Cruce de Cristóbal

San Cristóbal de las Casas i

Straßenszene in San Cristóbal de las Casas, Chiapas, Mexiko. Das Foto habe ich in der ersten Novemberwoche 1981 gemacht. Es gibt zwar ein Straßenverzeichnis, aber ich bin mir nicht sicher, an welcher Kreuzung das ist, da die Schrift auf dem Straßenschild zu klein ist.

Mann mit komischem Hut

burks in Cuauhtémoc

In den Bergen bei Cuauhtémoc (Chihuahua), Mexiko, fotografiert im September 1981. Ich weiß nicht, warum ich so einen komischen Hut auf habe, vermutlich hatte ich keinen anderen. (Mehr: Die Raramuri (Tarahumara), Mennoniten und der Chepe, 30.09.2018.)

The Rebel Maya

x-cacal
Credits: The Modern Maya: A Culture in Transition, X-Cacal, 1974

Frage an die aus Wokistan: War der Krieg der Maya gegen die Weißen (Guerra de castas, 1847 bis 1901) rassistisch oder ist er ein Anlass für reaktionäre völkische Romantik wie bei den Themen „Kurdistan“ und „Tibet“?

Ambulantes

ambulantes

„Fliegende Händler“, die man in Lateinamerika ambulantes nennt, fotografiert 1981 irgendwo in Mexiko, vermutlich in Tepic, der Hauptstadt des Bundesstaates Nayarit.

Mesoamerikanischer Ort der Binsen, revisited

tula

Nachtrag zu Tula („Ort der Binsen“), Mexiko, aufgenommen am 09.10.1979. Tula war das kulturelle Zentrum der Tolteken. (Versucht mal auszusprechen: Pyramide des Tlahuizcalpantecuhtli!)

Das Foto bzw. eingescannte Dia war schon total ramponiert. Aber so lernt man was dazu, zum Beispiel mit Gimp Blaustich aus Fotos entfernen. Ich bitte daher die mangelnde Qualität zu entschuldigen.

Ajijic am Lago Chapala, revisited

ajijic

Fotografiert 1981 in Ajijic am Lago Chapala, Mexico. Über Ajijic hatte ich hier schon mehrfach geschrieben. Heute sieht es da anders aus, und die Grundstückspreise dürfte wegen der nahen Großstadt Guadalajara denen am Tegernsee gleichen.

Mariachi!

mariachimariachi

Mariachi-Kapellen am späten Abend auf dem Plaza de la Constitución, auch Zócalo genannt, fotografiert 1979 oder 1981. Ich wüsste nicht, was typischer für Mexiko wäre. Ich bin immer geflohen, wenn die mir zu nahe kamen.

Zapotekisch oder nicht, das ist die Frage

monta alban zapotec

Am 13.07.2012 schrieb ich: „Monte Albán, die ehemalige Hauptstadt und das religiöse Zentrum der Zapoteken im heutigen Mexiko in der Nähe von Oaxaca. Das Foto habe ich 1979 ungefähr hier gemacht. Die drei kleinen Steinchen im Vordergrund sind von mir, nicht von den Zapoteken… Damals war Monte Albán noch nicht Weltkulturerbe, und es war kein Tourist weit und breit zu sehen.“

Das stimmt, Touristen waren dort nicht. Aber dafür kamen, als mein Begleiter und ich im Oktober 1979 durch die Ruinen der ehemaligen zapotekischen Hauptstadt stöberten, zwei schmierige verdächtige Gestalten aus dem Gebüsch, die sich offenbar versteckt hatten.

Angst hatten wir nicht vor ihnen, wir waren beide groß und stark und hätten es vermutlich zur Not auch mit vier Mexikanern aufgenommen, die mindestens einen Kopf kleiner als wir waren. Die Herren gestikulierten aufgeregt und winkten uns näherzukommen, als trauten sie sich nicht aus dem Gestrüpp. Sie fragen uns, ob wir zapotekische Artefakte kaufen wollen und zeigen uns ein paar Figuren, die sehr alt und recht demoliert aussahen.

Ich kann mich nicht erinnern, was ich damals gedacht habe. Aber es gab nur zwei Alternativen: Entweder waren das echte Grabräuber und die Artefakte auch, oder die Figuren waren so geschickt nachgemacht, dass man sie als ziemlich gute Kunst nehmen konnte. Wir verhandelten recht lange, der Preis war für lächerlich gering, für die beiden Kerle jedoch ein Monatsverdienst.

Ich habe das obige „Artefakt“ gekauft. Es ist ein bisschen kleiner als meine Hand. Die Blütezeit Monte Albáns lag ungefähr in der Zeit zwischen der römischen Reichskrise und den Soldatenkaisern bis zu Karl dem Großen und dem Frankenreich. Vermutlich war der Kauf strengstens verboten, wenn die Figur echt ist. Ähnliche Dinge erzielen hohe Preise. Auch der Stil sieht eindeutig zapotekisch aus.

Entweder besitze ich also mexikanische „Volkskunst“ oder ein recht exotisches und wertvolles Stück. Vermutlich werde ich das nie erfahren.

Das Geheimnis der Maya-Scherbe

uxmaluxmal

Ich muss gestehen, dass ich ein Dieb bin, obwohl der Eigentümer sich nicht beschweren wird, da er schon rund 1000 Jahre tot ist. In Uxmal (Yucatan, Mexiko) habe ich am 17.10.1979 ein Artefakt mitgenommen, das vermutlich Teil eines Kruges oder Gefäßes gewesen sein wird, fernab von den Ruinen. Ich streifte durch das Areal, was schwierig war, da außerhalb der wenigen gerodeten Plätze wegen des dicken Dschungels kaum ein Durchkommen ist. Ich fand eine kleine Lichtung mit vielen steinernden Trümmer, aber auch verstreute Tonscherben. Eine davon steckte ich ein.

In Uxmal waren wir fast allein. Auf keinem der ein Dutzend Fotos ist ein anderer Tourist (außer meinem Reisebegleiter) zu sehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Archäologen diese Scherbe zurückgelassen haben. Andererseits ist es auch schwer vorstellbar, dass diese Scherben nicht im Laufe der Jahrhunderte völlig überwuchert wurden, zumal Uxmal seit einem Jahrtausend nicht mehr besiedelt ist. Es wird ein Geheimnis bleiben.

Uxmal, Taubenhaus

uxmal

Noch einmal Uxmal – das Taubenhaus. Ich war es leid, immer nur Ruinen zu fotografieren, über die ich damals noch nicht viel wusste (es gab kein Internet – und ich hatte keinen Reiseführer!). Deshalb kroch ich ins Gestrüpp, um eine ungewöhnliche Perspektive zu finden.

Das Original-Dia war schon arg ramponiert, als ich es einscannte. Ich bitte die mangelnde Qualität zu entschuldigen – es war auch kompliziert, den erheblichen Blaustich wegzukriegen.

Fotografiert in Yucatan, Mexiko, am 17.10.1979.

Uxmal

uxmal

Ich stehe da auf der Hauptpyramide der Maya-Stadt Uxmal, Yucatan (Mexiko), im Hintergrund eine noch nicht ausgegrabene Pyramide – es dürfte sich um den Chimez-Tempel (Chanchimez) handeln.

Nur das ehemalige Stadtzentrum ist archäologisch erschlossen. „Die Geschichte von Uxmal ist so gut wie unbekannt. Die archäologischen Forschungen sind, trotz einer großen Leistung auf dem Gebiet der Konservierung und Rekonstruktion, nur oberflächlich gewesen.“

Ich gäbe etwas darum, eine eintägige kurze Zeitreise machen und sehen zu können, wie die Stadt unter Chan Chak K’ak’nal Ajaw etwa im Jahr 900 aussah. Das Foto habe ich am 17.10.1979 gemacht.

Cuauhtémoc, revisited

Cuauhtémoc

Das Foto habe ich am 28.09.1979 in Cuauhtémoc im Norden Mexikos im Bundesstaat Chihuahua gemacht. Das ist offenbar dieselbe Mauer und auch dasselbe Auto, die hier 2001 schon einmal auftauchten.

Chichén Itzá

chichen itzachichen itzachichen itza

Chichén Itzá, Mexiko, fotografiert am 18.10.1979. Die beiden unteren Fotos zeigen den Caracol („Schneckenturm“), ein Observatorium der Maya.

Eje Central

Popocatépetl

Avenida Juaréz Ecke Eje Central, auch bekannt als Avenida Lázaro Cárdenas, links der Torre Latinoamericana, Mexiko-Stadt, am 05.10.1979 nach Süden fotografiert. Ich hatte natürlich keine Ahnung mehr, wo das war, aber als ich nach einer sechsspurigen Straße suchte, wurde ich mit Google Street View schnell fündig.

Popocatépetl

Popocatépetl

Von der Pyramide von Cholula (Mexiko) bzw. der Kirche Santa Maria de los Remedios aus fotografiert. Ich habe erst jetzt herausgefunden, warum ich das Foto am 11.10.1979 gemacht habe: Im Hintergrund links ist der Vulkan Popocatépetl zu erkennen. In Nahuatl aka Aztekisch heißt er schlicht „rauchender Berg“. Am Horizont ist die Stadt Puebla zu sehen.

Huichol

huichol tepic mexico avenida insurgentes

Dieses Foto liegt schon über Jahre in meinem Archiv unbearbeiteter Bilder, und ich rätselte schon öfter herum, wo ich das gemacht haben könnte. Rechts ist ein Indio in Tracht zu sehen. Meine damalige Freundin, mit der ich reiste, war Ethnologin und wusste sofort, um welches Volk es sich handelt. Ich habe jetzt noch mal mein Reisetagebuch von damals durchforstet. Am 6.10.1981 fand ich den Eintrag, dass wir in Tepic waren, auf der Avenida Insurgentes, vermutlich auf dem Weg vom oder zum Busbahnhof (per Google Streetview finde ich das Motiv aber nicht wieder), und einen Huichol gesehen haben – die Tracht könnte stimmen. Das Foto wäre damit ziemlich exotisch.

Ich bin mir nicht ganz sicher. Die nächste Station war übrigens Guadalajara südlich von Tepic. Dort könnten Huichol auch zu finden sein, wenn auch selten. Falls die Schwarmintelligenz des Publikums Einwände hätte, werde ich das überprüfen.

El Quemadero oder: Beethoven im Alameda Central

alameda central mexico

Das Beethoven-Denkmal im Park Alameda Central, Mexiko-Stadt. Fotografiert im Oktober 1979. Der Alameda Central ist der älteste Park in der Hauptstadt Mexikos und wurde schon 1592 angelegt. Früher wurden hier „Hexen“ und „Ketzer“ öffentlich verbrannt. Die deutschen Minderheit in Mexiko spendete 1921 das Beethoven-Denkmal.

Aus der Reihe „nützliches Wissen“: Als der mexikanische General Antonio López de Santa Anna 1846 triumphal in Mexiko-Stadt einzog, befahl er, die Brunnen des Parks mit Alkohol zu füllen. Seine Biografie ist typisch für die Politik in Mexiko – bis heute.

Taraskischer Froschhügel oder: Archäologie des Befindens II

Guanajuato

Guanajuato, Mexiko (1979)

Fortsetzung meines Reisetagebuchs, 1979:
… Guadalajara ist die zweitgrößte Stadt Mexikos und hat zwei Millionen Einwohner. Wir werden vor dem Bahnhof von einem Typen angequatscht, der uns das Hotel Leon an der Plaza Indepediente [vielleicht die Plaza Independencia, oder es ist das heutige Hotel Léon an der Calz Independencia Sur gemeint] empfiehlt. 160 Pesos mit Bad. Abends gehen wir essen. Carne asado [gebratenes Fleisch] ist fürchterlich scharf, dazu schrecklich laute Orgelspieler, aber gutes Bier. Die Stadt ist sehr lebhaft. Wir treffen oder sehen keine anderen Touristen. [Fotos von Guadalajara habe ich 1982 gemacht, etwa von der Kathedrale oder der Universität.]

02.10. Bus über Leon nach Guanajuato. 2000 Meter hoch gelegen. Das Mumien-Museum ist ziemlich schrecklich. Viele Elendsviertel ringsum. Die Universität hat keine Mensa, die Studenten alle sehr jung. In der Stadt viele hübsche, enge, gepflegte Gassen. Keine Obdachlosen auf den Straßen.

Guanajuatoguanajuatoguanajuatoguanajuato

Falls hier doch einige der Nachgeborenen mitlesen: Es ist ein ganz anderes Gefühl, Fotos zu machen, wenn man nur über ein begrenztes Kontingent verfügt. In vor-digitalen Zeiten musste man sich schon genau überlegen, was und wie oft man fotografiert. Wenn man am Anfang einer sehr langen Reise – bei mir war es drei Mal mehr als ein halbes Jahr – viel knipst, dann hat man am Ende keine Bilder mehr übrig, obwohl die Motive vielleicht viel besser sind. Dias konnte ich nicht nachkaufen. Wie viele Fotos also plant man im voraus für sechs Monate? Und wie plant man das überhaupt?

In Guanajuato – Taraskisch: „Froschhügel“ – war ich zum ersten Mal in Lateinamerika „angekommen“. Die Stadt ist außerordentlich schön [u.a. Teatro Juárez de Guanajuato – Video, sehr interessant, in Spanisch, Foto des Theaters unten], ich kann mich erinnern, dass ich begeistert drauflos geknipst habe. Ich kann bei einigen Bildern aber nur ahnen, warum ich die Motive wählte: Auf dem Bild, das meinen Reisebegleiter zeit, wie er eine Straße entlanggeht, sitzt im Schatten eine Bettlerin – vielleicht sah ich zum ersten Mal so etwas? Ich hatte damals auch keine Ahnung, was es mit den Purépecha auf sich hat oder wer Nuño Beltrán de Guzmán war. So unvorbereitet wie 1979 bin ich später nie mehr gereist. „Richtig“ reisen muss man lernen.

guanajuatoguanajuatoguanajuato mina valenciana

04.10. Besichtigen Kirche Valenciana – ein Prunkkasten.[Catedral Basílica Colegiata de Ntra. Sra. de GuanajuatoGoogle Streetview – wenn ich gewusst hätte, dass es vierzig Jahre später noch immer keine guten und frei verfügbaren Fotos vom Inneren der Kirche gibt, hätte ich eines gemacht. Vermutlich habe ich sogar eines, aber ich kann es nicht identifizieren, weil die Bilder vom Interieur irgendwelcher Kirchen oft von sehr schlechter Qualität, weil ohne Bitz gemacht worden sind.]

Schwätzen mit Schulkindern, die uns ihre Schulbücher zeigen. Geschichtliche Abrisse scheinen besser als die in der BRD zu sein (Stichwort „Kapitalismus“). Danach schauen wir uns die Mine Valenciana an. Der Förderturm sehr altertümlich, einfahren kann man nicht. Quatschen mit einem herumlungernden Jungen, der zeigt uns die Kristall- und Mineralausstellung, die eigentlich nicht geöffnet ist, und schenkt uns zwei Minerale.

teatro juaréz guanajuatoLa Valenciana

Ein Antiquitätengeschäft verkauft Porzellan von Villeroy und Boch. Ich spiele in dem Laden Klavier (deutsche Marke aus Hamburg). Ziemlich gutes Essen in winziger Kneipe, wo sie das Bier für uns erst beim Nachbarn kaufen müssen. Abends gibt es einen Umzug und Maskerade. Kriegen aber nicht raus, was das Ganze soll. [Vermutlich eine Veranstaltung des Festival Cervantino] Dann Kino. Es läuft Edgar Wallace mit Horst Tappert.

05.10 Um 4.30 Uhr morgens Ankunft in Mexiko Stadt.


El Chepe oder: Archäologie des Befindens

cuauhtemoc
Cuauhtémoc im Norden Mexikos im Bundesstaat Chihuahua. Über meinen zweiten Aufenthalt in Cuauhtémoc 1981 habe ich am 25.05.2013 schon etwas geschrieben.

Wir könnten heute Sean Connery huldigen oder ihm zum Geburtstag gratulieren. Oder über den Landesparteitag der Link*innen lustig machen, wo man – immerhin! – den Kapitalismus*innen an die Kett*innen legen will – nach der Maxime: Immer die selben Leute treffen sich zu Veranstaltungen, um sich dort gegenseitig zu bestätigen und bejubeln, dass sie auf dem richtigen Weg zur Fünfprozenthürde sind und dass es ganz großartig ist, wenn man halb so viele Stimmen wie weiland die KPD bekommt.

Apropos Weg: Ich musste mir gestern wieder die Frage nach der Zahl 42 stellen, dröselte ich doch stundenlang an eingescannten uralten Dias Fotos, rund zweitausend oder mehr an der Zahl, die zu katalogisieren und den Nachgeborenen zu erhalten ich mir zur Aufgabe gemacht habe, trotz deren zum Teil desaströsen, weil im Original verstaubten Zustands. Ich stellte mir vor, jemand schaute die (wie?) in einem halben Jahrhundert an, eingedenk der oral überlieferten Tatsache, dass der besagte Vorfahre damals in Zeiten, bevor es das Internet als Massenmedium gab, in Lateinamerika auf das Abenteuerlichste herumgereist sei. Ist das in irgendeiner Weise relevant? el pasoOder werden diese Nachfahren verständnislos auf diese Fotos starren und mich für bekloppt erachten, weil ich zum Beispiel 1979 es versäumte, gleich Videos zu drehen – anstatt platt und zweidimensional etwas zu dokumentieren, was für andere ohnehin keinen Sinn ergibt? Ich sage nur: Dias! Wie meinen?

Gestern schaute ich Passagen meines ersten Reisetagebuchs (1979/80) an; einige Stellen hatte ich seit dem Notieren nie wieder gelesen. Merkwürdig, was ich damals wichtig fand! Das Geschreibsel klingt irgendwie hilflos und naiv. Es war meine erste Reise außerhalb Europas, und vorher war ich auch nicht viel herumgekommen. Ich plante ursprünglich, ins kalte Wasser zu springen und allein loszuziehen, aber ein Freund wollte unbedingt mit (was ich später bedauerte, weil wir nicht dieselbe Art des Abenteuerns mochten und oft vor der Option standen, getrennt weiterzureisen. Es war wie in der Ehe eine Frage des Abwägens der Vor- und Nachteile.)

Ich versuchte, mir mich selbst vorzustellen: Die paar Wochen in den USA waren exotisch: New York, New Orleans, das Space Center in Houston (leider ist das Foto, was ich im Kontrollraum gemacht hatte, verschollen), Santa Fe. Aber danach wurde es ganz anders: Mexiko?! Eine mir damals noch ziemlich fremde Sprache – was würde mich erwarten? Und danach: Südamerika? In meinem Tagebuch steht am Anfang nur Belangloses. Erst eine Busfahrt entlang des Rio Grande in Richtung El Paso „weckte“ mich auf: Ritten da nicht die Apachen entlang – oder so? Was macht man eigentlich, wenn man reist?

Ich hatte einfach Glück. Oder macht man instinktiv etwas, was zum größtmöglichen Abenteuer führt? Aus meinem Reisetagebuch:

27.9.1979 Fahrt Santa Fe – Albuquerque – El Paso. Western-Kulisse am Rio Grande entlang. In El Paso drei Mal die Grenze [zu Mexiko, kleines Foto] überquert, da uns beim ersten Mal der Grenzer in Mexiko zurückschickt, weil kein Zug mehr fahre. Beim zweiten Mal sagen wir, laut Touristen-Information, dass wir mit dem Bus fahren würden, Er lässt uns durch. Fahrt mit dem ordinario [Lokalbus] durch das nächtliche Ciudad Juarez. Erste Gespräche auf Spanisch. [Ich habe nie Spanisch „ordentlich“ gelernt. Ich hatte Latein und Französisch in der Schule, der Rest war learning by doing.]

mennoniten
Hof von Mennoniten in Cuauhtémoc, im Hintergrund eine ihrer typischen Kutschen. Die orthodoxen Mennoniten benutzen keine Autos.

28.09. Kommen im 1.30 Uhr nachts in Chihuahua an. Suchen ein Hotel, es gibt nur eines mit allem Konfort (damals 250 Pesos pro Nacht). Sind zu müde, um ein anderes zu suchen. Frühstück: Tortillas! Fahren mit dem Bus nach Cuauhtémoc. Der Bus ist gerammelt voll. Cuauhtémoc hat einen komischen Bahnhof. Ein Kerl [ein Mennonite], dem die Getreidesilos gehören, spricht uns an. Nachdem er gehört hat, dass wir aus Alémania federal kommen [und nicht aus der DDR], lädt er uns zu sich ein, Wir verbringen den Nachmittag im Café [Ausblick von dort oberstes Foto], trinken zahllose Cola und spielen Schach. Die Bettler kommen uns bis ins Café hinterher. Viele Schuhputzerjungen. Mennoniten in traditioneller Tracht.

mennoniten
In der Nähe des Bahnhofs von Cuauhtémoc, im Hintergrund Mennoniten-Jungen mit Cowboy-Hut, den alle Männer tragen.

Bei den Mennoniten abends gibt es Bratkartoffeln mit Bouletten. Lange Gespräche. Der Mann behauptet, die Mexikaner enteigneten alle reichen Bauern. Wir kriegen die Adresse seines Sohnes in Belize!

29.09. Frühstück mit anderen Mennoniten. Fresspakete für uns: Brote mit Schinken. Redekop [der Familienname des Mennoniten] organisiert den Fahrkartenverkauf, so dass wir bevorzugt werden.

schuppenferrocarril cuauhtemoc sufragioferrocarril cuauhtemoc sufragioferrocarril cuauhtemoc sufragioferrocarril cuauhtemoc sufragio
Bahnstrecke Cuauhtémoc nach El Sufragio – Ferrocarril Chihuahua al Pacífico

Der Zug nach El Sufragio [Sonora] fährt um 10 Uhr. Keine Schranken an den Gleisen, keine Signaltöne. Kaputte Scheiben, Musik und fliegende Händler. Das Gebirge ist abenteuerlich: 89 Tunnels und 40 Brücken. Zwischenstopp an der Barranca del Cobre [„Kupferschlucht“, Foto ganz unten]. Viele ärmliche Dörfer, die Leute hausen zum Teil ins ausrangierten Waggons. Händler verkaufen Papageien, Tacos, Bananen, Tequila.

Heute weiß ich, dass die Zug „El Chepe“ genannt wird und dass ich auf einer der exotischsten und aufregendsten Eisenbahnrouten der Welt war. Wikipedia zu dieser Strecke: „Von der Hafenstadt Topolobampo an der Pazifikküste führt die Strecke über Los Mochis [dort liegt El Sufragio] nach El Fuerte und schlängelt sich dann durch die zerklüfteten Felsen der Sierra Madre Occidental, vorbei an schwindelerregend tiefen Schluchten und bizarren Felsformationen. Über viele Brücken und durch zahlreiche Tunnel wird ein Höhenunterschied von 2400 m bewältigt. Während der mehrere Stunden dauernden Reise durchfährt der Zug verschiedene Landschafts- und Vegetationsformen: die Pazifikküste mit ihrem subtropischen Klima genauso wie kühle Bergregionen und Kakteensteppen.“

Wir kommen abends um 20 Uhr in Sufragio an und haben sofort Anschluss nach Guadalajara. Eine sehr kesse Mexikanerin, die angeblich in Florida als Diätassistentin gearbeitet hat, gibt uns ihre Adresse und die ihrer Freundin in Lima, Peru.

29.09. Um fünf Uhr am Morgen sind es schon 25 Grad [im Zug]. Sonnenaufgang im Gebirge, dazwischen Palmen im Nebel, davor grünes, wucherndes Gestrüpp. Hinter jedem Tunnel ist ein Postkarten-Motiv. Der Zug braucht 22 1/2 Stunden. Wir sind total verdreckt, aber bekommen zum Glück vom Fraß der fliegenden Händler keinen Durchfall.

War das jetzt wichtig zu erfahren? Wichtiger als die aktuellen Nachrichten? Ich bin ein egoistischer Schreiber und mache, was ich will. Zu meinen Fotos fällt mir oft mehr ein und ich muss mehr recherchieren als etwa bei schlechten Nachrichten zur aktuellen Seuche, Gift oder nicht Gift oder zum gegenwärtigen Vorsitzenden des Ausschusses der herrschenden Klasse in den USA.

barranca del cobre
Kupferschlucht (Barranca del Cobre)

Mesoamerikanischer Ort der Binsen

TulaTula

Tula („Ort der Binsen“), Mexiko, aufgenommen am 09.10.1979. Tula war das kulturelle Zentrum der Tolteken. (Versucht mal auszusprechen: Pyramide des Tlahuizcalpantecuhtli!)

Vermutlich betrachte ich gerade die Adler, die Herzen fressen. Das untere Foto (um die Größenverhältnisse zu verdeutlichen) zeigt meinen damaligen Reisebegleiter und Freund H., der leider schon verstorben ist.

Ich belüge mein Publikum nie selten, aber das oberste Foto habe ich stalinistisch behandelt und eine (unwichtige und störende) Person wegretuschiert. In der Original-Datei kann man auch sehen, in welch desolatem Zustand die Dias waren. Mittlerweilen habe ich nur noch die digitalisierte Version und die Originale entsorgt.

Aus meinem Reisetagebuch (der letzte Abschnitt nur für Erwachsene):
Im Hotel treffe ich 6 Deutsche aus München. Die beiden Frauen sind sehr nett. Gehen in die Kneipe gegenüber. Mariachi-Kapelle spielt eine Stunde lang schrecklich falsch und laut Schmalz. Blondine [mit der ich 1981/82 noch einmal sechs Monate in Lateinamerika war] kriegt Lieder ausgegeben. Fast eine Schlägerei mit einem besoffenen Typen, der die Blondine anmacht. Trinken Tequila – ein gelungener Abend. H. scheißt ins Bett.

06.10. Langes Frühstück zusammen mit den Münchnerinnen. Laufen zur Plaza de la Constitucion und zum Museo de la Ciudad. H. hat schon wieder Dünnschiss. Fahre allein zum Museo Nacional de Antropología. Sehr interessant und Ausblick auf drei Vulkane. „Kampf des mexikanischen Volkes für seine Unabhängigkeit“. Zu Fuß über die Avenida Paseo de la Reforma. Plaza Garibaldi mit vielen Musikanten und einer „Halle des Essens“. (…)

Ziehen am Abend mit den Münchnerinnen durch sämtliche umliegenden Lokale. H. verschwindet um drei, wir machen bis sechs Uhr früh weiter. Alle Mexikaner sind wegen S. [der „Blondine“] aus dem Häuschen. S. klappt auf dem Weg ins Hotel auf dem Bürgersteig zusammen, ein Zivilpolizist hilft uns und begleitet uns bis zum Hotel. Wir liegen dann im Bad auf dem Schlafsack und machen noch bis 10 rum…

image_pdfimage_print

← Next entriesOlder entries