Kreativer Umgang mit kalkülorientierten Routineberechnungen

„Durch eine Entlastung von kalkülorientierten Routineberechnungen und eine schnelle Visualisierung von Graphen wird ein kreativer Umgang mit mathematischen Fragestellungen ermöglicht“. So etwas formuliert laut „Der Westen“ die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann in Nordrhein-Westfalen. Hintergrund: Eltern von Gymnasiasten sollten gezwungen werden, einen teuren Taschenrechner für ihre Kinder zu kaufen, obwohl es günstigere Alternativen gibt.

Immer, wenn ich das Wort „kreativ“ lese, stellen sich bei mir ohnehin die Rückenhaare hoch. Ich denke an Volkshochschul-Töpferkurse und an genderpolitisch korrekte EsoterikerInnen. „Schöpferisch“ heißt das im Deutschen, und zwar mit und ohne Eigenhöhe. Gebrauch: pseudo-elitärer aufstiegsorientierter-Mittelschichts-Slang „bildungssprachlich“. „Dieses Wort stand 1973 erstmals im Rechtschreibduden.“

„GEW-Landeschefin Dorothea Schäfer hält die Geräte, die auf einen Erlass vom Juni 2012 zurückgehen, nach dem langen Vorlauf für überholt. Erschwerend komme hinzu, dass der Rechner später im Mathematik-Studium nicht mehr genutzt werden dürfe.“

Na super. Schilda ist überall.

Unter Sprechblasenfacharbeitern, revisited

[Reminder] „Fazit: Betrachtet man den Präsidentschaftswechsel in der Ukraine „rein juristisch“, hat Putin recht.“

Die „Linke„: „das völkerrechtswidrige Vorgehen der Russischen Föderation auf der Krim“.

By the way: Welches völkerrechtswidrige Vorgehen?

Im übrigen hat sich die „Linke“ mit diesem Text in der Kategorie „Deutsch des Grauens“ selbst übertroffen. Jemand, der so gequirt daherfaselt, kann keinen klaren Gedanken gehabt haben. Da war die kommunistische „Rote Fahne“ in den zwanziger Jahren um ein Vielfaches eleganter und verständlicher geschrieben. Kurz und knackig eben.

Beispiele gefällig?

Katja Kipping, Bernd Riexinger: „Wir verfolgen mit Besorgnis die Entwicklungen in der Ukraine und auf der Krim.

„Mit Besorgnis“? Ich schaue gern im Deutschen Wortschatz nach: „Synonyme: Ahnung, Annahme, Befürchtung, Gefühl, Vermutung, Vorgefühl. ist Synonym von: Ahnung, Annahme, Bedenken, Beengung, Befürchtung, Behutsamkeit, Betrübnis, Beunruhigung, Fürsorglichkeit, Kümmernis, Panik, Rücksichtnahme, Sorge, Vorahnung, Vorbedacht, Vorgefühl“.

Wie also kann man etwas fühlen, befürchten oder ahnen und gleichzeitig etwas verfolgen? Was meinen die Sprechblasenfacharbeiter der „Linken“? Sie verfolgen gar nichts, denn eine „Entwicklung“ läuft nicht davon. Irgendetwas (die Weltläufte?) entwickelt sich – und die „Linke“ galoppiert hinterher, um nichts zu verpassen? Der Satz sagt rein gar nichts aus. Karl Marx verfolgte den tendenziellen Fall der Profitrate ohne Besorgnis? Wer sorgt sich um wen – und tut noch etwas parallel dazu?

Die Antwort auf das völkerrechtswidrige Vorgehen der Russischen Föderation auf der Krim, welches wir verurteilen…

Haben die das aus dem Suahelischen übersetzt – oder via Google aus dem Ukrainischen in Mandingo, welches schwierig zu sprechen ist, und dann zurück mit einem Umweg über das Türkische, welches wir nicht verstehen können? Das kommt davon, wenn man den halbgaren Wust von Gedankenfetzen unbedingt komplett auskotzen möchte, ohne zu wissen, was man meint. Wenn ein „Vorgehen“, welches ein schwaches Wort ist und das Tun und die Täter nicht benennt, was dem weisen Rat Lenins, immer nur die schlichte Frage „Wer wen?“ zu beantworten, krass widerspricht, völkerrechtswidrig wäre, was ich aus rein sportlichen Gründen bestreite, wenn also die Russen gegen das Völkerrecht verstößen* (indem sie was genau tun?), verurteilt die „Linke“ das – mit exakt welchen Folgen? Bekommt der Russe dann Sorgenfalten auf der Stirn?

Der Kosovo und andere völkerrechtswidrige Vorgehen fallen dem Westen nun auf die Füße…

Aua! Das täte natürlich weh, falls der Westen Füße hätte, welches ich zu seinen Gunsten nicht annehme. Und wie muss ich mir das vorstellen, wenn jemandem ein Vorgehen auf die Füße fällt?

Jetzt bitte alle anschnallen und nicht rauchen (es hagelt Ungs):

Die innenpolitische Situation der Ukraine ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Spaltung, die mit der langen Geschichte des jungen Nationalstaats beginnt und sich vor dem Hintergrund des Versagens der politischen Eliten aller Couleur, des gewaltigen Einfluss der Oligarchen und der extremen sozialen Polarisierung im Land weiter verschärfte.

Die Situation ist Ausdruck einer Spaltung. Wie sagt man das mit Tuwörtern? Ach, es tut niemand etwas? Dann sollte man vielleicht doch besser das Maul halten. Ich hätte gern mehr gewusst über den Klassenkampf in der Ukraine, über die unterschiedlichen Interessen des Kapitals, und welche Farbe die „politischen Eliten“ (so etwas wie Pofalla auf ukrainisch?) haben.

Alexander Fischer hat diesen unsäglichen Text verfasst, der Pressesprecher der Partei. Der Mann mag ja irgendetwas können, welches sich mir nicht auf Anhieb erschließt, mit der deutschen Sprache steht er jedoch auf Kriegsfuß.

Eine Partei, die derart unerträgliches und sinnfreies Geschwurbel verlautbart, kann ich auch nicht wählen.

*Der Irrealis von „verstießen“, welches die indirekte Rede erzwänge.

Talibaninnen der Humboldt-Universtität wollen Karl Marx verbieten

Marx

Karl Marx an Friedrich Engels vom 30. Juli 1862, MEW 30, S. 259

Wie Fefe berichtet, wollen Studenten der Berliner Humboldt-Universität Hegel, Rousseau und Kant nicht mehr behandeln.

Schon in den ersten Sitzungen kam die Frage auf, wieso wir denn Texte aus der Antike lesen sollten, also aus einer Zeit, in der Frauen unterdrückt und Menschen versklavt wurden.

Das Deutsch des Grauens spricht schon für sich: „…die Kolonialisierung unterstützte die Versklavung, Ausbeutung, Unterdrückung, Misshandlung und Ermordung von Menschen“. Ung, ung ung ung.

Ökonomisch höchst schädlich

Der Wanderpokal „Lautsprecher des Kapitals“ geht heute an ein „vorbildliches“ SchreiberInnenkollektiv im gedruckten „Spiegel“ im Artikel „Europa oder Demokratie?“. Dort heißt es:

Das genau ist es, was nicht nur zwei Richter in ihren abweichenden Voten, sondern auch Ökonomen für gerichtliche Hybris halten: der Versuch, das Krisenhandwerk von Notenbankern mit dem Mitteln des Rechts zu gängeln. (…) Die Inflationsrate ist derzeit niedrig, dass einige Ökonomen schon einer einer Deflation warnen, einer ökonomisch höchst schädlichen Absenkung des allgemeinen Preisniveaus also.

Für wen „höchst schädlich“? Wer senkt was ab und warum und wie? Welche Lobbyisten sagen das?

Ja, wo kämen wir denn hin, wenn das „Krisenmanagement“ von Bankern sich an die Gesetze halten müsste!?

Remember: Der Wanderpokal “Lautsprecher des Kapitals” geht an Journalisten, die nichts davon beherzigen, die sich die Propaganda der Kapitalisten unkritisch zu eigen machen, die deren Neusprech und und Propaganda-Worthülsen übernehmen, die in Populär-Okonomie dilettieren, ohne jemals ein Buch über den tenzenziellen Fall der Profitrate oder die Theorie des Wert gelesen zu haben. Kurzum: die ihren Beruf nicht nur verfehlt haben, sondern auch noch dummschwätzen und sich als Lobbyist missbrauchen lassen, freiwillig oder aus Dummheit und/oder Ignoranz.

Terroristisches Material und Pornografie in versteckten Containern glaubhaft abstreiten

truecrypt

Heise: „Die Regierung dürfe Laptops, Kameras und ähnliche Geräte von Reisenden durchsuchen. (…) Richter Korman begründete seine Entscheidung (PDF) damit, dass im 21. Jahrhundert die gefährlichste Schmuggelware oft in Laptops und anderen elektronischen Geräten enthalten sei – zum Beispiel terroristisches Material und Pornografie.“

Im Original: „“In the 21st century, the most dangerous contraband is often contained in laptop computers or other electronic devices, not on paper. This includes terrorist materials and despicable images of child pornography.“

Ein Grund mehr, dass sich auch Nicht-Geeks und Nicht-Nerds mit dem Feature „Hidden Volume“ von Truecrypt beschäftigen.

Deutsche Anleitungen gibt es bei Christian Sickendieck, bei Wikipedia kann man etwas über das „Konzept der glaubhaften Abstreitbarkeit“ (der Begriff ist natürlich Deutsch des Grauens) lesen, und bei bei Truecrypt gibt es alles auch in Englisch. Über die Details hatten wir uns auch schon hier am 15.07.2013 (vgl. auch die Links in den Kommentaren) unterhalten.

Wir basteln uns eine Pressemeldung über die Revolution oder: Die Möglichkeit sittlicher Entschlossenheit, ohne die Systemfrage zu stellen

„Der Aufstand in [bitte selbst ausfüllen] gerät ins Stocken, die Opposition um [bitte selbst ausfüllen] kämpft gegen viele Widerstände. Denn das Regime [bitte selbst ausfüllen] ist eng verbandelt mit den wirklich Mächtigen im Land: den einflussreichen Industriebaronen.“

So schreibt das ehemalige Nachrichtenmagazin und hat selbst die betreffenden Wörter eingefügt, die für die Ukraine gelten. Das ist natürlich sowohl falsch, weil es nur die halbe Wahrheit ist, als auch Deutsch des Grauens.

Denn der Mann trug etwas vor den Eiern: einen Tiefschutz. Diese Art und Weise, verkasematuckelt zu schwadronieren, ist das Gegenteil der Unsitte, in Nachrichten das scheinarbar Wichtigste nach vorn zu zerren, weil die Leserinnen und Leser sowieso gefühlt zu blöd sind, einen ganzen Satz zu rezipieren. Jetzt schieben sie das, was gesagt werden soll, an das Ende des Satzes, sie verstecken es sogar, damit die Leser möglichst lange auf der Seite bleiben.

Wenn schon, denn schon. Dann macht es wie Thomas Mann:
Der Autor der klaren und mächtigen Prosa-Epopöe vom Leben Friedrichs von Preußen; der geduldige Künstler, der in langem Fleiß den figurenreichen, so vielerlei Menschenschicksal im Schatten einer Idee versammelnden Romanteppich, „Maja“ mit Namen, wob; der Schöpfer jener starken Erzählung, die „Ein Elender“ überschrieben ist und einer ganzen dankbaren Jugend die Möglichkeit sittlicher Entschlossenheit jenseits der tiefsten Erkenntnis zeigte; der Verfasser endlich (und damit sind die Werke seiner Reifezeit kurz bezeichnet) der leidenschaftlichen Abhandlung über „Geist und Kunst“, deren ordnende Kraft und antithetische Beredsamkeit ernste Beurteiler vermochte, sie unmittelbar neben Schillers Raisonnement über naive und sentimentalische Dichtung zu stellen: Gustav Aschenbach also war zu L., einer Kreisstadt der Provinz Schlesien, als Sohn eines höheren Justizbeamten geboren.

Wir waren aber in bei der Ukraine. Ich könnte jetzt sogar noch ein weiteres Fass aufmachen und den Blog-Tag „Das Ministerium für Wahrheit informiert“ bedienen: „Kapitalist“ heißt jetzt „Industriebaron“, weil adlig schön und angenehm und guttenbergisch ist und klingt. Und man hat es geschafft, das kommunistische Wort „Kapitalist“ zu umgehen. Kai Dieckmann ist ab jetzt ein Boulevard-Baron.

Zeit online klärt übrigens einigermaßen auf, wer warum in der Ukraine für oder gegen was ist. Das Proletariat ist gegen „den Westen“, weil dann die meisten Kohlenbergwerke im Osten des Landes geschlossen würden. Es geht also gar nicht um eine „Revolution“ in der Ukraine, sondern um einen Kampf, wer etwas vom zukünftig Kuchen abbekommt. Klitschko ist auch ein Reaktionär und zudem ein Steigbügelhalter des EU-Imperialismus. (Schöner und sehr altertümlich klingender Satz.) Die Systemfrage stellt niemand. Das wäre eine Revolution.

Die Wahrung

Ab und zu gibt es auch gute Nachrichten: „Erklärung der Rechtsanwaltskammer Berlin, des Berliner Anwaltsvereins und der Steuerberaterkammer Berlin vom 02.12.2013″:

Als Berliner berufsständige Selbstverwaltungsorganisationen und Interessenvertretungen der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Steuerberaterinnen und Steuerberater fordern wir von der Bundesregierung sowie von allen politisch tätigen Kräften: (…)
Die Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation im Rechtsverkehr durch eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu gewährleisten und unsichere, weil potenziell beobachtbare und sogar veränderbare Kommunikationsverfahren (z.B. De-Mail) zu verhindern.

Geht doch. Die wissen, wovon sie reden.

Die schlechte Nachricht: Ohne Deutsch des Grauens kommen Anwälte nicht aus. „Die Wahrung und der Schutz des Berufsgeheimnisses“. Grusel.

Die Wahrung. Was soll denn das heißen? Ich denke gleich an „die Falschung“. Ist das ein deutsches Wort?

Die Wahrung der Hitze meiner Pizza in der Mikrowelle (die ich gar nicht besitze)? Die Wahrung der Integrität und Sicherheit des skelettösen Systems meines Körpers beim Kampfsport? Die Wahrung der Standhaftigkeit bestimmter männlicher Körperteile bei mechanischen Bewegungen, die der Fortpflanzung der Art dienen oder der Simulation derselben?

Das kommt vom Denglischen

„Von diesen 40 schafften es 10 in die Top Ten“. (Quelle: Heise)

Hm. Warum eigentlich nicht elf?

Quantitative Easing

Geld

„Ärgerlich“ oder „nicht informativ“ gilt für fast alle Artikel, die in deutschen Medien die Ökonomie im weiteren Sinn zum Thema haben. Aktuelle Beispiele: Welt online: „Südeuropa verlangt von der EZB eine neue Bazooka“. Von diesem Artikel schreibt Spiegel online ab: „Schuldenkrise: Südeuropa fordert drastische Maßnahmen der EZB“. Jedes Wort trieft vor Suggestion, nichts wird erklärt. Natürlich fehlt auch die abgedroschenste aller Phrasen nicht: „Konjunktur ankurbeln“. (Wie kurbeln die eigentlich und womit und was ist gemeint?)

Schuldenkrise? Welche Schuldenkrise? Hatten wir nicht eine „Eurokrise“? Und war nicht die Immbobilienblase in den USA der Domino-Stein, der zuerst umkippte, bis einige Leute merkten, dass zahlreiche Banken sich verzockt hatten mit real nicht existierenden Werten? Ich frage mich ernsthaft, ob Journalisten, die einen derartigen Quark breittreten, überhaupt noch nachdenken oder ob sie den Anspruch erheben, Fakten und Hintergründe zu erläutern oder ob sie schlicht die Textbausteine der AgitProp-Abteilung des Kapitals und dessen Lobbyisten übernehmen, um das Artikelhonorar leicht einzustreichen. Es kann doch nicht ernsthaft jemand meinen, es sei „Journalismus“, wenn man alle „Ökonomen“, die sich „Volkswirtschaftler“ schimpfen, befragt, die nicht bei drei auf dem nächsten Marktbaum sind?!

Es lohnt sich, ins Detail zu gehen. Das Thema scheint hier offenbar um den Preis des Geldes zu sein, das Banken verleihen. Wieviel Geld da ist, hat nichts mit den realen Werten zu tun, die das Geld representieren sollte. Man merkt schon beim ersten flüchtigen Hinsehen, dass es hier nicht um antropologische Konstanten oder Variablen wie das Wetter geht, sondern dass man eine Werttheorie haben müsste, um bestimmte Dinge wissenschaftlich, also theoretisch und empirisch darstellen zu können. Florian Eder und Sebastian Jost hingegen tun so, als sei das alles völlig wurscht: „Die Notenbank würde damit zusätzliche Milliarden in den Wirtschaftskreislauf pumpen, was das Wachstum beflügeln sollte. Tendenziell steigen damit auch die Preise.“ Ach? So einfach ist das also.

Und was genau war noch mal „Wachstum“? Der quantitive Ausstoß an Produkten? Der Anstieg der Profitrate des Kapitals? Die Schere zwischen Betriebskosten und Gewinn? Wann warum steigen Preise um wieviel und was hat das mit der Geldmenge zu tun? Es wäre doch nett, wenn uns verraten würde, auf welche der zahllosen „Schulen“ der so genannten „Volkswirtschafts“lehre man sich hier beruft. Die widersprechen sich nicht nur untereinander, sondern erheben auch nicht den Anspruch, etwas mit Wissenschaft zu tun zu haben. Motto ist, wie gehabt und wie bei den Angehörigen der Glaubensgemeinschaft Freier Markt(TM) so üblich: „Wir haben zwar keine Ahnung, wovon wir reden, das aber volle Pulle.“

„Der konjunkturelle Effekt ist jedoch nur der erste Teil des Spiels.“ Wenn man das Gefasel auf den Punkt bringt: Soll die Europäische Zentralbank mehr Staatsanleihen derjenigen Länder kaufen, deren Produktion den Bach runtergeht und/oder deren Banken sich selbst ruiniert haben? Über das System der Staatsanleihen ist hier schon alles, was nötig ist, geschrieben worden („Unter Schnellballsystemikern und Couponschneidern“, 03.08.2012) Ich habe keine Lust, das zu wiederholen.

Mein Lieblingssatz im Artikel von Welt online ist dieser hier – und er ist auch bezeichnend für das intellektuelle Niveau unserer Klippschulen-Volkswirtschaftler, deren vernebelten Gehirne nur genauso neblige Sätze und sprachgeschluderte Phrasen erlauben: Mit der Ankündigung aus dem vergangenen Sommer, im Bedarfsfall und gegen Auflagen Staatsanleihen kriselnder Länder auf dem Sekundärmarkt aufzukaufen, brachte die Zentralbank Ruhe in die aufgeschreckten Finanzmärkte.

Die aufgeschreckten Finanzmärkte. Wieso denke ich jetzt an den Genossen Wolf Schneider: Deutsch für Profis Lenin: Wer wen? Wer tut eigentlich was? Das zu beschreiben, ist die wesentliche Aufgabe von Journalisten. Wie kann man „Märkte“ erschrecken? Und was will uns der Künstler damit sagen?

Ich gewann beim Lesen den Eindruck, den Autoren kommt es nur darauf an, ihr Pseudo-Insider-Wissen zur Schau zur stellen: In den Krisenländern schielt man jedoch noch weiter, auf eine Maßnahme, die unter „quantitativer Lockerung“ firmiert, im Fachjargon „quantitative easing“ oder QE genannt.

Fachjargon? Das wäre so, als nennte man „Halleluja“ und „Amen“ den „Fachjargon“ der Verehrer höhere Wesen, was – zugegeben! – nicht ganz fern liegt. Bei Wikipedia wird das noch einmal hübsch verschwurbelt dargelegt:
Quantitative Lockerung, auch monetäre Lockerung englisch quantitative easing, ist die Geldpolitik einer Zentralbank, die zum Einsatz kommt, wenn der Zinssatz der Zentralbank bereits auf null oder fast auf null gesetzt wurde und weiterhin eine expansive Geldpolitik angesagt ist. In diesem Fall kauft die Zentralbank Anleihen, private oder Staatsanleihen, um weiterhin die Wirtschaft und den jeweiligen Staat mit mehr Geld zu versorgen. Im Ergebnis nehmen die Aktiva der Zentralbanken zu.

Haaaaaalt! Um was genau geht es? Hütchenspieler, aufgemerkt: Finanzkapitalismus at its best! Die jeweilige Zentralbank kauft also Staatsanleihen über den staatlich festgelegten Prozentsatz hinaus. Das bedeutet: Man tut so, als würde in der Zukunt produziert und als würden Werte geschaffen, für die es dann ein papiernes Äquivalent (Geld) geben sollte. Jetzt fragt man sich: Und was ist, wenn nicht? Wenn die Wirtschaft, wie in Südosteuropa, immer weniger produziert, die Anleihen also so wertlos sind wie die des zypriotischen Staates, in denen die Beamtenpensionen von Brandenburg angelegt wurden? Die Antwort lautet: Das wissen wir doch nicht! Und es ist uns auch egal! So sind sie, unsere Volkswirtschaftler – die ökonomische Welt als Wille und Vorstellung. Und weiter geht’s:

Ziel der quantitativen Lockerung ist es, die Reserven in der Bankbilanz zu erhöhen. Darunter wird auch Geldschöpfung (bzw. Schaffung von Zentralbankgeld) verstanden. Die Geldmenge wird also erhöht (Buchgeld), indem die Zentralbank Gutschrift bucht. Gemeinhin wird damit ein Ansteigen der Inflation sowie eine Gefährdung der Finanzmarktstabilität durch die Bildung von Spekulationsblasen auf Aktien-, Anleihe- und Rohstoffmärkten vermutet. [By the way: Etwas anderes als „Zentralbankgeld“ gibt es gar nicht, der Rest ist nur Poker.]

Hört! Hört! Ich buche mir etwas gut, was es gar nicht gibt, weil ich hoffe, dass es das doch irgendwann geben wird. Hurra! Damit wären ja alle Probleme gelöst, und „die Märkte“ können sich entspannt zurücklehnen.

Lohnfindungsstrukturen

lohnfindungsstruktur

Lohnfindungsstrukturen in Minnesota/USA 1934 – gern auch mal ohne korrupte Gewerkschaftsfunktionäre

Eine Vertreterin des Finanzkapitals – hier: die Deutsche Bank – meint laut Handelsblatt: „Die gesetzliche Vorgabe einer allgemeinen Lohnuntergrenze stellt einen beträchtlichen Eingriff in die seit Jahrzehnten bestehenden Lohnfindungsstrukturen dar.“

Was zum Teufel ist eine Lohnfindungsstruktur? Lesen wir die Propaganda-Sprechblasen weiter: „Bei einer generellen Anhebung dieser Niedrigentgelte entstünde ein beträchtlicher Lohnkostendruck, der sich zum Teil in höheren Verbraucherpreisen niederschlagen wird.“

Wieso sollte ein höherer Mindestlohn (nicht „Niedrigentgelt“) höhere Preise nach sich ziehen? Vielleicht senken höhere Löhne – bei gleichbleibenden Preisen – ja nur die Profite? Was wäre daran so schlimm?

Der Gedanke, auf Profite zu verzichten, ist den Lautsprechern des Kapitals und ihren unkritischen Helfershelfern in den Medien aber so ungeheuer fremd und unvorstellbar wie für den Papst die Idee, dass es keine Götter gibt.

Postscriptum: Es ist schon sehr interessant, dass kein deutsches Medium diese verschwurbelte Agitprop auseinandernimmt und kritisiert; stattdessen wird das suggestive Neusprech einfach und ohne ein Wort der Kritik übernommen. Noch nicht einmal das Prizip audiatur et altera pars gilt – aber wen wollte man schon fragen…

Neue Mehrheiten und das Wilde am Kapitalismus

Camila Valejo

Spiegel online Die Mainstream-Medien erklären uns Politik und den Kapitalismus, hier in Chile:
Vieles, was in anderen Ländern selbstverständlich ist, gilt in dem südamerikanischen Land noch immer als linksradikal und verdächtig. Ein regulierender Staat zum Beispiel, die Begrenzung des wilden Kapitalismus, Arbeitnehmerrechte, würdige Löhne und Gehälter oder eben ein Bildungs- und Gesundheitssystem, das bezahlbar ist.

Da haben wir doch alle Textbausteine und Sprechblasen für die Lautsprecher des Kapitals zusammen. Vieles, was in anderen westeuropäischen Ländern selbstverständlich ist, gilt in Deutschland noch immer als linksradikal und verdächtig, zum Beipiel, eine Alternative zum Kapitalismus zu suchen, das K-Wort in den Mund zu nehmen oder Antifaschismus.

Camila Vallejo „tritt für die Kommunistische Partei an, die erstmals bei einer Wahl unter den Mantel der großen Mitte-links-Koalition ‚Nueva Mayoria‚ um Präsidentschaftskandidatin Michelle Bachelet geschlüpft ist.“

Wie meinen? Eine Präsidentschaftskandidatin erlaubt (vade retro, Satanas!) Kommunisten, mit ihr zusammenarbeiten? Wo bleibt der Exorzismus? In Deutschland gehen die „Sozialdemokraten“ sogar lieber mit der bürgerlichen Rechten und den Handlangern des Kapitals zusammen als dass sie mit der harmlosen „Linken“ koalieren würden, die mit kommunistischer Politik so viel zu tun hat wie Alice Schwarzer mit einem Puff.

Sogar als es zeitweilige rechnerische Mehrheit im Bundestag für einen Mindestlohn von zehn Euro gab, hat die SPD gekniffen – und nur, weil der Vorschlag von der „Linken“ kam. Ekelhafte heuchlerische und moralisch verkommene Bande! Lasalle würde euch zum Duell fordern. Ihr seid sogar zu dumm, um euch zu schämen.

Lassen wir uns jetzt auf der Zunge zergehen, was deutsche Journalisten als Gesellschaftsmodell nicht schlecht finden: „ein regulierender Staat“? Ach was? Was soll denn das heißen? Rückkauf der Energiekonzerne? Ist in Berlin, wo auch die „Linke“ mitregiert, gerade gescheitert. Soll die heilige Kuh angetastet werden und der Staat in den „freien Markt“ eingreifen? Die Bahn nicht mehr an die Börse gehen?

Am Schönsten ist ohne Zweifel „die Begrenzung des wilden Kapitalismus“. Das ist nicht nur Deutsch des Grauens, sondern auch grober nichtssagender Unfug, also ein Paradebeispiel für deutsche Medienberichte über ökonomische Fragen. Das wundert mich nicht, denn Klaus Ehrenfeld, der Autor des Artikels bei Spiegel online, schreibt auch für das Handelsblatt. Und in dem Lobbyisten-Blatt für die so genannte freie Marktwirtschaft das Kapital darf die Systemfrage noch nicht einmal gedacht werden.

Was ist denn „wild“ am Kapitalismus und welcher Teil soll von wem wie gezähmt werden? Und wann sind Löhne „würdig“ – würdig wessen? Und darf Hartz IV auch würdig sein?

Hinter derartigen hohlen Phrasen verbirgt sich nichts anderes als suggestives Volkswirtschaftssprech und die quasi-religiöse Idee der „sozialen Marktwirtschaft“ – als gäbe es auch eine „asoziale“ Marktwirtschaft. „Sozialer“ Kapitalismus oder „asozialer“ Kapitalismus – das ist hier nicht die Frage. Der „gezähmte“ Kapitalismus macht und auch nicht alle reich und glücklich. Was wolltest Du uns denn eigentlich über die Ökonomie mitteilen, Kollege Ehrenfeld?

Das ist – mit Verlaub – kein Journalismus, sondern ziemlich dämliche Propaganda. Y viva commandante Camila.

Gut zu wissen

JuristenhargonJuristenhargonJuristenhargon

Gut zu wissen auch, ob die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser wissen, wozu man das wissen muss.

Focus online: Erziehung zur Dummheit und Radebrechen in Furzdeutsch

pirelli

Über diesen Screenshot von Focus online kann man stundenlang philosophieren – ob das Magazin bewusst oder unbewusst Männer Menschen zur Dummheit erziehe, und das gleich in vielfacher Hinsicht.

Ich habe nichts gegen nackte Frauen. Nackte Frauen sind wie Beton – es kommt drauf an, was man daraus macht. „Die schönsten Frauen der Welt zogen sich schon für ihn aus: den Pirelli-Kalender.“ Was sagt uns das jetzt? Das man schöne Frauen bestechen kann? Dass Schönheit zwingend verlangt, High Heels zu tragen? Dass Pirelli bestimmt, was „Schönheit“ ist? „Sexy Reifengöttinnen“? Sorry, Leute, aber wer solche Sätze verbricht, der ist dumm wie Brot und lebt intellektuell noch in den fünfziger Jahren (was heutzutage offenbar wieder verlangt wird, um Mainstream zu sein.)

„Deutsch des Grauens“ ist außerdem stark untertrieben: Was ist denn das für ein Satz? „Die dümmsten Journalisten schrieben schon für ihn: den Focus.“ Das nennt ihr Grammatik? Ich nenne das Radebrechen in Furzdeutsch.

Gut, bei Javascript habe ich jede Hoffnung fahren lassen, dass Argumente noch irgendetwas nützen könnten. Der Chefredakteur von Sueddeutsche.de hat mir sogar per elektronischer Postkarte bestätigt, dass der Einsatz von Javascript auf deren Website quasi unverzichtbar und Standard sei, auf den man nicht verzichten werde. (Unausgesprochen: Menschen mit Sehschwächen oder gar Blinde sind denen scheißegal – das ist eben keine werberelevante Zielgruppe.) Ich könnte mich jetzt auf das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik berufen, das vor den Risiken beim Einsatz von Javascript warnt. Aber seit wann interessieren sich deutsche „Online“-Journalisten für Sicherheit? Wo kämen wir denn da hin?

Damit nicht genug: Ein deutsches Magazin fordert die Rezipienten dazu auf, Malware zu installieren, um die „Inhalte“ anzeigen lassen zu können: „Wenn Sie den Internet Explorer nutzen, wird ‚Yahoo! Toolbar‘ automatisch mitinstalliert.“ Geht’s noch? Wie bescheuert muss man sein, um so etwas zu tun? „Wenn Sie dieses Möbelstück kaufen, erhalten unbekannte Einbrecher eine Kopie ihres Wohnungsschlüssels – wenn Sie das nicht wollen, müssen Sie ein neues Schloss installieren.“ Im normalen Leben würde man in einem solchen Fall nach einenm Arzt rufen oder nach einer Jacke mit ganz langen Ärmeln. In Deutschland wird man „Online“-Redakteur und darf bei Focus online zu genderpolitischen Themen („Pirelli“-Kalender) schreiben.

Das freut die Märkte

„Das freut die Märkte, weckt aber auch Sorgen.“ (Gerald Braunberger, FAZ) „Das freut die Märkte.“ (Martin Schulz, Hedgefonds-Gruppe PNC Capital Advisors, Spiegel 55/2013)

Einige Fragen und ein Hinweis an linke Parteifunktionäre

Wer gutes Deutsch lernen will, kann auch Bertold Brecht lesen. Hier ein Auszug aus „Fragen eines lesenden Arbeiters“. Hinweis für Parteifunktionäre der „Linken“: Es taucht kein Wort auf, dass mit -ung endet. Auch wenn ihr das für unmöglich haltet – aber so redet und schreibt man, wenn man dem Volk auf’s Maul schaut.

Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
Und das mehrmals zerstörte Babylon –
Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
Wohin gingen an dem Abend, wo die Chinesische Mauer fertig war
Die Maurer?
Das große Rom
Ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie?
Über wen triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz
Nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis
Brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang
Die Ersaufenden nach ihren Sklaven.
Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer siegte außer ihm?

Was lese ich hingegen im Parteiprogramm der „Linken“? „Aushöhlung der Demokratie – Die Möglichkeit demokratischer Einflussnahme und Mitgestaltung“.

Unfassbar. Wer redet so? Ja, Parteifunktionäre eben.

Man stelle sich vor, das Kommunistische Manifest hätte so begonnen: „Die Kommunisten sind gegen die Aushöhlung der Demokratie und für die Möglichkeit demokratischer Einflussnahme und Mitgestaltung“ – hätte das auch nur ein Mensch gelesen?

Nein, ich habe keine „Aktivitäten“ oder wichtige Meldungen verpasst

fratzenbuch

Übrigens, Fratzenbuch, das deutsche Wort „Aktivität“ kennt keinen Plural, da es schon die Summe mehrerer Taten meint. „Aktivitäten“ ist daher ein weißer Schimmel oder doppelt gemoppelt. Außerdem ist es hässlich.

Meine Wahlempfehlung, revisited

grazien

Beim Anblick dieser drei – polnisch sprechenden – ausnehmend hübschen Grazien habe ich dieses Blog-Posting verfasst.

Um sicherzugehen, dass ich nicht im Zustand geistiger Umnachtung briefgewählt habe, hier noch die Fragen und meine Antworten zum Wahlomaten. Mein Ergebnis habe ich nicht gewichtet. Es kam zwar das Richtige heraus, allerdings fiel die „Linke“ um zwei Plätze ab. Ähm… wieso steht da jetzt die MLPD? Huch…

Es soll ein gesetzlicher flächendeckender Mindestlohn eingeführt werden.
Das kann man nicht so ohne weiteres beantworten. Den Kapitalismus als System vorausgesetzt, bedeutete das: Der Staat legt in einem bestimmten Segment der Marktes für Arbeitskraft die Löhne fest. Dagegen ist prinzipiell nichts zu sagen. Das Ergebnis wäre aber, dass es mehr Schwarzarbeit gäbe und das Kapital schlicht in Billiglohnländer auswanderte. Und warum sollte der Staat nur den Mindestlohn festlegen, aber nicht noch mehr, etwa alle Löhne? Die Forderung nach einem Mindestlohn riecht sozialdemokratisch, also systemkonform, unrealistisch und genau so dämlich wie die nach einem „fairen“ Lohn (dem dann auch ein „gerechter“ Preis“ folgen müsste). Aus rein moraltheologischen Gründen (und weil die Regierung dagegen ist) habe ich dennoch mit „ja“ gestimmt.

Eltern, deren Kinder nicht in die Kita gehen, sollen ein Betreuungsgeld erhalten.
Nein, sollten sie nicht. Das System „Betreuungsgeld“ bevorzugt die Reichen. Außerdem ist eine Kita eine wichtige Institution für Kinder, sich in eine Gemeinschaft zu integrieren, gerade für Kinder aus „problematischen“ Elternhäusern.

Generelles Tempolimit auf Autobahnen!
Die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser werden sich wundern, dass ich gegen ein generelles Tempolimit bin. (Nein, ich bin auch nicht ADAC-Mitglied.) Man sollte den Umständen angepasst fahren dürfen. Ein Verbot wird Raser auch weiterhin nicht daran hindern zu rasen. So what?

Deutschland soll den Euro als Währung behalten.
Albern und etwas für Geldfetischisten, also Leute, die dem Geld magische Kräfte und ein Eigenleben zuschreiben. Ich unterstütze keine Forderungen, die letztlich religiös und primitive Magie sind. Und die Angehörigen der Glaubensgemeinschaft Freier Markt(TM) wählen ohnehin FDP oder, wenn man „bekloppt“ noch steigern könnte, die AfD.

Der Strompreis soll vom Staat stärker reguliert werden.
Auch das ist inkonsequent. Ich habe natürlich mit „ja“ gestimmt, weil ich meine, dass auf die Energiewirtschaft insgesamt ohnehin der Artikel 14 des Grundgesetzes angewendet werden sollte.

Die Videoüberwachung im öffentlichen Raum soll ausgebaut werden.
Nein. Das Beispiel Großbritannien zeigt, dass das auch nichts bewirkt.

In Deutschland soll ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden.
Wahrscheinlich weiß kaum jemand, dass der CDU-Politiker Kurt Biedenkopf zum ersten Mal forderte, alle Deutsche sollten ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten. Das war noch zu der Zeit, als es „Sozialhilfe“ gab. Vor sieben jahren schrieben irgendwelche Jusos: „Wenn sich Götz Werner, Besitzer der Drogeriekette dm und einer reichsten Männer Deutschlands, frei nach Marx für ein einheitliches und bedingungsfreies Einkommen ausspricht sorgt dies zunächst für Verwirrung, die sich nicht in das klassische Links- Rechts- Schema der Politik einordnen lässt.“ Quod erat demonstrandum. Also „ja“, und es ist sowieso eine der vernünftigste politischen Forderungen der Piratenpartei.

Nur ökologische Landwirtschaft soll finanzielle Förderung erhalten.
Nun gut. Es riecht grün. Ja, aber. Wenn der Staat schon subventioniert, dann aber nicht ausgerechnet die Landwirtschaft, ob grün oder nicht. Es könnte aber, wiederum das kapitalistische System vorausgesetzt, ganz nützlich sein, wenn der Staat bestimmte Unternehmen subventioniert, wenn es im gesellschaftlichen Interesse ist – was die Gesetze des Marktes eben nicht berücksichtigen. Der „Markt“ agiert nie im gesellschaftlichen Interesse, sondern im Interesse der Profitmaximierung, was bekanntlich kein Synonym ist (nur bei der FDPAfD).

Alle Kinder sollen ungeachtet ihres kulturellen Hintergrundesgemeinsam unterrichtet werden.
Natürlich. Wer fordert, dass Kinder von Einwanderern nicht zusammen mit den Kindern der Eingeborenen zusammen unterrichtet werden sollen? Die Nazis? Das Wort „kultureller Hindergrund“ ist aber Lichterkettensprech mit eingebautem Rassismus, weil die Gesellschaft durch „Kultur“ definiert wird.

Der Spitzensteuersatz soll erhöht werden.
Ja. Die Forderung geht mir aber nicht weit genug. SCNR.

Deutschland soll aus der NATO austreten.
Nein. Es ist besser, wenn die deutschen Militärs nicht allein das Sagen haben – eingedenk unserer Geschichte. Hier muss man nach einem Kompromiss suchen und die Risiken und Nebenwirkungen nach einem Austritt beachten. Man kann die Verträge anders aushandeln, Frankreich hat sich ja auch Sonderrechte gesichert. Ich schließe mich hier der Meinung de Gaulles an.

Kein Neubau von Kohlekraftwerken!
Stimme zu. Mich regt auf, dass der Wahlomat oft mit unverständlichen doppelten Verneinungen arbeitet. Etwa: „ich stimme zu, dass ich dagegen bin“. Ich wette, dass das die Hälfte der Leute, die abstimmen, spontan nicht kapiert haben.

Die „Pille danach“ soll rezeptpflichtig bleiben.
Nein. Die Pille danach sollten Frauen so und ohne Rezept, ja sogar gratis bekommen. Basta. Wer etwas anderes fordert, sollte in die NPD eintreten oder zum Katholizismus konvertieren.

Alle Banken in Deutschland sollen verstaatlicht werden.
Ja. Hurra. Die These ist aber natürlich Quatsch. Heißt das: Alle Banken „in“ Deutschland oder alle „deutschen“ Banken, was auch immer das ist? Vermutlich fordert so etwas eine Politsekte wie die MLPD. Hört sich trotzdem klasse an und schadet niemandem.

Deutschland soll mehr Flüchtlinge aufnehmen.
Ja. Niemand wird bestreiten, dass Deutschland mehr Einwanderer braucht. Wer die danach aussuchen will, ob sie für den Kapitalismus nützlich sind oder nicht, kann sich auch gleich als KZ-Wärter bewerben nach dem Nazi-Motto „wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen für die Zeit, in der sie Angehörige pflegen, staatliche Lohnersatzleistungen erhalten.
Ich weiß gar nicht, wer das fordert. Ist aber vernünftig. Was ist mit denen, die ihre Angehörigen pflegen, aber kein Geld haben? Ich fände eine Pauschale besser.

Verfassungswidrige Parteien sollen weiterhin verboten werden dürfen.
Wieso ist hier Handlungsbedarf? Das Grundgesetz ist sowieso eindeutig. Verbote sind immer eine politische Bankrotterklärung. Ich stimmt NICHT zu.

BAföG soll unabhängig vom Einkommen der Eltern gezahlt werden.
Nein. Warum sollten Kinder reicher Eltern noch zusätzlich Gelder vom Staat bekommen? Wer fordert denn das?

An allen deutschen Grenzen sollen wieder Einreisekontrollen durchgeführt werden.
Nein.

In Aufsichtsräten und Vorständen von Unternehmen soll eine gesetzliche Frauenquote gelten.
Neutral. Ich bin keine Frau und entscheide deshalb nicht. Sollen die Frauen sich darüber erst einmal einig werden.

Finanzstarke Bundesländer sollen schwache Bundesländer weniger unterstützen müssen.
Wer schreibt nur so ein Deutsch des Grauens? Ich bin dafür, dass etwas weniger wird oder dagegen, dass etwas mehr wird oder wie? Nein, keine Lega Süd in Deutschland. Wenn schon, dann sollte sich Bayern abspalten und einen eigenen Staat aufmachen.

Das gesetzliche Renteneintrittsalter soll wieder gesenkt werden.
Mir egal. Ich werde sowieso arbeiten, bis ich tot umfalle.

Der Staat soll im öffentlichen Dienst verstärkt Menschen mit Migrationshintergrund einstellen.
Beim Begriff „Migrationshintergrund“ sträuben sich mit die Rückenhaare. Was soll denn das sein? Ja, aber wie wäre es mit „der Staat soll im öffentlichen Dienst mehr russische Juden und Afrodeutsche einstellen“? Nein, Gefällt euch nicht? Was zu beweisen war. Wäre aber beinahe logisch und eben nicht Deutsch des Grauens.

Rüstungsexporte sollen verboten werden.
Nicht verboten, nur kontrolliert. Stimme nicht zu. Ist eine pseudo-linkspopulistische und – den Kapitalismus als herrschenden System vorausgesetzt – total unrealistische Forderung, vgl. Mindestlohn, staatliche Preiskontrollen usw..

Das Ehegattensplitting soll beibehalten werden.
Keine Ahnung. Was wäre denn die Alternative?

Deutschland soll sich für einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union einsetzen.
Die Europäische Union nützt zur Zeit nur den Deutschen und den mit Steuergeldern subvenionierten Banken. Soll die Türkei entscheiden, ob sie das will. Ich habe keine Meinung dazu.

Abgeordnete des Bundestags sollen ihre Nebeneinkünfte auf den Euro genau offenlegen müssen.
Aber klar.

Energieintensive Industrien sollen sich stärker als bisher an der Finanzierung der Energiewende beteiligen müssen.
Aber sicher.

Hartz-IV-Empfängern und – Empfängerinnen sollen weiterhin Leistungen gekürzt werden, wenn sie Jobangebote ablehnen.
Kein Reichsarbeitsdienst reloaded. Stimme nicht zu.

Der Staat soll weiterhin für Religionsgemeinschaften Kirchensteuer einziehen.
NEIN. Nur die Piraten fordern hier etwas Vernünftiges. Trennung von Staat und Kirche – so hätte die Frage lauten müssen.

Alle Bürgerinnen und Bürger sollen in gesetzlichen Krankenkassen versichert sein müssen.
Sicher sollen sie das. Keine Mehrklassenmedizin. F…dich selbst, FDP!

In der Euro-Zone soll jeder Staat alleine für seine Schulden haften.
Blödsinn. Ich rieche die AfD. Man muss sich natürlich schon klar werden, was man will. Der Fehler war ja, das Merkel bzw. die deutschen Vertreter eben ursprünglich genau das Gegenteil in die EU-Verträge haben reinschreiben lassen und jetzt zurückrudern müssen. Wer eine Alternative zum Kapitalismus will, kann nicht etwas fordern, was ins 19. Jahrhunert gehört, wie etwas die Idee einen Nationalstaates.

Auch gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften sollen ein gemeinsames Adoptionsrecht erhalten.
Meinetwegen.

Keine Speicherung von Kommunikationsdaten (z.B. Telefon, Internet) ohne konkreten Anlass!
Fragen hierzu? Harhar.

Bei Neuvermietungen soll der Mietpreis nur begrenzt angehoben werden dürfen.
Stimme zu. Reicht aber nicht aus. Die Mietpreisbindung gab es schon mal, zum Beispiel in Berlin. Das sollte wieder eingeführt werden.

Volljährige deutsche Staatsangehörige sollen keine weitere Staatsangehörigkeit besitzen dürfen.
Neutral. Ich habe noch nie verstanden, warum man fordern muss, mehrfache Staatsbürgerschaften zu haben. Das hat doch eher Nachteile?

Die Nutzung von Autobahnen soll kostenpflichtig sein.
Blödsinn. Dann auch: Rauchverbot in Einbahnstraßen für Fußgänger.

Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene!
Auch wenn euch das jetzt überrascht: Ich stimme NICHT zu. Volksentscheide verhelfen dem „gesunden“ Volksempfinden zm Durchbruch, und das ist immer katastrophal, vor allem in Deutschland. Man stelle sich nur vor, es gäbe einen „Volksentscheid“ zur Sicherheitsverwahrung. Ich ahne schon, was da herauskäme.

wahlomat

Klare Worte über unseren Inlands-Geheimdienst

Hans-Christian Ströbele zu den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses „NSU-Nazis“: „Deutsche Sicherheitsbehörden waren auf dem rechten Auge blind und nahmen die Gefahr des Rechtsextremismus nicht ernst. Viel schlimmer noch: es gibt dort Anzeichen für fremdenfeindliche, rassistische Vorurteile und verbrämten institutionellen Rassismus.“

Ach.

„Der Verfassungsschutz versagte völlig gegen den NSU und dessen Nazi-Umfeld. Auch deshalb ist er aufzulösen.“

Ja. Wird aber nicht passieren.

„Seine bisherigen Aufgaben sollen überwiegend auf eine zivilgesellschaftliche Stiftung übertragen werden, die z.B. über Rassismus in Deutschland informiert.“

Nein. Dazu sind die Medien da. Außerdem wird das sinnfreie Bläh- und Furzwort „Zivilgesellschaft“ ab sofort verboten. (Was ist das Gegenteil? Militärgesellschaft? Unzivilgesellchaft?)

Ceterum censeo: verfassungsschutz esse delendam.

Nachrichten aus dem Hinterhof der USA: Soldaten als Auftragsmörder

Diese Nachrichten werden wohl kaum in den deutschen Mainstream-Medien vorkommen, sind aber dennoch – oder gerade deswegen – interessant:

Klassenkampf (der Begriff ist in deutschen Zeitungen untersagt) in Venezuela: Die Regierung will einen Manager einsetzen und die Belegschaft wehrt sich dagegen.
Diana ist ein Unternehmen mit jahrzehntelanger Geschichte und wurde im Jahr 2008 von der Bolivarischen Regierung übernommen. Seitdem wurde der Betrieb unter Kontrolle eines Rats der Arbeiter und Arbeiterinnen geführt. Die Belegschaft unterhält ein eigenes Radioprogramm und eine Arbeiteruniversität. Der Betrieb gilt als gelungenes Beispiel für eine von der Belegschaft übernommene Leitung.

Das ist natürlich ein Grund dafür, dass dieses Unternehmen nicht in deutschen Wirtschaftsnachrichten erwähnt werden darf. Die Glaubensgemeinschaft Freie Marktwirtschaft(TM) würde das missbilligen.

Da wir beim Thema Religion sind: Manchmal machen Pfaffen erstaunlicherweise auch etwas Gutes, zum Beispiel die „Pastors for Peace“ aus den USA. Das ist natürlich auch eine Ausnahme, weil dort alles religiös ist. Vermutlich könnte man in den USA sogar mit einer linksradikalen Organisation Erfolg haben, wenn sie als Kirche organisiert wäre.

Portal america21.de berichtet: „US-Aktivisten brechen Kuba-Blockade Washingtons“. „Die US-Bürger unter ihnen reisten ohne die eigentlich erforderlichen Genehmigungen ihrer Behörden“.

Aha. Und ich dachte immer, im Kapitalismus in Ländern, in denen der freie Markt bekanntlich alle Menschen glücklich und reicht macht, herrschte Reisefreiheit und Verbote, irgendwo hinzureisen, gäbe es nur in Unrechtsregimes wie damals in der DDR?

Spannend finde ich die Rolle Chinas in Lateinamerika: „Auch andere Staaten wie Chile, Panama und Peru erleben eine wirtschaftliche Verlangsamung. Eine der Hauptursachen für das verringerte Wachstum sei die hohe Abhängigkeit von Rohstoffexporten in die EU und in die Volksrepublik China.“

„Wirtschaftliche Verlangsamung“ – das ist natürlich nicht nur Deutsch des Grauens, sondern auch ein pseudereligiöses Mem unserer „Volks“wirtschaftler, die meinen, es müsse bis zur Apokalypse zum Ende aller Tage immer mehr und mehr und mehr produziert werden. Was bedeutete das Gegenteil? „Wirtschaftliche Beschleunigung“? In Deutschland würden die Medien, die vorgeben, Ökonomie erklären zu wollen, vermutlich schreiben: „Die Konjunktur belebt sich“ oder „die Gottheit Märkte sind in guter Stimmung„. (O je, ich wollte nur scherzen und übertreiben, aber die schreiben das wirklich so!)

Im obigen Artikel heisst es: „Schätzungen gingen zuletzt davon aus, dass China die USA als den wichtigsten Handelspartner des lateinamerikanischen und karibischen Raumes bereits 2015 ablösen könnte.“ Das wäre natürlich für Lateinamerika eine Revolution. China wird aber an den den Problemen nicht viel ändern, abgesehen davon, dass die Staaten mit einer Regierung, die die USA nicht wollen oder in die die USA früher ziemlich schnell einmarschiert wären, nicht länger erpressbar sind. (Zitat aus dem Film „Avatar“: „Venezuela – that was a mean bush“.) Venezuela etwa lebt von der Substanz aka Öl, und auch die linke Regierung macht nicht viel mehr als die Einnahmen zu verteilen – nur bekommen mehr Leute davon etwas ab, nicht nur die nationale kapitalistische Oligarchie.

Hübsch ist auch diese Meldung:
Wie aus einem vertraulichen Bericht des FBI vom April diesen Jahres hervorgeht, kommt es immer häufiger zu gezielten Anwerbungen US-amerikanischer Soldaten durch mexikanische Drogenkartelle. Für eine Bezahlung von mehreren Tausend Dollar führten die professionell geschulten Soldaten Auftragsmorde durch oder trainierten die Mitglieder der Organisationen, so Sicherheitsexperten laut Fox News.

Natürlich geben russische Medien diese Nachrichten genüsslich wieder; aber sogar in britischen Medien wird berichtet, inklusive der Steckbriefe: „Mexican drug cartels are using U.S. military personnel as guns-for-hire“.

Gute Nachricht aus Bolivien: „Bolivien für Koka-Anbau zu medizinischen Zwecken“. Präsident Morales hat bereits mehrmals vor den Vereinten Nationen die Legalisierung der Koka-Pflanze gefordert und deren Kriminalisierung als „historischen Fehler“ bezeichnet.

Man müsste sich mal vorstellen, ein deutscher Politiker forderte, „Drogen“ müssten zu medizinischen Zwecken angebaut werden – und nicht nur das harmlose Hanf. Wer das forderte, würde gesellschaftlich geächtet und würde zu Mainstream-Talkshows, die „Politik“ in Deutschland weitgehend ersetzen, nicht mehr eingeladen.

Ich denke manchmal ernsthaft darüber nach, im Alter, falls es mir noch gelänge, eine Art Bestseller zu schreiben, nach Lateinamerika auszuwanden. Aber der politische Wind dort kann sich auch sehr schnell wieder drehen.

Sächsischer Genitiv jetzt auch in Englisch!

sächsischer Genitiv

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