Futter für das gesunde Volksempfinden

Na also. Gestern sagte ich telefonisch zu einem Kollegen, es sei noch eine Verschwörungstheorie, wenn man vermute, dass die CDU mit der Justizministerium einen Deal gemachte habe: Die Zensur-Loobby verzichtet auf symbolische Sperren von Websites und Leutheusser-Schnarrenberger leistet im Gegenzug weniger Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung, wobei Letztere sich nach Maßgabe des Wahrheitsministeriums verkleidet und als Worthülse „Anti-Terror-Befugnisse“ daherkommt.

Politik in Deutschland streitet bekanntlich nicht um Inhalte, sonders man schachert um populistische und Bild-Zeitungs-kompatible Sprechblasen. Die darf entweder der total merkbefreite niedersächsische Innenminister Schünemann persönlich vortragen oder sie werden von den Lakaien der Zensur-Lobby bei Focus oder in der Neuen Osnabrücker Zeitung untergebracht. Es ist wie auf einem Beduinenmarkt, nur dass nicht Kamele und Schafe verkauft werden, sondern dass die mit Futter vollgestopft werden, um das gesunde Volksempfinden noch gesunder werden zu lassen.

(By the way: natürlich lautete meine Frage in meinem gestrigen Interview mit Alvar Freude: „Woher kommt der plötzliche Mut der Regierung, sich gegen das gesunde Volksempfinden zu stellen?“ Den LeserInnen der taz kann man Polemik aber nur bis zu einem gewissen Grad zumuten, sonst kommt ihnen das Müsli wieder hoch – deshalb wurde mir das „gesunde“ herausgestrichen.)

Heute schon ist das, was ich gestern sagte, keine Verschwörungstheorie mehr. Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem Schünemann kroch. „‚Einen Verzicht auf Internet-Sperren gegen Kinderpornografie wird es nur geben, wenn gleichzeitig zahlreiche befristete Anti-Terror-Befugnisse der Geheimdienste entfristet werden‘, sagte Fraktionsvize Günter Krings (CDU) der Neuen Osnabrücker Zeitung. Am Mittwochabend hatte Frings bereits den Verzicht auf Internetsperren als als Überlebenshilfe für den Koalitionspartner bezeichnet.“

(Der Titel seiner Dissertation lautet: „Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche – Die subjektiv-rechtliche Rekonstruktion der grundrechtlichen Schutzpflichten und ihre Auswirkung auf die verfassungsrechtliche Fundierung des Verbrauchervertragsrechts.“ Der gute Mann ist also ausgewiesener World-Wide-Web-, Usenet-, IRC-,Telnet-, FTP- und E-Mail-, wenn nicht sogar Internet-Experte und könnte sofort bei Akte ohne Manuskript über den Gebrauch des Internet Explorer oder gar über Word referieren.)

Quod erat demonstrandum. So was könnte sich selbst Kafka nicht ausdenken. Die haben die rechtspopulistische Idee, für die Censursula sich stark gemacht hat, man müsse das World Wide Web zensieren, nur zeitweilig zurückgenommen, damit ein paar geistig Minderbemittelte denken, man könne ja doch die FDP wählen, weil die auch einen Heiner Geissler haben, nur das der eine Frau ist und Leutheusser-Schnarrenberger heißt.




Zensursula vorläufig gescheitert

akzensur: Pressemeldung: Erfolg der Vernunft: Gesetz zu Internet-Sperren wird aufgehoben http://j.mp/fPmYar #Zensursula




Wie einen Worte ins Gefängnis bringen

Lesebefehl: RA Udo Vetter (lawblog) über die Idee deutscher Gerichte, Dateinamen als Beweis für ihren Inhalt zu nehmen.




Der DAU im Mittelpunkt – Sascha Steuer (CDU) fordert Internet-Zensur

Wenn es nicht so trautig wäre, könnte man das, was deutsche Politiker gemeinhin zum Thema IT oder Internet von sich geben, als perfekten Comedy-Ersatz nehmen. Ich muss oft einfach losprusten – über das Niveau des technischen „Sachverstands“. Die sinnfreien Sprechblasen stoßen – was besonders lustig ist – auf keinen Widerspruch. Es ist wie bei den Bürgern von Schilda, die alle gemeinsam einen Krebs wegen Sachbeschädigung verurteilten.

Im Berliner Senat ging es um Cyber-Mobbing aka Cyber-BullYing, insbesondere um isharegossop.com. „Der CDU-Schulexperte Sascha Steuer warf dem Senat und speziell Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) Inkompetenz im Umgang mit Internetmobbing vor.“ Steuer hat vermutlich recht, denn heutige Politiker lernen das normale parteiinterne Mobbing zwar von der Pike auf, im Cybermobbing haben sie aber vermutlich noch Nachholbedarf.

„So habe Zöllner offenbar zunächst nicht gewusst, dass Internetseiten in Deutschland nicht zentral gesperrt werden können“. Da wirft jemand im Glashaus mit Steinen – was sagen denn die ParteigenossInnen der CDU dazu, insbesondere Censursula, die sich für „Websperren“ einsetzen? Jetzt kommt es aber knüppeldick:

„Unerträglich sei obendrein, dass diese Seite heute noch auf Berliner Schulcomputern abzurufen sei, kritisierte Steuer.“ Ach ja? Und wie will man das verhindern? Etwas mit „Jugenschutz“-Filten, die so leicht zu umgehen sind wie ein Verkehrschild für einen Fußgänger?

Da fordert jemand klammheimlich Zensur des Internet, ohne die Courage zu besitzen, das offen ausprechen. Das hatten wir schon im Jahre 2004: Damals forderte die CDU-Fraktion den Aufbau eines umfassenden Filterprogramms an Berliner Schulen – obwohl jeder IT-Experte ihnen demonstrieren könnte, dass diese Filter Unfug sind. Der einzige Grund, Internet-Filter an Schulrechnern zu installieren, wäre diese, dass die Schüler im Unterricht lernen, wie man Filter und Zensur umgeht – das wäre echte Medienkompetenz.

Und jetzt zu etwas ganz Anderem. Bei Heise finden wir ein schlagenden Argument, warum man immer den kleinsten gemeinsamen Intelligenzquotienten voraussetzen muss. Das Aussenministerium rüstet von Linux auf Apple um: Es gab „massive Kritik der Nutzer“. „Viele hätten darum gebeten, man möge „wieder auf das vertraute Windows-XP-Betriebssystem umstellen“. „Der Nutzer im Mittelpunkt“, verkündete [der Referatsleiter IT] in dem Schreiben gleich zweimal.“

Moment. Die DAUs müssen mit Linux arbeiten, wollen das „vertraute Windows-XP“ zurück und kriegen jetzt den Datenkraken Apple? Das verstehe, wer will. Windows 7 ist dem DAU auch nicht so vertraut? Du meine Güte, was ist denn gegen Ubuntu zu sagen, das genau so einfach wie Apple ist, aber nichts kostet? Ich fass‘ es nicht.

Und jetzt zu etwas ganz Anderem. (Ich muss ja irgendwie das Video da oben begründen.) Pornoanwalt: „Eine neue EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Kinderpornografie sieht nicht nur Internetsperren vor, sondern verpflichtet die 27 Mitgliedstaaten auch zur Kriminalisierung von Erotika mit Erwachsenen. Verboten wird nicht nur Pornografie, sondern jede Darstellung sexueller Vorgänge.“

Dann haben die Jugendschutzfilterwarte aber bald viel zu tun… Das Internet ist bekanntlich voll vom PrOn. You have no idea, Sascha Steuer.




Isharegossip zum Wasweissichwievielten

Telepolis: “ Und wenn ich was nicht ändern kann, dann zieh‘ ich mir die Scheuklapp‘ an“ – über isharegossip.com, das wir, liebe Kinder, hier schon durchgenommen hatten. Burks.de wird im Artikel lobend erwähnt.




Burks.de: Access Denied

burks.de

Ein Leser schreibt mir: „Ich habe gestern abend auf dem Flughafen Kingston, Ontario das kostenlose Internet genossen und bekam beim Aufruf von Deiner Seite die als Screenshot beigefügte Meldung. Ich hab’s zwar nicht ausprobiert, weil ich prinzipiell nie auf die Idee käme, bild.de aufzurufen, aber ich möchte wetten, daß die echten Haß- und Intoleranzseiten dort nicht gesperrt sind. ;-)“




Alles automatisch

„Programmierung automatischer Abmahnanwälte, die diese automatischen Seiten automatisch abmahnen.“ (Kommentar zu Heise: „Datenschutz-Tool prüft Rechtsverstöße im Web“.)




Freiwillige Internet-Zensur in Deutschland, revisited

„China verschärft die Netzkontrolle: Internetdienste klagen über neue Blockaden, Verschlüsselungsanbieter sind nicht erreichbar, Google-Nutzer bemerken merkwürdige Fehler.“ Das schreibt Spiegel Online über China.

Ein Artikel früher: „Internetseiten, die von der Bundesprüfstelle indiziert werden, können auf den deutschen Versionen der einschlägigen Suchmaschinen wie Google, Bing oder Yahoo nicht mehr ohne weiteres gefunden werden. Die sechs größten Suchmaschinen in Deutschland hatten sich 2007 in einer freiwilligen Selbstverpflichtung bereiterklärt, die von der Behörde indizierten Seiten nicht mehr in den Suchergebnislisten anzuzeigen.“

In China werden die Provider zur Zensur gezwungen, in Deutschland machen die das freiwillig. Das ist der Unterschied.

„Deutschland verschärft die Netzkontrolle: Internetdienste schaffen neue Blockaden, Verschlüsselungsanbieter sind für DAUs nicht erreichbar, Google-Nutzer bemerken merkwürdige Fehler.“ So muss es heißen.




Isharegossip.com, revisited [Update]

Isharegossip.com

Natürlich wird der dieser Link von allen Medien verschwiegen. Es geht hier um eine Gewalttat, die sich offenbar zwischen Schülern der Carl-Bosch-Oberschule in Berlin-Hermsdorf (oder deren Freunden) ereignet hat. „Ein 17-Jähriger ist am Sonnabend in Wedding von rund 20 Jugendlichen bewusstlos geprügelt worden, nachdem er seine Freundin verteidigen wollte. Gegen sie war zuvor auf der Internet-Mobbingseite ‚Isharegossip‘ gehetzt worden.“

Über das Mobbing-Portal isharegossip.com hatte ich hier schon berichtet. Bei meedia.de liest man: „Angemeldet wurde isharegossip.com in Neuseeland, die Server stehen in Schweden, wie einer der Betreiber in einem Interview erklärte beim gleichen Anbieter wie die Server von Wikileaks. Inhaber der Seite ist laut isharegossip.com eine Firma namens Jufax Intertaiment in Riga, Lettland.“

Das ist ja mal wieder das übliche Niveau. Ich gehe übrigens davon aus, dass die meisten Leute, die sich in den einschlägigen Newsgroups und WWW-Foren über die Website „beschweren“ („schlimmste Seite überhaupt“), Werbung dafür machen. Die Masche ist alt.

Alexa oder vergleichbare Angebote sind natürlich gesetzt bei der Suche. Die Website isharegossip.vom wird gehostet von der schwedischen Firma PeRiQuito AB: „PRQ AB, Box 1206, SE-11479 Stockholm, Sweden (info@prq.se) (can also receive courier mail)“.

Na also – die haben doch sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag. „Based in Stockholm, PRQ is owned by Gottfrid Svartholm and Fredrik Neij, two founders of The Pirate Bay.“ – „Part of PRQ’s business model is to host any customers regardless of how odd or controversial they may be, as long as the hosted sites follow Swedish laws.“

The Local (Nachrichten aus Schweden in englischer Sprache) hat schon über das Thema geschrieben; der Provider hostet auch Foren, die verdächtigt wurden, sich mit Kinderpornografie zu beschäftigen: „The law does not allow for the closure of websites or the prosecution of those behind them. Jonas Persson explained why: ‚I don’t think a tightening of the legislation is desirable – it would come dangerously close to encroaching on freedom of expression legislation,‘ he said.“

Ich würde das Portal Isharehossip.com aus gleich mehreren pädagogisch wertvollen Gründen im Unterrricht behandeln. Wer herausfinden will, wer dahintersteckt, braucht Medien- bzw. Internet-kompetenz. Die Schule ist dafür da, um diese zu vermitteln. Das Mobbing-Portal demonstriert auch, dass man eine Balance zwischen Meinungsfreiheit und deren Folgen finden und dass das die Gesellschaft jeweils aushandeln muss. Und nicht zuletzt: Man kann wunderbar über soziale Kompetenz diskutieren und darüber, dass jemand, der sich von so einem Scheiß beeindrucken lässt, überlegen sollte, warum es Leute gibt (wie mich), die sich über diese Art von Mobbing nur kaputtlachen können.

Update: Ich frage mich immer, warum mache Journalisten denken, bei der sinnfreien Sprechblase „Jugendschutzwarte greifen ein“ würde mir ein wohliger Schauer über den Rücken laufen. „..die Betreiber, die sich hinter einem Schutzwall aus Anonymisierungsdiensten verstecken, sind in der Defensive. Wenn sie bis Donnerstag keine Stellungnahme abgeben, wird die Seite von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auf den Index gesetzt – damit wäre sie beispielsweise über Suchmaschinen bald nicht mehr auffindbar“, schreibt Sp“On“. Was für ein Unfug! Ich fürchte aber, die wissen es nicht besser…




Bgsound

Golem: „Stefan Münz, der mit Selfhtml über viele Jahre für die deutschsprachige HTML-Referenz verantwortlich war, hat ein Handbuch zu HTML5 veröffentlicht. Das Ende 2010 erschienene Buch steht nun auch online kostenlos zur Verfügung.“

Ich habe mal ein bisschen gestöbert und bin auf das hübsche Kapitel „proprietäre Elemente“ gestoßen. Hihihi. Wer benutzt heute eigentlich noch blink?

Bei bgsound musste ich grübeln: „Wird heute, wenn überhaupt noch gewagt, meistens mit Hilfe von Flash realisiert, das über JavaScript mit dem Event-Handler onload gestartet wird.“

Mal abgesehen davon dass es dreist ist, den ahnungslosen Surfer mit Musik zwangsweise zu bedudeln: Ich surfe bekanntlich nicht wie ein DAU, sondern ohne Javascript. Wie erzwinge ich denn Hintergrundmusik ohne Flash und Konsorten?




Like-jacking, Click-Jacking, Link-Diebstahl

link-jacking

Heise Security beschäftigt sich heute mit „Like-Jacking“, das eher als Clickjacking – zu deutsch: „Link-Diebstahl“ – bekannt ist. Ein Dau klickt auf irgendetwas, und es geschieht etwas, was er/sie nicht vermutet hat – und dann passiert etwas Böses.

Die Wired schreibt ganz richtig dazu: „Every time darkside hackers make up a new exploit, somebody’s got to make up and promulgate a new name to the security community. ‚Like-jacking.‘ You ‚like‘ something on Facebook, you get hijacked.“

Mit Leuten, die Facebook nutzen, sollte man kein Mitleid haben. Da das Datensammeln und deren -verkauf das Geschäftsmodell der sogenannten „sozialen Netzwerke“ ist, darf man sich nicht wundern. Nur wenn andere das auch tun, regt man sich offenbar auf.

Was mich immer ärgert, dass in Artikeln, die darüber berichten, so getan wird, der Nutzer sei immer und grundsätzlich total bescheuert. Nein, ist er nicht. Ich bin doch nicht so blöd und surfe mit eingeschaltetem Javascript?! Nein, ich benutze bei allen Betriebssystemen die Firefox-Erweiterung noscript und gestatte nur ganz wenigen Websites, Scripte auszuführen. Damit bin ich auf der sicheren Seite.

Warum bekommt ich also bei „Heise Security“ die Falschmeldung „Fehler Video-/Audio-Datei – Zur Wiedergabe benötigen Sie eine aktuellere Version des Adobe Flash Players, den Sie kostenlos für alle gängigen Betriebssysteme herunterladen können“? Weil sich sogar die Webdesigner dort überhaupt nicht vorstellen können, dass jemand mit einem abgeschotteten Browser surft und über die zahllosen Warnungen, was alles Böses geschehen könnte, nur schmunzelt. Klickibunti ist eben Standard, und die Nutzer werden weiter so erzogen, das als eine Art Naturkonstante anzusehen.




Günter Schild ist offline

Ein Artikel von mir in der taz: „Der Chaos Computer Club hat auf erhebliche Sicherheitslücken beim Internetangebot der Bundesfinanzagentur hingewiesen. Diese ist „not amused“ und hat ihre Seite erstmal abgeschaltet.“

(Der CCC-Sprecher heisst Frank Rosenberg Rosengart, wieso steht da einmal Rosenbaum?)




Netizen-Preis für Nawaat

Pressemitteilung von Reporter ohne Grenzen:
Das tunesische Blog „Nawaat“ wird mit dem diesjährigen „Netizen-Preis“ von Reporter ohne Grenzen (ROG) geehrt. Mit der Auszeichnung würdigt ROG die Verdienste des Blogs bei der Förderung von Meinungsfreiheit im Internet. „Nawaat“ gehörte während der Herrschaft unter Präsident Ben Ali zu den wenigen kritischen Online-Plattformen in dem nordafrikanischen Land. „Nawaat“ war zudem maßgeblich an der Berichterstattung über die politischen und sozialen Unruhen in Tunesien seit dem 17. Dezember beteiligt.

Riadh Guerfali (Bloggername: Astrubal), einer der Gründer des Blogs, wird den Preis heute Abend in Paris entgegennehmen. (…) Der international besetzten Jury zufolge steht „Nawaat“ stellvertretend für die Schlüsselfunktion, die viele Blogger und engagierte Internetnutzer im Kampf für das Recht auf Informationsverbreitung und -beschaffung im Netz innehaben. (…)

„Nawaat“ wurde von den Bloggern Astrubal und Sami Ben Gharbia im Jahr 2004 ins Leben gerufen. Sie bietet engagierten Bürgern die Möglichkeit zum Informationsaustausch. Das Blog hat in jüngster Zeit durch verschiedene Projekte auf sich aufmerksam gemacht. Besonders spektakulär war die Berichterstattung über die Unruhen in Sidi Bouzid. In der Stadt im Zentrum des Landes begannen im Dezember 2010 die tunesischen Massenproteste, über die in den ersten Wochen in den klassischen Medien nicht berichtet wurde. Auf dem Portal werden derzeit außerdem unter der Überschrift „TuniLeaks“ Enthüllungsdokumente von „WikiLeaks“ über Tunesien öffentlich zugängig gemacht. Schließlich klärt das Blog Internetuser über die Gefahren auf, online identifiziert zu werden, und gibt Tipps zur Umgehung von Internetzensur. (..)

Informationen über die weiteren Nominierten finden Sie hier.




Suchmaschinen für Wikileaks

Cablegatesearch.net und Cable Search Beta sind Suchmaschinen, mit denen man die online verfügbaren Dokumente von Wikileaks durchsuchen kann.




Wikileaks, Opportunismus und Geld

wikileaksIch lese gerade von Marcel Rosenbach und Holger Stark: „Staatsfeind WikiLeaks“ (Deutsche Verlags-Anstalt, Januar 2011). Wer hier nicht weiterlesen will: Das Buch ist überraschend gut und nicht so oberflächlich, wie ich es vom Spiegel erwartet hätte. Nicht unbedingt erfrischend für Nerds, aber sehr informativ für normal Sterbliche, für die Tor, VPN und asymmetrische Kryptografie auf ewig Fremdwörter bleiben werden und die unter der PrivacyBox eine Art Babyklappe vermuten.

Ein Zitat sollte reichen. Nachdem die Dokumente über Afghanistan von Wikileaks publiziert worden waren und jeder Journalist sich hätte ein realistischen Bild vom Krieg am Hindukusch machen können, kam es ganz anders:

Stattdessen sind die Tage danach ein Armutszeugnis für verschiedene Medien. Viele Journalisten reagieren nach einem simplen Muster: Die Widerworte der Regierung wiegen für sie den Wert des enthüllten Materials auf. Sie glauben lieber dem Pentagon, als dem Material selbst, das, Ironie der Geschichte, ja ebenfalls aus dem Pentagon stammt. Nur wenige Redaktionen machen sich die Mühe und arbeiten mit den Papieren(…) vor allem die konservativen Medien in den USA berichten kaum über den Inhalt der Dokumente, sondern fast ausschließlich über den bösartigen Charakter ihrer Veröffentlichung. Eine Aufarbeitung des Kriegsverlaufs mit seinen Fehlern wie Erfolgen aus konservativer Sicht, die sich aus dem Material speist und die wertvoll für die Debatte wäre, fehlt bis heute. [auch in Deutschland, B.S.]

Das weitgehende Versagen des Journalismus lässt sich auf zwei ursachen zurückführen: Opportunismus und Geld. Er ist bequem, der Linie der Regierung zu folgen, während es Courage erfordert, sich ihr entgegenzustellen. Und es ist billig, vorgefertigte Statements und Pressemitteilungen abzudrucken, aber teuer, sich tage- und wochenlag mit der Auswertung der Afghanistan-Dokumente zu beschäftigen.

Der Holger Stark ist ein guter Mann; ich habe ihn kennengelernt, als er noch für den Tagesspiegel und für die Tageszeitung Spandauer Volksblatt schrieb.

Besonders interessant war das Psychogramm Assagnes, das sich schlicht aus den Fakten seiner Biografie ergibt – die Autoren beginnen gar nicht, die Leser mit populärpsychologischen Thesen zu behelligen. Ich konnte mir auch eine Meinung über die Vergewaltigungsvorwürfe machen und wie es dazu kam. Ein gutes Buch!

By the way, Openleaks: Solange ich euch keine anonymen Nachrichten schicken kann, kriegt ihr keine von mir – obwohl ich schon etwas anzubieten hätte (vgl. Auszug unten).

geleakt




Big Melons

Ein Artikel von mir in der taz: „Zensur von „prallen Melonen – Der Mobilfunkanbieter O2 will etwas für einen verbesserten Jugendschutz im Internet tun. Nun rutschte die Seite eines Lebensmittelherstellers durch den Filter.“

Wenn ich die Überschrift formuliert hätte, stünde dort der Genitiv: „Zensur praller Melonen“.




Grob justierter Unfug

archive.org

Laut FAZ sagte zu Guttenbergs Doktorvater Professor Dr. Dr. h.c. mult. Peter Häberle in seiner Stellungnahme:

„In der Diskussion über die Arbeit sollte man sich stets vor Augen halten, dass die Überprüfung von Dissertationen mit technischen Mitteln 2006 nicht üblich war und bis heute verbreitet (noch) nicht üblich ist. Zudem war die Erkennung von Plagiaten 2006 mit den seinerzeit vorhandenen technischen Mitteln kaum möglich. Plagiatsoftware sowie auch andere Methoden waren damals keineswegs so weit entwickelt wie heute. Selbst Google wies noch nicht die fein justierte Suchmethode wie heute auf.“

Das ist natürlich grober Unfug. Guckst du hier bei Altavista: „Liefert 1995 den ersten Internet-Webindex“. Oder hier bei der Wayback Machine. Ich habe schon 1997 an der Berliner Journalisten-Schule Journalisten in der Booleschen Algebra von Suchmaschinen ausgebildet.

Das heißt also: Bevor es Google gab, konnte man keine Plagiate herausfinden? Das lässt ja tief blicken.




Union fordert: Das Internet muss in Deutschland mehr zensiert werden

In Ägypten wurde die Zensur des Internet gerade wieder abgeschafft. Die CDU will ab März die Zensur des Internet in Deutschland wieder einführen.

Laut Osnabrücker Zeitung (via netzpolitik.org) sagte der so genannte „Unionsexperte“ (was ist das denn?) Günter Krings: „Ich erwarte, dass die Bundesregierung nun Kinderporno-Sperren bei nachgewiesener Erforderlichkeit auch einsetzt – so, wie das Gesetz es vorsieht„.

Der Titel der Doktorarbeit Krings‘ lautet: „Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche – Die subjektiv-rechtliche Rekonstruktion der grundrechtlichen Schutzpflichten und ihre Auswirkung auf die verfassungsrechtliche Fundierung des Verbrauchervertragsrechts“.

„Wieder einführen“ ist nicht korrekt, weil das Internet in Deutschland ohnehin schon zensiert wird. Das größte Problem bei der Diskussion ist, dass die Medien sich fast ausnahmslos die Sprachregelungen der Zensur-Lobby aufschwatzen lassen. Sogar die c’t spricht von „Kinderporno-Sperren“.

Darum geht es aber überhaupt nicht – niemandem würde es einfallen, die Internet-Zensur in China als „Falung-Gong-Sperren“ zu benennen. Zensur machen nur die anderen, so sagt das deutsche Wahrheitsministerium, bei uns heisst das [Das-Ultimative-Böse]-Sperren. Was die Union will, ist ganz einfach: Das Internet muss in Deutschland mehr zensiert werden.

Werden wir diese Schlagzeile in irgendeinem Holzmedium in Deutschland lesen? Nein, garantiert nicht. Die verstehen unter „Journalismus“, „Krieg“ als „friedenserzwingende Maßnahmen“ zu bezeichnen oder „Internet-Zensur“ als „ZugErschwG„.




Die Blechtrommel ist bald Kinderpornografie

Ganz viele Medien berichten genau das Gleiche:

„Sexualwissenschaftler aus Deutschland und Österreich protestieren gegen die geplante EU-Richtlinie zur Kinderpornografie. Die „absurden Maßnahmen“ seien ungeeignet und sogar kontraproduktiv, kritisieren Fachverbände in einer gemeinsamen Erklärung. Die geplante ‚Strafrechtsverschärfung auf dem Papier‘ sei ’symbolische Politik und reiner Populismus‘ und richte sich ‚im Zweifel gegen die Freiheit‘. (…) Der Richtlinie zufolge sollen Personen unter 18 Jahren künftig als Kinder anzusehen sein und entsprechende sexuelle Darstellungen, egal ob real, als Comic oder simuliert, als Kinderpornografie gelten. (…) Übliche Pubertätskomödien‘ wie ‚Eis am Stiel‚ oder ‚American Pie‚ würden kriminalisiert, ebenso ‚Die Blechtrommel‚. Die Justizminister der EU-Mitgliedstaaten haben der Richtlinie zugestimmt.“

ZDNEt.de bietet einen seriösen journalistischen Artikel, der auch zu den Quellen verlinkt. Davon könnten sich die faulen Holzmedien eine Scheibe abschneiden:

„Am Montagmorgen verkündete die EU-Kommissarin für Inneres, Cecilia Malmström von der schwedischen liberalen Volkspartei (FL), dass die Kommission dem Ministerrat und dem europäischen Parlament eine Richtlinie (PDF) vorlegen werde, die in etwa den Vorschriften des deutschen Internetzensurgesetzes entspricht. Diese Richtlinie muss jeder Mitgliedsstaat in nationales Recht transformieren, sofern sie Ministerrat und Parlament absegnen.“

Wer war nochmal gleich Justizminister in Deutschland?




Unter Webdesign-Experten

beck-online

Und dabei wollte ich doch nur etwas über die Doktorarbeit des neuen Innenministers erfahren….