Tage, um meine Dollars in venezolanischen Geld zu tauschen, weil sich die Banken weigerten, das zu tun. Man wird geduldig, wenn man in Schlangen vor südamerikanischen Bankschaltern steht… Ich musste mich erst durchfragen, eine hilfsbereite Dame in einem Reisebüro vermittelte mir eine Frau, die wohl häufig private Geldgeschäfte machte…

In der Region um Barinas wollte ich mir den Fluss Masparro ansehen, der sich aus den Anden in die weiten Ebenen, die Llanos, ergiesst und im Osten in den Apure mündet. Die Konquistadoren blieben damals an den Ausläufern der Berge stecken, viele wurden fieberkrank und starben. Doch wo war der historische „Flecken Moßpaw“ alias Masparro?

Am 16. September 1535 schrieb der deutsche Konquistador Philipp von Hutten: „Zohen über ain grosse Refier [Fluss], Wannawanain genandt, darinnen vns ain Christ ertrunken. Den 2. Tag im Feld. Schickt der Gubernator [Gouverneur von Venezuela, hier: Georg Hohermuth von Speyer] Steffan Martin mit sechtzig zue Fueß vnd zehen Pferden, Weg zu suechen, vnd bliben wir hie ligen. Den 16. embot Steffan Martin dem Gubernator, er wartet sein ain Tagraiß von hinnen inn ainem gueten Flecken mit vil Prouiant, het 26 Indier gefangen. Fertigt der Gubernator viertzig Pferd ab, embot seinem Statthalter, so in Hacke Rigua [Acarigua] lag, er solt mit dem anderen Volck hernachkommen. Zoch er gedachten Flecken, Moßpaw [Masparro] genannt, wurden fast alle Christen krank. wie nun die Indier sahen, das vnser wenig waren, auch fast kranck, vnderstunden sy sich, vns mit Gewallt auß jrem Land zu schlahen. Kamen auff ain Morgen biß in fünff- oder sechstausent Indianer mit Geschray…“

Masparro

Weite Teile der venezolanischen Llanos sind in der Regenzeit überschwemmt. Die historischen Orte Itabana, Moßpaw und Tharobeia, die in den Papieren des Konquistadors Philipp von Hutten erwähnt werden und die auch in meinem Roman Die Konquistadoren Schauplätze des Geschehens sind, können heute nicht mehr exakt lokalisiert werden. Der Masparro war der grösste und in der Regenzeit wohl auch der gefährlichste Fluss der Region. Der auf historischen Karten noch eingezeichnete Ort lag im Dreieck Sabaneta-Barinas-Obispo. Die Konquistadoren unter Hohermuth folgten ungefähr der heutigen Eisenbahnlinie von Guanare über Barinas nach Südwesten und brauchten vier Monate – von März bis Juni 1536 – um Rio Apure, Rio Arauca und den Casanare – im heutigen Kolumbien – zu passieren.

Auf der heutigen Karte des Bundesstaats Barinas sucht sich der Fluss zwischen Sabaneta im Norden und Barinas seinen Weg. Ein Ort Maspara östlich von Barinas, der auf historischen Karten eingezeichnet ist, existiert heute nicht. Die Augenzeugen der Konquista wie Nikolaus Federmann und Philipp von Hutten überlieferten die Namen der Orte nur lautmalerisch. Man kann davon ausgehen, dass die historische Bezeichnung Masparro sowohl den Ort als auch den Fluss oder gar die ganze Region meinte. Eine Karte der heutigen indianischen Völker Venezuelas gibt keine Informationen darüber, ob es sich um ein Wort aus dem Arawak handelt. Vielleicht waren die kriegerischen „Indier“, von denen Hutten berichtete, die Vorfahren der Guahibos, die sich heute in das Grenzgebiet zu Kolumbien zurückgezogen haben.

Masparro

Ich nahm einen klapperigen Lokalbus, meine detaillierte Karte zur Hand und sagte dem Busfahrer, er möge mich an einer Brücke über den Masparro absetzen. Doch der gefährliche und reissende Fluss, in dem um 1536 mehrere Soldaten ertrunken waren, entpuppte sich als harmloses Rinnsal (Fotos oben). In Sabaneta redete ich mit den Taxifahrern, die sich im Zentrum des Dorfes langweilten. Der Älteste von ihnen erbot sich, für sehr wenig Geld mit mir in der Gegend herumzufahren und das Rätsel um den Masparro zu lüften. Wir tuckerten in der glühenden Hitze gemütlich in Richtung der Berge im Westen, und der alte Herr redete unentwegt auf mich ein, erzählte von seinen Kindern in den USA und welche Sorten Fische es im Masparro gebe. Und dann wurde mir klar, warum der Fluss heute keine Gefahr mehr ist: ein Staudamm! Das Wasser donnerte in einem mehrere Meter dicken Strahl in die Tiefe – und das in der Trockenzeit, in der der Fluss extrem wenig Wasser führt. Man kann sich vorstellen, wie es aussehen könnte, wenn es mehrere Monate lang geregnet hat: Die Ebene östlich der Berge – der venezolanischen Anden – verwandelt sich in einen See. Und das erklärt auch, warum die Konquistadoren damals meinten, sie wären am Ufer des indischen „Südmeers“ und die Molukken fast in Reichweite…

Masparro

Nunca volver a verte!

bolivares venezuela

Das Geld sieht jetzt anders aus.

Am Rio Apure [Update]

rio apure

Hier ein bisher unveröffentliches Foto aus Venezuela (1998). Wir stehen am linken Ufer des Rio Apure und warten darauf, dass uns jemand auf der anderen Seite sieht und mit einem Boot herüberpaddelt. Das geschah wenig später auch. Der Rio Apure hat dort eine starke Strömung, es ist gar nicht so einfach, ihn ohne Motor zu überqueren.

Die Vorgeschichte: Der Besitzer eine Farm in den Llanos fand mich nett und beauftragte seine Landarbeiter, mich mit einem Traktor nach Palmarito zu fahren – eine Straße gab es nicht wirklich, und es dauerte fast den ganzen Tag.

[Update] Ich habe noch ein Foto gefunden, wie wir uns mit dem Taktor den Weg bahnen:

rio apure

Cinquenta y un mil quinientos veinticinco

51000

Puerto Ayacucho, Venezuela (1998). Die Summe hätte ich gern in Euro…. Mein Name war für die immer die Höchststrafe.

Dos Lindas

hamaca

Meine Hängematte stammt aus Tintorero bei Quibor im venezolanischen Bundesstaat Lara. Das Mädel war im Verhandeln eisenhart und gefiel mir außerordentlich. Die Hängematten werden von einer Kooperative hergestellt und verkauft, und man hat dort Festpreise, was extrem un-südamerikanisch ist.

Vamos a Bailar

coro

Tänzerinnen in Coro, Venezuela (1998)

Ein Mädchen vom Lande

magd

Dienstmädchen aus San Fernando de Atabapo im venezolanischen Bundesstaat Amazonas (1998). Sie besaß nichts, ausser einem Kind und ein paar Kleidungsstücken.

Selfie am Atabapo

atabapo

Selfie am Zusammenfluss von Rio Guaviare und Rio Atabapo, kurz vor der Mündung beider in den Orinoco, Venezuela, Region Amazonas (1998, ungefähr hier).

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