Die Ruinen von Na-Chan und der schaffende Mensch

Palenque

Palenque, Mexiko, eine ehemalige Metropole der Maya, fotografiert Anfang November 1981. Der Gebäudekomplex ist der Palast (ca. 100 x 80 Meter Ausdehnung) mit vierstöckigem Turm, der vermutlich astronomischen Zwecken diente. Alle Gebäude waren ursprünglich rot bemalt.

Palenque hatte seine Blütezeit im 6. und 7. Jahrhundert, also zur Zeit des Frankenreichs in Europa unter den Arnulfingern und Pippiniden – also nach Chlodwig, aber vor den Karolingern. Pakal der Große wurde rund 150 Jahre vor Karl dem Großen geboren. Die Bewohner Palenques ernährten sind übrigens vorwiegend von Meeresfrüchten.

Von allen Ruinenstädten in Mexiko ist Palenque sicher die erste Wahl für Touristen.

Was lese ich da? „Ein Teil des Romans Homo Faber von Max Frisch spielt in der Ruinenstätte und der modernen Stadt Palenque.“ Wann hatte ich den Roman (1957 geschrieben) gelesen? Meine Ausgabe ist von 1978. Werde die rund 200 Seiten noch mal überfliegen; beim Durchblättern habe ich „Palenque“ mehrfach gesehen. Ich habe komplett vergessen, um was es geht: „die Bestimmung des Daseins durch Zufall oder Schicksal“ und „die misslungene Beziehung zwischen den Geschlechtern“. Dann kann ja nichts mehr schief gehen.




Ausharren im Nichtdazugehörenwollen und die Masse der Leiber

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Kein Herdentier (Symbolbild – ich halte das Foto übrigens für unecht, aber kann es leider nicht beweisen.)

Yassin. Ibrahim. Das hat nichts mit dem Islam zu tun. Nein, hat es nicht. Religion ist nur ein Syptom.

„Hier, rief ich entflammt hier: Im übrigens ist es ein großer Unterschied, ob man tut, was man nicht billigt, oder ob man zu billigen vorgibt, was man tut; das erste tut, wer schwach ist, das zweite Benehmen ist das eines Sklaven.“ (Aus Birk Meinhardt: Wie ich meine Zeitung verlor – ein Jahrebuch.)

Das, verehrtes Publikum, ist elegantes Deutsch auf höchstem Niveau. Gemeißelte Sätze, sogar mit schwachen Verben, barsche Logik des geschachtelten Satzes, wie sie nur in Latein und im Deutschen zur vollen Blüte gelangt (jetzt drehen die Metaphern durch!), die Leser erstarren und wollen es noch mal gesungen hören usw..

Ich habe das Büchlein jetzt durch. Meine Lesebefehl bleibt aufrechterhalten (nur für die, die was mit Medien machen). Warum konnten und können nur Ossis in diesen Zeiten gut und elegante und doppelbödige Texte schreiben – wie zum Beispiel Stefan Heym, Alexander Osang und eben Birk Meinhardt? Bei Heym kam dazu, dass er seine Bücher zuerst auf Englisch schrieb; das machte die deutsche Version dann ohnehin leichter lesbar.

Man muss vermutlich dem, was einen umgibt, irgendwie fremd sein, um hinzukriegen, dass die Texte ein eigenes Leben entwickeln und über das bloße Meinen eines Einzelnen hinauswachsen. Ich kenne das von mir: Wer in einer Sekte aufwächst, gehört nie dazu oder hat das Gefühl, alle seien anders als man selbst. Irgendwann zweifelt man dann doch: Kann es sein, dass alle anderen bekloppt sind und gemeinsam vom Felsen springen wie die Lemmini, obwohl das doch ins Verderben führt? Sollte man sich ihnen anschließen um des lieben Friedens willen?

Nimm nichts als gegeben, nie wieder. Reih dich nicht noch einmal bei denen ein, die etwas für gegeben und unumstößlich halten, wärm dich nicht an der Masse ihrer Leiber. Bleibe auf Abstand, nutze den Vorteil der Fremdheit.

Meinhardts Buch kann ich nicht rezensieren, weil das Gefühl überwiegt, man tue dem Autor Unrecht, ließe man etwas aus, also müsse man den Text zur Gänze wiederholen, um ihn gebührend gewürdigt zu haben. Ich erkenne wieder, was ich schon vor Jahren gedacht und nur auf diesem winzigen und gesellschaftlich irrelevanten Blog mich zu formulieren erkühnt habe:

Einschub, alle die gekommen sind, sind in der Zeitung und im Fernsehen und im Radio Flüchtlinge, das ist das Anfangs- und das Endwort. Es suggeriert Verfolgung, Todesangst und Hilfsbedürftigkeit, es appelliert an meine Anteilnahme, dabei ist es, derart pauschal gebraucht, ein irreführendes Wort, denn ein erheblicher Teil der Hergekommenen ist schlicht der Verheißung eines besseren Lebens gefolgt. Wirtschaftsflüchtlinge, heißt es jetzt manchmal, immer noch sind es also Flüchtlinge, Bedürftige; nur wie heißt das Museum oben in Bremerhaven, wo sich unsere Vorfahren auf die Schiffe drängten, um ins gelobte Amerika zu gelangen? Auswandererhaus. Unsere Vorfahren sind Auswanderer gewesen, von Amerika aus gesehen natürlich Einwanderer. Einwanderer.

Nein, das sagt man nicht, das widerspräche dem – wie man in Neudeutsch modisch sagt: Narrativ.

Aber woher kommt das? Dieser unerträgliche Opportunismus der übergroßen journalistischen Mehrheit, ja die Feigheit, oft wider besseres Wissen die Fakten zu verbiegen, also nichts Falsches zu verbreiten, sondern nur die halbe Wahrheit, weil die anderen gar nicht erst gefragt werden, da das Resultat dann auch gelogen ist? Meinhart nennt den „ersten Angriffskrieg eines Landes, dessen Bürger ich bin“, „daß ich heute in einem Staat lebe, der es gewagt hat, einen anderen Staat völkerrechtswidrig zu bombardieren“. Das darf man den Bellizisten von heute nicht öffentlich vorhalten: Man würde eine Shitstorm ernten, dessen gelindester Vorwurf der des Putin-Verstehens wäre.

Aber damals fing es an. Oder: Man merkte es immer öfter. Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Ich ziehe vor zu sagen: Objektivität ist eine Illusion, die von der bürgerlichen Presse verbreitet wird und an die sie selbst glaubt, um zu vertuschen und zu verdrängen, dass sie die Sicht der herrschenden Klassen wiederspiegelt – und nur die.

„Das EU-Parlament fordert Serbien auf, Desinformation zu bekämpfen, einschließlich manipulativer Anti-EU-Narrative.“

…mit ihrem erbärmlichen Eifer, mit dem sie sich auf der Seite versammeln, die ihnen die richtige erscheint, und mit dem sie dort geradezu aufstampfen, es ist die richtige, richtige, richtige Seite, ich kenne aus den Zeiten der endlose Genitivverbindungen die Details des Mechanismus des Demonstrierens des festen eigenen Standpunkts.

Das Ansichten Meinhardts über die deutsche „Presselandschaft“ beruhigt mich ungemein. Es gibt also doch noch Kollegen aus der Zunft, die aus der Reihe tanzen und ihren Kopf gebrauchen – und Konsequenzen ziehen.




Was mit Medien machen

„Beim Aufräumen im Keller fand ich jetzt eine vergilbte Broschüre: Leistungssport im imperialistischen Westdeutschland. Darin stehen Sätze wie dieser: Die auf die sportpolitische Wirksamkeit und auf sportliche Siege zielende Ideologierelevanz ist ein Hauptaspekt der Olympiavorbereitung, um westdeutsche Spitzensportler durch antikommunistische Verhetzung zu personifizierten Gegnern des Sozialismus zu erziehen.“ (Aus Birk Meinhardt: Wie ich meine Zeitung verlor – ein Jahrebuch.)

Birk Meinhardt, der lange für eine Tageszeitung gearbeitet hat, gehört zu den wenigen, die sich einer genauen Selbstbefragung unterzogen haben und ihre Position auf dem brüchigen Pflaster des Medienbetriebs zu orten versuchen. Seine Geschichte ist die eines leidenschaftlichen Journalisten, der als erster Ostler in der Redaktion eines angesehenen Blattes arbeitet und lange blind bleibt für die Widerstände, auf die seine Arbeit zunehmend trifft. Es ist die Geschichte einer Ernüchterung und – schließlich – einer Entzweiung.

Ich habe das Buch geschenkt bekommen und finde es großartig. Meinhardt schreibt so präzise und gleichzeitig subtil wie Osang, der auch aus dem Beitrittsgebiet stammt. Meinhardt war in einer anderen Situation als ich, weil ich immer als Freiberufler gearbeitet hatte, aber ich kann dennoch fast alles nachvollziehen und unterschreiben.

Es ist auch bezeichnend, dass jemand, der die Branche – und sich selbst – kritisch sieht, sofort runtergemacht wird: „Psychogramm des gekränkten älteren weißen Mannes“. Jaja. Warum nicht gleich „Nazi“? „An einer Stelle beteuert er, er sei kein Rassist. Er wolle nur halt nicht immer nur positive Geschichten über Flüchtlinge lesen“. So was geht ja gar nicht. Geschichten über „Flüchtlinge“ müssen immer positiv sei, am besten noch mit kleinen Kindern bebildert werden. Oder nicht?

In einem muss ich Sabine Rennefanz von der „Berliner Zeitung“ recht geben: „Ich habe das Buch anders gelesen: als eine Zeitreise in eine Zeitungswelt, die es so nicht mehr gibt.“ Eben. Journalismus, wie man ihn früher lernte, gibt es nicht mehr. Vielleicht ist das auch ganz gut so – im Interesse der mündigen Leser, die sich aus verschiedenen Quellen selbst informieren.

Das Buch kann man auch gut an Leute verschenken, die „was mit Medien“ machen.




Hanno und die Wissenschaft von den Klimaten [Update]

Geographike Hyphegesis

Wieder so ein Buch, was man dringend braucht: Germania und die Insel Thule: Die Entschlüsselung von Ptolemäus‚ „Atlas der Oikumene“.

Es geht um die Geographike Hyphegesis (erstellt um 150 n.u.Z.): Bei der Geographike handelt es sich um eine umfassende Darstellung der bekannten Welt des 2. Jahrhunderts n. Chr. mit etwa 8000 Ortsangaben durch ein Koordinatensystem. Sie ist damit der historisch erste bekannte Versuch, Teile der als Kugel erkannten Erde in einer Kartenprojektion zutreffend darzustellen.

Was mich fasziniert ist, wenn man damals versuchte, „wissenschaftlich“ im heutigen Sinn zu arbeiten. Ptolemäus war ein großer Universalgelehrter, aber lag auch manchmal groß daneben. Welche Quellen benutzte er über Germanien? Diese Einteilung der germanischen Orte in klimata könnte auf Vermessungen der römischen Armee zurückzuführen sein, die für die Feldzüge in Germanien zwischen 14 v. Chr. und 16 n. Chr. erstellt wurden und von den römischen Garnisonen am Rhein ausgingen. Anscheinend hatte Ptolemaios Zugriff darauf.

Faszinierend! Ptolemäus lebte in Alexandria! Woher wusste er überhaupt, dass solche Vermessungen existierten? Offenbar kannte er auch Hanno den Seefahrer, einen Katharer Karthager, der schon 600 Jahre vorher die Westküste Afrikas erkundet hatte. Schade, dass die damals nicht fotografiert oder – wie Alexander von Humboldt – gezeichnet haben…

[Update] Das Buch schildert ausführlich, welche Quellen Ptolemäus zur Verfügung gestanden haben könnten. Man kann jetzt auch die Insel Thule lokalisieren: Es ist die Insel Smøla beim norwegischen Trondheim. Von dort aus ruderte/segelte man damals sechs Tage bis nach Britannien und vice versa.




Insgesamt gibt es also viele Gründe für und gegen künstliche Intelligenz [Update]

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Die Katze ist hier nur zufällig hineingerutscht.

Vielleicht sollte ich die Text hier durch ChatGPT erzeugen lassen? Und die Leserschaft nutzt dann App GPTZero, um herauszufinden, ob das Werk „aus einer menschlichen Feder“ stammt? (By the way, Heise, Menschen haben meistens keine Federn, sonst wären sie ja Vögel. Ist der Vergleich nicht ein bisschen krumm und schief wie ein Lineal?)

virtual ChatGPT

Ich war erstaunt, dass bei meinen Fragen nicht nur absoluter Quatsch herauskam. Wenn man genau hinsieht, sind die Antworten eher gehobener Blödsinn und unterscheiden sich nicht von dem, was in den Qualitätsmedien so zu lesen ist. Wenn ich meine Fragen den üblichen Verdächtigen in einer Talkshow gestellt hätte, wären die Antworten vermutlich dümmer gewesen.

virtual ChatGPT

Der Zauber – und das Risiko – von großen Sprachmodellen wie GPT-3 als Basis von ChatGPT liegt laut Beobachtern darin, dass sie nur eine Illusion von Korrektheit liefern. Sie arbeiteten mit der Vorhersage des wahrscheinlichsten nächsten Wortes in einem Satz. Ob diese richtig oder falsch sei, wisse die KI nicht.

Ich bin auch ein Beobachter. (Was machen „Beobachter“ eigentlich beruflich, Heise?) Ich sage: Es wird wie beim Schach werden. Am Anfang sagte alle, dass ein Computer nie einen Menschen besiegen könne. Nah einer Weile geschieht das dann doch. Wenn man davon ausgeht, dass die meisten Menschen längere Texte sowieso nicht verstehen, wird man bald den Unterschied zwischen Mensch und Computer bzw. künstlicher Intelligenz vernachlässigen können.

Wer aber einen eigene Sprachstil hat, wird kaum zu imitieren sein. Fragen wir die KI dazu:
Das ist richtig. Jeder Mensch hat seinen eigenen individuellen Sprachstil, der sich durch verschiedene Faktoren wie Wortwahl, Satzbau, Grammatik und Tonfall auszeichnet. Dieser Sprachstil ist ein wichtiger Teil der Persönlichkeit und der Identität einer Person und kann kaum vollständig imitiert werden. Es ist jedoch möglich, bestimmte Aspekte des Sprachstils einer Person zu imitieren, zum Beispiel durch das Nachahmen von bestimmten Redewendungen oder Ausdrücken, die diese Person häufig verwendet. Allerdings wird es schwierig sein, den gesamten Sprachstil einer Person zu imitieren, insbesondere wenn man versucht, die individuellen Nuancen und Eigenheiten zu replizieren, die ihn auszeichnen.

Update bei Heise: „ChatGPT: Mächtige Waffe in Händen von Skriptkiddies“.

virtual ChatGPT




Palästina und auch anderswo [Update]

reiseführer Jerusalem

Habe ich mir gerade durch die Großbourgeoisie liefern lassen. War nur ein Versuch, irgendwo anzufangen. Es ist gar nicht so einfach, etwas Vernünftiges über Israel zu bekommen, obwohl man bekanntlich bei Reiseführern erst im nachhinein merkt, ob sie gut waren oder nicht. Ich war bass erstaunt, dass offenbar alle Verlage Gendersprache benutzen von einer Zwei-Staaten-Lösung ausgehen, an die niemand in Palästina mehr glaubt außer den Arabern, die in Palästina leben, und natürlich den Deutschen.

Was genau ist ein Reiseführer über „Israel und Palästina“? Ersteres ist eine Teilmenge des Letzeren, was korrekt wäre? Oder meint „Palästina“ die „palästinensichen Autonomiegebiete„, also den Gazastreifen und Teile des Westjordanlandes? Und was ist mit Ostjerusalem? Als Ostjerusalem wird der Teil von Jerusalem bezeichnet, der seit dem Palästinakrieg 1948, als alle arabischen Staaten Israel auslöschen wollten, von Jordanien besetzt war, bis er im Sechstagekrieg 1967 von Israel erobert wurde.

Glaubt jemand ersthaft, Israel würde diesen Teil Jerusalems jemals irgendwelchen Arabern überlassen, damit die alles ruinieren? („Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts sah der Felsendom so aus, wie gegen 1875“.)

Noch einmal zum Mitschreiben: Der Osten Jerusalems gehörte auch vor dem Sechstagekrieg mitnichten den so genannten „Palästinensern“. Den Rest der Geschichte haben die arabischen Staaten selbst vermasselt.

Beim Herumstöbern kriegte ich auch schlechte Laune, weil mich Jesus nicht interessiert, wenn ich nach Israel reise. Es ist noch nicht einmal sicher, ob dieser Mann wirklich gelebt hat. Die Bibel kann ich zwangweise fast auswendig, und ich muss das alles nicht noch einmal vor die Nase gerieben bekommen. Natürlich kann man in Jerusalem den Verehrern höherer Wesen nicht entkommen; auf jedem Stein trampeln gleich mehrere davon herum, die sich gegenseitig anfeinden. Mich nerven jetzt schon die zahllosen gläubigen US-Amerikaner, die dort irgendetwas Biblisches anschauen wollen. Vielleicht schließe ich mich im Oktober chinesischen Reisegruppen an, um dem zu entgehen, und zitiere laut die Mao-Bibel [sic] dabei: „Die Theorie von Marx, Engels, Lenin und Stalin hat universelle Geltung.“ Aber vermutlich müsste ich dann zwangsweise Gespräche mit Leuten führen, die ich gar nicht kennenlernen will.

Ich suche also immer noch nach einem guten „Reiseführer Israel“. Punkt.

[Update] Ich empfehle zur Lektüre ein Interview mit dem US-amerikanischen Historiker Daniel Pipes, ganz gleich, was die Leser denken auch wenn die Leserschaft dessen politische Meinung nicht teilen wird. „The proper policy is to convince West Bankers, Gazans and Muslim Jerusalemites that Israel is tough and permanent, that they have lost and should give up the war on Israel. The goal, always, is to coerce them into abandoning their fantasy of eliminating the Jewish state of Israel.“ Genau so ist es. Dann bin ich eben eine Art „Republikaner“, obwohl Pipes das nicht mehr ist.




Zwischenwelten und Genüsse

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Ich habe meiner entzückenden Physiotherapeutin versprochen, dass ich 2023 ein Sixpack anstrebe.

Das neue Jahr lässt einen gleich mit den Ohren schlackern. Wir haben da eine Religiotin Annette Kurzschluss Kurschuss, die stammelt: „Waffen für die Ukraine sind Pflicht christlicher Nächstenliebe.“ Aber so etwas ist man von den Pfaffen ja gewohnt, obwohl ich instinktiv zu radikalen Maßnahmen greifen möchte.

Apropos „radikale Maßnahmen“: Natürlich waren junge männliche Einwanderer bzw. deren Kinder, vor allem der arabischen Art, überproportional verantwortlich für die Silvesterrandale und die Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte. Aber das ist kein Anlass, um über Immigration an sich zu streiten. Im arabischen Kompong Glam kann man vom Fußboden essen, wie jemand, der dort war, mit glaubhaft bestätigte. Auch arabische Fluglinien erlauben nicht das Herumrandalieren und Zumüllen. Es liegt also an etwas anderem.

Meine These: Regeln werden nicht durchgesetzt. Das ermutigt den Abschaum, sich dann an nichts mehr zu halten. (Was sagen deren Eltern eigentlich dazu? Oder waren die gerade in einer Moschee?) Wolfgang Büscher schreibt in der Welt:
Oder, wie so viele um sie her, in dieser über Generationen sich erstreckenden Zwischenwelt leben, in der das Geld und die Autos, die Straßennamen und die Behörden deutsch sind – aber alles, was Identität stiftet, das Essen, die Sitten und die Religion, die Vornamen der Kinder und die Kleidung ihrer Mütter, all das ist Herkunft pur. Libanon, Türkei, Kosovo. Migration ist eine hoch identitäre Bewegung. Und Deutschland ist offenbar kein Land, das darauf eine Antwort findet.

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Das Blogvolk will es so.

Zum Erholen zwischendurch: Ich habe auf allen verfügbaren Kanälen Shota Mebakuro abonniert. Shota ist ein Influenzer Fotograf, der wahre Kunstwerke produziert, von denen ich meistens nicht sagen kann, ob die Bilder echt sind oder stark bearbeitet. Ein Genuss zum Anschauen!

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Glitter

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Ich empfehle die polnische Netflix-Serie Glitter. (Polnisch brokat bedeutet funkeln.) Das Publikum sollte sich durch den Teaser nicht abschrecken lassen: Im polnischen Sopot des Jahres 1976 suchen drei entschlossene Frauen inmitten gesellschaftlicher und politischer Veränderungen nach Liebe und (finanzieller) Unabhängigkeit. Der Text hört sich eher wie eine Seifenoper an, und die bla bla „Veränderungen“ sind bloßes Geschwurbel. Unter uns Altgriechen: Die meinen Pantha rhei.

Polnische Filme? Ich kann mich an keinen erinnern, den ich je gesehen hätte, und wenn ich Das Grab im Wald kenne, dann habe ich es vergessen. Steht aber auf meiner To-watch-Liste. Unsere Nachbarn sind bekanntlich nicht woke und beim Thema, wie Hans seine Grete bekäme und das filmisch umzusetzen wäre, ein wenig altbacken. (Ich wollte nur das Wort einmal benutzen.) Will sagen: Im ehemaligen Ostblock bezahlt die Frau nie die Restaurant-Rechnung selbst, und ihr werden die Türen aufgehalten, auch in der feuilletonistischen Version.

Da die filmkritische Leserschaft jetzt missbilligend die Stirne runzelt (wegen fehlender Normenklarheit): Die Emanzipation der Frau würde vermutlich „die Emanzipation des schönen Geschlechts“ genannt und noch ein Handkuss dazu angeboten. Ich kann mich daran erinnern, als ich 1982 in Malbork im Kino war, zeigte man irgendeinen Hollywood-Film, (dessen Titel ich vergessen habe) bei dem es um eine frustrierte Ehefrau ging, die aus ihrem langweiligen Alltag und den erdrückenden Normen, was von einer Frau erwartet wurde, nur so entfliehen könnte, dass sie „verrückt“ wurde. Also ungefähr die Rolle der Laura Brown im grandiosen Filmdrama „Hours“. Die Pointe: Die ohnehin nur wenigen Zuschauer im Nach-Solidarność-Polen fanden das langweilig und verließen nach und nach vorzeitig den Kinosaal, bis ich zum Schluss fast alleine da saß.

Übrigens steht auf meiner To-Do-Liste noch: Schmuggeln der Werke Karl Marxens nach Polen.

Warum ausgerechnet die 70-er Jahre in Polen? Weil damals, zehn Jahre nach Deutschland und Frankreich, auch in Polen zaghaft ausprobiert wurde, anders zu leben als der Mainstream es vorsah. Also nicht #meetoo moralingeschwängert und durchgeheuchelt, sondern ganz real: Wie soll eine Frau unabhängig sein, wenn sie kein Geld verdienen kann, ausser sie zöge es vor, sich mit miesen schlecht bezahlten Jobs knapp über Wasser zu halten? Man ahnt es schon: Wer Sex-Szenen im Film mag, kommt auf seine Kosten.

Allerdings ist das Niveau besser als man denkt: „Glitter“ ist kein Voyeur-Film oder ein Krimi, der meistens im Bordell spielt. Man [sic] muss sich immer fragen: Was wäre die Alternative? Man sieht es den Heldinnen an, dass sie an sich und der Welt zweifeln und dass irgendwo immer ein Haken ist.

Die Schauspielerinnen dominieren die Story: Magdalena Popławska gibt die MILF mit dem wissenden Lächeln und der zynischen Attitüde (und hat auch ein nicht ganz knitterfreies Privatleben). Matylda Giegżno, oft in kurzen Hosen, soll die Instagram- und TikTok-Mädels ansprechen und ist auf Jede-Menge-Spaß-und-Saufen aus. Wiktoria Filus ist die Schöne, die jeder haben will, aber nicht wirklich kriegt, weil sie das Spiel durchschaut. Die Kerle spielen alle Nebenrollen – das ist für Filme aus Osteuropäer eher die Ausnahme.

But what the three of them struggle against is that not only are men blocking their path, but they’re not taken seriously because they’re using sex work to help them earn enough to achieve their dreams. In den 70-ern! Im erzkatholischen Polen! Die bis jetzt nur spärlichen Rezensionen sind ganz angetan.

Angenehm auch, dass die Figuren nicht durch „diverse“ Zwänge aus Wokistan ruiniert werden. Es tauchen nicht überall Maximalpigmentierte auf, obwohl sie in der (historischen) Realität gar nicht vorkommen. Es muss auch nicht unbedingt schwuler Sex gezeigt werden, wenn das nicht Thema ist. Man ist froh, dass der interessante Plot nicht von Hollywood aufgegriffen wurde, sondern von einem Eingeborenen. Ich musste erst mühsam googeln, weil ich dachte, dass der Regisseur weiblich sein müsse, weil Frauen mehr auf die Details achten.

Ich bin noch nicht bis zum Schluss gekommen, aber wenn ich nicht ständig herumzappe, sondern am Ball Film bleibe, ist das die Ausnahme und ein Gütesiegel.

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Sprachpäpste und Internet-Ausdrucker

Wolf Schneider ist gestorben.

Vor 12 Jahren schrieb ich: „Heute saß ich in meinem Stamm-Café in Rixdorf und las fahrlässigerweise den Tagesspiegel (weil ich mich wieder ärgern musste). „Die meisten Blogs sind Geschwätz“ sage Wolf Schneider im Interview.

„Ich benutze gar keinen Computer, aber meine Frau verfolgt ein Dutzend Blogs und Twitter und druckt mir das aus. Kein Tag, an dem ich nicht mindestens zwei Blogs lese!“ Aha. Seine Frau druckt ihm das Internet aus, und er erdreistet sich, eine Meinung über Blogs zu haben. Unglaublich und dreist.

Ergo: Ignoranz hat nichts mit Wissen zu tun oder mit dem Alter. Meine Eltern sind fast genau so alt wie Wolf Schneider und nutzen das Internet rege. Sie haben sogar schon ihre E-Mails verschlüsselt. Ignoranz ist eine Haltung und das, was Schneider von sich gibt, ist nur saudummes Geschwätz.“




Die Ringe des Quarks

die Ringe der macht

Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht kommt bei mir in eine Kategorie mit Der Angriff der Killertomaten und Gor. Ich habe selten so einen hanebüchenen Unfug gesehen (nur eine gute Stunde, mehr habe ich nicht ausgehalten).

Ein Mal tief Luft holen. Fantasy darf natürlich größtmöglicher Quatsch sein. Das pseudo-mittelalterliche Ambiente regt mich gar nicht mehr auf. Nach Logik sollte man auch nicht suchen. Ich kann mich nur dem Rezensenten des Films „Gor“ anschließen: „Unglaubliches schlechtes, wenn auch unglaublich buntes Fantasyspektakel der unteren Qualitätsstufe. Die sogenannten Schauspieler wissen in ihren Rollen irgendwie so gar nicht zu überzeugen und auch ansonsten ist alles ziemlich dümmlich.“ Ich möchte den Filmemachern einen Brief schreiben wie die Saporoger Kosaken, wie „gut“ ich ihr Machwerk finde.

Man kann es auch kurz machen: Alle Schauspieler, inbesondere die Frauen, sind hässlich. Es gibt keinen Sex. Die Dialoge sind schrecklich langweilig. Die Serie strotzt nur so von politischer Korrektheit. Sogar bei den Zwergen gibt es Neger Maximalpigmentierte. Warum eigentlich? Wenn es irgendwo außerhalb Afrikas Farbige gibt, weiß man, dass das der Sklaverei geschuldet ist, oder man ist im Römischen Reich, in dem es keinen Rassismus gab. Warum also muss in fiktiven Welten auf „Diversity“ geachtet werden? Und warum gibt es keinen lesbischen Sex in „Die Ringe der Macht“? wie in „Vikings„? Wenn schon, denn schon.

Fantasie ist immer eine reaktionäre Kapitalismus-„Kritik“. Das unterscheidet das Genre von Science Fiction. (Ja, ich argumentiere gern mit dem Holzhammer.)

Wer schaut sich eigentlich so eine gequirlte Scheiße an? Und warum? Definitiv eines der schlechtesten Filme aller Zeiten, wenn man den Aufwand mit dem Nutzen vergleicht.




Sowjetistan

Sowjetistan

Ich empfehle Sowjetistan: Eine Reise durch Turkmenistan, Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan. Die norwegische Autorin Erika Fatland ist offenbar eine furchtlose Person, was mit imponiert. Ich weiß, was es heisst, in „gefährliche“ Gegenden zu reisen, und als Frau potenziert sich das noch einmal.

Das Buch ist unterhaltsam und flüssig geschrieben. Man lernt das Land und die Leute kennen, erfährt alles Nötige über die Geschichte, ohne das Gefühl zu haben, belehrt zu werden, und kommt aus dem Staunen nicht heraus. Ich muss zugeben, dass ich vor der Lektüre kaum in der Lage gewesen wäre – ausser bei Kirgisistan -, auf der Karte zu zeigen, was wo genau ist. Auch bei den Namen der Hauptstädte hätte ich passen müssen.

Wenn man „Sowjetistan“ gelesen hat, kann man die heutige politische Situation einschätzen. Man bekommt auch das Gefühl, warum die Russen die Finger von den Ländern lassen – das könnte nur schief gehen.

Ich werde auch die anderen Bücher Fatlands nach und nach kaufen. Zusammen mit Allein unter 1,3 Milliarden die beste Lektüre über Reisen seit langer Zeit. Ich hatte damals auch über meine Reisen schreiben sollen, aber ich war dazu zu unerfahren und naiv und hatte keinen Plan. Und heute will niemand mehr lesen, wie es in Lateinamerika vor vier Jahrzehnten aussah.




Unter Denunziantinnen

Karl may
Jugendgefährdende Literatur, gefunden in einem Buchregal meiner Mutter (Jahrgang 1925)

Wollte man eine Liste verbotener Bücher anfertigen, wüsste man gar nicht, wo man anzufangen hätte. Logisch sind die Listen nie. Es zählt immer nur das gesunde Volksempfinden der jeweiligen Zensoren Behörde. Eigentümlich ist diesen Gestalten: Sie leugnen immer, dass es sich um Zensur handelt. Es gehe vielmehr darum, irgendwen zu schützen – falls ein Totschlagargument benötigt wird: die armen Kleinen, der gern Studenten sein dürfen.

Die britische Zeitung „The Times“ hat von 140 Universitäten auf der Insel Auskünfte zum Umgang mit Texten angefordert. Nicht alle Unis haben die gewünschte Auskunft erteilt. Es zeigte sich aber: Zehn Institutionen gaben an, bereits Bücher zu den Themen Sklaverei oder Suizid aus ihren Leselisten gestrichen zu haben. In vielen Studiengängen seien, berichtet die „Times“, zudem 1.081 Texte mit Triggerwarnungen versehen oder von Pflicht- zu optionaler Lektüre herabgesetzt worden. „Herausfordernde“ Inhalte würden vermieden, um Studierende zu schützen, bekennen Unis.

Man könnte das Thema ignorieren, weil heute jeder, der an hierzulande verbotenen oder nie wieder gezeigten Filmen oder Büchern interessiert ist, diese sofort aus den Tiefen des Internet bekommt. Aus völkerkundlicher Sicht ist aber zu bedenken, dass Zensur, wie auch immer sie sich kostümiert – als Jugendschutz oder „Cancel Culture“ – nur funktioniert, weil die übergroße Mehrheit der Bevölkerung nicht beunruhigt werden will keinen Stress haben will und die Sache aus Opportunismus und Feigheit mitmacht und mitträgt. Man möchte sich nicht mit der gefühlten Mehrheit anlegen, wenn noch nicht ausgemacht ist, wer gewinnt. Das wird immer so bleiben, weil Mut eine Charaktereigenschaft ist, die man hat oder nicht – lernen kann man das nicht.

Diese Phänomen gilt auch für das Denunziantentum. Klaus Dörr, der frühere Intendant der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, hat vor einem Berliner Gericht den Prozess gegen die „taz“ gewonnen, berichtet der Tagesspiegel. Es reiht sich ein money quote an die andere: Er soll Frauen „angestarrt“ und unziemlich angesprochen haben. Es gibt keine Beweise. Es wirkt wie Rufmord. Inzwischen ist bekannt, dass es sich bei den Angriffen auf Dörr um eine Racheaktion aus dem Kreis des Staub zu Glitzer-Kollektivs gehandelt hat. Die Aktivistinnen hatten 2017 die Volksbühne eine Woche lang besetzt. Dörr lehnte eine Zusammenarbeit mit ihnen ab. Ihr Ziel war danach sein Sturz.

Bei solchen „Aktivistinnen“ aus dem gesellschaftlich völlig irrelevanten Glottisschlag-Milieu weiß man sofort, woran man ist – haufenweise Denglisch, und irgendwas ist immer trans, auch die Tunten. (Mache ich mich jetzt strafbar?)

And now for something completely different. Was macht eigentlich COVID-19? Und was machen die Ukrainer?

John Norman
Ganz böse und überhaupt nicht feministische Literatur, in Deutschland bis 2007 komplett auf dem Index, wird im deutschen Feuilleton trotz Millionen-Auflage nicht erwähnt.




They embody evil

three witches

An britischen Universitäten darf William Shakespeare nicht mehr gelehrt werden. Zu gewalttätig und verletzet „woke“ Gefühle.

Die sind ja völlig irre und verkörpern für mich das Böse. Demnächst müssen wir vermutlich Weltliteratur wie Macbeth heimlich lesen. Die drei Hexen sind vermutlich weder divers noch feministisch und rufen auch noch „heil„. Das geht ja gar nicht.
A heath near Forres.
Thunder. Enter the three Witches.
First Witch: Where hast thou been, sister?
Second Witch: Killing swine. (…)
First Witch: All hail, Macbeth! hail to thee, thane of Glamis!
Second Witch: All hail, Macbeth, hail to thee, thane of Cawdor!
Third Witch: All hail, Macbeth, thou shalt be king hereafter!

Bei dieser Szene in der Filmversion Polanskis (mit dem Original-Text – besser kann man das nicht umsetzen!) gruselte es mich wirklich, als ich sie zum ersten Mal sah.




Literarisches Fernweh

san andres

Die Insel San Andrés, Kolumbien (kein deutscher Wikipedia-Eintrag?), liegt auf der Höhe der Küste Nicaraguas, noch nördlich von Bluefields, und war 1979, als ich das Foto gemacht habe, ein verschlafenes Eiland, auf dem nur einige reiche Kolumbianer Urlaub machten. Der 4. November 1979 war mein erster Abend in Südamerika. Ich war von Tegucigalpa, Honduras, nach San Andres geflogen.

Ich lese gerade ein paar Bücher gleichzeitig. Einige lege ich wieder weg, weil sie mir nicht gefallen, andere sind überraschend gut. Weggelegt habe ich nach rund 50 Seiten Christian Baron: „Schön ist die Nacht“. Barons andere Bücher gefielen mir wesentlich besser. Man muss Baron zugute halten, dass er eine Zeit und Personen beschreibt, die in der deutschen Literatur nicht wirklich vorkommen, weil das Proletariat in der herrschenden Meinung nicht existiert, schon gar nicht als Klasse. Ein Mann seiner Klasse, der Kaiserslautern zu einem literarischen Ort machte, war aber eher eine Reportage. Das neueste Werk versucht sich daran, aber die Aufgabe, die Sprache der so genannten „Unterschicht“ zu spiegeln, gelingt Baron nicht. Mira, zahn Jahre jung, war scheu wie ein Reh, aber schlau wie eine Füchsin. Und Juliane, die Kleinste (…) war mit ihren sieben Jahren frech wie ein Marder und im Kopf flink wie ein Wiesel. Ich kenne bessere Vergleiche. Daher schwankt der Stil zwischen der direkten Rede, die „prollig“ sein und auch noch irgendwie den Pfälzer Dialekt wiedergeben soll, und der Geschichte, die nur dort Atmosphäre erzeugt, wenn es um Dinge geht, die der Autor offenbar aus seiner Jugend gut kennt, wie etwa eine Eckkneipe. Das Buch ist viel besser als alle anderen Romane aus Deutschland, die zur Zeit auf dem Markt sind, aber ich kenne das Milieu aus eigener Erfahrung, nur eben in der Ruhrpott-Version. Ich reisst mich nicht vom Hocker; lieber widme ich mich den zahllosen ungelesenen Sachbüchern, die hier herumliegen.

Das erste, was mir in die Finger geriet, war Christian Y. Schmidts Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu. Ein ganz großartiger „Reiseführer“, bei dem ich fast in jeder Zeile schmunzeln, oft schallend lachen muss. Ein Rezensent schrieb ganz richtig: Ein Buch, „das bestens neben den Werken von witzigen Reisebuchautoren wie Bill Bryson oder Douglas Adams bestehen kann“. Ich habe Lust bekommen, nach China zu reisen. Aber wann? Und wie lange? Und ich kann auch nur wenige Wort Mandarin.

Als ich darüber sinnierte, fiel mir auf, dass fast alle meine Reisen und Interessen von irgendwelchen Büchern beeinflusst wurden, die ich schon als Kind und Junge gelesen habe.

Konquistadoren
Illustration aus „Mit den Konquistadoren ins Goldland“

Ich schrieb 1997 bzw. 2020: Hans Hauser ist eine literarische Figur, die zum Glück und zu Recht vergessen worden ist. „Mit den Konquistadoren ins Goldland“ hieß das Buch, erschienen im Jahr 1958 in Stuttgart, von einem ebenso vergessenen Autor: Blonde deutsche Männer sorgen in fremden Landen für Ordnung, bekehren heidnische wilde Indianer und erleben prächtige Abenteuer. Der Held ist frei erfunden, nicht jedoch die Nebenfiguren: der leutselige Ambrosius Dalfinger, der tapfere Georg Hohermuth von Speyer, der stolze Philipp von Hutten und der finstere Nikolaus Federmann, Gründer von Bogota.

„Was so durch kindliche Eindrücke, was durch Zufälligkeiten der Lebensverhältnisse in uns erweckt wird, nimmt später eine ernstere Richtung an, wird oft ein Motiv wissenschaftlicher Arbeiten, weiterführender Unternehmungen.“ Das schreibt Alexander von Humboldt über das Motiv seiner Reise.

Bei mir kamen für meine Südamerika-Affinität Am Rio de la Plata und In den Cordilleren dazu, Bücher, die ich beide verschlungen habe, sogar mehrfach, später noch Das Vermächtnis des Inka.

reisen humboldts
Reiseweg Alexander von Humboldts nach Südamerika, Mexiko und Kuba, aus: Alexander von Humboldt: „Südamerikanische Reise“. Das Buch hat mich 1998 durch Venezuela begleitet.

Im nächsten Jahr will ich unbedingt nach Israel. Ich habe, als ich 13 oder 14 war, Leon Uris‘ Roman Exodus gelesen. Das Buch hat mich zutiefst beeindruckt und bis heute gefesselt. Mein Israel-Bild hat sich seitdem auch nicht viel geändert. Man sollte auch es allen Arabern zwangsweise zum Lesen verordnen. Heute gehören natürlich Hatufim und Fauda zum Bildungscanon.

Es könnte also so kommen: 2023 Israel, 2024 China, 2025… eigentlich ist es überall interessant. Der Urwald Kolumbiens ist immer empfehlenswert, aber ich müsste vorher dann noch Schießen und Krav Maga üben. Und letzteres hat mir mein Chirurg verboten.

anden peru
Leider bin ich mir nicht ganz sicher, wo ich diese Foto der Abenddämmerung in den peruansichen Anden gemacht habe. Ich tippe auf Winay Wayna, einen Tagesmarsch vor Machu Picchu. Ich war da zwei Mal, aber der Bergkamm sieht irgendwie anders aus.




Indianer! Oder: Sanktionen der Bosheit und geleugnete Gefahren [Update]

winnetou

Die Lage:

Newsweek kommentiert: „Visa Bans on Russians Are Sanctions of Spite“. Klar sind sie das, es geht um Pseudo-Moral. die nackte ökonomische Interessen kaschieren soll.

– Selenskij gibt in einem Interview zu, dass er vom anstehenden Krieg wusste, er warnte aber die Ukrainer nicht, weil die sonst das Land verlassen und die Russen es schneller hätten besetzen können. Die Washington Post: „Zelensky faces outpouring of criticism over failure to warn of war“. Ach. Ach was.

– Jetzt etwas zur Religion des Friedens: Hamed Abdel-Samad in einem Interview: „Ich habe keine Lust mehr, wegen meiner Kritik an meiner Herkunftsreligion als Islamfeind beschimpft zu werden. Vor allem möchte ich nicht mehr auf offener Straße, trotz Polizeibegleitung bepöbelt werden. In Berlin und anderen europäischen Großstädten passiert mir das regelmäßig, in Beirut nicht. Meine Frustrationstoleranz ist aufgebraucht. (…)
Aber es ist ein Fehler, die Gefahr zu leugnen. Mich macht wütend, wenn es im Westen heißt, islamistische Attentäter seien nur einzelne Spinner, auch dürfe man religiöse Gefühle nicht verletzen. Das ist keine Toleranz, sondern Heuchelei – sie schafft Rückzugsräume für autoritäre Subkulturen.“

Naïla Chikhi antwortet auf einen üblen Artikel Julias Neumanns in der Taz: „Die Autorin macht sich zur Lehrmeisterin über das Patriarchat, unter dem die Frauen in dieser Region leiden. Ja, eine junge weiße Frau – um ihr Vokabular zu verwenden – will uns Frauen aus und in den sogenannten muslimischen Gesellschaften und Gemeinschaften erklären, dass wir unsere Lage nicht verstanden haben. Sie aber schon!“ Natürlich: Julia Neumann „berichtet aus dem Libanon, Syrien, Iran und Irak, vor allem über Kultur und Gesellschaft, Gender…“ Was will man da erwarten?

winnetou

– Qualitätsjournalismus, revisited: Beim RBB Ist alles ganz divers, feministisch und gendersprachenkonform: „Wenn die eine Chefin die anderen Chefinnen kirchlich traut“. Ja, dann kann nichts schief geh*innen.

[Update] René Martens fass beim MDR noch mal den ganzen Irrsinn zusammen: „Eine der tragischen Ironien der Mediengeschichte“.




„Volksdeutscher Selbstschutz“

massaker an polen

Hier noch ein Nachtrag zu dem schon erwähnten Buch von Christian Jansen und Arno Weisbecker: Der „Volksdeutsche Selbstschutz“ in Polen 1939/40. Die Karte habe ich bei Helmut Walser Smith Deutschland – Geschichte einer Nation gefunden; der hat das obige Standardwerk auch in der Literaturliste.




Neuer Stoff eingetroffen

bücher

Vom Bini Adamczak: „gestern morgen: Über die Einsamkeit kommunistischer Gespenster und die Rekonstruktion der Zukunft“ (2011) – so etwas verkauft die Großbourgeoisie doch gern! Und von Christian Baron: „Schön ist die Nacht“. Ich freue mich für Christian, er hat den sozialen „Aufstieg“ aus einem Milieu, in dem das nicht vorgesehen ist, geschafft, im Gegensatz zu mir.




Working Poor

Die schlesischen Weber
Carl Wilhelm Hübner: Die schlesischen Weber (1844)

„In den 1850er und 1860er Jahren gab es keine kritischen Romane, die von der Knochenarbeit und den behelfsmäßigen Unterkünften einer großen Zahl von Eisenbahnern, der untersten Stufe der industriellen Arbeiterklasse, erzählten. Es gab keine ausführlichen Enthüllungen, die ein Gefühl für die langen Arbeitszeiten und die gefährlichen Arbeitsbedingungen der Bergleute im Ruhrgebiet vermittelten, welche noch immer hauptsächlich aus westfälischen Bauern der ersten Generation bestanden. Und es gab keine bedeutenden kritischen Werke, die von der Hitze, dem Schweiß und der Schwerarbeit der Former und Puddler in den riesigen Stahlwerken von Essen berichteten. Die Deutschen schrieben weiterhin viele Bücher, aber in den entscheidenden ersten beiden Jahrzehnten, in denen die Industrialisierung in den deutschen Ländern ihren Durchbruch erlebte, ignorierten diese Bücher die gigantischen, oft aus Tausenden von Menschen bestehenden Schwärme von Arbeitern, die Pickel, Axt und Schaufel schwangen, um Erde zu bewegen und Tunnel in sie hineinzugraben, damit Eisenbahnen gebaut werden konnten. Sie drangen auch nicht in die finsteren sächsischen Textilfabriken vor, die ihre Arbeiter zu einem gnadenlosen Tempo zwangen und trotz strenger Arbeitsgesetze immer noch Kinder an Spinnmaschinen ketteten.

Kurz gesagt: Die working poor hatten niemanden, der über sie schrieb.“ (Aus Helmut Walser Smith Deutschland – Geschichte einer Nation, S. 289f.)

Ich habe den Eindruck, dass es heute wieder so ist. Noch schlimmer: Es wird geleugnet, dass es die Arbeiterklasse überhaupt gibt.




Hauptstadt Magdeburg

republik der deutschen

Johann Gottlieb Fichte: „Die Republik der Deutschen zu Anfang des zwei und zwanzigsten Jahrhunderts, unter ihrem fünften Reichsvogte“, aus ders. Nachgelassene Schriften 9, zit. n. Helmut Walser Smith Deutschland – Geschichte einer Nation, S. 211. (Zu meiner Studentenzeit gab es noch ein Pflichtseminar „Wissenschaftliches Zitieren“ – jede Wette, dass so etwas schon lange abgeschafft wurde. Heute muss man schon froh sein, dass Studenten die deutsche Rechtschreibung einigermaßen beherrschen.)

Der Walser Smith wird mir immer sympathischer angesichts der Fülle interessanten Materials zum Thema. Vieles war mir bisher unbekannt – und garantiert vielen anderen auch. Er schreibt über Heinrich von Kleist und über einen der bedeutendsten „Think Tank“ des deutschen Nationalismus Anfang des 19. Jahrhunderts:
Auf jeden Fall diskutierte die Tischgesellschaft über die Geschicke Preußens und Deutschlands und über die Form des neuen Patriotismus. Sie frönte, kurz zwar, aber unheilvoll, dem Antisemitismus, was uns daran erinnert, dass die Geburt des deutschen Nationalismus von Anfang an auf vielschichtige Weise mit antijüdischen Empfindungen verbunden war. Doch ganz gleich, ob Kleist der Tischgesellschaft angehörte oder nicht, offenbart sein Nationalismus etwas von beträchtlicher Bedeutung. Nämlich dass der deutsche Nationalismus, so problematisch er auch sein mochte, in seiner Anfangsphase aus einer wahren Eruption an intellektueller Kraft und kreativer Energie schöpfte, die ihn zugleich besonders und universell, blutig und utopisch machte. Indem er Gefühle der Liebe, des Hasses und der Angst in den Dienst staatlicher Macht stellte, wurde der deutsche Nationalismus zu einer der mächtigsten und letztlich tödlichsten politischen Ideologien des 19. und 20. Jahrhunderts.

Offenbar steht ein Revival bevor.




Unter Veracryptern und tugendhaften Klempnern

wasserhahn

Wie das der Kryptografie kundige und des Verschlüsselns digitaler Dinge erfahrene Publikum schon bemerkte, kann man geschützte Speichermedien fünf Jahre lang untersuchen und doch nichts finden. Ich weiß, wovon ich rede. Das wird die üblichen Verdächtigen aber nicht daran hindern, wie gewohnt zu verfahren.

Ich will aber eure Herzen nicht vergiften wie Madame de Staël, die in ihrem Buch über Deutschland, das Napoleon höchstpersönlich ins Feuer warf, schrieb, dass die Deutschen zu wenig unabhängig seien und dass sie „durchaus nicht das haben, was man Charakter nennt. Sie sind tugendhaft und rechtschaffen, als Privatleute, als Familienväter, als Staatsbeamte; aber ihr gefälliger und zuvorkommender Diensteifer gegenüber der Macht verursacht ein schmerzliches Gefühl.“

Jetzt zu wichtigen und aktuellen Themen: Ich muss für den Garten meiner Mutter einen neuen Wasserhahn besorgen, weil der alte tropft und vermutlich die halbe Hauswand einstürzt, wenn ich ihn versuche zu reparieren. Ich hatte bei der Großbourgeoisie schon einen gekauft (1/2 und 3/4 Zoll Anschluss), aber der passt nicht. Frage: Wo wird denn der Durchmesser festgestellt? Am Gewinde oder woanders? Wie groß dick muss er sein?