Duckmäuseriche

duckmäuse

Es heißt Duckmäuser, Heise. männlich, nicht gegendert.

It’s the economy. revisited

Bernd Stegemann im „Neuen Deutschland“:
Der blinde Fleck der Identitätspolitik ist ihr fehlendes Klassenbewusstsein. In der Ökonomie geht es nie um Moral, immer um Interessen. Wer aber keine Klassen kennt, muss auf moralische Kategorien zurückgreifen. (…)

Als Trump ankündigte, die Arbeitsvisa für die USA restriktiver zu bewilligen, ging ein Aufschrei von den Internetkonzernen in Kalifornien aus. Die Wahrheit ist doch, dass die Arbeitsvisa vor allem dazu gebraucht werden, um hochqualifizierte, aber billige Programmierer ins Land zu holen, die die US-Amerikaner arbeitslos machen und deren Dumpinglöhne die Gewinne der Aktionäre steigen lassen. Hinter der moralischen Panik vor Rassismus verstecken sich also die Interessen des Kapitals, das einen Lohnkampf führt, indem es den Arbeitsmarkt globalisiert. Linke machen sich dabei selbst zu Kollaborateuren. Durch die einseitige Fokussierung auf die Fragen von Race und Gender ist der Diskurs erblindet für die Ausgrenzungen, die aus den Eigentumsverhältnissen resultieren.

Wohl wahr. Das ist fast wörtlich Eribon. Ich habe da aber noch ein paar Fragen. Warum sagt das ein Dramaturg – und nicht ein Politiker der „Linken“? Warum übersetzt eine Zeitung wie das ND das Geschwurbel – so richtig und wahr es sein mag – nicht ins Deutsche? Will man, dass das arbeitende Volk den Text nicht liest?

Identitätspolitik – was war das noch mal gleich? Focussierung? Geht es vielleicht auch ohne Ungs? Nein? Der Diskurs erblindet? Nein, tut er gar nicht. Und wer grenzt wen wohin aus? Aus den Eigentumsverhältnissen resultieren? Geht’s noch?

„Wenn wir etwas mit Mühe lesen, ist der Autor gescheitert.“ (Jorge Luis Borges)

Ich verkontrolliere das!

Journalisten, die das deutsche Wort „melden“ in Bläh- und Furzdeutsch verwandeln („vermelden“ ist Niederländisch), müssen zukünftig „Deutsch für Profis“ auswendiglernen. Ich kontrolliere das!

Ich denke gerade über die SPD nach

Heißt es in kleinbürgerlichem Neusprech à la taz eigentlich „ArbeiterverräterInnen“? Oder „ArbeiterInnenverräter“? Oder „ArbeiterInnenverräterInnen“?

Charaktermasken oder: Soko Nafri und Soko Casablanca

nafri

Source: Entschließungsantrag der Fraktion der FDP, Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache 16/10731, 14.01.2016 (!)

Dummerweise las ich beim Frühstück eine Zeitung (online). Das verdarb meine Laune ein wenig.

In Berlin löst man gerade die dringendsten Probleme der Stadt. Ich meine übrigens, dass man Toiletten für alle einrichten sollte und nicht für verschiedene Geschlechter. Ich halte es auch mit Karl May, der meinte, dass böse Taten unter dem Einfluss von Alkohol oder anderer Macken härter bestraft werden sollten und nicht milder. (Das kommt davon, wenn man als Kind die falschen Bücher liest.)

Wer noch nicht wusste, was schleimiger Opportunismus ist und welche Mentalität die meisten Politiker haben, der kann sich das fast live anschauen. Das gilt auch für Revolutionäre (natürlich nicht für Fidel. RIP). Charaktermasken eben.

Wenn Kinder nicht zur Schule kommen, setzen einige Döspaddel in der Hauptstadt offenbar auf Habermas. Funktioniert aber nicht. Es muss doch möglich sein, Eltern zu zwingen, ihre Kinder zur Schule zu schicken? „Was nach Law-and-Order klingt, ist nichts anderes als die logische Konsequenz aus der Beobachtung, dass selbst Bataillone von Sozialarbeitern, Lehrern und Lesepaten an ihre Grenzen stoßen, wenn sie es mit Familien zu tun haben, die ihre Schuldistanz bereits in der zweiten oder dritten Generationen pflegen.“ Yesssss. (Abgesehen vom Deutsch des Grauens: „Schuldistanz pflegen“. Aha. Tot sein heißt jetzt: Lebensdistanz pflegen.)

Manchmal werde ich einfach wütend, wenn ich Kurzberichte lese. Ich wüsste gern mehr (der Version der Polizei ist etwa anders, sagt aber auch nichts aus). Was hätte ich gemacht? Bei dreien hätte ich, wette ich.

Die Kölner Polizei hat erklärt, was für sie „Nafri“ ist. Es gibt ja schon seit rund einem Jahr eine gleichnamige Sonderkommission. In Düsseldorf heisst die „SoKo Casablanca“.

„Polizeisprecher Thomas Held erläuterte, die Polizei habe in der Silvesternacht Passanten nicht allein nach ihrer mutmaßlichen Herkunft kontrolliert. ‚Bei den Kontrollen haben die Beamten verschiedene Kriterien berücksichtigt‘, sagte Held dem Tagesspiegel. Entscheidend sei nicht allein das Aussehen gewesen, sondern auch das Verhalten von Personen: ‚Handelt es sich um eine Gruppe, die sich dynamisch oder sogar aggressiv bewegt? Wie ist die Stimmung in der Gruppe?‘ Vergleichbar sei dies beispielsweise mit der Situation vor Fußballspielen, wenn größere Fangruppen anreisten.“ Und jetzt kommt mal wieder von den Palmen runter.

Übrigens: Es gibt auch Ofris und Drittis.

Unter Ruchlosen

verdächtige

Fahndungsfoto der Berliner Polizei: Die jungen Männer, die verdächtig sind, einen Obdachlosen angezündet zu haben.

„Denn eine Arbeiterkindheit auf der Straße oder in Armenvierteln blieb für das Reformbürgertum ein Schreckbild, die anarchische Brutstätte ruchloser Jungen und sittenloser Mädchen.“ (Eribon: Rückkehr nach Reims, S. 33)

„Kleine und mittelschwere Straftaten waren im Viertel die Regel, sie waren eine Art Volkssport, ein unbeugsamer Widerstand gegen die Gesetze eines Staates, den man im Alltag nur als das allgegenwärtige Machtmittel des Klassenfeindes erlebte.“ (ebd., S. 36)

Argumente gegen irgendetwas sind bekanntlich nutzlos. Auch das Aufrechnen von Straften, etwa derer von Nazis an Obdachlosen gegenüber denen von Einwanderern. Mich ärgert nur das hilflose Herumgeiere vieler Medien zum Thema.

Zum Beispiel schreibt Eberhard Seidel: „War es richtig, die Herkunft der Täter, die einen Obdachlosen anzünden wollten, zu nennen? Ich denke, ja. Für mich war es sehr wichtig, zu erfahren, dass es sich bei den mutmaßlichen Tätern um jugendliche Geflüchtete handelt. Berlin tut gut daran, sich intensiv mit der psychischen Verfassung und ideologischen Orientierung dieser aus einem Bürgerkriegsgebiet geflohenen Jugendlichen zu beschäftigen, um die geeigneten präventiven Maßnahmen zu entwickeln, die notwendig sind, Prozesse der Verrohung erst gar nicht zuzulassen. Egal ob wir über Präventionskonzepte gegen Rechtsextremismus, Salafismus oder einfach nur jugendliche Gewalt sprechen – sie können nur dann erfolgreich sein, wenn wir offen über individuelle Hintergründe und gesellschaftliche Zusammenhänge sprechen.“

Die Sprache ist verräterisch, Deutsch des Grauens vom Feinsten und kein Zufall: „Für mich ist es wichtig“ VerfassUNG OrientierUNG präventiven Maßnahmen Prozesse VerrohUNG Präventionskonzepte […]ismus […]ismus Hintergründe gesellschaftliche Zusammenhänge. Das ist einfach alles Gefasel. Ich lehne übrigens das affirmative Schaumsprech „Geflüchtete“ in allen seinen Varianten sowieso ab: Der Begriff „Einwanderer“ beschreibt die Realität treffend und heuchelt erst gar nicht, die Motive der Befreffenden zu beurteilen, was Unfug ist und sinnlos.

Einige junge und männliche Einwanderer aus einem Bürgerkriegsgebiet sind offenbar „verroht“. Das Kriterium ist aber keins, sonder ein jeweils klassenspezifisches Verdikt (ja, ich kann auch so schreiben, dass mich niemand versteht). Das meint: Die Bösen sind immer die anderen: „Die Experten in hochkomplexen Systemen sind dafür da, einem Milieu einleuchtend zu erklären, daß das Böse aus dem jeweils anderen Milieu stammt. Die Experten weisen Schuld zu und aktivieren und entlasten das Milieu, das jeweils bezahlt.“

Da ich mich selbstredend zu einem Experten erkläre, weise ich hiermit der Kleinbourgeoisie Mittelschicht die Schuld zu. Der Kerle auf dem Fahndungsfoto sehen so aus: Gut gekleidet, eine bescheuerte Frisuren (Verzeihung, bei „Undercut“ denke ich immer an Uppercut, den ich demjenigen versetzen möchte), und sie lachen, vermutlich weil sie jemanden sehen, der nicht den Normen ihrer sozialen Schicht entspricht, eben ein besoffener Obachlose zum Beispiel. Bei diesem „hierarchischen Lachen“ fällt mir natürlich immer Elias Canetti ein – Lachen ist eine Agression, die man sich versagt:
Das Lachen ist als vulgär beanstandet worden, weil man dabei den Mund weit öffnet und die Zähne entblößt. Gewiß enthält das Lachen in seinem Ursprung die Freude an einer Beute oder Speise, die einem als sicher erscheint. Ein Mensch, der fällt, erinnert an ein Tier, auf das man aus war und das man selber zu Fall gebracht hat. Jeder Sturz, der Lachen erregt, erinnert an die Hilflosigkeit des Gestürzten; man könnte es, wenn man wollte, als Beute behandeln. Man würde nicht lachen, wenn man in der Reihe der geschilderten Vorgänge weitergehen und sich’s wirklich einverleiben würde. Man lacht, anstatt es zu essen. Die entgangene Speise ist es, die zum Lachen reizt; das plötzliche Gefühl der Überlegenheit, wie schon Hobbes gesagt hat … Es scheint, daß die Bewegungen, die vom Zwerchfell ausgehen und fürs Lachen charakteristisch sind, eine Reihe von inneren Schlingbewegungen des Leibes zusammenfassend ersetzen.

Ich wette, dass es in der Gruppe der oben Gezeigten einen oder zwei Meinungsführer gibt und die anderen das tun und meinen, was die machen und laut denken. Der Homo sapiens ist ein Opportunist, der auf die Peer group hört – und nicht auf die Medien. Die Herren kommen auch garantiert nicht aus den unteren und armen Schichten Syriens und Libyens („in Libyen geboren“ als „Herkunft“ erzeugt bei mir die reflexhafte Frage: Ach so, also vermutlich ein Berber?).

Die (leider verstorbene) Birgit Rommelspacher hat Gewalt gegen die da unten, wenn die von „Rechtsextremisten“ (pdf) verübt wird, genau beschrieben (und gegen den Mainstream): Gewalt als subkulturelle Lebensform, der man mit Moral nicht beikommt, Gewalt gegen Schwächere, die gefahrlos ist (- mein Kampfsportlehrer sagte über die Bösen: Die legen sich nie mit jemandem an, der ein Gegner sein könnte). Im Gegensatz zu einigen Thesen Rommelspachers glaube ich aber, dass die Mittelklassen empfänglicher für den „Hass“ nach unten („Klassismus„) sind. Das lehren schon die Wahlergebnisse der Weimarer Republik.

Meine These, die ich durch nichts begründen kann: Arme Einwanderer begehen vielleicht eher kleinkriminelle Handlungen, wie sie Eribon als typisch für das traditionelle Arbeitermilieu schildert. Das unterscheidet sie gar nicht so sehr von „eingeborenen“ Deutschen. Obdachlosigkeit wird aber besonders in den Gesellschaften und von den Klassen geächtet, die „Leistung“ als Lebenssinn propagieren.
Protestantische Nützlichkeitsethik und Merkantilismus als Wirtschaftssystem begründeten eine gesellschaftliche Moral, in der sich die menschliche Ehre vor allem auf Leistung, materiellen Verdienst, den eigenen Beitrag zur Finanzierung des Staates bezog. Die hierarchisch geprägte Gesellschaft mit unterschiedlichen Klassen sah Arme ohne Erwerbstätigkeit als Plage und zunehmend auch als Asoziale, die umerzogen werden müssten. Zuchthäuser wurden eingeführt, in denen Vagabunden Zwangsarbeit zur Besserung leisten mussten.

Die jungen Männer auf dem Fahndungsfoto verhalten sich also schon systemkonform, nur dass sie die ekelhafte, heuchelnde und nur punktuelle Empathie der deutschen Mittelschichten noch nicht imitieren.

Wer uns nicht versteht, ist dumm

Telepolis: „Beobachtungen zum schwierigen Verhältnis zwischen Linken und dem „gemeinen Volk“ am Beispiel der taz“. – „Soziale Probleme werden erst interessant, wenn sie Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund oder LSBTTIQ betreffen. (…) Wenn so manche Menschen, nicht nur aus der Unterschicht, mit den Grabenkämpfen zwischen linken Splittergruppen nichts anfangen können, kommen dafür zwei Gründe in Frage: Entweder sie sind zu dumm dafür oder sie haben einfach andere Probleme, etwa wo das Geld für die nächste Miete oder die Stromrechnung herkommt.“

Meine Rede. Und wer Wörter wie „Migrationshintergrund“ und „queer“ benutzt, die zum Beispiel ältere Menschen gar nicht verstehen, ist auch doof.

Finde den Fehler!

Genitiv

Unter Elektoren

Die Neue Zürcher Zeitung schreibt: Noch ist Donald Trump nicht zum Präsidenten gewählt – formal werden dies erst die Elektoren tun.“

Ich habe dort kommentiert: „Elektoren? Neues deutsches Wort? Oder ein Begriff, der die Arbeiterklasse davon abhalten soll, den Artikel zu lesen?“

Die soziale Abfederung des Personalabbaus

Horizont.net („Zeitung für Marketing, Werbung und Medien“): „die soziale Abfederung des Personalabbaus ist nachjustiert worden“. Das ist Neusprech vom Feinsten und Deutsch des Grauens sowieso.

Winnetou, der Indigenen-Häuptling

Oh, in den Mainstream-Medien heißt es jetzt nicht mehr Indianerreservat, sondern Reservate für Indigene. Synonyme: primitive, aboriginal, native, autochthon, bushman.

„Indigen“ kommt aus dem Mittelfranzösischen, wurde dann Spanisch (Reserva indígena). Ein wichtiger Grund, das Wort genau so ins Deutsche zu übernehmen, dass es auch jeder versteht. Kommt gleich in eine Reihe mit „Migrationsbackgroundhintergrund“. Dann ist die Welt ja wieder besser geworden.

Wer von Spiegel online kann Dativ?

dativ

Das Soldatentum et al

„Dem 1923 in Witten als Sohn eines Volksschuldirektors geborenen Nolte fehlten von Geburt an drei Finger an einer Hand; ihm blieb deshalb im Zweiten Weltkrieg das Soldatentum vorenthalten.“ (Spiegel online)

Ein Satz, wie in einen Kuhfladen getreten. Das Journalistentum ist auch so eine Sache….

Scripted Reality oder: Pommesbude und Muskelbank

Pommesbude und MuskelbankNeulich las ich Britta Steinwachs‘ Zwischen Pommesbude und Muskelbank: Die mediale Inszenierung der „Unterschicht“..

Die schlechte Nachricht zuerst: Das Buch ist in einem schrecklichem Wissenschafts-Jargon verfasst (vgl. Ausriss unten), dazu auch noch – völlig überflüssig! – in Gendersprech geschrieben (vgl. das Interview: Steinwachs kann nicht so geredet haben, weil Gender-Unterstriche in Gesprochenem nicht vorkommen), womit sich die Verfasserin als Teil eines ganz bestimmten sprachesoterischen Milieus outet.

Für Menschen, die das nicht gewohnt sind, ist das Buch unleserlich und nicht verständlich. „Wenn wir etwas mit Mühe lesen, so ist der Autor gescheitert“. (Jorge Luis Borges) Es kann mir niemand erzählen, dass es nicht auch anders ginge. Nur macht es dann Mühe; gut, das heißt verständlich zu schreiben, ist ein Handwerk, das man erlernen sollte.

Die gute Nachricht: Der Plot ist spannend und interessant; man lernt auch etwas, wenn man sich bis zum Schluss durchkämpft – Kaufempfehlung jedoch leider nur für Medienwissenschaftler und einschlägige Berufsgruppen und Leute, die sehr schnell lesen können. (Das hätte die Autorin anders haben können.) Der Inhalt umfasst nur rund 100 Seiten, der Rest sind Anmerkungen, Anhang usw..

Pommesbude und Muskelbank

Die Moral von der Geschicht‘: Die „neue Unterschicht“ (also das deklassierte Proletariat und/oder die industrielle Reserverarmee) wird in den Medien als Milieu inszeniert, das verwahrlost und passiv ist. Wer nicht arbeiten will, ist böse. („Im Original: „moralisierende Delegitimierung nicht-werwerbstätoger Lebensformen“.)

Wer arbeitslos ist, ist selbst schuld und kann das nur ändern, indem das Verhalten der Norm der Mittelschicht angepasst wird. In der Serie „Familien im Brennpunkt“ interveniert und korrigiert letzlich und oft der Staat (Jugendamt, Polizei usw.). Ungleiche Chancen auf Bildung seien kein „strukturelles“ Problem, sondern Resultat individuellen Fehlverhaltens.

Die Mitglieder der so genannten „Unterschicht“ werden moralisch diskreditiert – das wiederum ist typisch für Journalisten und Medienarbeiter, die zur übergroßen Mehrheit aus eben dieser Mittelschicht stammen, somit (vermutlich unbewusst) ihren „Klassenauftrag“ erfüllen: Nach oben buckeln und nach unten treten. (Letzteres sage ich, die Autorin suggeriert das nur, spricht es aber mit wenigen Ausnahmen – weder aus noch gebraucht sie marxistische Begriffe, was für das reaktionäre Gendersprech-Milieu, auch bekannt als neue wohlhabende und konservativ grün-wählende Mittelschichten, natürlich passt.)

Im Original: „Diese massenmediale Inszenierung der Unterschichtkultur als Barriere gesellschaftlicher Integration (…) birgt die Gefahr, dass allein schon die körperliche Disposition, die der Unterschicht im Sinne eines Klassengeschmacks zugeschrieben wird, stigmatisierend auf der gesamte Gruppe des unteren Klassenlagen als vermeintlicher Ausdruck ihrer leistungsverweigernden Haltung der Passivität zurückfällt.“

Birgt die Gefahr? Nein, it’s not a bug, it’s a feature! Das genau ist die Aufgabe der Medien. Das richtige Verhalten garantiere den sozialen Status oder gar den Aufstieg, deswegen steht „Erziehung“ ganz oben auf der Agenda der „mittleren Klassenlagen“, aus denen sich die Journalisten fast ausnahmslos rekrutieren. Das ist natürlich eine Illusion und eine große Lüge, und die herrschende Klasse würde sich darüber kaputtlachen, wenn sie das interessierte.

Spannend war für mich vor allem das dritte Kapitel: „Der Körper als zentraler Ort der Vergesellschaftung“ (daraus stammt der Ausriss). Das Individuum muss in der Krise, die traditionelle Mileus zerreißt und vernichtet, sich irgendwo einordnen, sich sozusagen „tribalisieren“. Der tätowierte und gepiercte Körper (inklusive metallener Nasenpopel) ist genau das: Er wird zum Zeichen des Sozialen.

Noch ein Zitat aus dem Buch: „Die Wahrnehmung von Körpern im öffentlichen Raum ist also Teil eines im- und expliziten Sozialisationsprozesses, womit der Körper einerseits in seiner Körperdimension zum Austragungsort sozialer Deutungskämpfe wird und sich qua seiner Leibdimension tief ins Innere des Subjekts als untrennbare Mischung aus originärer Individualität und sozial erlernten Empfindungsmustern einbrennt.“

Alles klar? Puls und Atmung noch normal? Im Hintergrund murmeln Calvin und die protestantische Arbeitsethik.

Ethnologen reiben sich jetzt grinsend die Hände und verweisen zum Beispiel auf Papua-Neuguinea, Mary Douglas, Levi-Strauss usw. und dass nichts neu sei, sondern – in anderen Kostümen – schon immer da war. Ich vermisste auch einen Verweis auf Klassismus (vgl. die Literaturliste bei Wikipedia), obwohl die Autorin an anderer Stelle dokumentiert hat, dass sie weiß, worum es geht.

Merke: Auch Gendersprech ist Klassismus. (Steile These, die ich aus ethnologischer Sicht beweisen könnte, aber es hört mir ja niemand zu.)

#‎genderung‬

Sagt man „Algorithminnen und Algorithmen“ oder „Algorithwomen und Algorithmen“? ‪#‎genderung‬ (Peter Glaser)

Im nationalen Zwangskollektiv

Jürgen Roth im Deutschlandfunk über die „Plastiksprache des Bundestrainers“.

„Letzten Endes geht es gar nicht um mich, letzten Endes geht es ums große Ganze.“ Da muss ich kotzen. Mit der Einstellung kann man auch Nazi oder Zeuge Jehovas sein.

Zwangskollektive wie die „Nation“ interessieren mich nicht. Und auch nicht irgendwelche grenzdebilen Gefühle dafür. Ich bin Kosmopolit.

Building a Better Miscellaneous News Feed for You

Brille

Der Optiker meines Vertrauens hat mir gratis ein Detail meiner Brille repariert, wofür ich ihn hiermit ausdrücklich lobend erwähne. Andere Optiker in Laufnähe meiner Wohnung weigerten sich. Also weiß ich, wo ich eine neue kaufen würde, wenn es nötig wäre.

And now for something completely different.

Die Russen führen die Vorratsdatenspeicherung ein. (Gespräch mit Joerg Heidrich vom Computermagazin „c’t“)

Tilman Tarach: „Verantwortlich für den Mord an den drei israelischen Jugendlichen sind nicht nur die Mordbrenner der palästinensischen Hamas, sondern auch die westlichen Regierungen, auch die deutsche. Denn sie zahlen Hunderte von Millionen Euro jährlich an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), obwohl sie wissen (oder wissen sollten), dass ein Teil dieser Gelder gemäß dem palästinensischen Gefangenengesetz als Belohnung für Judenmord verwendet wird.“

Don Alphonso: „Aber ich kenne da ein paar Leute, so wie Berliner Autorinnen, die ihren Lebensunterhalt vor allem durch öffentliche Förderungen und mässig besuchte Lesungen staatlich finanzierter Institutionen bestreiten, weil ihre Bücher sich allein zu schlecht verkaufen – so wie diese Autorinnen auch Leute in London, Paris und Budapest kennen.“ (Hey, Don, ich mag sowas, und bitte die Namen gleich dazu!)

Einer der Attentäter von Istanbul stand auf der russischen Fahndungsliste, wurde aber 2012 von Österreich nicht ausgeliefert.

In Berlin gibt es jetzt eine Blockwart-App. Die wird sicher sehr beliebt werden.

Warum die Präsidentenwahl in Österreich wiederholt werden muss, analysiert die Fachpresse.

Ich schrieb im März: „Man kann auch sagen: Erdogan (auch nur eine Charaktermaske) hat sich in die Scheiße geritten. Das internationale Kapital ist bei Öl und Gas tendenziell gegen ihn.“. Ich hatte recht. Welt online: „Die Touristen bleiben aus, der IS wird aktiver. Der türkische Präsident gerät in die Defensive – und kann sich internationale Isolation nicht mehr leisten.“

Das Wichtigste zuletzt: Facebook kündigt an: „To help make sure you don’t miss the friends and family posts you are likely to care about, we put those posts toward the top of your News Feed.“ (Ein deutscher Kommentar: „Schlecht für Publisher: Neuer Facebook-Algorithmus stellt Posts von Freunden in den Fokus“.

Telepolis zu demselben Thema: „Für den News Feed werden neue Selektionsprinzipien [sic] eingeführt, der Nutzer soll nur sehen, was er angeblich wirklich will – und dabei auf Facebook bleiben“. Steht übrigens – ausführlich erläutert – schon bei Stefan Schulz: Redaktionsschluss: Die Zeit nach der Zeitung. (Rezension in Arbeit)

Terror, in Israel neu definiert oder so ähnlich

audiatur online

Propaganda, auch für die gute Sache, muss gut und einprägsam sein. Sonst wirkt sie nicht oder das Gegenteil dessen, was beabsichtigt war, tritt ein. Tarnt sich Propaganda als Journalismus und wird dann enttarnt, ist es um so schlimmer. Das Thema heute: Audiatur online*, ein Portal, das Israel unterstützen will. „Israel verabschiedet nach hitziger Debatte neues Anti-Terror-Gesetz“, heißt es am 17. Juni.

Ein starkes und kontroverses neues Anti-Terror-Gesetz, verfochten von Justizminister Ayelet Shaked, wurde nach einer hitzigen Parlamentsdebatte am Mittwoch durch ein Mehrheitsvotum mit 57 gegen 16 Stimmen in der Knesset verabschiedet.
Wenn die Gedanken nicht klar sind, wird die Sprache wirr – und umgekehrt. Warum ist das Gesetz „stark“? Finger weg von den Adjektiven! lautet einer der Grundsätze guten Stils. Jeder versteht unter einem Eigenschaftswort etwas anderes. Dass ein Gesetz zu diesem Thema „kontrovers“ sein soll und eine Debatte „hitzig“, ist ein sehr weißer Schimmel. Es riecht außerdem nach Suggestion – ich will selbst entscheiden, was ich von dem Gesetz halte. (Die „linken“ Mitglieder der Knesset kommen ganz unten bei Audiatur online vor, und ich glaube nicht, dass die das Gesetz für „stark“ halten.)

Drei Fakten will man uns mitteilen. Ein Gesetz wurde (vom Parlament, der Knesset – vom wem sonst?) verabschiedet. Die Justizministerin hatte es eingebracht. Das Gesetz fand eine Mehrheit (was aber der erste Satz schon sagt – sonst wäre es nicht verabschiedet worden).

Übrigens: Mehr als neun Wörter können viele Rezipienten nicht verstehen, 20 Wörter ist das Maximum – und dann muss der Satz wie aus einem Guss und elegant gebaut sein. Hauptsätze! Hauptsätze! Hauptsätze! Und kurze! Der Anfang ist also schlecht.

Das Gesetz weitet die Definition von Handlungen mit terroristischem Hintergrund aus und soll die Macht der israelischen Sicherheitskräfte und des Rechtssystems im Kampf gegen die Terrorbedrohung verstärken.
Das sind zwei Sätze! Was spricht dagegen, es kurz und knapp zu sagen? Das Gesetz definiert Terror neu. (Wörter mit ung sind schlechtes Deutsch und verboten. Wenn schon, dann „Taten“. „Mit Hintergrund“ ist so elegant wie „Menschen mit Menstruationshintergrund“.) Die „Macht“ der Sicherheitkräfte? Das ist garantiert nicht gemeint. Merke: Den Text hat niemand geschrieben, dessen Muttersprache Deutsch ist, und niemand hat ihn gegengelesen. Geht es um die israelische Armee? Den Mossad? Die Polizei? Oder alle? Ein Artikel, der aufklären will, muss es auch tun. Bei einem Gesetz kommt es genau darauf an, was wem neu erlaubt oder verboten ist. Was unterscheidet den „Kampf gegen die Terrorbedrohung“ vom „Kampf gegen den Terror“? Nichts, nur kann man es besser verstehen, und das ung ist auch weg.

„Nur durch angemessene Bestrafung und Abschreckung kann er bekämpft werden“,
(sagt irgendjemand). Das ist eine These, die nicht wahr sein muss. Im Journalismus gilt: Audiatur et altera pars. Alles anderen ist Propaganda. Die Leser sind doch nicht alle total meschugge. Wenn ich überzeugen will, dann nicht die, die eh schon meiner Meinung sind, sondern die anderen. Und für die muss ich mich anstrengen. Verständlich zu schreiben ist ein Handwerk. Das kann man lernen – es kommt nicht automatisch aus dem Bauch. Terroristen muss man bestrafen (wer hätte das gedacht), und härtere Strafen bedeuten weniger Terroristen? Das bezweifele ich.

Der 51-seitige Gesetzentwurf mit der Bezeichnung “Anti-Terror-Gesetz” führt im Detail bestimmte Straftaten auf, die neuerlich als terroristische Aktivität definiert werden,
Also nee. Muss ich wirklich wissen, dass das Gesetz 51 Seiten umfasst? Und gilt in Israel auch Din A4 oder sowas? Wieviele Anschläge (sic) pro Seite? Das Gesetz (nachdem es verabschiedet wurde, ist es kein Entwurf mehr) heisst “Anti-Terror-Gesetz”? Hätten Sie es gewusst? Ich schlage vor: Das “Anti-Terror-Gesetz” listet (jaja, ziemlich detailliert vermutlich) Straftaten auf, die jetzt als „Terrorismus“ gelten. („Terroristische Aktivität“ ist so etwas wie „schulischer Bereich“ – also Gefasel und Furzdeutsch.)

Das Gesetz gewährt dem Gericht auch die Macht, beschuldigte Terroristen ohne Zeugenaussage zu verurteilen, wenn beispielsweise ein Zeuge in ein Gebiet flüchtet, das von der palästinensischen Führung beherrscht wird.
Darüber wüsste ich gern mehr. Woher weiß ich denn, dass der Zeuge irgendwohin geflüchtet ist? Und Wer ist die „palästinensischen Führung„? Die Hamas oder die PLO? (Das wissen die meisten Leser garantiert nicht.) Ich wüsste auch zu gern, wie das für die „Sicherheitskräfte“ unerreichbare Gebiet, in das Zeugen flüchten könnten, im Original bezeichnet wird. Die Drohne sei mit dir in Gaza!

„Wenn es um Terrorismus geht, dann wird nicht unterschieden, wer an diesem Tisch sitzt und wer an dem anderen. Das ist Ihnen aus der Erfahrung heraus bekannt. Es handelt sich nicht um ein antiarabisches Gesetz oder um ein Gesetz gegen arabische Bürger. Es handelt sich um ein Gesetz zugunsten der Bürger des Staates Israel“, argumentierte Hasson.
Nein, er argumentiert nicht, er behauptet es nur. Argumentieren geht anders. Und welche Überraschung! Das Gesetz ist zugunsten der Bürger des Staates Israel. Echt jetzt?

Als Bestandteil des Gesetzes muss Justizminister Ayelet Shaked einen jährlichen Bericht über die Implementierung des Gesetzes einreichen.
Implementierung: Um das Wort zu verstehen, sind vier Semester Soziologie nötig und ein freiwilliges Zusatzstudium in elaboriertem, also arrogantem Jargon.

Schaut dem Volk auf’s Maul, und faselt nicht herum, liebe Autoren von Audiatur online. So überzeugt Ihr niemanden. (Ich war eh ungefähr Eurer Meinung, ich muss den Artikel also gar nicht lesen. Ich rezipiere Medien nicht, um meine schon vorhandenen Ideen zu verstärken. Die sind allein schon stark genug.) Ihr solltet jemanden einstellen, der gutes Deutsch kann, sonst klingt das so wie bei RT Deutsch.

* Eingetragener Firmenname: Audiatur-Stiftung – ob es eine Stiftung ist, weiß ich nicht, „Stiftung“ ist ein Teil des Namens, Der gemeinnützige Vreein „German Privacy Fund ist auch kein „Fund„.

Wie die Philosophie „weißgewaschen“ wurde

Strasse

Berliner Strassen ohne Autos sehen viel schöner aus und laden zum Philosophieren ein.

Da das hiesige Stammpublikum umfassend gebildet ist und über ein außergewöhnliches historisches, ökonomisches, sozilogisches und philsophisches Wsisen verfügt (wie man an den Kommentaren unschwer erkennen kann), empfehle ich von science.orf.at zur Lektüre:
Vor 200 Jahren wurde am Wiener Kongress der Sklavenhandel abgeschafft. Das lag weniger an der Philosophie der Aufklärung und mehr an politisch-ökonomischem Kalkül. Denn die „großen, weißen Aufklärer“ kümmerten sich wenig um die Versklavung Schwarzer Menschen. Das hat Folgen bis heute: Der Kanon der Philosophie wurde „weißgewaschen“.

Toussaint Louverture allerdings muss man sowieso kennen.

By the way, Österreicher: Im Deutschen schreibe man Adjektive klein. „Schwarz“ ist auch kein Markenname (wenn man einfach alle Regeln aus dem Englisch übernähme). Also muss es heißen: „Versklavung schwarzer Menschen“. Addendum: Im Deutschen hieße es korrekt: „Nicht alle berliner Straßen führen geradeaus, noch nicht einmal die Berliner Straße.

Prüfung Befassung Thematik

Rationalgalerie (via >b’s weblog): „NDR-Rundfunk-Rat: Völlig befasst. Eine unendliche Geschichte aus dem Land Bürokratien“.

Da hat mal jemand versucht herauszufinden, warum die „Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ von den Mainstream-Medien gern kritiklos als Quelle benutzt wird. In schönstem Bürokraten-Deutsch des Grauens antwortet der NDR-Rundfunkrat auf wiederholte Nachfragen: „Ergebnis der Prüfung war, dass insgesamt nicht festgestellt werden konnte, dass ein Verstoß gegen die Programmanforderungen des NDR gegeben ist. Da die Thematik daher bereits unter allen Gesichtspunkten geprüft ist, war eine erneute Befassung nicht geboten.“

Wikipedia: „Die SOHR wird von Rami Abdulrahman (auch „Rami Abdul Rahman“ oder „Rami Abdelrahman“ geschrieben), einem syrischstämmigen sunnitischen Muslim, der ein Bekleidungsgeschäft betreibt, von seinem Reihenhaus in Coventry in England aus betrieben.“ Die Russen zweifelten übrigens schon immer. Die müssen es ja wissen.

Man könnte sich die Mühe machen, das Schreiben des NDR-Rundfunkrates ins Deutsche zu übersetzen.

Wir haben ihre Beschwerde geprüft. Wir konnten nicht feststellen, dass wir gegen das, was das Programm des NDR fordert, verstoßen haben. Das Thema wurde schon mehrfach diskutiert. Daher werden wir uns nicht noch einmal damit befassen.

image_pdfimage_print

← Next entriesOlder entries