Llanos

llanos venezuela

Eigentlich ein recht nichtssagendes Bild, fotografiert 1998 in den Llanos von Venezuela – ein Reiher fliegt gerade auf. Ich habe auch ein Foto am Tag davor gemacht: Ich war auf einer kleinen Farm im Süden Venezuelas gelandet, ungefähr 70 oder 80 Kilometer südlich von Barinas, also in der absoluten Pampa. Ich habe einen ganzen Tag (1998) auf Pickups von Landarbeitern gebraucht, um da hinzukommen, und von dort aus per Traktor (!) nach Palmarito am Rio Apure.

Leider habe ich mir nicht notiert, wo genau das war. Ich hatte mir eine Mitfahrgelegenheit in Barinas besorgt, irgendwie nach Süden zum Rio Apure. Ich wusste nicht, was mich erwartete, aber die Leute, die mit mir im Auto saßen, wohnten irgendwo dort. Es waren meistens Angehörige von Landarbeitern. Nach Stunden erreichten wir einen Fluß, vermutlich war es der Rio Paguey, und der Fahrer verkündete, weiter führe er nicht, und eine Brücke gab es auch nicht. Das hatte mir niemand gesagt. Ich wusste nur, wo Süden war. Eine Mann am anderen Ufer kam mit einer wackligen Fähre, und ich setzte über. Dort waren nur ein paar Häuser, und alle Leute lagen in ihren Hängematten und dösten.

Ich fragte diesen und jenen. Mir wurde gesagt, irgendwann würde in Pickup kommen, der Landarbeiter auf eine Farm brächte, die ungefähr in der Mitte zwischen ihrem Fluss und dem Apure sei. Ich hockte da ein paar Stunden tatenlos herum. Am Nachmittag fing es fürchterlich an zu regnen, und natürlich kam auch der Pickup genau dann. Da waren schon ein Dutzend Leute auf der Ladefläche, ich passte gerade noch so drauf. Wir waren alle pitschnass, und der Fahrer raste in einem Höllentempo los. Ein Straße gab es nicht, nur so eine Art Piste, die ich vermutlich nicht wiedergefunden hätte.

Kurz vor Sonnenuntergang kamen wir auf der kleinen Ranch an, zu der alle gehörten. Es war wie in einem Western: Männer mit Cowboyhüten ritten auf Pferden herum, Rinder grasten, und der Rancher kam höchstpersönlich, als ihm berichtet wurde, dass sie einen merkwürdigen Gast bei sich hatten. Vermutlich konnten sich die guten Leute nicht erklären, was ich da eigentlich wollte. Als sie merkten, dass ich Spanisch sprach und sogar eine Hängematte besaß, wies mir der Rancher einen sehr schönen Raum zu, nur mit Haken an der Wand, aber ohne Möbel, und lud mich zum Abendessen ein. In der Küche der Ranch ist das Foto mit den Piranhas entstanden. Die Magd war sehr verlegen; ich war der erste Ausländer, den sie je gesehen hatte. Der Rancher war neugierig, weil sich noch nie ein Tourist dorthin verirrt hatte, und wir plauderten die halbe Nacht. Ich schenkte ihn noch eine Kopie einer Karte aus dem 19. Jahrhundert von dieser Gegend, über die er total begeistert war.

Am nächsten Morgen wachte ich früh auf und schaute mich um – da habe ich das obige Foto gemacht. Nach dem Frühstück – ich musste weder für die Übernachtung noch für die Mahlzeiten etwas bezahlen – gab der Rancher seinen Leuten den Befehl, mich mit dem Traktor zum Rio Apure und nach Palmarito zu bringen. Das dauerte fast den ganzen Tag, weil es keine Straße gab.

Fazit: Es ist nicht wirklich etwas passiert, es war alles gratis, und dennoch ein grandioses Abenteuer.




Sierra de San Luis, revisited [Update]

sierra de San luissierra de San luis

Ein ruhiger Sonntag in der Sierra de San Luis, Venezuela (1998). Ich war zwei Nächte in der Herberge (unten) und wanderte herum, um zu sehen, was die Leute so machen, wenn sie nicht arbeiten müssen. Wenn ich mich recht erinnere, war das in dem kleinen Ort San Luis. Das ist ein ehemaliges Dorf der Jirajara, die in meinem Roman Xideharas genannt werden – so wie in den zeitgenössischen Quellen.

Ich schrieb 2019 über den Landstrich südlich von Coro: Ich hatte einen speziellen Grund, dorthin zu reisen – obwohl die Gegend in Reiseführern nur selten erwähnt wird. Ich habe übrigens immer das berühmte South America Handbook benutzt – die Briten verstehen etwas vom (individuellen) Reisen.

The Spanish Road is a fantastic 3-hr walk through orange groves and tropical forest from Curimagua to Cabure. Take water as there is none en route.

Spanish road? Ganz einfach: Diesen Weg durch die Berge haben die Konquistadoren im 16. Jahrhundert genommen, die von Coro aus nach Süden zogen. Ich habe das Thema im 1. Kapitel des 2. Teil meines Romans verarbeitet: „Am Rio Tocuyo“.

Update: Links repariert




Telefonkarten

telefonkarten

Erinnerungen aus Venezuela (1998) – damals brauchte man noch Telefonkarten. Ich hatte natürlich kein Handy dabei.




Im Tal der Frauen

barquisimeto

Zwei sehr hübsche (was man leider auf dem Foto nicht erkennen kann) Mädchen beim Abendspaziergang in Barquisimeto, Venezuela, fotografiert im Januar 1998. Ich habe damals kein Reisetagebuch geführt, mir aber Notizen für meinen Roman gemacht. Auf der Hauswand kann man Vencemos Lara erkennen. Barquisimeto ist die Hauptstadt des Verwaltungsbezirks Lara.

Gegründet 1552 durch Juan de Villegas als „Nueva Segovia“. Vor der Conquista großer indianischer Ort, von den Spaniern „Valle de las Damas“, „Tal der Frauen“ genannt.

venezuela map
Diese Karte aus dem 16. Jahrhundert ist eines der ältesten Exemplare, die den Norden Venezuelas zeigen. Der Titel:
VENEZUELA, Provincia in America Occidentali. Quam olim Dni. Velseri Patricij Augustani polsidebant a CAROLO V. Imperatore ipsis consignata.(…die Provinz, die den Patriziern der Welser von Kaiser Karl V. persönlich übereignet wurde.)
Nordwestlich von Barquisimeto erkennt man Bobures populi; vermutlich hat das heutige Bobare daher den Namen. Hier lag wahrscheinlich das historische Guarjibo. Nueva Segovia ist Barquisimeto. Die Llanos de Carora dürften die heutigen Llanos nördlich von Quibor meinen, dort wurde Philipp von Hutten 1550 ermordet. Der heutige Parque Nacional Juan C. Falcón in der Sierra de San Luis ist auf der Karte als Sierras de Xidehara zu erkennen. Das Gebiet der Cuyaber, durch das Hohermuth nach Tocuyo zog, heisst Provincia de Cuycas.

Barquisimeto wurde nach seiner Gründung mehrfach verlegt, unter anderem weil der – dank Klaus Kinski – wohlbekannte Lope de Aguirre sie hat niederbrennen lassen. Aguirre wurde in Barquisimeto von seinen eigenen Leuten erschossen, nachdem er seine eigene Tochter erstochen hatte, seine Leiche anschließend geköpft und gevierteilt.

venezuela map
Ausschnitt aus der Karte Venezuelas, die ich damals benutzt habe

Meine Reiseroute 1998 folgte zunächst der Route der Konquistadoren im 16. Jahrhundert, soweit das möglich war. Südlich von Barinas bin ich dann nach Osten abgebogen.l

barquisimeto
Einkaufszentrum Centro Comercial Ciudad Paris in Barquisimeto. Ich weiß nur noch, dass damals dort ein Internet-Cafe war, wo ich surfen konnte.




Distribuidora

caracas

Strassenszene in Caracas, Venezuela (1998). Ich habe keine Zeit mehr herauszufinden, wo genau ich das Foto gemacht hatte, aber das Gebäude im Hintergrund taucht auch auf einem anderen Bild auf (westlich vom Busbahnhof). Das Hochhaus könnte an der Avenida Universidad sein. Ich vermute, das Foto ist die Kreuzung der Avenida Sur 9 mit der Avenida Lecuna.




Médanos de Coro, revisited

Médanos de Coro

Ich habe noch ein unveröffentlichtes Foto der Dünen bei Coro in Venezuela gefunden. Ich schrieb 2016:
Dünenlandschaft im Parque Nacional Los Médanos de Coro. Wikipedia: „Der Nationalpark umfasst 91.280 Hektar Wüste, Küste und Salzwiese. Die großen Dünen (‚Médanos‘) erstrecken sich über eine Länge von 5 bis 30 Kilometer und können bis zu 40 Meter hoch werden. Durch starke Winde ändern sie ständig ihre Form. Wegen der sehr seltenen Niederschläge besteht die Flora aus stacheligen Sträuchern. Die Fauna ist ebenso spärlich und besteht hauptsächlich aus Echsen, Hasen, Ameisenbären, Füchsen, Tauben und Falken.“

Ich hatte mir einen Lokalbus genommen und bin ganz allein durch die glühend heisse Einöde gestapft. (mehr lesen) Ein Moment der Erleuchtung.




La Vela de Coro

Vela de Coro

La Vela de Coro – auf den ersten Blick ein langweiliges Strandfoto, auf dem nichts zu sehen ist.
La Vela de Coro is the port of Coro, Venezuela. Coro and its port form a conurbation, although Coro is in the municipality of Miranda and La Vela is in a separate municipality, Colina. The twin settlements were founded by the Spanish in the 16th century.

Das kann man ein bisschen anzweifeln. Einen Hafen gibt es nicht mehr, aber gegründet wurde er nicht nur von Spaniern, sondern auch von deutschen Konquistadoren, vermutlich von Ambrosius Dalfinger aus Ulm im Jahr 1529. Man darf sich das nicht wie einen richtige Hafen vorstellen. Es war eher eine windgeschützte Bucht, in der Schiffe ankern und entladen werden konnten. Vom „Hafen“ ist es nicht weit nach (Santa Ana de) Coro. Vela heißt „Segel“ im Spanischen.

Dieser Ort kommt in meinem Roman vor. Auch dessen „Helden“, die historisch verbürgt sind, gingen ungefähr hier an Land.

Wer schon einmal in Venezuela mit einem Lokalbus gefahren ist, weiß, dass die Angelegenheit nicht so läuft wie hier. Erstens gibt es keine richtigen Bushaltestellen. Zweitens weiß man als Ausländer überhaupt nicht, welcher Bus wohin fährt und über welche Strecke. Feste Zeiten gibt es natürlich auch nicht. Man muss herumfragen, und zur Sicherheit mehrere Meinungen einholen. Irgendwann habe ich den Bus gefunden, und der „Ritt“ der Klapperkiste durch die Vororte von Coro – das nur eine Kleinstadt ist – war interessant.

Am Strand war ich übrigens ganz allein. (1998)

Postscriptum: Das Foto (Dia) war total ramponiert. Ich habe es auch im Original hochgeladen.

Vela de Coro
South Amerika Handbook, Ausgabe 1997




Ganz in Blau

elorza

Elorza in den südlichen Llanos (Ebenen) von Venezuela, fotografiert 1998. Wenn ich mich recht erinnere (ich habe damals kein Reisetagebuch geschrieben, sondern für meinen Roman recherchiert), gab es irgendeinen „Tag der Streitkräfte“ oder etwas in der Art. Die Kleidung ist die dortige Schuluniform.




Agencias de Loteria und mehr

Agencias de Loteria

Straßenszene in Venezuela (1998) – leider weiß ich nicht mehr, wo ich das fotografiert habe. Ich tippe auf Elorza in den südlichen Llanos (Ebenen).




Sabana Grande

caracas

Straßenszene in der Fußgängerzone (Bulevard de Sabana Grande) im Stadtviertel Sabana Grande in Caracas, Venezuela, fotografiert im März 1998. Den genauen Standort von damals finde ich leider nicht wieder. Ich habe dort oft Schach gespielt.




Meanwhile in Venezuela oder: Immer schön geschmeidig bleiben

el nacional

Eine US-Delegation ist in Venezuela eingetroffen, um darüber zu verhandeln, ob die Venezolaner Öl an die US liefern können. Venezuela ist ein Verbündeter Russlands. Die Trumpisten sind natürlich entrüstet:
– Rubio pointed out that Biden is using Russia as an excuse to make the deal he always wanted to make anyway with the Maduro government.
— He criticized „Instead of producing more American oil, he wants to replace the oil we bought from one murderous dictator with oil from another murderous dictator.“

Venezuela News Network meldet aber heute:
The first meeting held on Saturday, March 5, between a delegation of high-ranking US officials and the government of Nicolás Maduro ended without agreements, according to the Reuters news agency.

By the way: Wie sieht es denn mit den deutsch-venezolanischen Beziehungen aus? (Ich habe vergessen, wer gerade bei uns Außenminister ist.) Erkennen wir irgendjemanden an? Oder haben wir unserer Meinung nach dem Wind gedreht?




Durch die Pampa

llanos

In den südlichen Llanos (Ebenen) von Venezuela, einige Stunden mit dem Jeep südlich von Elorza nördlich des Rio Capanoparo (ein Nebenfluss des Orinoco). Wir waren auf dem Weg zum Guahibo-Territorium. Auf der Fahrt ist auch mein liebstes Selfie entstanden. In der Regenzeit ist die Strecke nicht passierbar.

Ich liebe es, mit einem Jeep durch die Pampa zu brettern fahren (1998).

llanos




Médanos de Coro, revisited

Médanos de Coro

Dünenlandschaft im Parque Nacional Los Médanos de Coro. Wikipedia: „Der Nationalpark umfasst 91.280 Hektar Wüste, Küste und Salzwiese. Die großen Dünen (‚Médanos‘) erstrecken sich über eine Länge von 5 bis 30 Kilometer und können bis zu 40 Meter hoch werden. Durch starke Winde ändern sie ständig ihre Form. Wegen der sehr seltenen Niederschläge besteht die Flora aus stacheligen Sträuchern. Die Fauna ist ebenso spärlich und besteht hauptsächlich aus Echsen, Hasen, Ameisenbären, Füchsen, Tauben und Falken.“

Ich hatte mir einen Lokalbus genommen und bin ganz allein durch die glühend heisse Einöde gestapft. Ein Moment der Erleuchtung. (Das schrieb ich schon hier am 13.08.2016.) Fotografiert im Januar 1998.




Schwesterchen und Brüderchen

sister and brother

Schwesterchen und Brüderchen aus Elorza im Süden Venezuelas, fotografiert 1998.




Yahoo in den Llanos, revisited

palmarito

Das Foto eines Reiterspiels habe ich 1998 in dem winzigen Ort Palmarito in den südlichen Llanos von Venezuela gemacht (vgl. 09.10.2012).




La Previsora

Torre previsora

Torre Previsora, Caracas, fotografiert im März 1998. Die genaue Perspektive habe ich nicht mehr gefunden, auch nicht bei anderen Fotos. Vielleicht stand ich auf der Avenida Las Acacias. In Caracas gibt es kein Google Street View. Vermutlich war ich auch durch die propere Dame im Vordergrund abgelenkt.




Am Rio Tocuyo

tocuyo

Ja, ich weiß, das Foto ist nichtssagend und uninteressant: Da beugen sich vier Männer über ein offenbar kaputtes Auto. Das eingescannte Dia war voller Staub, vermutlich hatte ich es seit 1998 nicht mehr angesehen. Ich musste es in mühsamer Arbeit restaurieren, was mehrere Stunden gedauert hat. Ich hätte es schlicht gelöscht, aber wollte unbedingt wissen: Wo und warum hast du das damals gemacht?

Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen und wieder ein. Ich hatte die Sierra de Falcón im Norden Venezuelas in Etappen überquert und war in Churuguara südlich der Berge gelandet, einem Ort, der in keinem Reiseführer erwähnt wird, dann weiter nach Santa Cruz de Bucaral.

Sierra de Falcòn
In der Sierra de Falcón.

Von dort war ich zu den Höhlen im Parque nacional Cueva de la Quebrada del Toro gewandert, ein fürchterlicher Gewaltmarsch in glühender Hitze mit schwerem Rucksack, an den ich mich noch heute schaudernd erinnere – ich hatte mich total überschätzt und hätte draufgehen können, weil das Gebiet nur dünn besiedelt ist. Am Ende des Tages war mir das Glück hold, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, als mich ein Pickup mit drei Arbeitern überholte, die zu einer Elektrizitätsstation in der Nähe der Höhlen wollten. Die nahmen mich mit und am nächsten Tag auch wieder mit zurück.

Parque nacional Cueva de la Quebrada del ToroParque nacional Cueva de la Quebrada del Toro
Auf dem Marsch durch den Parque nacional Cueva de la Quebrada del Toro.

Während meiner Reise nach Venezuela 1998 – ich war allein unterwegs – habe ich kein richtiges Reisetagebuch geführt, sondern nur Notizen gemacht über Dinge und Fakten, die ich für meinen Roman Die Konquistadoren brauchte. Die Höhlen (leider kein Foto) waren „Kür“, hatten mit der Recherche nichts zu tun. Von Churuguara aus musste ich nach Süden in Richtung Barquisimeto. Durch Mundpropaganda erfuhr ich von einem Mann, der mit seinem Auto und einigen anderen Reisenden genau dort hin wollte, und er hatte noch einen Platz frei. Eine Tagesreise lag vor uns.

Ich wollte unbedingt zum Rio Tocuyo, den man auf halben Weg überqueren muss, und dort ein Foto machen. Warum? Um sich einzustimmen, sollte man die Eingangsszene von Aguirre ansehen und anhören, inklusive der magischen Musik von Popol Vuh. „Meine“ Konquistadoren“ mussten von der Sierra de Falcón absteigen und dann den Rio Tocuyo überqueren. Es gibt sogar einen Augenzeugenbericht.

Den 19. Tag des gedachten Monats [Mai 1538] zogen wir von dannen über das Gebürg, lagen im Veld, 5. Meil. Den zwanzigsten Tag durch die Zynoga (1) de Baragatschan [Paraguachoa], ein fast böser Paß von Wasser und Koth einer viertel Mail lang, bis an die Revier [Fluss] Turkino [Tocuyo] genant. Misten die Pferd überschwemmen, die Kästen und Plunder [Ausrüstung] auf einem Floß überführen, ertrunck ein Christ vnd ein Pferd. Funden hie Metalno [Lope Montalvo de Lugo] vnd Stephan Martin mit etlichen Christen zu Fuß und zu Roß. Lagen hie 5 Tag, zogen den 26. Tag von dannen, lagen im Veld…. 27. Tag durch viel böser Paß von Wasser, lagen im Veld, 3 Meil. Den 28. Tag in einem verbrannten Poblo (2). Funden kein Wasser, war fast heiß. Musten Pferd und Leut mit grosem Durst ungetruncken bleiben, 3 Meil. [Am] 29. Tag an ein flissend Wasser. Den lezten Tag des Mayen ward geschickte Stephan Martin mit 40 Christen, desgleichen Salvato Martin mit 25 Bode [?] Proviant, Weg und Indier zu suchen. Den 9. Tag schickte Stephan Martin bis in 27 Stuck Indier vnd etlich Machilzemira (3) andere Sprache vnd Nation, so mit den Cacquencien [Caquetios] ewige Feindschaft haben. Wurden die gedachten Indier mit etlichen Christen wieder zurück an den Tukuyo [Tocuyo] gechickt, dann etlichen Plunder aus Gebrechen Indier, den zu tragen,… gedachten Rivier geblieben waren.(4)

Ich habe das Thema im 1. Kapitel des 2. Teil meines Romans verarbeitet: „Am Rio Tocuyo“.

Auf meine Bitte hin hatte der Fahrer nur ganz kurz auf der Brücke gehalten, damit ich das Foto machen konnte. Es war trotzdem ein ganz unbeschreibliches Gefühl, das ich mit niemandem teilen kann.
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(1) von Spanisch ciénaga = Sumpf
(2) Spanisch pueblo = Dorf
(3) vermutlich Spanisch maíz semilla = Maiskörner
(4) [Philipp von Hutten an seinen Vater Bernhard von Hutten zu Birkenfeld: Brief aus Coro vom 20. Oktober 1538, aus Eberhard Schmitt und Friedrich Karl von Hutten: Das Gold der Neuen Welt. Die Papiere des Welser-Konquistadors und Generalkapitäns von Venezuela 1534-1541, Hildburghausen 1996.]




Chicas de Venezuela, revisitado

chicas

Mädchen aus Elorza, Venezuela 1998 [anderes Foto der beiden chicas].




Iglesia Auxiliadora und Perverse

Catedral de María Auxiliadora
Catedral de María Auxiliadora, Puerto Ayachuco, Venezuela (Februar 1998)

Ich schrieb vor sechs Jahren: „Ich sitze hinten im Jeep, der einem katholischen Pater aus Elorza gehörte, der aus Polen stammte und mit dem ich mich über die Situation der Guahibo unterhalten hatte – und der auch Klartext redete. Der Pater entschloss sich spontan, seinen Bischof in Puerto Ayacucho am Orinoco besuchen zu wollen, und ich wollte auch dorthin. Mit dem Flugzeug sind das nur 266 Kilometer, mit dem Auto aber mehr als 500 – wir waren den ganzen Tag unterwegs. Gekostet hat es mich nichts, und ein Mittagessen bekam ich auch ausgegeben.“

Chica
Mit dem Jeep der Kirche durch die Llanos zum Rio Meta

Puerto Ayacucho, 20.02.1998: Ein Ethnologe, mit dem ich ins Gespräch komme, sagt; Der „Vater“ sei nur eine öffentliche Funktion in Venezuela. Die Struktur der Familie werde durch die Frauen zusammengehalten. Wenn sich ein Mann zu sehr um die Kinder der Frau bemühe, die nicht die seinen seien, komme er in den Verdacht, „pervers“ zu sein. Die meisten Frauen machten ihre ersten sexuellen Erfahrung mit zwölf Jahren.

Ich notierte mir noch: Interessante Frage, wenn machismo bedeutet, dass die Familien irgendwie matrilinear sind…

Chica




Destinado a nunca llegar

sky

[Dieser Text erschien zuerst auf burks.de am 17.05.2003, mit damals noch winzigen Fotos in schlechter Qualität, teilweise auch am 20.01.2011. Drei der Fotos habe ich bisher noch nicht veröffentlicht.]

[17.01.1998] Land! Nicht anders muss sich Kolumbus gefühlt haben. Gieriger Blick aus dem Fenster: Südamerika, meine zweite Heimat. Wolken huschen über Inseln, man schaut wie ein Vogel auf die türkisblaue Brandung herab. Immer wenn ich das Meer sehe, muss ich an Marquez denken: Un relato de un naufrago. Es zieht in der Brust. Welcher wehmütiger Schmerz ist das? Das Gefühl, wie ein Tropfen Wasser im Meer zu sein, eine winzige weisse Wolke unter vielen – eine sanfte Brise, und sie löst sich auf in nichts.

Das Traurige am wahren Reisen ist: Man kann es mit niemandem teilen, die Gefühle, die Sinneseindrücke nicht wiedergeben. Wie kann man eine Reise nach Südamerika erzählen? Vielleicht nur wie Rutger Hauer im Bladerunner: „I’ve seen things you people wouldn’t believe. …All those moments will be lost in time, like tears in the rain.“

Ich mag sehr gern fliegen, ich liebe den Augenblick, wenn der Druck beim Start einen in den Sessel presst. Weg, nach oben, ganz weit weg, auch wenn sieben Stunden Flug unrealistisch kurz sind für die Entfernung, die man tatsächlich zurückliegt. Mir kommt in solche Momenten immer Clandestino von Manu Chao in den Sinn:

Me llaman el desaparecido
Que cuando llega ya se ha ido
Volando vengo, volando voy
Deprisa deprisa a rumbo perdido
Cuando me buscan nunca estoy
Cuando me encuentran yo no soy
El que está enfrente porque ya
Me fui corriendo más allá

Yo llevo en el cuerpo un motor
Que nunca deja de rolar
Yo llevo en el alma un camino
Destinado a nunca llegar…

Die Sonne ist schon dunkelrot. Berge an der Küste, völlig kahl. Endlich gelandet. Immer das komische Gefühl: ich könnte den Boden küssen. Vielleicht haben das auch die deutschen Konquistadoren gemacht, deren Spuren ich verfolgen will und die schuld daran sind, dass ich jetzt in Venezuela bin. Allein, mit vielen Büchern über die Alemanes y los Belzares (Welser) im 16. Jahrhundert im Kopf. Die Hitze lullt mich ein, aber der Geruch! Ich erkenne Südamerika am Geruch. Den schweren Rücksack auf den Rücken werfen, knarrende Riemen. Auch das hört sich vertraut an. Der Druck auf den Schultern. Das Gefühl, ganz da zu sein, mit jeder Faser des Körpers. Das ist das wahre Leben – konzentriert und auf den Punkt gebracht.

Ein colectivo nach Caracas. Meine erste spanischen Worte seit langem. Kurvenreiche Straße, Slums an die Hügel gekrallt. Die Bilder von draußen dringen noch nicht bis in meinen Kopf. Ich bin restlos glücklich. Das bekannte Gewusel. Bei halb geschlossenen Augen kann ich mir vorstellen, gleichzeitig in Bogota, Medellin, Quito, Lima oder in den barrios von La Paz zu sein. Endstation. Ein paar hundert Meter zu Fuss. Die schon nächtliche Stadt liegt mir zu Füßen.

Der Verkehr rauscht um mich herum wie Wasser um einen Stein. Ich lasse den Stadtplan in der Hosentasche. Ich will reden, den Rhythmus des español in mich aufsaugen, frage Passanten. Ich muss wohl ein paar Kilometer zu Fuss gehen zum zentralen Busbahnhof. Man rät mir zum Taxi. Aber ich will das Gefühl genießen, allein durch die Nacht zu laufen.

caracas
Ankunft in Caracas, 17.01.1998

Ein Mann ruft hinter mir her: señor! Mein Reiseführer ist mir aus der Hosentasche gefallen. Er hat ihn aufgehoben. Angeblich soll Caracas in der Nacht gefährlich sein. Ich will es nicht glauben. Vielleicht braucht man einfach Chuzpe, vielleicht riechen das die Straßengangs. Ich muss immer wieder an die Straßen in den Armenviertel von Bogotá denken, deren Blicke, die einen taxieren, ob es sich lohnen könnte…. Mir ist in mehr als zwei Jahren auch in den finstersten Gegenden nie etwas passiert, außer einer Schlägerei mit einem Schwarzen in Georgetown, Guyana – er kriegte meine Kamera nicht zu fassen und ich nicht seine Hoden – bis wir voneinander abließen…

Am Busbahnhof umringt mich ein Dutzend Männer, die mir die Ziele ihrer Busse entgegenbrüllen. Schön hört sich das an: Maracaimaracaimaracaiboooooo! Maracaibo, die heiße Millionenstadt an der Lagune, die sich zum Golf von Venezeula öffnet, gegründet 1529 durch Ambrosius Dalfinger aus Ulm. Barquisimeto. Acarigua. Tocuyo. Namen, die ich aus den Briefen des deutschen Konquistadors Philipp von Hutten kenne… Noch klingen sie wie ein Geheimnis.

Es ist schon 22 Uhr und immer noch die Hölle los. Viele Tage habe ich in Busbahnhöfen verbracht, in vielen lateinamerikanischen Ländern. Das Leben spielt sich wie unter einem Mikroskop ab, alle Sorten von Menschen werden durchgeschleust. Bahnhöfe sind die interessantesten Orte einer Stadt, zusammen mit den Märkten. Wer die Bahnhöfe und die Märkte kennt, weiß, wie man in dem Land fühlt und lebt.

Der Bus fährt direkt nach Coro. Krachendes TV, daily soap auf venezolanisch, ich brauche nicht lange, um mich daran zu gewöhnen und trotzdem zu schlafen. Um kurz nach fünf rüttelt mich jemand – wir sind schon da. Eine Brise, irgendwo muss das Meer sein. Mit schweren Füßen durch schmale, holprige Straßen einer Vorstadt. Ich bin ganz allein. Hunde bellen mich an, ohne mich zu sehen. [Ich habe mir das angesehen: Der Terminal Terreste Polica Salas – der Busbahnhof – von Coro ist an der Calle Maparari, es sind von dort gut zwei Kilometer zu Fuß bis ins Stadtzentrum.]

coro
Mein Rucksack auf der Plaza Falcón in Coro, kurz vor Sonnenaufgang

Endlich: die Plaza von Santa Ana de Coro, gegründet 1527 vom Spanier Juan de Ampiés, der sich dazu die Erlaubnis des Kaziken Manaure holte. Die kleine Kathedrale, dem heiligen Franziskus geweiht. Als Georg Hohermuth von Speyer und Philipp von Hutten 1528 auf diesem Platz standen, war sie noch nicht fertig. Sonnenaufgang.

Ich sitze auf einer Bank und versuche mir vorzustellen: 400 deutsche Landsknechte und sächsische Bergknappen, die hier, genau an dieser Stelle, damals, vor fast 500 Jahren, aufgebrochen sind nach El Dorado. Ich schaue auf die Uhr. Es ist unfassbar. Von Berlin nach Coro in weniger als 48 Stunden.

coro

Hotel Capri, muy barato o baratissimo [Calle Zamora, die Pension gibt es nicht mehr], aber ich fühle mich gleich wohl. Es ist alles irgendwie bekannt, ein Patio, ein paar Frauen mit Kindern, die immer dort herumsitzen. Coro ist eine Kleinstadt. Ein winziges Cafe (Foto unten), in dem ich nach den ersten spanischen Sätzen sehr freundlich gebeten werde, etwas von Alémania zu erzählen. Ich bleibe zwei Stunden. Bald werde ich in den Strassen von Einheimischen gegrüsst.

coro

In den nächsten Tagen gewöhne ich mich an die Hitze. Jeden Mittag 40 Grad. Die zona colonial, die zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Netter Plausch mit einer Museums-Führerin – bildschön, wie alle Frauen, die in Coro einen „öffentlichen“ Job haben, mit schelmischem, aber auch verlegenem Lachen. Natürlich verheiratet. Sie nimmt sich für mich im Casa de Tesoro [heute: Museo de Arte] den ganzen Nachmittag Zeit, weil ich der einzige „Kunde“ bin.

museo de arte coro

Ich erkunde die Umgebung, frage mich durch. Bald kenne ich die lokalen Buslinien, fahre ans Meer, an die Bucht La Vela de Coro, in der damals die drei Schiffe des Welser-Konzerns ihre Fracht abgeladen haben. Vielleicht erinnert vela – das Segel – an diese Zeit. Dort ist heute kein Hafen mehr. Die Dünen nordwestlich von Coro – wie im Nordwesten Perus, nur im Westentaschenformat.

medanos de coro

Ich schreibe in mein Notizbuch: „Das vertraute Gefühl des Reisens stellt sich sehr schnell ein. Abgesehen davon ist es hier ziemlich teuer, wenn man nicht basic lebt. Allein 10 DM „verschlingt“ das Hotel. Mehr als 20 DM inklusive allem will ich vorerst nicht ausgeben. Wer weiß, wie es im Süden des Landes aussieht…“

Der Internet-Provider am Plaza de Manaure, wo die modernen Gebäude sind und die Schuhputzer auf Kunden warten. Ein junger Bursche, der den Laden allein führt. Der einzige Mann in Venezuela mit meiner Frisur. Wir fraternisieren gleich. Er jammert mir vor, dass niemand in Coro verstehe, wie wichtig das Internet sei. Ich darf gratis surfen und lese Berliner Zeitungen. Total unwirklich. Es berührt mich nicht.

Ein schmieriger Typ spricht mich jeden Tag an, wenn die Leute nach der Siesta zwischen der Plaza und der Calle de Zamora flanieren. Will mir eine Frau vermitteln und dafür Provision…

medanos de coro

To be continued…