Unter Superhackerinnen

verblendung

Neulich spülte mir der Netflix-Algorithmus Verblendung in die Timeline (oder wie auch immer man das bei Netflix nennt). Ich kannte weder Stieg Larssons Bücher noch die Filmversion des Themas aus dem Jahr 2009.

Ich glaube nicht, dass es mehr als ein halbes Dutzend Journalisten gibt, die so sind wie „Mikael Blomkvist“, der von Daniel Craig gespielt wird. Die „Hackerin Lisbeth Salander“ (Rooney Mara) gibt es überhaupt nicht. Das ist ein urbaner Mythos und fiktiver Sozialcharakter, der sich verselbständig hat und Teil der Alltagskultur wurde wie Dornröschen oder Schneewittchen.

Der Film ist spannend und gut und kann empfohlen werden, obwohl einige Details unlogisch oder haarsträubend absurd sind (Superhackerinnen kontrollieren aus der Ferne meinen Browserverlauf!). Man muss schon froh sein, dass „Hacken“ nicht mehr nur bedeutet, Passwörter erraten zu können.

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Interessant ist die Frage, was genau identifiziert eine Frau als „Hackerin“ in einem Film? Ein Regisseur muss den Geschmack und die Erwartungen des Publikums kennen bzw. vorhersehen. Das bedeutet zum Beispiel: eine Hackerin darf nicht wie Anja Hayduk oder gar wie Ricarda Lang aussehen. Warum nicht?

Weibliche Hacker im Film sind immer sexuell attraktiv, männliche fast nie. Warum? „Hackerinnen“ müssen Sex haben, sonst wird der Plot langweilig. „Hacker“ aka Nerds (Vgl. die Nerds Gary Larsons – ich muss mich übrigens jedes Mal bei den unsterblichen „Cow Tools“ und den Artikeln darüber kaputtlachen) nicht, höchstens mit Milfs. (Ich bin nicht so bewandert in Filmgeschichte und lasse mich gern eines Besseren belehren.)

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Nächste Frage: Warum sind weibliche Hacker immer Punks oder Goths oder Emos oder eine Mischung aus allem? (Das normale Publikum, vor allem in den USA, könnte das ohnehin nicht unterscheiden. Wenn eine Frau kurze, schwarze Haar hat und irgendeinen Metall-Popel im Gesicht, fällt sie automatisch in die Pr0n-Kategorie „Emo“.) Was haben ehemalige Jugendmoden mit Hacken zu tun? Warum sehen Hackerinnen nicht aus wie Schachspielerinnen beim Damengambit?

Es gibt nicht viele Optionen, gesellschaftliche Außenseiter ikonografisch darzustellen, dass jeder gleich kapiert, was gemeint ist. Früher hatte man Schillers Räuber, Zigeunerbarone oder Hippies. Da heute alle gleichermaßen Funktionskleidung tragen, muss das „Außenseiterische“ mit Elementen irgendeiner Jugendkultur aufgepeppt werden. Ein Hacker trägt nie Vokuhila und fährt auch keinen Opel Manta. Hacker sehen nie aus wie Arbeiter.

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Der Hacker als Sozialcharakter ist der Magier des Informationszeitalters, ein Mythos, der sich beim näheren Hinschauen als bloße Projektion entlarvt, wie es in der Natur des Mythos liegt. Zauberer aller Zeiten und Völker mussten immer anders aussehen als ihr Publikum. Was sie tun, bleibt dem Normalsterblichen schleierhaft.

Deshalb können Autoren von Drehbüchern und Regisseure den „Hackern“ übermenschliche Fähigkeiten andichten, und niemand findet das lächerlich. So auch hier. Konten fremder Personen einsehen, sich deren Geld überweisen, fremde Rechner permanent „onlinedurchsuchen“ oder Telefonzellen in den Bergen Afghanistan live abhören (wie der CIA in „Homeland“) – alles kein Problem. Ich weiß, was dein Browser tut, immer und überall.

PS. Wenn metallene Gesichtspopel oder die „Punk“-Frisur Teil der Attitude sein sollen, dann legt man so etwas nicht einfach ab – weil das zur Person „gehört“. Das aber macht unsere Heldin, die irgendwann eine blonde Perücke trägt und „normal“ aussieht, weil sie sich verkleiden muss. Danach klemmt sie sich wieder alles in die Haut. Nein, so funktioniert das vielleicht bei Thurn und Taxis, aber nicht bei Superhackerinnen…

WSKI oder: Die Wolf-Schneider-Simulation

KI
Created by Midjourney/Burks

Die Qualitätsmedien berichteten: „Die Reporterfabrik in Hamburg hat ein KI-Modell entwickelt, das Wolf Schneider simuliert.“ Die Idee ist gut. Ich habe mir mit „Deutsch für Profis“ das Schreiben beigebracht. Kaum jemand hält sich aber an die Regeln, die ich gut und vernünftig finde. Man ahnt: Das ist für Kaltduscher und für Leute, die E-Mails nicht in HTML lesen und dem Browser Javascript verbieten und alles verschlüsseln, was nicht bei drei auf dem nächsten Baum ist. Das wird also nicht funktionieren. Wolf Schneider hätte auch keine Gendersprache erlaubt, denn die macht Texte weniger verständlich.

Ich verschaffte mir einen Account und probierte es sofort aus.

Gestert zitierte ich die Junge Welt: „Wolodimir Selenskij, Kanadas Premierminister Justin Trudeau und Abgeordnete haben im Rahmen eines Besuchs des ukrainischen Präsidenten im Parlament in Ottawa am Freitag (Ortszeit) einen ehemaligen SS-Angehörigen geehrt.“

Ein Satz mit 26 Wörtern und alles falsch gemacht, was falsch zu machen war. Das muss man ja auch erst mal hinkriegen. Warum alles falsch? Der Leser fragt zuerst: Wer tat was? Hier: Zwei Premiers – und nicht etwa Klein Erna – ehren einen SS-Mann. Ist ganz einfach: A macht B. Das Gemachte, also das Ehren, kommt bei der „Jungen Welt“ aber erst nach 25 Wörtern, währenddessen die ungeduldig wartenden Rezipienten schon weggezappt sind und die Simultan-Dolmetscher mit den Füßen scharren und Grimassen schneiden. Der Satz muss also zerschlagen werden, und die Reihenfolge der token Elemente kräftig gerührt und geschüttelt.

Die Künstliche Intelligenz macht es aber nicht besser, sondern noch schlechter: Wolodimir Selenskij, Kanadas Premierminister Justin Trudeau und Abgeordnete haben im Rahmen eines Besuchs des ukrainischen Präsidenten im Parlament in Ottawa am Freitag (Ortszeit) einen ehemaligen SS-Angehörigen geehrt. So einen Satz hätte Wolf Schneider nie erlaubt, begründet wie oben.

Mein Vorschlag: Der ukrainische und der kanadische Premier ehren einen SS-Mann. Dann kann der Rest – Ort, Zeit, Titel, Anlass, das Wetter – hinterherhoppeln.

wsKI
Ersetzen Sie alles Ungs außer „Rechtschreibung“!

Also ein Selbstversuch – ich zitiere mich: Diese marginalisierten pseudointellellektuellen Sesselfurzer an deutschen Universitäten, die sich „links“ fühlen, weil sie Sternchen in unschuldige Wörter pressen, aber den tendenziellen Fall der Profitrate nicht von der asiatischen Produktionsweise unterscheiden können und den Warenfetisch für eine sexuelle Vorliebe halten, sind mir ein Gräuel.

Die KI macht daraus: Diese Personen an deutschen Universitäten, die sich als „links“ bezeichnen, aber nicht in der Lage sind, den tendenziellen Fall der Profitrate von der asiatischen Produktionsweise zu unterscheiden und den Warenfetisch mit einer sexuellen Vorliebe verwechseln, finde ich äußerst problematisch.

Nein. Nein. Nein. „Äußerst (Superlativ?!) problematisch finden“ ist bei Strafe des Stundenlangamprangerstehens verboten, weil sinnfreies Bläh- und Furzdeutsch laut Wolf Schneider. „Gräuel“? Sehr, wenn nicht sogar „äußerst“ gehobenes Deutsch mit biblischem Zungenschlag – kriegt ein Algorithmus nicht hin. Und warum unterschlägt die KI mein schönes „Sesselfurzer“? Oder – ich ahne es! – bekommt die KI bei Zitaten aus Wendekreis des Krebses einen Nervenzusammenbruch der „äußerst“ üblen Art?

Ich donquijote (du nix verstehen, KI?) gegen den Mainstream an und behaupte, dass künstliche Intelligenz zu dumm ist, um Sprache zu verstehen und interessanten literarischen Stil zu imitieren. Da hilft auch nicht, wenn man Wolf Schneider verfüttert.

KI
Created by Midjourney/Burks

Unter Bipoclern

kolonial
Screenshot Website LWL-Museum Zeche Zollern

„Jeden Samstag von 10 – 14 Uhr ist die Ausstellungswerkstatt für „Black, Indigenous and People of Color“ (BIPoC) reserviert.“ So liest man bei Was ist kolonial.

Wie stellen die fest, ob man „weiß“ ist? Per racial profiling natürlich. Oder wäre ich in Essen indigenous, weil meine Vorfahren (matriarchale Linie) aus Dortmund stammen? Und wie katalogisieren die mich, wenn ich frisch vom Paddeln komme – als Redneck? Farbigen? Dunkelhäutigen Kaukasier? Fragen über Fragen…

Da fällt mir Lichtenberg ein: „Grade das Gegenteil tun, heißt auch nachahmen, es heißt nämlich, das Gegenteil nachahmen.“

Stillwater

stillwater

Ich habe mir – getrieben von der Logik der Algorithmen – Stillwater angesehen. Matt Damon als Hautdarsteller bedeutet, dass der Film nicht total beschissen ist. Die Rezensionen wie etwa im Tagesspiegel oder in der Süddeutschen referieren den Plot als „Vater, der Tochter aus Knast holen will“ („abgehalfterten Arbeiter, der versucht, seine Tochter aus einem französischen Gefängnis zu holen“). Zum Glück habe ich vorher nichts gelesen, sonst hätte mich gleich gähnend abgewendet. Nicht ohne meine Tochter usw..

Von Oklahoma nach Marseille? Warum nicht nach Neukölln oder Paris? Man ahnt: Der Held darf die Sprache nicht sprechen, weil das alles noch schwieriger macht (dann doch lieber gleich Kaldoaivi ödemarksområde!), und es muss irgendwie in den „Vorstädten“ spielen, damit der Held sich dort à la Vin Diesel fast und furious durchprügeln muss, um die wahren Täter zu finden. Aber nein, es ist ganz anders.

Was ich denke, worum es in „Stillwater“ (den Ort in Oklahoma gibt es wirklich) geht, taucht in gar keiner Rezension auf, noch nicht einmal in Ansätzen. Es spielt auch keine Rolle, ob irgendwie Amanda Knox inspiriert hat. Warum, so unsere erste Frage, muss es ein Arbeiter sein bei der „Mischung aus Sozialdrama und Krimi, vor allem aber das Porträt eines Mannes, der wieder Tritt zu fassen versucht im Leben“? Warum kein Lehrer oder Finanzbeamter?

Bill Baker (Matt Demon) ist auch kein klassischer Redneck, wie uns die Süddeutsche einreden will.…wird der Begriff Redneck auch verwendet, um Menschen ganz allgemein als eifernde konservative Reaktionäre zu bezeichnen, die der Moderne ablehnend gegenüberstehen. (…) Vorrangig bezeichnet er jedoch Weiße der Arbeiterschicht und/oder der ländlichen Bevölkerung, die über wenig Bildung verfügen und liberale Ansichten ablehnen.

Damit kommen wir der Sache schon näher. Bill Baker ist ein einfacher [wie nennt man denn die „nicht einfachen“ Arbeiter?] Bauarbeiter, zu seinem Job gehört das Demolieren. Früher hat er auf Erdölfeldern gearbeitet. Matt Demon stammt aber aus dem reichen Bilderungsbürgertum. Wie soll der wissen, wie sich ein Arbeiter verhält? Natürlich weiß er es, dazu ist er ein Schauspieler. Aber erkennt das auch der Rezipient des Films – und woran?

Jetzt müssen wir uns einen Helm aufsetzen, weil wir beinahe von Klischees erschlagen werden. „Arbeiter“ bedeutet: Immer ein Basecap mit Hooligan-Sonnenbrille tragen. Das ist nicht „liberal“. Holzfällerhemd ist gesetzt. Proleten können mit Theater nichts anfangen, erkennen aber, wie Bill Baker, dass Schauspieler dort nur komisch und „unnatürlich“ herumstehen. Proleten wählen Trump, aber – Vorsicht! Pointe! – Bill Baker ist vorbestraft und darf gar nicht wählen.

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Virginie (Camille Cottin) und ihre Tochter Maya (Lilou Siauvaud)

Proleten sind manchmal körperlich gewalttätig oder wissen, wie es geht, ungebildet und fromm und essen nur Burger. Spätestens hier merkt man, dass es darum geht, einen bestimmten Sozialcharakter zu entwickeln. So etwas funktioniert am besten, wenn der mit seinem genauen Gegenteil konfrontiert wird: Frankreich, gut essen und trinken, Schauspielerin, redet nicht mit Rassisten, traut sich nicht in die Banlieues, die fest in der Hand arabischstämmiger Clans Männer sind. Kann keine Toiletten reparieren und ruft einen Elektriker (der nie kommt), wenn eine Birne kaputt ist. Hat männliche Freunde, die einen Dutt tragen, auch sonst total hipstermäßig aussehen und ununterbrochen dummes Zeug faseln. Und schon haben wir Bill Bakers temporäre französische Freundin Virginie (Camille Cottin).

Das ungleiche Paar erzieht jeweils allein. Bill Bakers Tochter Allison (Abigail Breslin, Typ girl next door mit dem Mut zur Hässlichkeit) hat angeblich ihre Freundin umgebracht. Vattern war immer auf Montage und hat sich nicht um sie gekümmert. Der Rezipient kriegt die Botschaft per Holzhammer auf den Kopf geliefert. Die Tochter ist auch noch Lesbe. Das kommt davon, raunt das Publikum. Die heutigen Rednecks denken aber modern, so verlangt es Hollywood, und tolerieren das, auch wenn sie Tischgebete sprechen.

Virginies kleine Tochter Maya (Lilou Siauvaud) hingegen ist clever, hübsch und niedlich, und findet einen „echten Mann“ mangels sonstiger Vaterfigur klasse. Das ahnt man schon bei der ersten Begegnung. Dramaturgisch ist das keine faustdicke Überraschung.

Könnte man das auch anders machen – und warum nicht? In etwa: Bill Bakers Tochter ist eine bildschöne Blondine, und Virginies Tochter ist eine verzogenes und verlogenes Gör? Nein? Oder: Bill Baker ist ein französischer kommunistischer Arbeiter, der nach Oklahoma reist, weil seine Tochter ihren Freund ermordet haben soll, und trifft dort auf eine adipöse Farbige, bei der er wohnt, die eine ebenso verfettete Tochter mit Fastfood großzieht und Tischgebete spricht und Trump wählt?

Wenn man weiß, was nicht geht und warum, erkennt man auch die Moral von der Geschicht‘. Gesetzt: Töchter des Proletariats sind nicht attraktiv, und wenn doch, dann geht es um Sex. Fette Frauen, zumal Farbige, dürfen nur in Komödien mitspielen, in der alle Charaktere Karikaturen sind und über die die Mittelklasse, die auf keinen Fall Trump wählt, lachen darf – und nur die.

Arbeiter können Dinge, an denen Mittelklassemädels scheitern, weil man zuhause dafür Personal hatte oder das Geld, um Handwerker zu bezahlen. Sie können ihre Klasse nicht verlassen und sozial aufsteigen. Aber das versuchen sie gar nicht erst. Zurück in Oklahoma, ist für Bill Baker und seine Tochter alles wie vorher, außer den Erfahrungen, die sie gemacht haben.
Als beide eines Morgens auf der Veranda vor seinem Haus sitzen und Allison meint, es habe sich in Stillwater nichts verändert, sagt Bill: „Nein, Ally. Finde ich nicht. Alles sieht für mich anders aus. Ich kann kaum noch etwas wiedererkennen.“

Das stimmt eben nicht. Matt Demon spielt her nur den Plot des klassischen Entwicklungsromans herunter: Zentral ist dabei ein „fiktiv-biografisches Erzählen“, das je nach Subgenre entweder die harmonische Auflösung von (Identitäts-)Konflikten, die Desillusionierung des naiven Protagonisten oder die Illustration pädagogischer Konzepte zum Ziel haben kann [Im Gegensatz zu Wikipedia: Diese literarische Gattung gibt es erst seit der Entdeckung des bürgerlichen Individuums im 18. Jahrhundert und mitnichten im Feudalismus – das ist eine Projektion moderner Interpreten.]

Welches pädagogische Rezept? Außen (Ökonomie) bleibt alles beim Alten, nur Innen (Psychologie) entwickelt sich etwas. „Stillwater“ ist also ein klassischer Lehrfilm für die Mittelklasse: Er mahnt, wie schon Tacitus über die Germanen, dass die traditionellen Werte, die andere verkörpern (Germanen, das Proletariat) verkörpern (obwohl das schon seit Tacitus gelogen war), auch gut seien oder sogar besser, um mit dem Leben klarzukommen, ohne dass die Klassenschranken in Frage gestellt werden müssten. Überspitzt: Solange du Arbeiter bleibst und mir nicht zu nahe kommst, darfst du auch Burger essen und Tischgebete sprechen.

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Allison (Abigail Breslin

Die Kritiken auf Rotten Tomatoes ahnen irgendwie, dass man den Film nicht einfach als „Thriller“ nehmen kann, sondern dass die Klassenfrage eine Rolle spielt: „…when was the last time you saw a conservative blue-collar dad in a leading role?“

Dann gibt es natürlich noch die unvermeidlichen Woken: „It seems Marseilles’s immigrant population (…) are treated as mere casualties in Stillwater’s grand vision. If only that vision had some substance to it.“ Kann ja gar nicht sein, dass alle „Araber“ eines Films pöhse sind und auch gar nicht anders sein wollen oder nur als Staffage dienen…

Der Film lohnt sich allein wegen der ausnahmslos grandiosen Schauspieler.

Religion ist Wahrheit

Jesus
Jesus und Jünger, zeitgenössische Wandmalerei des Famulus, ca. 64 n. Christus, zur Zeit Kaiser Neros, Domus Aurea

„Ihr habt eine törichte Lehre angenommen, macht euch selbst einen Christus und geht darum jetzt in eurem Leichtsinn zugrunde.“ (Justin der Märtyrer († um 165) – Dialog mit dem Juden Tryphon)

Hier also das schon angekündigte Wort zum Sonntag. Um mich meditativ zu versenken und mental darauf vorzubereiten, las ich, wie zu erkennen war, Rudolf Augsteins „Jesus Menschensohn“, dessen erste Auflange schon 1972 erschien. Ein Rezensent schrieb im Vorwort der US-amerikanischen Ausgabe: „In Jesus Menschensohn sind viele schlechte Nachrichten, die aus der guten Nachricht aus Galiläa resultierten, mit kühler Eleganz beschrieben. Vor drei Jahrhunderten hätten sie dem Autor den Scheiterhaufen auf dem Campo dei Fiori in Rom beschert.“

Das ist eine grandiose Empfehlung, die ich für meine Bücher auch gern bekommen hätte. Ich will das Buch nicht besprechen. Nur so viel: Jesus von Nazareth hat es gar nicht gegeben, und aus Nazareth war er auch nicht (sondern Nazoräer aka nasiräer oder nazrájja aka „die Bewahrer“- aber was kümmert die Religioten, wenn etwas falsch aus dem Aramäischen, Griechischen oder Hebräischen übersetzt wurde.) Herodes hat auch keine Babys ermorden lassen, und Bethlehem war nicht der Geburtsort des Messias. Wenn ich jetzt aufzählte, was noch alles im so genannten Neues Testament erlogen, erfunden oder falsch übersetzt wurde, wäre das Traktat so lang wie die Bibel selbst. Viele Theologen wissen das, aber wenn sie es sagten, wäre ihre berufliche Laufbahn ruiniert, so meint Augstein und zitiert viele Quellen dazu.

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„Christus et discipuli eius“, unbekannter Künstler zur Zeit Kaiser Neros, Fresko im Casa dell’Ara massima, Pompeji

Es gibt nicht nur keine validen Quellen, sondern diejenigen, die Jesus erwähnen, widersprechen sich ständig. Eigentlich stimmt gar nichts an der angeblichen historischen Figur. Sobald die Katze aus dem Sack war, also die frommen Märchen später, oftmals Jahrhunderte später, wiedergekäut wurden, redigierten und retuschierten die Kirchenväter und ihre Epigonen viele Details, die nicht in den Kram passten. Oder die Theologen „einigten sich mehrheitlich“ auf irgendetwas, weil es keine Fakten gab, Christus „der Erlöser“ aber dringend existent sein musste.

Oder, wie Gerhard Möbus in seinem Buch »Die Christus-Frage in Goethes Leben und Werk« befand: »Die Mehrdeutigkeit seiner Äußerungen über das Christsein« ändert nichts daran, daß Goethes Grundüberzeugung (Möbus nennt es seine »Vorentscheidung«,) feststeht: »Daß das Christsein ein Irrtum ist, der mit Gewissen, Vernunft und Wirklichkeit unverträglich ist und der seine Anhänger in den Zustand der Lügenhaftigkeit und Unredlichkeit versetzt, wenn sie auf einer höheren Bewußtseinsstufe stehen.«

Jesus
Wandmalerei in Pompeji, Macellum, Tempera-Stil, Künstler unbekannt, Kopie einer Wandmalerei samt Inschrift auf einer Mauer in Galiläa: המשיח מנצרת, הנקרא כריסטוס

Wie kommt man gegen Mythen dieser Art an? Gar nicht. Man sollte auch nicht die Religion an sich beschimpfen, weil sie ein falsches Bewusstsein der Realität ist, eben ein „Seufzer der bedrängten Kreatur“, wie jemand mal sagte. „Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen.“

Angesichts der spärlichen Belege kann man fragen, ob denn der ganze Jesus nicht eine aus mehreren Figuren und Strömungen synthetisch in eins geflossene Erscheinung sei, in der Phantasie hellenistisch gebildeter Juden als eine personifizierte Heilserwartung des jüdischen Volkes unbewußt erschaffen.“ (Rudolf Augstein)

Full ack, Euer Ehren, aber wir ruinierten auch die Tourismusindustrie in Israel, insbesondere in Jerusalem. Bethlehem, Nazareth. Nur Potemkinsche Dörfer. Sagte da jemand Jericho?

Vor 13 Jahren schrieb ich: Ich wette, dass in deutschen Schulklassen immer noch die fromme Legende erzählt wird, es habe einen „Auszug Israels“ aus Ägypten oder gar die sprichwörtlichen „Posaunen vor Jericho“ gegeben. Seit Israel Finkelsteins (…) Buch „Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel“ wissen wir, dass alles das ein gut erfundenes Propaganda-Märchen ist. Das ist nicht Geschichte und Realität, sondern ein Mythos!

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Auszug der Israeliten aus Ägypten, Öl auf Leinwand, Jacques-Louis David im Auftrag Napoleons, heute im Louvee. Das Gemälde ist eine Kopie einer verloren gegangenen Wandmalerei aus der Zeit des Neuen Reiches (18. bis 20. Dynastie, etwa 1500–1000 v. Chr.. Die ursprüngliche Beschriftung war in Hieratisch.)

Die religiösen Zionisten Israels und andere Orthodoxe warten bekanntlich auch auf den Messias. Ob der jemals kommt? Man könnte das beschleunigen, indem man den Felsendom schon mal in die Luft sprengt, um Platz für den dritten Tempel zu schaffen, der dort stehen soll. Leider gibt es für den ersten Tempel keine archäologischen oder sonstigen überprüfbaren Quellen, nur fromme Geschichten, so dass man über die Zählung eins, zwei, drei trefflich streiten kann. Der Felsendom ist übrigens auch nicht die drittheiligste Stätte des Islam, auch das ist Bullshit-Bingo. Im 19. Jahrhundert war das Gebäude in einem jämmerlichen Zustand, und niemand kümmerte es.

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wie oben, aber Vatikanisches Geheimarchiv

Mohammed
Die Himmelfahrt Mohammeds, gemalt nach Augenzeugenberichten, frühes 8. Jahrhundert (Kopie). Titel auf dem verloren gegangenen Original: araǧa bi-rasūli ʾllāh ilā ʾs-samāʾ as-sābiʿa.

Calvin oder Get woke, go broke

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Den Irrtum hätte ich vorhersagen können. Ich sah mir – versehentlich und manipuliert durch die Netflix-Algorithmen – die erste Minute eines deutschen Films an, der als „Science Fiction“ kategorisiert wurde. Es ging mir wie Boris Palmer mit der Deutschen Bahn: Welche Realität wird hier abgebildet? Gibt es wirklich so viele Maximalpigmentierte in Deutschland? Oder soll es sie geben, wenn es nach unseren woken Identitären ginge? Und müssten sich nicht einige Frauen, die in den ersten Sekunden mitspielen, sofort als Lesben outen? Wo bleibt der Volkssturm des Patriarchats – die Tunten und Transen?

Meine These: Dieser rassistische Hype in der Kultur, dass alles so lächerlich und aufdringlich „divers“ sein muss, dient vor allem dazu, die realen Klassenunterschiede zu leugnen oder zu verwischen. Wer suggeriert, es gebe viele Farbige überall in Deutschland, möchte nicht darüber reden, warum sehr viele Afrikanerinnen als Putzfrau arbeiten, aber mitnichten als Mathematiker, Physiker oder Programmierer (Ausnahmen: etwas mit Genderdingsbums und Antiracismscolonialismblabla.)

Ich muss mich nur früh am Morgen, wenn die Woken und die Klimaten noch schlafen, in die U-Bahn setzen und mich umsehen, wie die Leute aussehen, die um fünf oder früher aufstehen müssen. Da ist es „divers“, und sonst nirgends, auch wenn mir die Anstalten so penetrant wie in „The Witcher“ einbläuen wollen, dass jede zweite Frau irgendwie nicht „kaukasisch“ aussieht („Inder“ gelten in deutschen Filmen als „Farbige“).

„Diversity“ entlastet moralisch die städtischen und „protestantisch“ (im Sinne Calvins – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie Max Weber) akkulturierten Mittelklassen.

By the way: Henryk Grossmann hat vermutlich Recht: Der Calvinismus habe nicht, wie Weber annimmt, als Moral gedient, die die Massen zur Akzeptanz der Lohnarbeit führen sollte, oder habe die Interessen der Bourgeoisie ausgedrückt. Vielmehr sei er als eine Doktrin der Handwerkerschicht entstanden, welche den Kapitalismus aber nicht hervorgebracht habe. Zudem sei der Kapitalismus bereits zwei Jahrhunderte vor dem Calvinismus in Italien ohne die Mithilfe irgendeines religiösen Irrationalismus aufgetreten. Der entscheidende, durch Borkenau und Weber aber vernachlässigte Aspekt bei der Erziehung zur Arbeitsdisziplin sei eher Zwang als Religion gewesen.

Was dem Handwerker damals Calvins Lehren, das ist den Mittelklassen heute das Klimatische und Woke: Einerseits Mittel, um sich von den Unterschichten abzugrenzen und andererseits sich moralisch besser zu fühlen und zu hoffen, das würden die über ihnen – die herrschende Klasse – honorieren (was der natürlich scheißegal ist).

Walser und die herumzigeunernden Israeliten

aiart
Ich habe mal die KI auf Walser angesetzt…

„Tagelang werden wir nun von den Medien mit Fotos zugespammt werden, auf denen das zerknitterte Antlitz und die wild wuchernden Augenbrauen des letzten deutschen Großdichters („Ich baue Leichtigkeit an wie andere Mais und dünge sie mit Himmelslicht“) zu sehen sein werden. Ich erinnere daher mal vorsichtshalber an diese denkwürdige Episode:
Nachdem Günter Amendt 1978 Bob Dylan auf seiner Europatournee begleitet hatte, begegnete er zufällig Martin Walser in den Redaktionsräumen der Zeitschrift ‚Konkret‘: „Er, der seine Worte besonders behutsam, nach meinem Geschmack behäbig zu setzen pflegt, fragte mich, von meinen Beobachtungen und Betrachtungen zu Dylans 78er-Tour offenbar gelangweilt, plötzlich nicht ohne einen aggressiven Unterton, was eigentlich an diesem ‘herumzigeunernden Israeliten’ Besonderes wäre.““
(Jan Seghers/Matthias Altenburg: „Geisterbahn“, Eintrag vom 6. September 2010) (via Thomas Blum auf Fratzenbuch)

Obsession oder: Sexy women are psychos

obsession

Wer und zu welchem Ende sehen wir „Erotik-Thriller“? Krimis ohne attraktive Frauen und ohne Sex geht heutzutage nicht, und Sex ohne unterhaltsamen Plot ist schlicht Pr0n. Sex-Szenen finde ich in Filmen meistens langweilig, weil die Details schamhaft verborgen werden, man nach der Imitation der geschlechtlichen Vermehrung gleich wieder den Pyjama oder dergleichen überzieht, oder weil es vor Kitsch nur so trieft.

Obession (Netflix) kann ich jedoch empfehlen. Der Plot an sich wurde schon zahllose Male filmisch durchgenudelt; das ist also nicht neu. Und wenn deutsche Rezensenten einen Film verreißen, ist das für mich meistens eine Empfehlung.

In welche Kategorie „Obsession“ fällt, ist nicht ganz klar: Ein Krimi ist es nicht, weil niemand in echter Gefahr schwebt. Pr0n und die Handlung nur als Vorwand, um viel nackte Haut zu zeigen, ist es auch nicht – man sieht nur wenig davon, und die Protagonisten haben beim Herumvögeln meistens noch ihre Kleidung an. Um Voyeurismus oder Stalking geht es auch nicht. Am besten gefällt mir „trashy new erotic thriller„.

Vielleicht ist es nur eine Sache meines persönlichen Geschmacks. US-amerikanische Produktionen zum Thema nerven mit immer demselben Plot: Jemand zerstört die ach so heilige Familie, und man weiß zu Beginn nur nicht, ob die wieder zusammenfindet oder eben nicht. Und die Kinder leiden oder werden auch Psychos. Das habe ich schon drei Fantastilliarden Mal in jeder Version gesehen, und meistens nicht bis zum Ende. Die Briten können das subtiler und besser.

obsession
Screenshots: Burks

Der Standard fasst die cineastische „Vorgeschichte“ in einer Rezension zusammen: „Fatal Attraction and Basic Instinct made squillions, and brought a slew of imitators in a genre known as erotic thrillers. Who can forget the ‘highs’ of this genre like Body of Evidence, starring Madonna and a mortified Willem Defoe, or Colour Of Night with Bruce Willis and a terrified Jane March or Sea of Love with Al Pacino and an amused Ellen Barkin – all with variations on theme: sexy women are psychos!“

„Obsession“ ist nicht anders, und das Motiv des Helden William Farrow (Richard Armitage), alles aufs Spiel zu setzen, sogar das Eheglück seines Sohnes, wird nicht erklärt. Bei dem Thema wollen die Zuschauer ohnehin keine elaborierten tiefenpsychologischen Traktate, sondern schlicht viel, was scharf ist und macht.

Auch wenn „Obsession“ insgesamt nicht besonders tiefgründig ist („shallow desaster„) und der Charakter der Heldin eher konstruiert wie aus der psychologischen Klippschule und eigentlich total überflüssig, knistert es stark („spicey“ ist ein gutes Wort dafür) und heftig. Das liegt vor allem an der Hauptdarstellerin „Anna“ (Charly Murphy).

Die Murphy sieht weder oben herum aus wie Sydney Sweeney noch in der Mitte und unten wie die hier schon erwähnte russische Dame, aber sie schauspielert so brilliant, dass die Fetzen fliegen. Man möchte immer noch mehr davon.

Die Irish Times findet das „as titillating as doing the weekend chores“, was ein lustiger Verriss ist: „In all the worst ways, Obsession harks back to the heyday of the form.“ Haha. Aber das macht nichts. Das Thema kann man gern ein Mal monatlich in immer wieder anderer Version sehen. Man wird daran erinnert, dass Sex elementar und anarchisch ist (falls er nicht in der Ehe „stattfindet“) und alle Konventionen und Regeln sprengen kann, auch wenn man das nicht so geplant hat. Das macht eben den Reiz aus: Man weiß nicht wirklich, wie das enden wird, selbst wenn man den Plot auswendig singen könnte, auch nicht im realen Leben.

obsession

Data, Halbslawische Verteidigung und die feministische Herrschaft im Weltraum

aiart
Midjourney/©Burks

– Danke für den Hinweis aus dem Publikum: Ich habe auch die Links zum Thema „Sicher Surfen“ überprüft. Es erstaunt schon, wer und was alles nicht mehr existiert: Jondonym, diverse Browserchecks, sogar bei Heise, Whatismyreferer (Vorsicht!) u.v.a.m. Beim BSI habe ich irgendwie den Eindruck, dass die aus purer Bosheit die Links immer wieder ändern, und das schon seit Jahren. Vielleicht wollen die gar nicht verlinkt werden.

aiart
Midjourney/©Burks

– Will jemand etwas über die Daten Jens Spahns bei der Schufa wissen? (Die „Krawallinfluencerin“ ist klasse!)

– Die Ukraine will Großmeister und Ex-Blitz-Schachweltmeister Vasyl Ivantschuk nicht zum FIDE World Cup in Baku ausreisen lassen – trotz internationaler Solidarität und Protesten. Er ist noch nicht 60 und soll vermutlich an der Front verheizt werden. Es ist süß und ehrenvoll, für’s Vaterland zu sterben! (Übrigens: Die Chinesen dominieren das Frauenschach!)

– Mein Bäcker ist jetzt unverpixelt.

– Soll ich auch mehr Tiktoken? Dort ist bestimmt auch das Publikum, welchselbiges hier aufmerksam mitliest?

– Ich habe auch noch etwas zu unseren muslimischen Mitbürgern.

aiart
Midjourney/©Burks

By the way: Ich wundere mich immer bei so genannten „SciFi-„Fotos oder Filmen, wie wenig Fantasie die haben, was menschliches Verhalten angeht, obwohl das doch gerade das Interessanteste ist. Im Abspann von „Krieg der Sterne“ – was weniger Science und mehr Fantasy ist – standen die Truppen wie durch Leni Riefenstahl aufgereiht zum Parteitag, und auch an der Fanfarenmusik hätte der Führer seine Freude. (Deswegen wird der Film auch in Deutschland als „besonders wertvoll“ bezeichnet.) Bei „Avatar“ ist es nicht viel anders, nur dass Lichterketten dazukommen.

Man müsste doch seit Theweleit wissen, wie gedämmte Flüsse zu interpretieren sind, ganz gleich, ob es sich um Humanoide oder Klone oder Roboter handelt. Vielleicht, wenn in ferner Zukunft das Universum von Frauen regiert wird, die sich männliche Sklaven halten, gibt es das Strammstehen nur noch für einzelne Körperteile und nicht mehr für Massen für Menschen. Aber sag das mal jemand der KI….

Distracted b trivia

amusement
person sits in front of a tv watching entertainment program. Person from behind, the wall behind the tv is made of glass. You can see a post-apocalyptic scenery outside, photorealistic –s 750

When a population becomes distracted by trivia, when cultural life is redefined as a perpetual round of entertainments, when serious public conversation becomes a form of baby-talk, when, in short, a people become an audience, and their public business a vaudeville act, then a nation finds itself at risk; culture-death is a clear possibility. (Neil Postman: Amusing Ourselves to Death: Public Discourse in the Age of Show, 2005)

Gut gemacht, Birte!

Kluge Frau, die Christine Prayon: „Christine Prayon alias Birte Schneider tritt nicht mehr in der „heute-show“ auf. Welke & Co. machten „Stimmung gegen Andersdenkende“, kritisiert die Kabarettistin. Und bezieht „Die Anstalt“ und Böhmermann mit ein. Mit Satire, die keinen Diskurs zulasse, könne sie nichts anfangen, sagt Prayon.

Ich glaube zum Beispiel auch, wenn man das große Fass Kapitalismuskritik aufmacht und das wirklich ernst meint, ist man draußen. (…) Wie wenig bedarf es mittlerweile, um als rechts gebrandmarkt zu werden. Wann bin ich rechts, wann bin ich eine Verschwörungstheoretikerin, eine Schwurblerin? Ich habe Fragen, ich habe Kritik, ich möchte mich äußern dürfen, ich möchte auch zuhören dürfen, ich möchte auch den hören, der für das Letzte gehalten wird. Ich kann mit Satire, die das verunmöglicht, nichts mehr anfangen. Das ist ein Simulieren von Freiheit.

Politisch links orientierte Piktogramme

gernd arntz
make a picture about capitalism in the style of Gerd Arntz –s 750 [ganz unten zusätzlich: pictogram]

Mir gefallen die Ergebnisse. Man erkennt aber, dass KI (unfreiwillig) unpolitisch ist, wenn man zu allgemein („Kapitalismus“) bleibt. Die Kunst könnte auch im Wartezimmer eines Urologen hängen. Sie hat keinen Sinn, man könnte ihn nur hineininterpretieren. Ich kannte Gerd Arntz bisher gar nicht. Schade, dass es nur so wenig von ihm gibt – aber immerhin rund 4000 Piktogramme. Ein Künstler, der in der Resistance war – solche Lebensläufe gibt es heute nicht mehr.

gernd arntzgernd arntzgernd arntzgernd arntz

Bedeutende Faktoren, eng verbunden

aiart
male workers overseer holding a whip, in front of a farmhouse of the Roman Republic, villa rustica, several of male and female workers, amphoras, agricultural implements, fresco style, wall painting from Pompeji, environment landscape like Tuscany, natural lighting, –v 4 –ar 5:3 –s 750
„Slave“ und „slaves“ sind verboten, man kann sich denken, warum. Bescheuert ist es trotzdem. Bei Tieren versagt die Künstliche Intelligenz übrigens (noch) total. Bei mehreren Versuchen bekam ich zweiköpfige und fünfbeinige Fabelwesen, und der Unterschied zwischen Ochsen und Pferden schien der KI nicht bekannt zu sein. Der Stil der Bilder ist zwar korrekt, aber jeder vorchristliche Freskenmaler und jede Wandmalerei in Pompeji hätte sich mit Entsetzen abgewandt.

Frage: War die Ökonomie die Sklavenhaltergesellschaft im antiken Rom eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung des Kapitalismus in Mitteleuropa?

aiart
acient roman farmhouse, villa rustica, style of Pompeji wall fresco, male and female workers::3, clothing of 2nd century BC, chicken, ducks, amphoras, agricultural implements, environment landscape like Tuscany::3, natural lighting, –v 4 –ar 5:3 –s 750 –s 750. Erst diese Version ergab ein einigermaßen akzeptables Ergebnis, obwohl die Römer die Hühner (?) nicht einfach so im Bild hätten herumschweben lassen. Vor 2000 Jahren war der künstlerische Homo sapiens um Klassen besser.

ChatGPT : Die Sklavenhaltergesellschaft im antiken Rom kann als ein bedeutender Faktor für die spätere Entwicklung des Kapitalismus in Mitteleuropa betrachtet werden. Die römische Wirtschaft war stark auf die Ausbeutung von Sklavenarbeit ausgerichtet, die für die Produktion von Waren und den Betrieb der Landwirtschaft eingesetzt wurde. Dies führte zu einer Akkumulation von Reichtum und Kapital bei den römischen Eliten.

Die Antwort könnte auch aus dem Bertelsmann Volkslexikon stammen. Sie ist nicht wirklich falsch, beantwortet jedoch die Frage nicht. Es ist ohnehin schwer, die Frage überhaupt sinnvoll zu formulieren. „Hätte man die Sklavenhaltergesellschaft auch weglassen können?“ Wer ist dann „man“? Man erkennt, dass Künstliche Intelligenz maximal das vorhandene Wissen aufgreift und eventuell sogar sich widersprechende Theorien referiert, aber niemals selbst entscheidet bzw. eine Position einnimmt. Erst dann würde es mir unheimlich.

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Hier verschwimmt mir der Stil zu sehr, als hätte die KI heimlich aus dem so genannten Frühmittelalter geklaut. Die Figuren könnten auch einen Heiligenschein tragen.

Die Nachwirkungen des römischen Sklavenhandels und der wirtschaftlichen Strukturen waren auch nach dem Untergang des Römischen Reiches spürbar. Insbesondere im Mittelalter und in der frühen Neuzeit entwickelten sich in Mitteleuropa zunehmend kapitalistische Wirtschaftsformen. Die Expansion des Handels, die Entwicklung von Manufakturen und später von Fabriken waren eng mit der Akkumulation von Kapital und der Ausbeutung von Arbeitskräften verbunden.

Auch das ist Gelaber. Es fehlt die Position, die von einigen Forschern mit durchaus starken Argumenten vertreten wird, es habe keinen „Untergang“ gegeben, und das sei ein irreführender Begriff.

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Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass die Entwicklung des Kapitalismus in Mitteleuropa ein komplexer Prozess war, der von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst wurde. Neben der römischen Sklavenhaltergesellschaft spielten auch andere Faktoren wie technologische Fortschritte, politische Rahmenbedingungen, soziale Veränderungen und kulturelle Einflüsse eine Rolle bei der Entstehung des Kapitalismus. Es wäre daher zu vereinfacht, die römische Sklavenhaltergesellschaft als die alleinige oder hauptsächliche Ursache für die Entwicklung des Kapitalismus in Mitteleuropa anzusehen.

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„Vielzahl von Faktoren“ – das hätte ich auch schon vorher gewusst. Also müsst ihr weiterhin dieses Blog lesen. Die Fortsetzung meiner Feudalismus-Serie ist in Arbeit.

Gendersender

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Gendernde und bis auf die Knochen woke Journalistin einer deutschen Anstalt (Symbolbild)

Ich darf das Publikum auf die Chronik des „Aufrufs: Wissenschaftler kritisieren Genderpraxis des ÖRR“ aufmerksam machen. Es läuft einem kalt den Rücken herunter, wenn man die einzelnen Quellen liest.

Beispiel: 24.5.2023 Die Geschäftsstelle der ARD-Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) antwortet uns auf unser Schreiben vom 7.8.2022. Das Tempo der Bearbeitung ist beachtlich. Das Schreiben suggeriert, Befürworter und Kritiker des Genderns hielten sich zahlenmäßig die Waage. Tatsächlich lehnt rund 80% der Bevölkerung Gendern ab.

Beispiel: 17.3.2023 Im letzten Jahr wurde dieser Aufruf gegen die Nutzung “gendergerechter Sprache” im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) ins Leben gerufen. Inzwischen haben mehr als 500 Sprachwissenschaftler und Philologen den Aufruf unterzeichnet. Der ÖRR hat dieses klare Votum bislang sowohl in der Sache als auch in der Berichterstattung weitgehend ignoriert.

Beispiel: 14.2.2023 Studentenparlament der FU Berlin: Wer nicht gendert, darf nichts beantragen . Im Studierendenparlament der Freien Universität Berlin (Stupa) sind alle Mitglieder dazu verpflichtet, Anträge in “gendersensibler” Sprache einzureichen.

Parameter, Update

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beautiful female roboter thinking about a mathematical problem, background matrix, ultrarealistic (Adobe)

Ich habe mir ein Heise-Lehrvideo über KI in Adobe Photoshop angesehen. Ich nutze Photoshop nicht, weil ich für Software kein Geld ausgebe, sondern Gimp, was für meinen Bedarf völlig ausreicht – obwohl für Neulinge etwas gewöhnungsbedürftig, was die Usability angeht. (Das Video kann ich empfehlen, trotz der Werbung: Man amüsiert sich, und der conclusio stimme ich zu.)

Firefly.adobe.com ist im Vergleich mit Midjourney ein paar Monate zurück, wie Jan-Keno Janssen richtig sagt. Das bedeutet, vergleicht man das etwa mit dem Bau von Autos oder der Software, die deutschen Behörden einsetzen (wollen): Jahre oder gar Jahrzehnte.

Der Befehl, den „Roboter“ oben zu erzeugen, hatte ich vor drei Tagen bei Midjourney/ChatGPT versucht mit weitaus phantasievollerem Ergebnis. Hier ein anderes Beispiel:

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beautiful female roboter artifial intelligence thinking about a mathematical problem, background matrix, ultrarealistic (Midjourney)

Adobes eingebaute KI akzeptiert auch keine Namen lebender Personen. Dass der Herr auf dem Bild nicht ich ist, trotz des eindeutigen Befehls, liegt also nicht an meiner mangelnden Prominenz oder daran, dass keine Fotos von mir im weltweiten Internet vorhanden wären.

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picture of the german journalist and author Burkhard Schröder wearing a tuxedo, background Arc de Triomphe Paris (Adobe)

Andere Aufgaben sind für die KI Photoshops (per Browser) einfach – das würde ich mit Gimp nur nach langem Fummeln hinkriegen. Ich nahm ein Selfie und ersetzte den Hintergrund mit dem Pariser Triumphbogen. Das dauerte nur ein paar Sekunden. Man sieht das dem Ergebnis an. Die Ränder sind ungefähr so realistisch wie das Meer und die Galeeren hinter dem Floß mit Charlton Heston (Judah Ben-Hur) und Jack Hawkins (Quintus Arrius) in Ben Hur. Ich vermute aber, dass man in ein paar Monaten noch einmal vorbeischauen muss, um die Qualität einzuschätzen. Vermutlich könnte man auch den Vermerk „not for commercial use“ wegretouchieren. Dazu hatte ich jedoch keine Lust.

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Future City under a Glass Dome

glass dome chatgptglass dome chatgpt

Spannend, weil nicht vorhersagbar Ich habe den Befehl
Giant Futur City under a Glass Dome, The scene is captured as if through a Canon EOS 5D Mark IV DSLR camera with an EF 50mm f/1.8 STM lens, emphasizing the wide shot to capture the full scene with a resolution of 30.4 megapixels, ISO sensitivity of 32,000, and a shutter speed of 8000 second, –ar 16:9 –q 2 –s 750 –niji 5 –v 5.1
von jemandem übernommen und dann in meinem eigenen Kanal dem Bot gegeben. Das Ergebnis (das 2. Bild von oben) ist ziemlich ähnlich, aber nicht identisch.

Man muss schon Profi-Fotograf sein, um auf solche Befehle zu kommen. Und man weiß auch nicht, ob die KI das richtig interpretiert. Was, wenn ich die Parameter geringfügig ändere oder die spezielle Kamera weglasse?

Ich habe es versucht mit
Giant Future City under a Glass Dome –ar 16:9 –q 2 –s 750 –niji 5 –v 5.1
so sieht das dann aus:

glass dome chatgpt

Kunst für alle!

cat chatgptcat chatgptcat chatgpt
/imagine roboter going to Eolie Islands passing through mental delirium and hallucinations, dark, bleak, despair, dreaming an undressed mermaid, Bosch style

Das wird mir jetzt doch ein bisschen unheimlich… Ich erinnere mich an das Gefühl, als ich 1995 an meinem Windows 3.11-Rechner saß und die ersten Schritte ins World Wide Web tat, damals mit Compuserve, und irgendwie mit Mosaic oder Netscape auf die Website des Dinosaurier-Museums im mongolischen Ulan Bator geriet und hellauf begeistert war. Ich fühle mich, als nähme ich an einer Revolution live teil. Meine damalige Freundin war uninteressiert und überhaupt nicht neugierig, was auch dazu passt, dass wir uns alsbald trennten.

Wenn ich „mein“ Künstwerk ansehe, fühle ich mich auch inmitten einer technischen Revolution. Dabei zehre ich von dem, was vor einem halben Jahrtausend jemand geschaffen hat. Danke, Hieronymus Bosch!

Rejecting inappropriate request [Update]

lupe fuentes chatgpt
/imagine –q 1 lupe fuentes undressed smiling sitting chair Berlin

Ich habe ein bisschen auf meinem Discord-Kanal bzw. Midjourney herumgespielt (ja, ich habe einen bezahlten Account). Es ist wie mit den Robotern in den Romanen Stanislaw Lems: Die KI macht, was man ihr einprogrammiert, aber das ist so doof wie der Einprogrammierer.

Bei Lupe Fuentes, von der ich annahm, dass ChatPGT rund eine Milliarde Vorlagen fände, sehe ich bei dem Ergebnis nicht viel, und auch das „undressed“ müssen wir noch üben.

Aber vermutlich fällt das unter rejecting inappropriate request. Auch eine Nazi-Demo konnte ich nicht erzeugen, es wurde gleich nach einer künstlichen ZensurModerationsinstanz gerufen, bis jetzt ohne Ergebnis. Ist also so wie bei Fratzenbuch. Ich habe dennoch einen gewissen anarchistischen sportlichen Ehrgeiz, das unterlaufen zu können.

arabic style
/imagine secondlife sim arabic style tahari roleplay

Künstliches erzeugt etwas Künstliches. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, obwohl es langweilig ist. Das liegt an meiner ebenso langweiligen Boolschen Algebra (nennt man das dort auch so?).

holzwickede
/imagine aerial photo holzwickede town vintage style north rhine westphalia

Vermutlich ist mein Heimatdorf (oder ist es ein Städtchen?) irrelevant – das Ergebnis ist ein absoluter Reinfall. So sah und sieht es dort nicht aus. Es wäre interessant zu erfahren, ob und wie kommerzielle Fotoanbieter wie Alamy oder Getty Images den Zugriff der KI auf ihre Bilder verweigern können, obwohl Thumbnails zugänglich sind.

dampflok
/imagine railway line Guayaquil Duran steam locomotive ecuador

Verständlich, dass eine schöne Dampflok schnell gemacht werden kann. Aber wo ist Ecuador? Vermutlich soll das durch die Palmen und das wuchernde Grünzeug suggeriert werden. Es sieht auch so aus, als führe der Zug gerade von einem Abstellgleis los. Ich müsste mir eine intelligentere Eingabe ausdenken und bessere Parameter, von denen schon der Terminator sprach.

alien device
/imagine Blueprint manuscript of a Alien device, schematic, marginalia, alien, heavy shading ::1, Colored, hyperrealism ::0.5

Das alien device stammt nicht von mir. Man muss also von anderen lernen, was einzugeben wäre, um interessant und ästhetisch ansprechende Ergebnisse zu bekommen – wie unten.

Hinweis: Ich vermute, dass alle freischaffenden Maler und Künstler durch KI allzubald in den Bankrott getrieben werden.

alien device
/imagine The beautiful woman from faerie fantasy, in the style of fantasy, celebrity – portraits, sterling silver highlights, epic fantasy scenes, realistic portrait, hyperrealistic, made of liquid metal, stark realism, 8k

[Update] Man kann sich auch künstlich anschnauzen lassen.

Fünf wie Hundert [Update]

rote armee fraktion

Irritiert waren Bundesregierung, Bundesanwaltschaft und BKA, als das Allensbacher Meinungsforschungsinstitut, dessen Leitung der CDU nahestand, 1971 die Ergebnisse einer Meinungsumfrage »Baader-Meinhof: Verbrecher oder Helden?« veröffentlichte. 82 Prozent kannten die Gruppe. 18 Prozent von 1000 Befragten sagten, die RAF handle »auch heute noch vor allem aus politischer Überzeugung«. 31 Prozent hatten keine Meinung. Jeder vierte Befragte unter 30 Jahren hatte »gewisse Sympathien« für die RAF. Jeder zehnte Norddeutsche war bereit, ein Mitglied der Gruppe zu beherbergen, das Gleiche galt für jeden 20. Bundesbürger. Allensbach stellte ein »schwieriges sozialpsychologisches Klima für die Fahndung der Polizei« fest. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sorgte sich: »Fünf Prozent wirken hier wie hundert Prozent.« (Aus: Jutta Ditfurth: Ulrike Meinhof. Die Biografie.)

Update: Ich wollte mir gerade zum besseren Lesen Oliver Tolmeins „RAF – Das war für uns Befreiung“- Ein Gespräch mit Irmgard Möller über bewaffneten Kampf, Knast und die Linke“ herunterladen. Der Text ist auf der Website Tolmeins merkwürdigerweise nicht mehr vorhanden. Das erinnerte mich daran, dass ich schon lange HTTrack installieren wollte.

Bleierne Zeiten

meinhof Im Publikum kam die Frage auf, ob es sich lohne, eine Biografie über Ulrike Meinhof zu lesen, hier geschrieben von Jutta Ditfurth. Ja.

Die meisten Bundesbürger waren gegen die Wiederbewaffnung und wollten selbst dann keine Uniform mehr tragen, wenn eine »kommunistische Invasion« drohte. Es gab eine breite »Ohne uns«-Bewegung, die sich aus Menschen unterschiedlicher Wekanschauung zusammensetzte. Die Furcht vor einem dritten Weltkrieg war groß. Der Adenauer-Staat reagierte repressiv und verbot die Freie Deutsche Jugend (FDJ), die Jugendorganisation der KPD, die mit den sozialistischen Falken, der Gewerkschaftsjugend und christlichen Jugendverbänden spektakuläre antimilitanische Aktionen veranstaltet hatte. UUnter anderem hatten sie Anfang 1951 die Insel Helgoland besetzt, um die britischen Alliierten, die die Insel als Testgelände benutzten, zu zwingen, ihre Bombenabwürfe einzustellen.

Ich habe die anderen Bücher über die Meinhof nicht gelesen und werde das auch nicht tun. Hier repräsentiert die „Heldin“ und deren Biografie eine ganze Zeitspanne. Ich kenne kein besseres Buch über alte Bundesrepublik und die 50-er und 60-Jahre. Meinhof steht für die politische Sozialisation der Generation vor meiner – damals reichten schon zehn Jahre Altersunterschied, und man dachte politisch ganz anders. Ditfurths Biografie ist ein Standardwerk wie Stefan Heyms Nachruf: Man erfährt alles, was man wissen sollte über eine „Epoche“. Heyms Autobiografie ist aber glänzend und spannend geschrieben; Ditfurths Buch eher trocken-dokumentarisch – wen das Thema nicht interessiert, wird es schnell aus der Hand legen.

Für Unruhe sorgten bei konservativen Regierungsmitgliedern auch die – sogar in Großbetrieben — ziemlich populären »Ausschüsse für Volksbefragung«, die ebenfalls gegen die Wiederbewaffnung waren und deren Hauptausschuss sich aus Funktionären der CDU, der SPD, der KPD sowie aus ehemaligen Offizieren zusammensetzte. Bald ließ das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen überall Plakate anbringen mit der Aufschrift: »Wer an der kommunistischen Volksbefragung teilnimmt, gefährdet den Frieden und stellt sich in den Dienst des Bolschewismus!« Ausgerechnet Sozialdemokraten forderten als Erste ein Verbot der Volksbefragung, Erfolgreich. Mehr als 7000 Aktivisten wurden verhaftet (…)

Mit immer größerer Härte gingen Politik und Polizei jetzt auch gegen Demonstrationen vor: Alles, was oppositionell war, galt als »kommunistisch«…

Wenn man sich die heutige einförmige Berichterstattung in den Medien anschaut, wird man das Gefühl nicht los, dass die herrschenden Klassen die gesamte Nachkriegsgeschichte noch einmal in ihrem Sinne umschreiben wollen. Gegen den Krieg? Nein, wir müssen uns bewaffnen. Der Russe steht bekanntlich vor der Tür. „Pazifismus“ ist mittlerweile schon gesellschaftlich geächtet – wie in den 50-er Jahren. Nur dass heute das Verdikt „Querdenker“ droht, was nur noch durch „Nazi“ zu toppen ist.

Im September 1960 geriet konkret dann richtig unter Druck. Auf der Heftrückseite war das Gedicht »Nato unser« von Gerd Schulte veröffentlicht worden, was die Hamburger Staatsanwaltschaft zum Anlass nahm, gegen die Zeitschrift wegen »Gotteslästerung« zu ermitteln: »Nato unser, / […] dein Manöver geschehe / [..] Unsern täglichen Atomversuch / gib uns heute und vergib / den bösen Kommunisten keine Schuld, / […] führe uns ständig in / Versuchung, bis wir den Kanal / restlos voll haben, / denn du bist / für die Reichen / […] und die Konzernherren /[…] Amen.«

Auch die DDR wird heute unter „Putin“ eingetütet. Natürlich war der erste Versuch, einen sozialistischen Staat auf deutschem Boden zu erreichten, unter den damaligen Voraussetzungen schon gescheitert, bevor es losging – mit dem Personal und mit einer „Schutzmacht“, ohne die alles gleich zusammengefallen wäre. Nichts kam „von unten“, wie schon die – im Gegensatz zu Frankreich – gar nicht stattgefundene bürgerliche Revolution. Alles wurde von oben von beschränkten Spießern und Funktionären verordnet. Vergleicht man die DDR jedoch mit der BRD und deren Personal, war jene eindeutig das bessere Deutschland.

Albert Norden, Mitglied des Politbüros der SED, betreute de, Aufbau der Deutschen Friedensunion (DFU). Norden, Sohn eines von den Nazis ermordeten Oberrabbiners, war vor 1933 Redakteur der Roten Fahne. Er floh nach Paris, arbeitete am legendären Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror mit – ein Versuch, die Welt über den deutschen Faschismus aufzuklären -, wurde Sekretär des von Heinrich Mann gegründeten »Aktionsausschusses deutscher Oppositioneller«, floh erneut um die halbe Welt und überlebte in New York als Fabrikarbeiter.

Mich würde interessieren, ob von den voll bekloppten Klimaklebern jemand auch nur einen der erwähnten Namen kennt? Vermutlich wissen die noch nicht einmal, wer Adenauer war. Ich würde sie eher über Auschwitz befragen wollen…

Friedrich Karl Kaul, im Westen »Staranwalt der SED« genannt, stammte aus einer großbürgerlichen, jüdischen Familie und hatte nach der Flucht aus einem Konzentrationslager in der Emigrtion überlebt. Da er 1949 am Westberliner Kammergericht als Anwalt zugelassen worden war, konnte er auch in der Bundesrepublik tätig sein, wo er viele KPD- und FDJ-Mitglieder vor Gericht verteidigte. Jahrelang versuchte die Bundesrepublik vergeblich, ihm auf Dauer die Zulassung zu entziehen. Unter anderen beschaffte Kaul dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer Dokumente für den Auschwitz-Prozess.

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