Stell Dir vor, es ist Krieg

Kurt Schröder

Mein Großonkel Kurt Schröder, geb. 05.07.1895 Mittenwalde Krs. Bromberg, im Krieg umgekommen am 15. Mai 1918.

Willkürlich herrschende Schufte und Sicherheitsmaßnahmen

schufte

Im Nachlass meines Großvaters Hugo Reinhold Schröder (1902-1992) hat sich noch ein kleines Buch gefunden, das wir für ein Poesiealbum gehalten und unbeachtet gelassen hatten. Beim Entziffern fanden wir jetzt heraus, dass er auf den letzten beiden Seiten Tagebuch geschrieben hat. Hier geht es um das Jahr 1929. Beim Opa war damals Lehrhauer auf der Zeche Vereinigte Margarete in Dortmund-Sölde. Die Schachtanlage Margarethe wurde am 15. Juni 1926 stillgelegt. Mein Großvater verlor seinen Job, wurde „an die Fürsorge überwiesen“ und musste „Stempeln gehen“. Danach heißt es im Tagebuch:

Pflichtarbeit muss geleistet werden. Von den willkürlich herrschenden Schuften dazu gezwungen. Gegenaktion eingeleitet aus der ungerechten Behandlung heraus geboren.

Pflichtarbeit, also Zwangsarbeit bei Arbeitslosigkeit wurde 1923 in der Weimarer Republik eingeführt. „Die Verordnung zur Pflichtarbeit legte fest, daß sich jeder Arbeitslose, der nach Auslaufen der Arbeitslosenversicherung auf Krisenunterstützung angewiesen war, für gemeinnützige Arbeit zur Verfügung stellen mußte, ohne dafür entlohnt zu werden. Auf diese Weise wurden nicht nur zahlreiche Produktivkräfte außerhalb geregelter Arbeitnehmerrechte, wie Organisations- und Streikrecht, beschäftigt. Die Verordnung zur Pflichtarbeit sah auch erstmalig den Entzug der Unterstützung bei Arbeitsverweigerung und Sabotage vor, was praktisch der Verurteilung zum Hungertod gleichkam. (…)

Im Gegensatz zur ‚unterstützenden Erwerbslosenfürsorge‘, die zur Sicherung des Existenzminimums beitragen sollte, war die Sicherung des Überlebens von nun an an die Verrichtung von Notstandsarbeiten gebunden. Auch hier stand weniger der ökonomische denn ein pädagogisch-disziplinierender Faktor im Vordergrund, wie aus dem folgenden Zitat aus der Begründung zum Entwurf der Änderungsbestimmungen von 1925 deutlich hervorgeht:

‚Vor allem aber ist die produktive Erwerbslosenfürsorge das beste Mittel, um die Verelendung des Erwerbslosen und den Verfall seiner Arbeitskraft und seines Arbeitswillens zu verhüten; sie wirkt heilend und vorbeugend. (…) Wenn Arbeitslosigkeit in dicht zusammendrängender Bevölkerung in größerem Umfange und mit längerer Dauer eintritt, sind Störungen der öffentlichen Ordnung zu befürchten, besonders dann, wenn unter gewissen bekannten Einwirkungen der Wille der Massen in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. (…) Notstandsarbeiten bilden eine Sicherheitsmaßnahme, deren Bedeutung nicht unterschätzt werden darf.'“

Von meinem Vater weiß ich, dass mein Großvater damals Kommunist gewesen sein soll. Leider wird sich nicht mehr feststellen lassen, um welche „Gegenaktionen“, die er im Tagebuch erwähnt, es sich handelte. Wenige Monate später hat er auf der Zeche Achenbach Arbeit als Bergmann gefunden.

Das erinnert mich doch sehr an heute – an Hartz IV und 1-Euro-Jobs.

Arbeitsbuch

Arbeitsbuch

Das so genannte „Arbeitsbuch“ meines Großvaters Hugo Schröder. Als mir das in die Hände fiel, wusste ich noch nicht, worum es eigentlich geht – Geschichtsunterricht live! Das Arbeitsbuch „war ein von staatlichen Stellen ausgestelltes Dokument, das einem Arbeitgeber [Kapitalisten] bei der Einstellung verpflichtend vorzulegen war. Ziel war es, die berufliche Mobilität von Arbeitnehmern [Arbeitern] zu kontrollieren und von der Zusage durch den früheren Arbeitgeber [Kapitalisten] abhängig zu machen. Damit sollte es Arbeitnehmern Arbeitern unmöglich gemacht werden, Lohnunterschiede zwischen Unternehmen oder Branchen mittels eines Firmenwechsels auszunutzen. Das Arbeitsbuch war somit ein Mittel, die Berufsfreiheit grundsätzlich einzuschränken, nach 1935 zudem ein Instrument der wirtschaftlichen Mobilmachung zur Vorbereitung des Vierjahresplans. In einigen Ländern wie Slowenien ist das Arbeitsbuch noch gebräuchlich und für jeden Arbeitnehmer gesetzlich vorgeschrieben. In der DDR wurde das Dokument teilweise bis 1967 geführt.“

Es wird gern vergessen, dass eines der wichtigsten Anliegen des Nationalsozialismus war, die Rechte des Proletariats abzuschaffen. Die NSDAP nannte sich „sozialistisch“, in Wahrheit war sie genau das Gegenteil – eine Partei, die den Interessen des Kapitals diente – mit Terror. Deswegen hat die deutsche Großindustrie die NSDAP auch teilweise finanziell gefördert.

Unbestreitbar ist, dass in den frühen dreißiger Jahren Unterstützungsgelder der Industrie an die NSDAP flossen. Spenden kamen außer von dem bekennenden Nationalsozialisten Thyssen auch von Fritz Springorum, Paul Silverberg, Kurt Schmitt und Friedrich Flick. Kollektiv kam Geld von der so genannten Ruhrlade, dem Verein für die bergbaulichen Interessen, dem Arbeitgeberverband für den Bezirk der Nordwestlichen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller sowie dem I.G.-Farben-Konzern. Allein Thyssen hat von 1930 bis 1933 etwa 400.000 Reichsmark der NSDAP zukommen lassen. Auch bei dem Erwerb und der Renovierung des Palais Barlow (Braunes Haus) in München war er beteiligt. Allerdings unterstützte Thyssen wie auch die übrigen Industriellen wenn möglich solche Nationalsozialisten wie Hermann Göring oder Walther Funk, die sie für gemäßigt hielten.

Die Quellenlage ist allerdings relativ dünn. Die Interessen des Kapitals waren damals genausowenig einheitlich wie heute. Deswegen halte ich die vulgärmarxistische These, „das Kapital“ habe die Nazis finanziert und damit an die Macht gebracht, für unsinnig.

Die überwiegende Mehrzahl der deutschen Industriellen unterstützte laut Turners Forschungen in der Endphase der Weimarer Republik nämlich nicht Hitler und die NSDAP, sondern Papen und die DNVP. An sie ging der ganz überwiegende Teil der politischen Spenden. (…) Erst nach der Machtübernahme kann von einer massiven finanziellen Unterstützung der NSDAP durch die Großindustrie gesprochen werden.

Es gibt jedoch ein relativ neues Buch von Karsten Heinz Schönbach zum Thema, das ich mir trotz den hohen Preises bestellt habe: Die deutschen Konzerne und der Nationalsozialismus 1926-1943.

Der Historiker Karsten Heinz Schönbach widerspricht wiederum in seiner 2015 veröffentlichten Dissertation der Auffassung, die Unterstützung der NSDAP durch die Großindustrie sei vor 1933 eher marginal gewesen. Nach Schönbach zeigten die Quellen, dass die NSDAP von Großindustrieellen von 1927/28 an erheblich unterstützt worden sei. Allerdings könne von einer vorwiegend NS-freundlichen Haltung der Großindustrie erst nach der Wahlniederlage der konservativen Rechten am 6. November 1932 die Rede sein.

Mit dem kleinen „Arbeitsbuch“ meines Großvaters könnte man ein ganzes Seminar an einer Universität bestreiten, und eine Schulstunde sowieso. Das „Gesetz über die Einführung eines Arbeitsbuches“ stammt vom 26.02.1935.

Mein Opa war damals Bergmann, zuerst auf der Zeche Margarete in Dortmund-Sölde, die 1926 stillgelegt wurde, dann auf Zeche Caroline in Holzwickede (wo ich geboren bin). Die Zeche wurde 1951 stillgelegt.

Stadtfeind, Pömpel et al

stadtfeind

Die Stadt hat mich wieder, und ich bin ihrer verworrenen Wunder voll. Das obige Gedicht habe ich in einer Art Poesiealbum meines Großvaters Hugo Schröder gefunden. Bauernsohn aus dem so genannten Warthegau, dann Bergmann im Ruhrgebiet, dann Kommunist, dann (leider) religiös geworden und Laienprediger. Das Zitat stammt vom Arbeiterdichter Karl Bröger, aus Flamme. Brögers Lebenslauf ist sehr interessant: Er war Sozialdemokrat, sogar im KZ, wurde aber von den Nazis vereinnahmt, obwohl er nichts mit ihnen zu tun hatte.

Ich frage mich, woher mein Opa dieses Gedicht kannte. Der Inhalt ist mit der Blut-und-Boden-Ideologie der Nazis kompatibel. „Stadtfeind“ passt sowohl zum Mainstream „Landlust“ aka Stadtflucht (die auch zur Weimarer Zeit bei kleinbürgerlichen Aussteigern beliebt war), aber auch zur Stadtfeindlichkeit Pol Pots und der „Roten Khmer“ in Kambodscha.

Das Doofe am Älterwerden ist eben, dass man erkennt: Alles ist schon mal dagewesen, nur das historische Kostüm ändert sich. Das macht es aber auch leichter, Dinge einzuordnen.

Liebe Freunde, ich habe immer noch Urlaub, aber so viel zu tun, dass ich gar nicht weiß, womit ich anfangen soll.

[x] Neues Smartphone einrichten und synchronisieren
[ ] Geld von der Bank holen asap
[ ] Fahrrad zur Reparatur bringen asap
[ ] Beleuchtung im Bad reparieren asap
[ ] Kaputte Dusche im Bad reparieren, Flex leihen, alte Duschwanne rausreißen, neue Duschwanne besorgen, neues Rohr und neuen Abfluss kaufen, mauern und erden, Silikon kaufen, alles abdichten asap
[ ] einkaufen asap
[ ] Eribon „Rückkehr nach Reims [x] lesen und [ ] besprechen
[ ] englische Wochenzeitung „The Voice of Gor“ in Secondlife schreiben
[ ] alle sechs Bücher über Spartacus [x] lesen und [ ] besprechen
[ ] Buch über Caesars De Bello Gallico [x] lesen und [ ] besprechen
[ ] Leere Flaschen wegbringen asap
[ ] Harald Haarmann Auf den Spuren der Indoeuropäer: Von den neolithischen Steppennomaden bis zu den frühen Hochkulturen weiterlesen (sehr interessant!)
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Schon wieder der Lünschermannsweg

großeltern

Meine Großeltern Elise Marie Schröder, geb. Klang, genannt Lieschen (1906-1976) und Hugo Schröder (1902-1992) sowie mein Vater. Das Foto wurde vor 1939 in Holzwickede auf der damaligen Hengser Straße (heute: Hauptstraße) aufgenommen; hinten rechts sieht man den Lünschermannsweg.

(Mal sehen, wann Burks‘ Blog bei der Sucheingabe Lünschermannsweg an erster Stelle angezeigt wird…)

Ururgrossirgendwas

stroewers

Meine Ururgroßeltern Wilhelm und Berta Ströwer 1915 in Dortmund-Sölde.

Ich habe mich auf einschlägigen Websites sachkundig gemacht, was Wilhelm auf der Brust trägt. Rechts ist die Zentenarmedaille, gestiftet 1897. Sie wurde laut Wikipedia „den preußischen Staats- und Hochschulbediensteten sowie sämtlichen Offizieren, Militärbeamten, Unteroffizieren und Mannschaften verliehen, welche an diesem Tag dem aktiven Heer und der Marine sowie den Schutztruppen angehörten; ebenso den noch lebenden Veteranen aus den Kriegen 1848/1849, 1864, 1866 und 1870/71.“

Da Dortmund damals schon zu Preußen gehörte, vermute ich, dass mein Ururgroßvater, von dem ich sonst nichts weiß, im Staatsdienst war oder am deutsch-französischen Krieg 1870/71 teilgenommen hat.

Ich habe gerade die Nachfahren der Stöwers gefunden und den Kontakt aufgenommen. Leider sind wir keine Indianer, sonst hätten wir ein Wort für einen Verwandschaftsgrad, den ich nicht beschreiben kann: Gemeinsame Ur- und Ururgroßeltern bedeutet, dass wir Urgroßvettern sind? Oder ist „Vetter“ einfach nur ein Pars pro toto für alles, für das es keine Begriffe mehr gibt?

Mitten im Wald, revisited

elsendorf

Nein, ich habe keine Lust, etwas über den völkerrechtswidrigen Angriff der Türkei und Syrien zu schreiben. Oder über das Verbot von Kleidungsstücken.

Das Foto oben habe ich 1982 ungefähr hier gemacht. Ich kam von Dąbrowa Wielka (früher: Elsendorf) und bin den Waldweg nach Norden bis nach Dąbrowa Mała (früher: Mittenwalde) marschiert. Alle meine Vorfahren der patriarchalen Linien stammen aus Elsendorf und Mittenwalde.

Heute weiß ich, dass ich 1982 den Hof meines Urgroßvaters an der falschen Stelle gesucht habe, zu weit nördlich. Die obige Weggabelung war schon ziemlich nahe dran. Mein Vater, der letzte Augenzeuge, hat sich neulich daran erinnert, dass er 1943 von Elsendorf östlich gegangen sei, und dann habe man links abbiegen müssen. Man hab aber vom Hof aus die Felder im Süden sehen können. Der Hof muss also in diesem Gebiet gelegen haben.

Ich werde bei Gelegenheit mal nach alten Generalstabskarten suchen, ob man dort Gebäude erkennen kann. Welchen Maßstab müsste die denn mindestens haben?

Update: Oh, ich habe schon eine Karte gefunden, die nah dran ist…. Ich vermute, es ist das Gebäude links über dem großen „E“ vom rechten Elsendorf, rechts neben der „78“. Oder ich liege ganz falsch… muss noch mal fragen. „Südwestlich von Krossen“ (Chrosna) könnte auch dort sein, wo man das „browo“ von Dombrowo liest…

Die wilden Sechziger

friedrich Schröder

06.10.1967 – 80-ster Geburtstag meines Großonkels Friedrich Schröder (1887-1972, der Bruder meines Großvaters Hugo), da bin ich 14 und sehe doof aus.

Nur ein Bauernhof

bauernhof

Der Hof meiner Urgroßeltern Emilie Kukuk und Gustav Schröder in Mittenwalde in Westpreußen (heute Dąbrowa Mała, Polen), im Dezember 1943. Der Hof wurde 1943 angesteckt und brannte vollständig ab, meine Urgroßmutter wurde dabei so schwer verletzt, dass sie wenig später starb.

Das Foto habe ich heute zum ersten Mal gesehen, ich bekam es von einer Urenkelin der beiden, die ich bisher gar nicht kannte. (Manchmal ist Facebook für etwas gut).

Roots oder: Arbeiter und Bauern [Update]

familie schröder

Das Foto zeigt meinen Urgroßvater Gustav Reinhold Schröder, Bauer in Westpreußen (1859-1943, 4. von rechts), meine Urgroßmutter Anna Emilie geb. Kukuk, Bäuerin, (1864-1943) und ihre Kinder.

Leider weiß ich nicht, welche Namen der anderen zu welchem Gesicht gehören – zwei Personen kann ich gar nicht identifizieren.

Die Namen, die mir bekannt sind: Alma Schröder (1883-1973), Selma Schröder (1945 auf der Flucht aus Westpreußen umgekommen), Friedrich Schröder (1887-1972), Willy Schröder (1889, Todesjahr unbekannt, Lokführer in Altenburg/Thüringen), Minna Schröder, Walter Schröder, Sattler (1893-1978), Kurt Schröder (1895-1918, gefallen als Soldat im 1. Weltkrieg), Hugo Schröder (1902-1992), Helmut Schröder (1897-1942: wurde als Kind von einem Blitzschlag so erschreckt, dass er einen schwere Behinderung, wahrscheinlich eine Art Epilepsie, zurückbehielt, wurde von den Nazis im Zuge des Euthanasie-Programms in einer Anstalt in Westpreußen ermordet).

Das Foto wurde vermutlich Anfang des 20. Jahrhunderts gemacht. Wenn die Frau mit dem Baby meine Urgroßmutter ist, dann ist das Baby mein Großvater Hugo, der ein „Nachkömmling“ (geb. 1902) war. Und die alte Frau ist dann meine Ururgroßmutter Caroline Schmidt (die Mutter meiner Urgroßmutter), Leibgedingerin, die 1916 starb. Das Todesjahr meines meines Ururgroßvaters Gottlieb II Kukuk (gab. 1824), Bauer, ist unbekannt, es muss aber dann vor 1902 gewesen sein.

Ich muss zugeben, dass ich nicht richtig wusste, was eine Leibgedingerin ist. In der Mailingliste „Posen“ steht: „Mostly it was a contract between farm-owner and somebody else (f.e. family). The owner delivers the property (here the farm) and is with this contract sure, he will not die from hunger…“ Es meint also die Garantien (Unterhaltsverpflichtung) gegenüber den alten Bauern, die den Hof an die Nachommmen abgaben, noch mit Naturalien versorgt zu werden. Bekannter ist der Begriff Altenteil.

Rechnen und Raumlehre

Zeugnis

Das Abschlusszeugnis (1915) meines Großvaters (Vater meines Vaters) Hugo Reinhold Schröder, Bergmann, geb. 07.01.1902 in Mittenwalde (Klein Dombrowo, nördlich von Elsendorf im Kreis Thorn), gest. 26.4.1992 in Unna.

Ich habe 1982, als ich durch Polen und das ehemalige Westpreußen gewandert bin, das Gebäude der ehemalien Volksschule von Mittenwalde fotografiert, ich finde es nur gerade nicht.

Ich musste überlegen: Was ist denn der Unterschied zwischen „Rechnen“ und „Raumlehre“ und warum gab es getrennte Zensuren dafür?

Mitten im Walde (gefühlt)

Torun

Mein Zelt steht neben einem Bauernhof in Dąbrowa Mała (województwo wielkopolskie), Polen, dem ehemalen Klein Dombrowo oder Mittenwalde, dem Geburtsort meine Urgroßvaters. (Historische Karte, ca. 1920) Nicht weit davon war auch der Hof meiner Urgoßeltern (dazu später mehr). Das Foto habe ich 1982 gemacht.

Meine Urgrosseltern Anna Emilie Kukuk und Gustav Reinhold Schröder

Urgrosseltern

Meine Urgroßmutter Anna Emilie Kukuk, Bäuerin (geb. 22.5.1864 in Elsendorf, Westpreußen heute Dąbrowa Wielka, Polen) und mein Urgroßvater Gustav Reinhold Schröder, Bauer (geb. 14.5.1859 in Mittenwalde, heute Dąbrowa Mała, Polen) bei ihrer Diamantenen Hochzeit am 11.12.1942. Mein Urgroßvater war damals 84, meine Urgroßmutter fünf Jahre jünger.

Die evangelische Kirche, in der Taufen und Trauungen vorgenommen wurden, stand in Dambrowa Wielka (Elsendorf). Wie der Registerauszug vom Standesamt Kirschgrund (Leszyce) zeigt, waren die Familien in Mittenwalde schon lange ansässig und alle untereinander verheiratet. In Krossen (Chrosna) ist mein Großvater Hugo auf die Dorfschule gegangen. Der Hof meiner Urgroßeltern ist 1943 abgebrannt. Allgemein wurde angenommen, der polnische Knecht habe den Hof angesteckt, weil er anschließend verschwunden blieb. Meine Urgroßmutter Emilie erlitt schwerste Verbrennungen, als sie versuchte, ein Kind aus den Flammen zu retten. Sie ist nur wenige Wochen später gestorben. Mein Urgroßvater, der noch ein Jahr vor seinem Tod „mit der Sense das Feld vor dem Großknecht mähnte“, wie mein Großvater mir erzählte, starb kurz darauf „an gebrochenem Herzen“.

Mensch, Oppa!

Hugo Schröder

Das hätte mir mein Großvater Hugo (geb. 07.01.1902 in Mittenwalde – Klein Dombrowo, heute Dabrowa Mala -, gest. 26.4.1992 in Unna) erzählen können… Wieso muss ich das erst jetzt erfahren, kurz vor seinem zwanzigsten Todesdatum?

Mein Vater erzählte mir gestern, dass sein Vater – also mein Großvater – „bei den Kommunisten“ gewesen sei, kurz nachdem er aus Westpreußen nach Holzwickede im Ruhrgebiet gekommen sei. Ich war schon immer stolz darauf, aus einer waschechten Arbeiter- und Bauernfamilie zu stammen. Der Komperativ von „Arbeiter“ ist natürlich „Bergmann“, und nicht nur beide Großväter waren Bergmann, sondern auch mein Vater. (Es ist auch kein Zufall, dass die „Helden“ meines historischen Romans „Die Konquistadoren“ ebenfalls Bergleute sind.)

Mein Großvater mütterlicherseits war ohnehin als Nazi-Gegner bekannt, der im kleinen Kreis Adolf Hitler mit Begriffen wie „Arschloch“ titulierte. Aber dass mein anderer Großvater ähnlich dachte, bevor er dann Laienprediger in einer christlichen Sekte wurde, erklärt meine politischen Gene natürlich irgendwie. Aber ich habe ihn leider auch nie gefragt.

Das Foto zeigt meinen Opa (im Ruhrpott sagte man „Oppa“) Hugo Mitte der sechziger Jahre in Mittelberg im Kleinen Walsertal.

Holzwickede: Waldesrauschen (3)

Holzwickede

Ungeachtet der Weltläufte und was es dort zu berichten und zu bloggen sei, widme ich mich dem deutschen Wald, konkret dem Hixterwald aka Sölder Holz.

Der Deutsche an sich hat zum Wald an sich ein besonderes Verhältnis, die meisten Märchen und Mythen spielen dort. Das liegt vermutlich daran, dass Deutschland noch im Mittelalter größtenteils von Wald bedeckt war und alle Geächteten, Outsider, Räuber (bei Schiller auch „Libertiner“ genannt) oder auch nur arme Leute, die sich vor irgendeiner marodierenden Soldateska verstecken mussten, dorthin flohen oder schlicht dort zu überleben versuchten. Der verirrte Wanderer, der im nächtlichen Wald das Licht eines Hauses sieht, ist ein fester Bestandteil vieler Erzählungen. Der Eisenhans („der Wald als märchentypischerm Sitz des Magischen“) war immer mein Lieblingsmärchen, und nicht zufällig ist mein liebster Aufenthaltsort der deutsche Wald im Komparativ – der Dschungel.

Der Hixterwald liegt südwestlich von Holzwickede (das Foto ist von Norden aus aufgenommen worden – also hinten rechts.)

HolzwickedeHolzwickede

Mein Großvater ging mit mir oft zum Kellerkopfdenkmal also known as 130er Denkmal. Das liegt südwestlich vom Hixterwald. Da dieser früher aber viel ausgedehnter war, gehörte das kleine Waldstück sicher dazu.

Im Südwesten des Gemeindegebiets befindet sich das 130er Denkmal (auch Kellerkopfdenkmal). Am steilen Abhang des Kellerkopfes zum Ruhrtal hin wurde am 1. September 1929 das Regimentsdenkmal für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen des 1. Lothringisches Infanterie-Regiment Nr. 130 (im Volksmund „130er“) eingeweiht.
Gebaut wurde diese Gedenkstätte nach einem Entwurf des Berliner Bildhauers Fritz Richter-Elsner von 1926 bis 1929 im Geiste der damaligen Zeit zu Ehren und zur Erinnerung an die gefallenen Soldaten des Regiments, unter denen sich viele einheimische Soldaten befanden. Initiator und Stifter des Denkmals war der 130er Soldatenverein, gebildet aus den überlebenden Angehörigen des Regiments.
Der Kellerkopf war für lange Zeit Ausflugsziel und Naherholungsgebiet. Heute findet lediglich zu Pfingsten eine größere Anzahl an Menschen zum Kellerkopf, denn seit 1979 feiert der Förderverein zur Erhaltung und Pflege des Kellerkopfdenkmals jeden Pfingstsonntag dort ein Friedensfest.

Die einheimische Jugend hat ein ganz eigenes Verhältnis zu derartigen Denkmälern, was ich (als ehemaliger Kriegsdienstverweigerer) schmunzelnd zur Kenntnis nehme.

Übrigens: Der Ausblick in das Ruhrtal ist zwar atemberaubend schön, aber wohnen möchte ich auf dem Kellerkopf nicht, da die nahe Autobahn ständig zu hören ist.

HolzwickedeHolzwickede

Und nun zum Hixterwald und dazu, dass Wikipedia teilweise auf Agitprop hereinfällt. Der Wald war in der frühen Neuzeit das Kohlerevier der Gegend. Die Zeugnisse der Bergbaus findet man überall: „Pingen, Transportwege und Schachtreste der Zeche Schwarze Adler.“ Die Zeche im Wald wurde kurz vor der deutschen Revolution im 19. Jahrhundert geschlossen.

HolzwickedeHolzwickedeHolzwickede

Guckst du aber hier, Holzwickeder:

Am Emscherquellhof entsprang während der Bergbautätigkeit die Emscher. Durch den Bergbau im Hixterwald versiegte die ursprünglich dort entspringende Emscher im 19. Jahrhundert und kam hier am Emscherquellhof wieder zu Tage. Heute entspringt die Emscher wieder im Hixterwald.

Quod erat demonstrandum. Die Emscher entspringt mitnichten „südöstlich von Dortmund bei Holzwickede (Kreis Unna) am Haarstrang auf etwa 147 m ü. NN in einem Quellteich“, sondern, wie man verschämt zugibt: „Genau genommen existieren mehrere kleinere Rinnsale, aus denen die Emscher entspringt, die in besagten Quellteich münden“. Die Emscher entspringt im Hixterwald (auf dem 2. Foto von unten ist sie klar zu sehen). Der so genannte Quellteich im Emscherhof ist nur Agitprop, mit der man Besucher dorthinlocken will, also eine Art Holzwickeder Disneyland, inklusive einer Aussichtsplattform auf einen Tümpel, den man uns als Emscherquelle verkaufen will.

Der Selbach im Osten des Hixterwalds (3. Bild von unten) fliesst übrigens nach Norden in die Emscher, die in Holzwickede einen Bogen nach Westen macht, aber die Ureinwohner von Sölde (meine Tante gehört dazu, die habe ich gestern gefragt), nennen den Selbach auch „Emscher“.

Die Emscher liegt östlich der Lichtung, die ich ganz unten fotografiert habe und auf der ich schon vor einem halben Jahrhundert mit meinem Opa gestanden habe, der Selbach westlich davon.

Holzwickede

Holzwickede

Das sind mein Vater und seine Schwester (meine Tante) ungefähr hier in Holzwickede (fotografiert in Richtung Südosten). Wann genau das Foto gemacht worden ist, weiß ich nicht, jedenfalls zwischen 1945 und 1952.

Ich werde jetzt eine Woche in Unna und Holzwickede sein und meine Kindheit erwandern. Mehr in den nächsten Tagen auf burks.de oder hier oder hier. (Ja, ich habe dort Internet!)

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