Neue Moralität

„Ich habe den Strauß und die Päpste und die katholischen Kleriker, die Weltkriegsveteranen und die 80 Prozent CSU in Passau überlebt. Da werde ich diese paar Jahre Genderwahnsinn und neue Moralität überstehen.“

Recht hat er, der Sigi Zimmerschied. Ich habe ihn einmal live erlebt, in den 80-er Jahren, als er ein Geheimtipp unter den Kreuzberger Linken und Autonomen war, in irgendeinem Saal in der Köpenicker Straße, den ich nicht mehr wiederfinde, und der, wenn ich mich recht erinnere, in den 30-er Jahren ein Treffpunkt der SA war.

Leonardos Bibliothek

leonardos bibliothek

Sehr schönes Projekt vom Museo Galileo: „Leonardos Bibliothek“.

So etwas hätte man natürlich in Second Life viel besser präsentieren können. Natürlich ist die Hemmschwelle, eine Software dafür herunterladen und installieren zu müssen, riesig. Aber das hätte man umgehen können, wenn dort zum Beispiel ein Avatar herumliefe, in zeitgenössischer Kleidung, und alles erklärte, mit Sound, und man davon einen Film gedreht hätte.

Rund um den Knöterich herum

balkon

Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten. (Hermann Kant: Therapie: Erzählungen und Essays)

Der Tag beginnt schön: Sonne, Kaffee, der Knöterich mag seinen neuen Blumenkasten, und die Großbourgeoisie liefert etwas sowohl für Arbeiter der Faust als auch der Stirn.

Ausstattung: Bosch Akku-Trennschleifer, Harald Meller u. Kai Michel: Griff nach den Sternen: Nebra, Stonehenge, Babylon, Blumenkasten, Balkontisch, Stratonaut, Schlingknöterich (schon zwei Jahre alt, mittlerweile zwei Stockwerke über mir angekommen).

By the way, fiel mir gerade ein. Sätze, mit denen man ein Date nicht beginnen sollte: „Ich komme aus dem Völkerrecht“.

Antisemitenpack, shut up! [Update][2. Update]

Rolling Stone: „Eine Gruppe von 600 teils prominenten Musikern fordert in einem offenen Brief Kollegen zu Solidarität mit dem palästinensischen Volk auf – und dazu, vorerst nicht mehr in Israel aufzutreten.“

Dann weiß ich jetzt, welche Musik ich nicht mehr höre. Was für ein dämliches Antisemitenpack!

[Update] Völlig verstrahlt ist auch die Zeitung Exberliner: „Why is German media so pro-Israel?“ – „This talking point, that people boycotting the only Jewish state must be antisemites, is a very specific German attitude.“

Vielleicht sollte sich die Zeitung in Ex-Amin-al-Husseini umbenennen.

[2. Update] „Israel-Experte“ Dr. Steffen Hagemann zur Tagesschau: „Auf der anderen Seite haben die Proteste im jüngsten Gaza-Krieg gezeigt, dass die palästinensische Bevölkerung in Israel nicht nur soziale Forderungen stellt, sondern sich als Teil des palästinensischen Volkes sieht.“

Aha. Die Heinrich-Böll-Stiftung hat ein palästinensisches „Volk“ entdeckt. Dann wird Jasser Arafat vermutlich bald posthum Ehrenpräsident der Heinrich-Böll-Stiftung.

Neues aus Diversitystan

Chloé Zhao

Sehe ich das richtig? Das Töchterchen eines Stahlmagnaten dreht einen Film über die „Unterschicht“? Ist das nicht „kulturelle Aneignung“? Chinesinnen dürfen US-Amerikaner filmen, aber „Weiße“ keine Gedichte von Farbigen übersetzen? Was sagen denn unsere Linksidentitären dazu?

Im Ernst: Vermutlich ist Nomadland ein großartiger Film, den ich mir auf jeden Fall ansehen werde. Allein schon die Biografie der Hauptdarstellerin Frances McDormand fasziniert mich. Die spielt ihre Rolle wahrscheinlich hervorragend und authentisch – das kann eben ein Schönchen wie Jessica Alba bei dem Thema nicht.

Was mich aber ärgert und aufregt, sind die dämlichen Kommentare in deutschen Medien, die die Tatsache, dass eine Chinesin (oder ist sie jetzt gar schon US-Staatsbürger?) einen Oscar bekommt, zum Anlass nehmen, das reaktionäre „Diversity“-Konzept abzufeiern. Als ob die Hautfarbe irgendetwas aussagte! Das bestätigt meine These: „Diversity“ dient nur dazu, die Klassenfrage aus dem Diskurs fernzuhalten.

Wer mehr lesen will: Auf Heise gibt es einen lesenswerten Artikel zum Thema „Identitäre“: „Aus jeder Gefühls-Mücke wird ein Trauma-Elefant“.

Armin Markus T. Curtisius

versklavte Kriegsgefangene in Rom
Relief aus Smyrna (heute Izmir, Türkei): ein römischer Soldat führt versklavte Kriegsgefangene ab. (Source)

Im selben Sommer wurden die in Italien ausgestreuten Keime eines Sklavenaufstandes durch einen Zufall erstickt. Der Anstifter des Aufruhrs, T. Curtisius, früher Soldat in einer Prätorianerkohorte, rief zunächst bei geheimem Zusammenkünfte in Brundisium und den umliegenden Städten, denn in öffentlichen Anschlägen die in den entlegenen Waldgebirgen lebenden, kampfesmutigen Landsklaven zur Freiheit auf. Da landeten wie durch einen Fügung der Götter drei Zweiruderer, die dem Schutz des Handelsverkehrs in jenem Meer dienten. Auch befand sich in dieser Gegend der Quästor Cutius Lupus, dem als Verwaltungsbezirk nach altem Brauch die Gebirgstriften* zugefallen waren. Dieser bildete aus den Seesoldaten eine Truppe und zersprengte die Verschworenen, die gerade losbrechen wollten. Vom Kaiser wurde eiligst der Tribun Staius mit eine starken Mannschaft geschickt; er brachte den Anführer selbst und die nach ihm Verwegensten mit Gewalt mit Gewalt in die Stadt, die schon in Unruhe war wegen des Umfangs der Sklavenhaufen, der ins Ungeheure wuchs, während sich die frei geborene Bevölkerung täglich verminderte. (Publius Cornelius Tacitus: Annalen, Buch 4, 27-29, zwischen 110 und 120 n. Chr. [lateinische Version]

Die von Tacitus geschilderten Ereignisse fanden im 24. n. Chr. in Kalabrien statt, also vor rund 2.000 Jahren. Ich frage mich, ob zwei Jahrtausende nach unserer Zeit, also um 4021 n. Chr., sich noch jemand an die beiden Politiker Armin Laschet und Markus Söder erinnern wird, oder ob sie im kollektiven Gedächtnis so „präsent“ sind wie T. Curtisius oder Cutius Lupus. Das zum Thema: Es ist manchmal hilfreich, eine andere Perspektive einzunehmen und sich nicht vom medialen Rauschen irritieren zu lassen.

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* Der Imperator Augustus hatte einzelne provinciae quaestoria geschaffen; zu einer dieser Quästuren gehörte offenbar, die Saumpfade in den Bergen zu überwachen.

Die Deutschen – eine Hassrede

heinrich heine
Heinrich Heine (Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim, 1831)

Facebook stuft ein Zitat Heinrich Heines als „Hassrede“ ein und zensiert es. Die Klage wird natürlich gut ausgehen, aber, ich wiederhole mich, das kommt davon, wenn man Gefühle („Hass“) in irgendeiner Form in Gesetze presst oder es Privatunternehmen überlässt, darüber zu urteilen. Vor zehn Jahren wäre das nicht passiert, aber Konzerne wie Facebook üben sich gern in vorauseilendem Gehorsam gegenüber den Mächtigen und dem gefühlten Mainstream.

Der Deutsche gleicht dem Sklaven, der seinem Herrn gehorcht ohne Fessel, ohne Peitsche, durch das bloße Wort, ja durch einen Blick. Die Knechtschaft ist in ihm selbst, in seiner Seele; schlimmer als die materielle Sklaverei ist die spiritualisierte. Man muß die Deutschen von innen befreien, von außen hilft nichts.

Ich möchte nicht wissen, welche Shitstorms Heine erleben müsste, lebte er heute – und wer ihn veröffentlichte. Und erst sein Verhältnis zu Frauen! Sogar sein enger Freund Karl Marx zeigte einen lächerlichen Standesdünkel, wenn es um Heines Geliebte, die Schuhverkäuferin Augustine Crescence Mirat, ging.

Deine Nücken, deine Tücken,
Hab ich freylich still ertragen
Andre Leut‘ an meinem Platze
Hätten längst dich todt geschlagen.

Den Mann möchte ich sehen, der sich traute, heute so etwas zu schreiben. Ich möchte erst gar nicht ausprobieren, das auf Facebook zu posten. Wahrscheinlich ist es sogar strafbar, man weiß das heute nicht mehr so genau. Deswegen noch einmal laut, groß und deutlich: Das ist ein Zitat Heinrich Heines!

Ich lege noch nach. Das sagte Joseph Görres (1776-1848) – und man kann es nicht oft genug wiederholen, weil es immer noch stimmt:
Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein leichtgläubigeres Volk als das deutsche. Zwiespalt brauchte ich unter ihnen nie zu säen. Ich brauchte nur meine Netze auszuspannen, dann liefen sie wie ein scheues Wild hinein. Untereinander haben sie sich gewürgt, und sie meinten ihre Pflicht zu tun. Törichter ist kein anderes Volk auf Erden. Keine Lüge kann grob genug ersonnen werden: die Deutschen glauben sie. Um eine Parole, die man ihnen gab, verfolgten sie ihre Landsleute mit größerer Erbitterung als ihre wirklichen Feinde.

Mahom schmort im Inferno

dante divina commedia
Meine Ausgabe ist aus dem Jahr 1962.

Ich muss zunächst die humanistisch gebildeten Leserinnen und die am literarischen Bildungskanon feilenden Leser mit einer kurzen Passage aus Dante Alighieris Divina Commedia (28. Gesang, 9. Kreis der Hölle) aus dem 14. Jh. quälen:
„Der, wie verstümmelt: nicht wär’s zu vergleichen
Mit dieses neunten Schlundes Weis’ und Art.
Ein Faß, von welchem Reif’ und Dauben weichen,
Ist nicht durchlöchert, wie hier Einer ging.
Durchhau’n vom Kinn bis zu Gesäß und Weichen,
Dem zwischen beiden Beinen abwärts hing[
Das Eingeweide, bis wo sich die Speise
Wandelt in Koth, und offen das Geschling.
Ich schaut’ ihn an und er mich gleicher Weise,
Dann riß er mit der Hand die Brust sich auf,
Und sprach zu mir: „Sieh, wie ich mich zerreiße.
Sieh hier das Ziel von Mahoms Lebenslauf!
Vor mir geht Ali, das Gesicht gespalten
Vom Kinn bis zu dem Scheitelhaar hinauf.
Sieh Alle, die, da sie auf Erden wallten,
Dort Ärgernis und Trennung ausgesät,
Zerfetzt hier unten ihren Lohn erhalten.
Ein wilder Teufel, der dort hinten steht,
Er ist’s, der Jeglichen zerreißt und schändet
Mit scharfem Schwert, der dort vorübergeht,
Wenn wir den wehevollen Kreis vollendet;
Denn jede Wunde heilt, wie weit sie klafft,
Eh’ unser Lauf zu ihm zurück sich wendet.
Doch wer bist du, der dort hernieder gafft?“

Der Anlass wird sich mittlerweile herumgesprochen haben und wird in den bürgerlichen Medien, ihren Helfershelfern und bei den ganz kackbraunen Kameraden innig breitgetreten. Alle schreiben vom Figaro ab (natürlich ohne ihn zu verlinken): „La nouvelle traduction néerlandaise de L’Enfer de Dante a été amputée de sa référence au prophète Mahomet afin de «ne pas blesser inutilement».“

In einer niederländischen Ausgabe der „Göttlichen Kömodie“ wurde Mohammed, der bei Dante Alighieri in der Hölle schmort, weggelassen, um nicht „unnötig zu verletzen“. Der Historiker Christophe de Voogd hat dazu ein Interviev gegeben. Sogar in osteuropäischen Medien wird dazu diskutiert. Zuvor hatte es in den USA schon Shakespeare und Homer getroffen, also, zusammen mit Dante, die drei wichtigsten und einflussreichsten Autoren der Weltgeschichte.

Das alles wäre lustig, wenn man nicht wüsste, dass die es ernst meinen, auch hierzulande. Irgendwann werden die Nachgeborenen am besten gar nichts mehr lernen, und auch die Euklidische Mathematik ist sicher, wenn man genau hinsieht, ein Beweis für „white supremacy“. Dreiecke wurden ohnehin überschätzt. Und fußte die griechische Antike nicht auf Knabenliebe und Sklaverei? Weg damit. Muss man alles weder kennen noch wissen. (Ich sehe es schon kommen: Irgendwann bleibt burks.de das einzige Medium, das mit wissenschaftlichem Anspruch über die Antike und den Feudalismus publiziert.)

Hinter der heißen Luft, die gerade umherwabert, steht die Entscheidung eines Verlegers, der sich in vorauseilendem Gehorsam bei den Muselmanen und deren albernen „Gefühlen“ nicht unbeliebt machen wollte. Eine Kombination aus Angst und Feigheit? Genau das, und eigentlich typisch deutsch. Es verwundert eher, dass die Niederländer ebenso infiziert sind. Angst und Feigheit sind auch die Gründe, warum deutsche Verlage – und insbesondere die, die auf ein gefühlt „linkes“ Publikum hoffen – damit begonnen haben, neue Bücher mit Gendersprache zu verunzieren, sogar Übersetzungen aus Sprachen, bei denen das gar nicht möglich ist, ohne das betreffende Werk für potenzielle Käufer mit Warnhinweisen zu versehen. Wir werden damit zwangsbeglückt, ohne dass jemand vorher fragt.

Interessant finde ich, dass die hiesigen „linken“ und linksliberalen Medien das Thema fast ausnahmslos totschweigen oder sich seiner erst annehmen, wenn es auffiele, nichts zu sagen. Die taz hatte vor langer Zeit einen schröcklich gelahrten Artikel über die unstrittige Tatsache, dass der Universalgelehrte Dante sich kräftig bei arabischen Quellen und Vorbildern bedient hat, ohne die das Nationalepos Italiens gar nicht denkbar wäre. „Die religiösen Legenden der Muslime müssen in den Allgemeinbestand der literarischen Kultur eingegangen sein, der den hellsten Köpfen im Europa des 13. Jahrhunderts zugänglich war.“ Das ist heute natürlich nicht mehr so, und soll, wenn es nach unseren kulturellen Appeasement-Politikerstimmritzenverschlusslautinnen ginge, sogar noch getilgt werden. Wenn Muslime dämlich sind und ihre eigene Tradition ignorieren, muss man das angeblich akzeptieren.

Witzig und bezeichnend finde ich, dass die deutsche Hochsprache durch die Lutherbibel maßgeblich entstanden ist, also durch ein frommes Buch, das Italienische aber durch eine Komödie, die zwar auch fromm ist, aber doch auch das Lachen ermöglicht. Der Islam wird erst dann tolerant werden, wenn die Gläubigen und die Ungläubigen über Mohammed lachen dürfen.

dante divina commedia

Keizersvrouwen

Keizersvrouwen

Keizersvrouwen (Women of the Night) ist eine niederländische Krimi-Serie auf Netflix. Man weiß zwei Dinge vorab: es geht um Sex, Edel-Prostitution, Drogen, Gangster – das Übliche eben. Und: Die Serie ist natürlich intelligenter als alles Vergleichbare aus den USA. (Kein deutscher Wikipedia-Eintrag, keine Rezensionen in den Mainstream-Medien bisher, obwohl 2019 gedreht – auch das ist normalerweise eine Empfehlung.)

Ich bin nach den ersten sechs Folgen überaus angetan. Das liegt nicht nur daran, dass – wie der Plot selbstredend verlangt – zahlreiche hübsche Weiber in jeder Lage zu sehen sind, was aber den zynischen heterosexuellen männlichen Zuschauer schnell langweilen würde. Nein, die Hauptdarstellerin Karin Smulders spielt einfach herausragend gut. Man merkt, dass sie vom Theater kommt und etwas kann. Dass sie außerdem bildschön ist und so aussieht wie eine Mischung aus Catherine Deneuve und Keira Knightley, verstärkt das ästhetische Vergnügen. Die Rolle als beherrschte kühle Blonde passt natürlich perfekt zu Smulders und zum Plot, aber sie hat auch schon als Hedda Gabler überzeugt.

Ein Resenzent behauptet, die Serie solle vor allem Frauen anziehen. Das sehe ich anders. Richtig ist, dass Keizersvrouwen vor allem von den starken Darstellerinnen lebt und die Männer eher Luschen sind (die, wenn der Film aus Deutschland käme, vermutlich Gendersternchen benutzten). Die „harten Jungs“ heißen „Raschid“ oder so ähnlich. Man weiß also auch, welche Visagen und welche Attitude man zu sehen bekommt.

Ein Escort-Service ist natürlich etwas anderes als der Straßenstrich mit Zuhältern. Aber auch hier finde ich die Serie spannend, da die Motivlage der Frauen, ihren Körper an reiche Kerle zu verkaufen, ganz unterschiedlich ist und – soweit ich das beurteilen kann – realistisch dargestellt wird – mit allen Komplikationen für ihr Privatleben. (Ich war mal mit einer Frau zusammen, die das auch gemacht hat – so ganz ahnungslos bin ich also nicht beim Thema.)

Ja, auch Frauen können überzeugend den Gangster-Boss spielen (oder heißt das Bössin?), hier Sylvia Keizer (Hilde von Mieghem), die Mutter der Hauptdarstellerin. Wenn deren Namen in einer Kneipe erwähnt wird, zucken die Araber-Jungs mit ihren Knarren zurück. Man muss nicht erklären, wie sie so etwas geworden ist – das wird bei den Männern auch nie getan, außer, wenn diese den „sozialen Aufstieg“ mit Goldkettchen und schicken Autos mit den Methoden von Mike Tyson geschafft haben. Man muss nur die richtigen Leute am richtigen Ort zur richtigen Zeit kennen, etwas zu bieten haben und gut bluffen können.

Mein Urteil: Empfehlenswert. Man muss den auf Niederländisch mit Untertiteln ansehen – irgendwann versteht dann man dann etwas.

Keizersvrouwen

Nimm dies, Winnetou! [Update]

grüne

„Hinterfragen“ – ein Wort, das „aus dem Anus der deutschen Sprache ausgeschieden“ wurde (Wolf Schneider: Deutsch für Profis). Fehlenden Kommata lassen wir außer acht.

diversity

[Update] Wir lesen dazu aus der Rubrik „Unterhaltung“: War Beethoven ein Neger? Beethoven was black.

Schaffen wir das

borgen

Aus „Borgen„, 3. Staffel. Ich finde es lustig, wie das Drehbuch versucht, immer schön politisch korrekt zu sein, wie auch die Partei der Hautdarstellerin so agiert, wie sich Mädchen, die was mit Tieren und Klima machen wollen, Politik vorstellen. Es geht hier um „Integration“, was immer das sein soll, und man sucht eine Frau, die was Nettes dazu sagt, und diese, die eine Pakistani spielt, passt nicht.

Ligna in silvam oder: Vandalisierung des Internets

project gutenberg

Die Leserschaft möge mir verzeihen, dass ich offene Türen einrenne, mit dem eigenen Samowar nach Tula fahre, Eulen nach Athen trage und etwas aufwärme, das schon einige Jahre alt ist, aber offenbar noch immer aktuell – den Rechtsstreit des US-amerikanischen Project Gutenberg Literary Archive Foundation mit dem deutschen S. Fischer Verlag. Heise schrieb 2018:
Dem beigelegten Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (AZ: 2-03 O 494/14) zufolge hat das Portal die Rechte des S. Fischer Verlags verletzt, als digitalisierte Werke Heinrich Manns, Thomas Manns und Alfred Döblin online gestellt wurden. Als Konsequenz hat Gutenberg.org nicht etwa die beanstandeten Werke offline genommen, sondern ausnahmslos alle Seiten und Unterseiten für Nutzer mit einer deutschen IP gesperrt.

Der Verlag hatte offenbar neuländisch argumentiert, mittels Geoblocking sei es den Machern möglich, deutsche Nutzer daran zu hindern, hierzulande urheberrechtlich geschützte Werke herunterzuladen.

Ach ja? Ist es das? Die damaligen Kommentare bei Heise sprechen für sich. Das mag das Publikum daran erinnern, dass das deutsche Urheberrecht – und nicht nur das – kapitalistischen Ursprungs ist und in dieser Form abgeschafft gehört. Urheberrechte künstlerischer Art sollten nicht vererbt oder verkauft werden können. Fordert das eine Partei in Deutschland? (Nein, die Piraten sind nicht wählbar aus vielen Gründen, unter anderem wegen ihrer Positionen zu „Migration“, was für die offenbar wichtiger ist als Ökonomie. Wer „Ausdehnung der Eierkennzeichnung auch auf verarbeitete Eiprodukte“ in einem Parteiprogramm (!) hat und über „Arbeitnehmer“ und „Staatstrojaner“ faselt, hat einen an der Waffel. Just saying.)

Ich project gutenbergfrischte gerade meine (nur rudimentär vorhandenen) Kenntnisse über die Vandalen auf, die – das war der Anlass – die römische Stadt Timgad (Thamugadi) im heutigen Algerien im 5. nachchristlichen Jahrhundert zerstört hatten. Eine wichtige Quelle zu diesem Ereignis ist Prokopius von Caesarea. Seine „Geheimgeschichte“ (Historia Arcana) und andere Texte wie den über die Vandalenkriege gibt es digital beim Project Gutenberg.

Ich weiß nicht, ob die Anwälte des Verlags Tor kennen oder VPN. Vermutlich nicht. Aber das würde nichts ändern. Was den Juristenhirnen nicht passt, wird passend gemacht. Vielleicht würden sie versuchen, das Lesen bestimmter Werke für strafbar erklären zu lassen.

Der S. Fischer Verlag schreibt auf seiner Website „Autor*innen“. Man sollte ihn boykottieren. Ich würde, selbst wenn ich die Chance hätte, dort nichts veröffentlichen.

project gutenberg

Igel, Katzen und Mangen

wolfram von Eschenbach

…ez waere tal ode berc,
alumbe an allen sîten
er wolt die stat erstrîten.
drîboc und mangen,
ebenhoeh ûf siulen langen,
igel, katzen, pfetraere,
swie vil ieslîches waere
ûf Gyburge schaden geworht,
daz het si doch ze mâze ervorht.

(Wolfram von Eschenbach: Willehalm, vor 1226, erste Erwähnung des Belagerungsgerätes Tribok/Blide (drîboc) (die Passage vorgelesen.)

Nominiere die wichtigsten drei Dichter in deutscher Sprache: Wolfram von Eschenbach, Thomas Mann und Bertolt Brecht.

On the bright side of the moon

moon
Credits: art station|Kushagra tiwari, Montage: Burks

Russia And China Sign Deal To Build A Research Base On The Moon. (Russische Quelle, chinesische Quelle)

Großartig. Man müsste jetzt noch Stanislaw Lems „Die Jagd“ lesen, um sich mental darauf vorzubereiten.

Trierer Apokalypse

trierer apokalypse

Ich freue mich schon auf die Lektüre der Trierer Apokalypse.

In der karolingischen Handschrift ist eine Illustration, die bis jetzt nicht im Internet verfügbar ist, die ein „modernes“ Pferdegeschirr zeigt – die älteste Darstellung des Kummets bei Pferden in Europa.

Das Bild ist einer der Beweise für die landwirtschaftliche Revolution (vgl. auch Dreifelderwirtschaft) im Frühfeudalismus. Das Pferd war gegenüber dem noch in der Antike genutzten Ochsen bei der Feldbestellung haushoch überlegen. Die alten Römer kannten zwar die Fußbodenheizung und den Beton, aber das Kummet und der schwere Pflug waren ihnen ein Rätsel. Nicht Könige und Kaiser machen die Geschichte, sondern Werkzeuge (Produktivkräfte, würde Marx sagen).

Der Imam ist es nie oder: Die Klassenfrage im „Tatort“

tatort

Beim Abendessen habe ich mir jeweils einen „Tatort“ per Laptop zu Gemüte geführt. Meine wenigen Vorlieben beschränken sich – inklusive Polizeiruf 110 – auf Dortmund (wegen Jörg Hartmann alias Peter Faber), Rostock (wegen Charly Hübner alias Alexander Bukow), Köln und Münster (eigene Kategorie).

Wenn man die Websites der Anstalten öffnet, schwappen einem, neben unsäglichem Quatsch in großer Anzahl, jede Menge Krimis entgegen. Man soll nachzählen, wieviele Tote es fiktiv täglich gibt – mehr als in der Realität auf jeden Fall. Offenbar will das Publikum so etwas.

Kriminalfilme sind pure Pädagogik, also gut gemeint. Das Böse darf nicht siegen. Zum Klassenkampf darf auch nicht aufgerufen werden, zu allem anderen schon. Der Krimi stellt auch nicht die Systemfrage, zumindest nicht im deutschen Fernsehen, weil man sich dann Gedanken machen müsste, was nach dem Kapitalismus kommen könnte. Der Rahmen des Plots ist also eng und vorgegeben.

Ich war bei den beiden obigen „Tatorten“ jedoch überrascht, dass die Klassenfrage, wenn auch nur indirekt, unübersehbar durchschimmerte. Bei Borowski und das Glück der Anderen geht es um einen Mord „von unten nach oben“. Die Mittelschicht bringt sich also, was die Regel ist, nicht gegenseitig um, sondern jemand, der „die da unten“ verachtet und das auch ausspricht, kriegt seine gerechte Strafe muss daran glauben. Ein Rezensent macht daraus „Vorstadtfrust“. Ich sehe da mehr. Was, wenn alle plötzlich meinten, sie müssten jetzt ein Stück vom Kuchen abkriegen und ganz richtig merken, dass das mit Fleiß und Arbeit nicht zu schaffen ist in diesem System?

Der Dortmunder „Tatort“ Heile Welt ist noch besser, allerdings kommt am Schluss die von den Anstalten gewünschte Weltsicht und Moral mit dem Holzhammer. Nicht der Plot ist außergewöhnlich, sondern die Rolle der Kommissarin Anna Schudt alias Martina Bönisch, die plötzlich und unfreiwillig zwischen allen Fronten steht. Die Bilder erinnerten mich an eine hier schon erwähnte Seminararbeit während meines Studiums:

revolution

Was ist, wenn Riots und Randale ausbrechen und man mittendrin ist? Kann man etwas Vernünftiges tun? Werden diejenigen obsiegen, die auch das Richtige denken? Nein, werden sie nicht. Die Revolutionäre werden am Ende von denjenigen weggefegt, die im Hintergrund gewartet haben, wer gewinnt und sich dann auf die richtige Seite geschlagen haben. Die Revolution frisst immer ihre Kinder.

Ich kann mich erinnern, dass „meine“ K-Gruppe sich immer minutiös, strategisch, taktisch, inhaltlich auf studentische Vollversammlungen (wir sagten: VauVaus) vorbereitete, und immer stand dann jemand auf, meistens eine charismatische Frau, die vorgab, zu keiner Gruppe zu gehören, und die dann unter dem Jubel der Massen eine meistens von uns unerwünschte Richtung vorgab.

Ich glaube, der alte Friedrich Engels hat komplett recht. Wogt die Masse erst hin und her, kann man das kaum steuern.

Man müsste sich trauen, ein anarchisches Drehbuch zu verfassen. Im deutschen Fernsehen sind die Rollen mehr oder minder vorgeben, wenn auch nur im Entferntesten Einwanderer oder der Islam im Hintergrund lauern. Ein Imam darf reaktionär, streng, bekloppt sein, aber nie der Täter. Wenn das doch so wäre, gäbe es Randale. Und ich ginge dann solange, je nach Jahreszeit, paddeln oder Käsekuchen backen, und guckte mir viel später und vergnügt das Ergebnis an.

tatort

Sie sind schon drin

borgenScreenshot aus Borgen, Staffel 1

Was soll man da machen? Vielleicht hätte eine CyberOnline-Durchsuchung geholfen? Dann hätte niemand etwas bemerkt….(Vorsicht! Ironie!)

Merke: Man muss den größten Stuss nur oft und lange genug wiederholen, bis ihn alle für wahr halten.

Kubistische Nackte und die Künstlerlinke [Update]

Georgy Kurasov

Großartige Bilder von Georgy Kurasov! Die würde ich alle bei mir aufhängen. Aber wieso muss ich erst Tor bemühen, um auf die österreichische Seite klassikmagazine.com zu gelangen? Haben die deutschen Jugendschützer die wieder zensiert bzw. bei Google angeschwärzt, weil die Jugend beim Anblick kubistischer Titten sittlich gefährdet wird?

Nun zu einem immer wieder beliebten Thema.

– Der Humanistische Pressedienst schreibt über „Allah und die Linke“. – „Der fatale Umgang der Linken mit dem Islam – aus Furcht, damit Rechten Zündstoff zu liefern, schweigt sie. Galt nicht Religionskritik spätestens mit Voltaire einmal als Selbstverständlichkeit?“

Nein, die aufklärerische Vernunft ist dem Rückzug. Dummerweise sind die, die der Text betrifft, völlig beratungsresistent.

[Update] Ein Kopftuchverbot ist zulässig.

– Die Taz lässt den Philosophen Robert Pfaller über „Pseudolinke“ zu Wort kommen:
„Statt Kinderbetreuungseinrichtungen bekamen wir das Binnen-I, statt Chancengleichheit bot man uns »diversity«, und anstelle von progressiver Unternehmensbesteuerung erhielten wir erweiterte Antidiskriminierungsrichtlinien. Das entspricht dem Grundprinzip neoliberaler Propaganda: Alle Ungleichheit beruht demnach lediglich auf Diskriminierung. (…) Denn die sogenannte Kulturlinke ist ja der Profiteur dieser neoliberalen Ideologie.“

Auch das wird niemanden interessieren, und die taz wird von ihrer Sternchen- und Doppelpunktsprache nicht lassen. Das Zentralorgan der Pseudolinken wird sich nicht ändern – es spiegelt die Ideologie der Kundschaft und der Rezipienten wieder. Es geht um Esoterik, hört ihr? Mit Esoteriker_:*Innen kann man weder diskutieren noch argumentieren.

– „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus‘. Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus'“. (Ignacio Silone, antistalinistischer Kommunist, 1900-1978)

Verwohnt

hinterhof keller mansarde

„In einem Hinterhaus, das einen schlechten, stark verwohnten Eindruck macht, bewohnt der wegen einer Armwunde arbeitsunfähige Patient eine Stube und Küche der zweiten Etage. Die Stube ist 4,80 Meter lang, 4,00 Meter breit und 2,60 Meter hoch. Der Kranke teilt sie tagsüber mit drei und nachts mit zwei Personen. Notdürftiges Mobiliar und Trümmer alten Bauholzes usw. füllen den traurigen Raum. Der Hof zeigt bei Regenwetter sintflutartige Zustände.“

Aus Gesine Asmus (Hrsg.) Hinterhof, Keller und Mansarde. Einblicke in Berliner Wohnungselend 1901 – 1920.

Endzeitliches

car apokalypse

…et congregavit illos in locum qui vocatur hebraice Hermagedon.

Ich muss zugeben, dass es mich bei apokalyptischen Zuständen immer sanft gruselt, nicht weil mich Katastrophen mit Ansage, erbärmliche Blamagen oder dreistesten Lügen (Superlativ) der Herrschenden, so dreist, dass sie schon wieder komisch sind (dramatischer Chor – mit Masken – im Hintergrund: Potjemkin, Söder! Kijŏng-dong!) nicht berührten, sondern weil seelisch tief vergrabenes Vergangenes an die Oberfläche des Bewusstseins bricht wie Lava aus einem Vulkan: Armageddon! Und wir, die Auserwählten, werden gerettet! Und ich bin natürlich dabei! Mein Mitleid gilt den Ungläubigen! Ihr hattet eure Chance und nutztet sie nicht. Auch die Medien kriegen ihr Fett weg.

By the way: Hatten wir heute schon genug Genitive? Ich wurde ihrer angesichtig dergestalt, dass ich, eingedenk meiner Kurzsichtigkeit, mich der Brille bediente…

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