Rio Escondido, revisited

rio escondido

Auf dem Rio Escondido von Bluefields an der Miskitoküste Nicaraguas nach El Rama im Landesinneren. Fotografiert Anfang Dezember 1981.

Die Pointe: Nach dem Sieg der sandinistischen Revolution am 19.07.1979 sollte alles „modern“ werden. Modern hieß: Starke Dieselmotoren. Die Boote, die dann – so modern – bestückt worden waren, machten aber auf dem Rio Escondido so hohe Wellen, dass die hart am Wasser gebauten Holzhäuser unterspült wurden und reihenweise in den Fluss fielen – Kollateralschaden des Fortschritts.

Vgl. Rio Escondido (04.09.2022) sowie „Die Küste der Miskito, revisited oder: The atmosphere is relaxed, revisited“ (07.09.2012, unterstes Foto)

Rio Escondido

rio escondido

Auf dem Rio Escondido von Bluefields an der Miskitoküste Nicaraguas nach El Rama im Landesinneren. Fotografiert Anfang Dezember 1981.

Esst mehr Fleisch!

bluefields

Eine Fleischerei in Bluefields, einer ehemaligen Piraten-Siedlung an der Miskitoküste Nicaraguas, fotografiert im November 1981 (mehr über Bluefields).

Aus meinem Reisetagebuch (folgt nach Prinzapoka, revisited, das immer noch ein elendes Nest ist, was aber wertfrei gemeint ist):
Die Miskito, erzählen sie [das sandinistische Ehepaar, bei dem wir in Prinzapolka waren], möchten am liebsten, dass alle Kreolen nach Afrika und die Weißen nach Managua transportiert werden. Außerdem warten sie auf einen „König“, der sie befreien kommt. Sie [das Ehepaar] scheinen nicht viel von ihnen zu halten.

Die Rama leben auf der Bahia von Bluefields, Die Sumu [Mayangna] mehr im Landesinneren, mischen sich aber nicht. Die Miskito im Inneren haben auch geschrien: Amis raus!, aber jetzt mögen sie englischsprachige Leute (und unterscheiden vermutlich nicht zwischen Gringos und Engländern). (…)

[Bluefields] …insgesamt enttäuschend. Bemerkenswert: Das Chaos auf den Märkten, obwohl zu merken ist, dass doe Sandinistas hier völlig aufgesetzt sind.

Literarisches Fernweh

san andres

Die Insel San Andrés, Kolumbien (kein deutscher Wikipedia-Eintrag?), liegt auf der Höhe der Küste Nicaraguas, noch nördlich von Bluefields, und war 1979, als ich das Foto gemacht habe, ein verschlafenes Eiland, auf dem nur einige reiche Kolumbianer Urlaub machten. Der 4. November 1979 war mein erster Abend in Südamerika. Ich war von Tegucigalpa, Honduras, nach San Andres geflogen.

Ich lese gerade ein paar Bücher gleichzeitig. Einige lege ich wieder weg, weil sie mir nicht gefallen, andere sind überraschend gut. Weggelegt habe ich nach rund 50 Seiten Christian Baron: „Schön ist die Nacht“. Barons andere Bücher gefielen mir wesentlich besser. Man muss Baron zugute halten, dass er eine Zeit und Personen beschreibt, die in der deutschen Literatur nicht wirklich vorkommen, weil das Proletariat in der herrschenden Meinung nicht existiert, schon gar nicht als Klasse. Ein Mann seiner Klasse, der Kaiserslautern zu einem literarischen Ort machte, war aber eher eine Reportage. Das neueste Werk versucht sich daran, aber die Aufgabe, die Sprache der so genannten „Unterschicht“ zu spiegeln, gelingt Baron nicht. Mira, zahn Jahre jung, war scheu wie ein Reh, aber schlau wie eine Füchsin. Und Juliane, die Kleinste (…) war mit ihren sieben Jahren frech wie ein Marder und im Kopf flink wie ein Wiesel. Ich kenne bessere Vergleiche. Daher schwankt der Stil zwischen der direkten Rede, die „prollig“ sein und auch noch irgendwie den Pfälzer Dialekt wiedergeben soll, und der Geschichte, die nur dort Atmosphäre erzeugt, wenn es um Dinge geht, die der Autor offenbar aus seiner Jugend gut kennt, wie etwa eine Eckkneipe. Das Buch ist viel besser als alle anderen Romane aus Deutschland, die zur Zeit auf dem Markt sind, aber ich kenne das Milieu aus eigener Erfahrung, nur eben in der Ruhrpott-Version. Ich reisst mich nicht vom Hocker; lieber widme ich mich den zahllosen ungelesenen Sachbüchern, die hier herumliegen.

Das erste, was mir in die Finger geriet, war Christian Y. Schmidts Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu. Ein ganz großartiger „Reiseführer“, bei dem ich fast in jeder Zeile schmunzeln, oft schallend lachen muss. Ein Rezensent schrieb ganz richtig: Ein Buch, „das bestens neben den Werken von witzigen Reisebuchautoren wie Bill Bryson oder Douglas Adams bestehen kann“. Ich habe Lust bekommen, nach China zu reisen. Aber wann? Und wie lange? Und ich kann auch nur wenige Wort Mandarin.

Als ich darüber sinnierte, fiel mir auf, dass fast alle meine Reisen und Interessen von irgendwelchen Büchern beeinflusst wurden, die ich schon als Kind und Junge gelesen habe.

Konquistadoren
Illustration aus „Mit den Konquistadoren ins Goldland“

Ich schrieb 1997 bzw. 2020: Hans Hauser ist eine literarische Figur, die zum Glück und zu Recht vergessen worden ist. „Mit den Konquistadoren ins Goldland“ hieß das Buch, erschienen im Jahr 1958 in Stuttgart, von einem ebenso vergessenen Autor: Blonde deutsche Männer sorgen in fremden Landen für Ordnung, bekehren heidnische wilde Indianer und erleben prächtige Abenteuer. Der Held ist frei erfunden, nicht jedoch die Nebenfiguren: der leutselige Ambrosius Dalfinger, der tapfere Georg Hohermuth von Speyer, der stolze Philipp von Hutten und der finstere Nikolaus Federmann, Gründer von Bogota.

„Was so durch kindliche Eindrücke, was durch Zufälligkeiten der Lebensverhältnisse in uns erweckt wird, nimmt später eine ernstere Richtung an, wird oft ein Motiv wissenschaftlicher Arbeiten, weiterführender Unternehmungen.“ Das schreibt Alexander von Humboldt über das Motiv seiner Reise.

Bei mir kamen für meine Südamerika-Affinität Am Rio de la Plata und In den Cordilleren dazu, Bücher, die ich beide verschlungen habe, sogar mehrfach, später noch Das Vermächtnis des Inka.

reisen humboldts
Reiseweg Alexander von Humboldts nach Südamerika, Mexiko und Kuba, aus: Alexander von Humboldt: „Südamerikanische Reise“. Das Buch hat mich 1998 durch Venezuela begleitet.

Im nächsten Jahr will ich unbedingt nach Israel. Ich habe, als ich 13 oder 14 war, Leon Uris‘ Roman Exodus gelesen. Das Buch hat mich zutiefst beeindruckt und bis heute gefesselt. Mein Israel-Bild hat sich seitdem auch nicht viel geändert. Man sollte auch es allen Arabern zwangsweise zum Lesen verordnen. Heute gehören natürlich Hatufim und Fauda zum Bildungscanon.

Es könnte also so kommen: 2023 Israel, 2024 China, 2025… eigentlich ist es überall interessant. Der Urwald Kolumbiens ist immer empfehlenswert, aber ich müsste vorher dann noch Schießen und Krav Maga üben. Und letzteres hat mir mein Chirurg verboten.

anden peru
Leider bin ich mir nicht ganz sicher, wo ich diese Foto der Abenddämmerung in den peruansichen Anden gemacht habe. Ich tippe auf Winay Wayna, einen Tagesmarsch vor Machu Picchu. Ich war da zwei Mal, aber der Bergkamm sieht irgendwie anders aus.

Prinzapolka, revisited

prinzapolka

Ein Nachtrag zu meinem Posting vom 16.01.2011:
Eine von der Brandung unterspülte Baumwurzel an einem einsamen Strand an der Atlantiküste Nicaraguas in der Nähe von Prinzapolka. (Das Haus direkt am Stand scheint es nicht mehr zu geben.)

Miskito Coast, Nicaragua, 03.12.1981. Tropische Nächte auf einem kleinen Schiff, lauer Wind und kitschige Sonnenuntergänge. Die Küste ist noch in Sicht, am zweiten Tag verschwindet sie am Horizont. Nach Süden, nach Bluefields, dem ehemaligen Schmugglernest, das schon oft durch Hurrikane verwüstet wurde. Wie so oft bereitet uns der capitán des Schiffes eine Überraschung. Wir legen in Prinzapolka an, einem Küstendorf, besiedelt von Miskito, die alle zu den protestantischen Herrnhuter Brüdern gehören. Uns bleiben nur wenige Stunden. In einem komfortablen Haus am Strand wohnt ein junges Ehepaar, beide überzeugte Anhänger der Sandinistischen Bewegung und offenbar deshalb sozial isoliert. Sie freuen sich riesig über die Fremden und zeigen uns voller Stolz ihre Bibliothek, die fast ausschliesslich aus Reader’s Digest-Bänden besteht.

Was mag aus den beiden netten Sandinistas geworden sein? Haben die Contras sie umgebracht? Sind sie ins Landesinnere geflohen? Haben die Miskito sie vertrieben? Ich werde es nie erfahren…

Die Küste der Miskito, revisited oder: The atmosphere is relaxed, revisited

Dieser Text erschien erschien hier schon einmal am 05.02.2011, also vor rund einem Jahrzehnt. Wer ihn schon kennt, wird mit mir seufzen: Kinder, wie die Zeit vergeht!

LeimusBilwiBilwiBurksLeimusCorn islandBluefieldsBluefieldsBluefieldsBluefieldsBluefieldsBluefieldsRio Escondido

Über meinem Grenzübertritt von Honduras nach Nicaragua, von Puerto Lempira („In the 1980s, the town became a center for CIA operations against the Sandinistas“) an der Atlantiküste über Leimus und Waspam nach Puerto Cabezas, auch bekannt als Bilwi, habe ich schon hier hier geschrieben – 05.02.2011: „Die Küste der Miskito.. (…).

Das obere Bild zeigt den Rio Coco, der die Grenze zwischen Honduras und Nicaragua bildet, auf der anderen Seite der winzige Ort Leimus in Nicaragua, der damals voll mit bis an die Zähne bewaffenen sandinistischen Guerillas war, die uns nach einigem Hin und Her freundlicherweise mit einem Militärjeep bis nach Puerto Cabzeas fuhren.

Das Schiff von Puerto Cabezas tuckerte zunächst nach Corn Islands, in spanisch: Islas del Maiz. Der gestürzte Diktator Somoza hatte angeblich geplant, sich dorthin zurückzuziehen. Die kolumbianische Insel San Andres (da war ich 1979) liegt nicht weit, und der Drogenhandel blühte schon damals. Auf der Insel gibt es nichts von Belang, auch keinen Mais. Aus meinem Reisetagebuch: „Ein verdreckte Unterkunft, Hotel Playa, ein winziges Zimmer über einem laden. Im Hinterhof backen sie Brot aus Kokosnüssen, zwei riesige schwarze Öfen qualmen vor sich hin. Ein Affe, ein Esel, jede Menge Hühner und Hunde. Vorn auf der Strasse hackt jemand Fleisch auf einem Holzklotz, die Köter geifern herum. In Sichtweite des Strands zahlreiche Schiffswracks. Das Innere der Insel besteht nur aus Dschungel. Ein paar Soldaten dösen in Hängematten. Sand mit Steinen, Steine mit Sand. Ein Schiff fährt uns vor der Nase weg. Wer weiß, was die transportieren und von dem wir Ausländer nichts wissen sollen….“
Nicaragua
Endlich: die bei Globetrottern in der Karibik berühmte Moravier-Kirche von Bluefields. Der Ort ist ein Dorf, aber wuselig. Nach wenigen Tagen nehmen wir ein weiteres Schiff, das den Fluss bis fast zum grossen Binnensee aufwärts fährt. Hier soll einmal eine Alternative zum Panama-Kanal gebaut werden. Das Schiff ist hier das wesentliche Transportmittel, aber oft so überfüllt, dass kaum noch ein Kind darauf Platz findet. Nach einem Tag anstrengender Reise erreichen wir die Hauptstadt Managua.

Bluefields, Corn Island and the Caribbean Coast:

Nicaragua’s eastern tropical lowlands, adjacent to and including the Caribbean, are very different from the rest of the country geographically, ecologically and culturally. The area is in reality, a world unto itself. Much of the area is uninhabited and covered with dense tropical rain forest. The most populous area is on the coast. The two largest towns are Blufields and Puerto Cabezas.

The inhabitants of the area are mostly English-speaking. Also along the coast are Indians from the Miskito, Rama and Sumu tribes. The atmosphere is relaxed. The easy tropical living and culture of the Caribbean is the norm.

Bluefields, and much of the Caribbean was hit by the 200-mile an hour winds of Hurricane Joan in October, 1998. Today, the architecture of Bluefields reflects its racial mixture and its colorful past… a mixture of British colonial, west Indian cottages and Louisiana-style plantations.

Die anderen Fotos von oben nach unten: Ein tropisches Gewitter zieht über Puerto Cabezas auf. Ein Miskito-Mädchen. ;eine Wenigkeit, schon auf dem Schiff nach Süden. Die Küste bei Punta Perlas. Ein Fischer auf Corn Island, aka Islas del Maiz. Der Hafen und die Moravier-Kirche in Bluefields. Eine ethnologische Studie: Ein „Kreole“ (links), der Mann im dunkelblauen Shirt ist ein Rama, vor ihm ein Sumu, die Frau, die mich so grimmig anschaut (und anschließend anschnauzte), ist eine Miskito. Frau mit Lockenwicklern vor einem Propaganda-Schild der Innica in Miskito. Straßenszenen in Bluefields. Das unterste Bild zeig ein hoffnungslos überfülltes Schiff auf dem Rio Escondido in Süd-Nicaragua.

Frohe Festtage!

san Adres

Ich wünsche allen wohlwollenden Leserinnen und geneigten Lesern frohe Festtage – und bleibt gesund! (Einen anderen Weihnachtsbaum hatte ich leider nicht.)

Die Insel San Andrés, Kolumbien, liegt auf der Höhe der Küste Nicaraguas, noch nördlich von Bluefields, und war 1979, als ich das Foto gemacht habe, ein verschlafenes Eiland, auf dem nur einige reiche Kolumbianer Urlaub machten. Ich war auch zum Baden auf dem Inselchen, das zwischen den Palmen zu sehen ist (Reprint von 2014).

El Bluff

el bluff

Auf dem Weg von den Islas del Maiz nach Bluefieds, Nicaragua 1980: El Bluff, Bluefields vorgelagert.

Puesta del Sol

san andres

Die Insel San Andrés, Kolumbien (kein deutscher Wikipedia-Eintrag?), liegt auf der Höhe der Küste Nicaraguas, noch nördlich von Bluefields, und war 1979, als ich das Foto gemacht habe, ein verschlafenes Eiland, auf dem nur einige reiche Kolumbianer Urlaub machten. Der 4. November 1979 war mein erster Abend in Südamerika. Ich war von Tegucigalpa, Honduras, nach San Andres geflogen.

San Andrés

san Adres

Die Insel San Andrés, Kolumbien (kein deutscher Wikipedia-Eintrag?), liegt auf der Höhe der Küste Nicaraguas, noch nördlich von Bluefields, und war 1979, als ich das Foto gemacht habe, ein verschlafenes Eiland, auf dem nur einige reiche Kolumbianer Urlaub machten. Ich war auch zum Baden auf dem Inselchen, das zwischen den Palmen zu sehen ist.

Das Foto poste ich hier völlig sinn-und zwecklos, die Zeitläufte ignorierend. Ich habe auch seit ca. drei Wochen den Fernseher auch nicht mehr eingeschaltet und vermisse nichts. Ich muss mir übrigens noch überlegen, ob man einen reaktionären Putsch gegen ein reaktionäres Regime „Revolution“ nenen sollte (falls sich jemand für die Ukraine interessiert).

Die Küste der Miskito, revisited oder: The atmosphere is relaxed

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Über meinem Grenzübertritt von Honduras nach Nicaragua, von Puerto Lempira (“ In the 1980s, the town became a center for CIA operations against the Sandinistas“) an der Atlantiküste über Leimus und Waspam nach Puerto Cabezas, auch bekannt als Bilwi, habe ich schon hier hier geschrieben – 05.02.2011: „Die Küste der Miskito“, im November 2003: „Im Land der Miskito“ und im Dezember 2003: „Die traurigen Mais-Inseln“. Heute nur ein Nachtrag.

Das obere Bild zeigt den Rio Coco, der die Grenze zwischen Honduras und Nicaragua bildet, auf der anderen Seite der winzige Ort Leimus in Nicaragua, der damals voll mit bis an die Zähne bewaffenen sandinistischen Guerillas war, die uns nach einigem Hin und Her freundlicherweise mit einem Militärjeep bis nach Puerto Cabzeas fuhren.

Das Schiff von Puerto Cabezas tuckerte zunächst nach Corn Island, in spanisch: Islas del Maiz. Der gestürzte Diktator Somoza hatte angeblich geplant, sich dorthin zurückzuziehen. Die kolumbianische Insel San Andres (da war ich 1979) liegt nicht weit, und der Drogenhandel blühte schon damals. Auf der Insel gibt es nichts von Belang, auch keinen Mais. Aus meinem Reisetagebuch: „Ein verdreckte Unterkunft, Hotel Playa, ein winziges Zimmer über einem laden. Im Hinterhof backen sie Brot aus Kokosnüssen, zwei riesige schwarze Öfen qualmen vor sich hin. Ein Affe, ein Esel, jede Menge Hühner und Hunde. Vorn auf der Strasse hackt jemand Fleisch auf einem Holzklotz, die Köter geifern herum. In Sichtweite des Strands zahlreiche Schiffswracks. Das Innere der Insel besteht nur aus Dschungel. Ein paar Soldaten dösen in Hängematten. Sand mit Steinen, Steine mit Sand. Ein Schiff fährt uns vor der Nase weg. Wer weiß, was die transportieren und von dem wir Ausländer nichts wissen sollen….“
Nicaragua
Endlich: die bei Globetrottern in der Karibik berühmte Moravier-Kirche von Bluefields. Der Ort ist ein Dorf, aber wuselig. Nach wenigen Tagen nehmen wir ein weiteres Schiff, das den Fluss bis fast zum grossen Binnensee aufwärts fährt. Hier soll einmal eine Alternative zum Panama-Kanal gebaut werden. Das Schiff ist hier das wesentliche Transportmittel, aber oft so überfüllt, dass kaum noch ein Kind darauf Platz findet. Nach einem Tag anstrengender Reise erreichen wir die Hauptstadt Managua.

Bluefields, Corn Island and the Caribbean Coast:

Nicaragua’s eastern tropical lowlands, adjacent to and including the Caribbean, are very different from the rest of the country geographically, ecologically and culturally. The area is in reality, a world unto itself. Much of the area is uninhabited and covered with dense tropical rain forest. The most populous area is on the coast. The two largest towns are Blufields and Puerto Cabezas.

The inhabitants of the area are mostly English-speaking. Also along the coast are Indians from the Miskito, Rama and Sumu tribes. The atmosphere is relaxed. The easy tropical living and culture of the Caribbean is the norm.

Bluefields, and much of the Caribbean was hit by the 200-mile an hour winds of Hurricane Joan in October, 1998. Today, the architecture of Bluefields reflects its racial mixture and its colorful past… a mixture of British colonial, west Indian cottages and Louisiana-style plantations.

Die anderen Fotos von oben nach unten: Ein tropisches Gewitter zieht über Puerto Cabezas auf. Ein Miskito-Mädchen. ;eine Wenigkeit, schon auf dem Schiff nach Süden. Die Küste bei Punta Perlas. Ein Fischer auf Corn Island, aka Islas del Maiz. Der Hafen und die Moravier-Kirche in Bluefields. Eine ethnologische Studie: Ein „Kreole“ (links), der Mann im dunkelblauen Shirt ist ein Rama, vor ihm ein Sumu, die Frau, die mich so grimmig anschaut (und anschließend anschnauzte), ist eine Miskito. Frau mit Lockenwicklern vor einem Propaganda-Schild der Innica in Miskito. Straßenszenen in Bluefields. Das unterste Bild zeig ein hoffnungslos überfülltes Schiff auf dem Rio Escondido in Süd-Nicaragua.

Die Küste der Miskito

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Bei einem Blick in einen meiner uralten Reisepässe stellte ich fest, dass ich 1981 in Nicaragua war, nicht 1982, also ein knappes Jahr nach dem Sieg der Revolution (das ist das Stichwort). Im November und im Dezember 2003 habe ich hier schon etwa dazu gebloggt – die ältere Generation des Stammpublikums kann jetzt also wegzappen.

…Nach einer Woche Schiffsreise erreichen wir den winzigen Hafen von Puerto Lempira (Bild oben) im Nordosten von Honduras. Der Ort liegt sozusagen am Gesäß der Welt (das gilt immer noch). Auf dem Dach unserer Hospedaje („Herberge“, 2.Bild) versammeln sich die Aasgeier. Eine rostige Tonne schmückt den Vorhof. Wir treiben uns in den wenigen Spelunken des Ortes herum. Endlich gute Musik: Radio Cayman sendet beschwingte karibische Rhythmen. Wir knüpfen Kontakt mit einem Chinesen, der mit allem und jedem handelt. Er will in den nächsten Tagen mit seinem Jeep nach Leimus in Nicaragua, was zufälligerweise auch genau unser Ziel ist.

Wir starten mitten in der Nacht. Die Strasse führt durch endlose Kiefernwälder und würde in Deutschland als Waldweg der unteren Kategorie durchgehen. Am Nachmittag erreichen wir den Rio Coco, den Grenzfluss zwischen Honduras und Nicaragua. Die Situation ist brenzlig. Noch vor wenigen Monaten (1981) gab es hier bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Sandinistas, der Armee aus Honduras, Miskito-Milizen und irgendwelchen Banden, die auf eigene Rechnung morden und plündern. Ein Mann der honduranischen Geheimpolizei (steht auf seinem T-Shirt, und er hat eine Pistole) taucht auf und fragt, ob wir eine Erlaubnis der Immigracion in Puerto Lempira hätten. Haben wir nicht, aber ich erzähle ihm was vom Pferd, und er lässt sich zum Glück beeindrucken.

Eine halbe Stunde sitzen (3. Bild) wir im Gebüsch und spähen über den Fluss. Der Chinese ist verschwunden, und wir warten, ob sich auf der anderen Seite etwas regt. Dann steigen drüben zwei Mädchen in einen Einbaum und paddeln zu uns herüber.

Endlich – wir sind in Nicaragua, im Jahr zwei der Revolution. Überall bis an die Zähne bewaffnete Männer und Frauen im Che-Guevara-Look. Es gibt ein oficina de imigration. Dort ist man uns nicht wohlgesonnen. Offenbar sehen wir wie Spione der USA aus, und die würden die Sandinistas vermutlich gleich standrechtlich erschiessen. Erst das Visum des Konsulats von Nicaragua in Deutschland (vgl. Foto) hellt die Mienen auf. Unsere Rucksäcke werden bis auf die letzte Wäscheklammer auseinandergenommen. Die Karte von Nicaragua erregt wieder Argwohn, so eine haben sie selbst nicht. Der comandante will sie konfiszieren, ich bitte um eine Quittung. Dann muss der Vorgesetzte entscheiden. Und am Schluss kriege ich sie doch zurück und schenke dem comandante eine Zigarre, die ich noch in Mexico gekauft hatte und die ohnehin schon ramponiert ist. Das bricht das Eis völlig. Wir werden sofort eingeladen zu einem comida international („internationales Essen“), das sich als Spaghetti mit Tomatensoße entpuppt, und sitzen am Tisch der jungen revolutionären Garde Nicaraguas. Niemand trennt sich von seiner Waffe. Es ist wie im Western. Wir plaudern ein paar Stunden über die allgemeine und besondere Weltlage. Was dazu führt, dass der comandante von Leimus uns einen Militärjeep samt Fahrer und Soldaten zu unserem Schutz zur Verfügung stellt, der uns bis zur Küste nach Puerto Cabezas bringt. In den Miskito-Dörfern halten wir an, aber die Leute machen einen verschüchterten Eindruck. Eine Frau lädt uns dann doch zum Tee ein. (vgl. die beiden Kinder oben)

Am Abend treffen wir in Puerto Cabezas ein. Zum ersten Mal sehe ich revolutionäre Propaganda in der Sprache der Miskito (Bild links unten). „Taski lulkapra“ heisst auf spanisch „no botas basura“ und auf deutsch: Keinen Müll herumwerfen. map

Puerto Cabezas alias Bragmar Bluff [hehe, es gibt keinen Treffer bei Google zu „Bragmar Bluff“!], la Mosquitia (Mosquito Küste), Nicaragua, 29.11.1981.

Hotel Costena, very basic. Drei Mahlzeiten, alle bestehen aus Reis, Bohnen, Fleisch, papas fritas. Zum Frühstück gibt es Würstchen. Über uns ein Bild von Arafat, Sandino und der Jungfrau Maria. Eine merkwürdige Dreieinigkeit. Oder die Absicht, sich mit keiner Weltanschauung anzulegen und es allen recht machen zu wollen. Aber es ist das Jahr zwei der Revolution. Niemand weiß, wie alles enden wird. Revolution à la Sandinismus in Mittelamerika heisst, wie überall, mehr Bürokratie: zwei Stunden Warten im oficina de imigracion. Umständlicher Geldumtausch in Begleitung eines bewaffneten Soldaten.

Der erste Abend an der Atlantikküste seit langem ohne Stress. Das heisst für mich immer: Chinesisch essen gehen, ganz gleich wo. Also auch in Puerto Cabezas. Es gibt einen Chinesen, neun Mark das Menü, also sündhaft teuer. Aber das Etablissement ist es wert: rund vier Dutzend bis an die Zähne bewaffnete Männer und Frauen. Überall lehnen Gewehre an der Wand. Der Che-Guevara-Look ist hier mainstream. Alle schauen uns an wie Marsmenschen. Dos gringos, und die Frau ist auch noch blond.

Chop suey mit Gemüse, da kann nichts schief gehen. Aber die Frage nach palitos (Stäbchen) erregt Aufsehen, als hätten wir den Wunsch geäussert, mit den Füssen essen zu wollen. Die Küchenmann- und frauschaft glotzt komplett herein, ein eifriger alter Chinese wieselt an uns vorbei, gestikuliert unterwürfig mit den Händen, huscht hinaus und kehrt nach fünf Minuten mit zwei Paar Stäbchen zurück und überreicht sie uns mit breitem Grinsen. Alle starren auf unsere Hände, als würden wir uns gleich gegenseitig erstechen wollen. Ein kosmopolitischer Flair weht durch den Raum, und alle Gäste amüsieren sich köstlich.passportDie Stadt – oder sollte man besser „Dorf“ sagen, ist voller Kirchen, die meisten aus Holz. Hier haben die mährischen Brüder missioniert. Die Miskito sind evangelisch, sprechen eben miskito, suma oder englisch. Die Gottesdienst sind auch in miskito und englisch. Und wenn katholische Revolutionäre über die Berge kommen und erklären, jetzt seien sie befreit, wissen sie nicht, was das soll.

Die Stimmung ist „konterrevolutionär“, trotz der gut gemeinten Alfabetisierungs- und anderer Kampagnen der Sandinistas. Am Sonntag stellt sich die träge karibische Lebensart ein, mit einer Spur der Melancholie, wenn es regnet. Die alten Leute versammeln sich zum Glücksspiel auf offener Strasse in dem Wissen, dass das verboten ist.

Die Menschen auf dem schmuddeligen Markt (vgl. Foto) sprechen ausnahmlos englisch und sind sehr freundlich. Ein riesiger Schwarzer warnt uns ständig vor den „Spionen der Kommunisten“. Der Markt ist für Autos und Betrunkene verboten. Man verkauft Schildkröten, auch am Strand . Ich bin mir nicht sicher, ob das nicht auch verboten ist: die Miskito-Küste ist bis hinauf nach Honduras zwar reich an den Tieren, die stehen aber vor der Ausrottung, wenn sie nicht geschützt werden.

Der Hafen ist traurig: Holzbohlen, ein verrosteter Schienenstrang, ein paar Güterwagen. Ein Schiff, das ähnlich aussieht wie die Schienen. Fotografieren verboten, warum auch immer. Wer will das kontrollieren? Es soll angeblich ein Schiff kommen, das die Küste nach Süden entlang schippert, bis nach Bluefields, unserem nächsten Reiseziel. Das geschieht auch, drei Tage später. Wir reden mit dem capitan. Er weiß nicht genau, wann er ablegen wird. Wir knüpfen die Hängematten auf und schlafen in der Tropennacht auf dem sanft schaukelnden Schiff. Schwere Regenwolken ziehen von Norden heran, als wollten sie uns forttreiben.

Das grosse Sonntagsrätsel aus Prinzapolka

prinzapolkaOtavalo

Was ist das auf dem obigen Bild? Ein Segelschiff der Primitivklasse? Gulliver auf dem Weg nach Brobdingnag? Ach nein, nur das Resultat meiner Langeweile: Ein Teil einer Kokusnussschale, zurechtgebastet zu einem Schiffchen von mir persönlich, das ein paar Minuten den Wellen trotzte, an einem einsamen Strand an der Atlantiküste Nicaraguas in der Nähe von Prinzapolka. (Ich glaube, dass die wenigen Häuser eher zu Puerto Isabel gehörten.)

Am 14.12.2003 bloggte ich:
Miskito Coast, Nicaragua, 03.12.1981. Tropische Nächte auf einem kleinen Schiff, lauer Wind und kitschige Sonnenuntergänge. Die Küste ist noch in Sicht, am zweiten Tag verschwindet sie am Horizont. Nach Süden, nach Bluefields, dem ehemaligen Schmugglernest, das schon oft durch Hurrikane verwüstet wurde. Wie so oft bereitet uns der capitan des Schiffes eine Überraschung. Wir legen in Prinzapolka an, einem Küstendorf, besiedelt von Miskito, die alle zu den protestantischen Herrnhuter Brüdern gehören. Uns bleiben nur wenige Stunden. In einem komfortablen Haus am Strand wohnt ein junges Ehepaar, beide überzeugte Anhänger der Sandinistischen Bewegung und offenbar deshalb sozial isoliert. Sie freuen sich riesig über die Fremden und zeigen uns voller Stolz ihre Bibliothek, die fast ausschliesslich aus Reader’s Digest-Bänden besteht.

Über Nicaragua kurz nach der Revolution demnächst mehr.