Tungurahua, finally

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Die letzten Fotos vom Aufstieg zum Vulkan Tungurahua ( 5,023 m) in Ecuador) in Ecuador. Startpunkt war Baños. Auf halber Höhe stand damals eine kleine Berghütte, in der wir übernachteten. Aus meinem Reisetagebuch, 12.12.1979ff.:

…um 8.15 Uhr Abmarsch. Nach 1/2 Stunde macht Paul (ein Belgier (ganz links), der eine Zeit lang mit uns reiste) schlapp und wir rödeln um [die Ausrüstung]. Nach 1/2 Stunde kommt ein kleiner Store, bei dem man sich Gebirgsausrüstung leihen kann (auch Esel).

Man erzählt uns, dass im November ein Kanadier im Krater verschwunden sei. Zur Hütte seien es 2 1/2 Stunden. Wir brauchen 7 1/2.

Die Flora ist unterhalb [der Baumgrenze] sehr schön: Grundbewuchs wie in der Heide, Krüppelkiefern mit Moosen und Flechten bewachsen, auf halbem Weg Bambuswäldchen.

Nach ein paar Stunden wollen die anderen nicht mehr, Gabi fängt an zu heulen. Den ganzen Weg [über] wird die Aussicht immer besser. Oben [auf der Schutzhütte] ist es fürchterlich kalt, die Hütte liegt auf 3.600 m. Zwei Deutsche und ein Frazose sind schon oben und bieten uns Schokolade an. Die Hütte ist recht klein, mit Kochgelegenheit aus Gasflaschen, unter dem Dach Schlafgelegenheit auf dem Fußboden. Der Kamin ist nicht anzukriegen. Wir sitzen eingemummt in Pullover und Schlafsäcke und erzählen. Nachts ist es kalt, weil im Dach ein Loch ist.

13.12. Morgens werden wir geweckt, weil kurz nach Sonnenaufgang Fernsicht auf alle Berge ist: Chimborazo (6.310 m), Altai (5.319 m) und noch einer, der nicht auf der Karte ist. Beide sind voller Schnee, davor 3-4.000 „Mittelgebirge“, das Tal liegt in den Wolken, die aber schnell heraufkommen. Sicht ca. 100-150 Kilometer bis zum Oriente [dem Dschungel Ecuadors].

Die anderen beginnen den Abstieg, W., Gabi und ich um 10 den Aufstieg zum Vulkan. Die Hütte liegt ziemlich dicht an der Baumgrenze, danach nur noch Geröll und Felsen, die wie eine Mondlandschaft wirken (schwarze und rote Gesteine). W. und Gabi beginnen sich zu streiten und zu prügeln, ich gehe allein weiter vor.

Bis zum Krater sind es genau fünf Stunden, aber teuflisch, weil man auf dem Geröll immer wieder abrutscht. Der Weg ist aber durch Fähnchen markiert, die teilweise abgeknickt sind. Sicht durch Wolkenschneise in Richtung Ambato, von rechts schieben sich Wolkenberge heran. Wind von beiden Seiten, eisig kalt und steil abfallende Hänge. [Wenn ich daran denke, dass ich Halbschuhe anhatte, wird mir heute noch schummrig.]

An der Schneegrenze steht ein Kreuz, an dem 1951 zwei Leute umgekommen sind. Die Wolken reißen zimelich weit oben plötzlich auf, und die Gipfelregion ist zu sehen, überhängende Gletscher – Wahnsinn! Kurz vor dem Krater muss ich Schneefelder überwinden. Ich rutsche auf dem Hosenboden zehn Meter den Hang runter und reiße mir die Hand auf.

Der Krater ist ca. 200 Meter breit/lang, ein Drittel ist nur begehbar, der Rest das zugeschneite Kraterloch. Am Rand steigen heiße Dämpfe aus dem Boden, überhaupt ist es oben [im Krater] windgeschützt und wärmer. Ein Zelt und ein Wasserkanister von einer Suchmannschaft liegen noch da. Der Krater liegt auf rund 5.000 m, und die Sicht ist ausgezeichnet. Außerdem gibt es ein fast unheimliches Echo. Nach einer halben Stunde erreichen die anderen beiden auch den Krater. Ich bleibe eine kurze Zeit oben und wir beginnen dann mit dem Abstieg.

Ich habe ziemliche Angst bei der Schneepartie, weil die Sache recht steil abfällt, alles voller Wolken bzw. Nebel ist und der Wind einen fast umwirft. Nach einer halben Stunde nur noch Geröll, und man rutscht wie auf Skiern hinunter, muss aber 20 Mal die Schuhe ausschütteln. Kommen völlig erschöpft kurz vor Sonnenuntergang an und verschütten wegen der zitternden Finger H.s [der in der Hütte geblieben war] heiße Brühe. Wir schlagen uns alles in den Bauch, was da ist [was wir mitgenommen hatten], und fallen ins „Bett“.

14.12. Die Nacht ist eisig kalt, selbst bei oben zugeschnürtem Rucksack. Bei Sonnenaufgang wieder schöne Sicht, aber die Täler sind voller Wolken. Ca. 200 Meter von der Hütte entfernt ist eine Quelle zum Waschen und zum Wasserschöpfen, aber so kalt, dass einem die Finger abfallen. Ebenso kalt ist das „Klo“, aber man gewöhnt sich an alles. Nach dem Fotografieren (leider vom Aufstieg zum Krater nur ein Foto, weil der [Dia]Film bei 38 [Fotos] schon alle ist) und Aufräumen Abstieg um 9.

Mein Kniegelenk streikt, und ich muss mit halb steifem Bein die ganze Strecke humpeln. Unterwegs treffen wir 1 Dänen und 1 Deutschen in Sandalen! Nach knapp vier Stunden total kaputt in Baños…

Vgl. „Ein Stock auf dem Tungurahua, Patella partita und drei Prozent“ (07.11.2022), „Verdammt lang her“ (08.11.2022), „Nicht vergnatzt, nur kalt“ (01.03.2012), „Tal vez el cóndor volará“ (13.10.2019), „Vulkanismus“ (17.08.2015), „Tungurahua, revisited“ (05.04.2014, „Aufstieg zum Tungurahua“- der Hauptartikel, (08.05.2011).




Ein Stock auf dem Tungurahua, Patella partita und drei Prozent

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Während die Weltläufte wie gewohnt vor sich hinblubbern, Kriege kriegen, Intrigen gesponnen werden, heiße Luft aus den Mäulern der Politiker entweicht, propere Mädels busenschüttelnd instagramen, aber eigentlich nichts passiert, muss ich noch kurz etwas zum ecuadorianischen Vulkan Tungurahua ergänzen, (5,023 m), den ich 1979 erklettert habe – und das im Gegensatz zu Alexander von Humboldt auch schaffte. Heute wird dringend davon abgeraten, da hochzusteigen, da der Tungurahua seit 1999 wieder aktiv und äußerst gefährlich ist.

Mir wird heute noch schummrig, wenn ich eines der Videos der diversen Eruptionen ansehe. Uns hatte niemand erzählt, dass es durchaus ein gewissen Risiko eines Ausbruchs gab. Wir haben auch niemanden gefragt. Aber Warnungen hätten mich, jung und naiv wie ich war, vermutlich nicht abgehalten.

Wir brauchten drei Tage: einen für den Aufstieg zur Hütte, die auf knapp 4000 Höhenmetern lag (natürlich ist sie weg). Am nächsten Tag bin ich allein zum Gipfel, weil die anderen drei zu erschöpft waren und lieber an der Hütte blieben. Aus mir heute unverständlichen Gründen hatte ich auch meine Kamera in der Hütte gelassen.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie es sich anfühlt, mit Halbschuhen (!) Lavafelder hinaufzusteigen, immer zwei Schritte vor zu klettern und mindestens einen wieder zurückzurutschen. Als der Boden wieder fester wurde, kamen dann der Gletscher und Schneefelder, was das Klettern auch nicht bequemer machte. Zwischendurch wurde es auch richtig steil und mir mulmig. Ich hatte weder Kletterausrüstung noch passende Kleidung dabei – aber der Himmel blieb strahlend blau. Gegen Mittag kam ich im Krater an, genoss die großartige Aussicht auf die anderen Vulkane, rastete ein wenig, nahm Gestein als Andenken mit und kletterte dann wieder die rund rund 1000 Höhenmeter hinunter. Das haut dann richtig in die Knie.

Ich weiß nicht mehr genau, wie lange ich gebraucht habe – ich bin am frühen Morgen los und kam am späten Nachmittag wieder an der Hütte an, wo die anderen schon sorgenvoll warteten. Da ist auch das Foto entstanden. Ich war fix und fertig. Ich habe da einen Stock in der Hand, den ich mir bei Erreichen der Baumgrenze zurechtgeschnitzt hatte. Mein rechtes Knie tat höllisch weh, und ich konnte kaum auftreten.

Warum? Ich habe von Geburt an eine Partella partita (hallo Harald!). Das ist keine Missbildung, sondern kommt eben mal vor. Eine Teilung der Kniescheibe (Patella) in mehrere Knochenelemente ist eine angeborene Fehlbildung der Kniescheibe, die bei einem bis drei Prozent aller Menschen vorkommt. Von einer geteilten Kniescheibe sind neunmal mehr Männer als Frauen betroffen. Ich bin also eine winzige Minderheit.

Es macht auch keinen Unterschied zu nicht gespaltenen Kniescheiben, aber bei langen und extremen Belastungen kann es in seltenen Fällen schmerzen. Ich hatte das nur auf dem Tungurahua und einmal beim Skifahren, aber nie beim Kampfsport. Man müsste dann einen Tag pausieren. Was macht man aber, wenn man auf einem Fünftausender ist und nicht einfach runterrutschen kann? Deshalb der Stock… Ich bin humpelnd hinab – Augen auf und durch.




Tungurahua, revisited

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Der Vulkan Tungurahua in Ecuador ist wieder ausgebrochen. Ich darf an mein Posting vom 08.05.2011 erinnern: „Aufstieg zum Tungurahua“. Ich hatte mir damals aus dem Krater ein „Souvenir“ mitgenommen.




Aufstieg zum Tungurahua

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Nur zwei Mal im Leben habe ich einen Fünftausender bestiegen, einer davon ist der Vulkan Tunguarahu (5,023 m) in Ecuador. Auf rund 3500 Meter Höhe stand damals eine kleine Berghütte, in der wir übernachteten – für den Auf- und Abstieg braucht man mindestens drei Tage.

Auf den Gipfel und in den damals noch erloschenen Krater bin ich allein gestiegen, mein Begleiter war zu erschöpft. Die Besteigung dieses Vulkans ist, was die Klettertechnik angeht, nicht sehr anspruchsvoll, jedoch waren die letzten 500 Meter Höhenunterschied qualvoll: Wenn der Boden aus Vulkanasche besteht, geht man zwei Schritte vorwärts und rutscht dann wieder einen Schritt zurück. Und auf knapp 5000 Meter Höhe wird die Luft schon mal knapp; zum Glück war ich damals ziemlich durchtrainiert.

Die Aussicht war natürlich grandios, kaum mit Worten zu beschreiben, auch die Vegetation an der Baumgrenze. Ringsum konnte ich die Gipfel einiger anderer Vulkane sehen, unter anderem den Chimborazo (6.267 m), den vom Erdmittelpunkt aus gesehen höchsten Berg der Welt, sowie den El Altar (5,319 m, Bild vorletzte Reihe).

Ich verrate den Namen des Ortes nicht, der dem Tungurahua am nächsten liegt. In meinen Internet-Seminaren stelle ich immer die Frage: „Der Vulkan Tungurahua ist ausgebrochen. Finden Sie in fünf Minuten die Telefonnummer eines Interview-Partners in dem Ort, der dem Vulkan am nächsten liegt!”

Wenn ich gewusst hätte, dass der Tungurahua einige Jahre später ausbrechen würde, wäre mir, als ich im Krater stand, ganz schön mulmig geworden. Auch damals wurden mir schon die Schuhsohlen heiß. Heute kann man ihn vermutlich nicht mehr bestiegen – zu gefährlich.




Cheerleader ohne Asche

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Baños aka Baños de Agua Santa, Ecuador, fotografiert am 16.12.1979.

Ich wohne damals laut meinem Reisetagebuch direkt am Hauptplatz in einer preiswerten Pension, die aber nicht mehr existiert. Heute sind dort überall Hotels und hospedajes. Anhand eines anderen Fotos nehme ich an, dass es im heutigen Neubau des Hotel eruptión war (Ambato Ecke Thomas Halflants).

Welches Fest gefeiert wurde, weiß ich nicht mehr. Die Tage zuvor hatten wir den Tungurahua bestiegen und mussten uns von der dreitägigen Strapaze erholen.

Ende 1999 wurde die Stadt aufgrund dringender Empfehlungen vor allem ausländischer Vulkanexperten komplett evakuiert und geschlossen. Nachdem der Ausbruch den Ort wie all die Jahrhunderte zuvor verschont und nur eine dicke Ascheschicht hinterlassen hatte, erzwangen die Einwohner nach einigen Monaten gegen den Widerstand der Behörden und des Militärs ihre Rückkehr in ihren Ort. Bei den damit verbundenen Unruhen gab es einen Toten.




Antisana oder: Einer der 73 [Update]

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Ich brauche die Hilfe der hier mitlesenden ecuadorianischen Vulkanologen: Das Foto habe ich 1984 gemacht, als ich von Lima in Peru nach Havanna flog (oder umgekehrt). Der Berg ist ein Vulkan in Ecuador – aber welcher? Es könnten der hier schon oft lobend erwähnte Tungurahua (5,023 m) sein, den ich 1982 bestiegen habe, oder der Chimborazo (6263 m) oder der Cotopaxi (5897 m) oder einer der zahlreichen anderen.

Die Spitze des Chimborazo ist zu gleichmäßig geformt, das ist eher unwahrscheinlich. Der Tungurahua ist mehrfach ausgebrochen – das Aussehen des Kegels könnte sich also seit 1984 geändert haben. Auf dem Foto, was ich vom Tugurahua aus gemacht habe, ist – wenn ich nicht irre – der El Altar (5,319 m) zu sehen. Der Gipfel könnte passen.

Der Tungurahua gehört übrigens nicht zu Allee der Vulkane: „Ihr Name geht auf Alexander von Humboldt zurück. Auf der „Allee“ befinden sich auf einer Strecke von ungefähr 300 km zwischen Tulcán und Riobamba 22 der insgesamt 73 Vulkane von Ecuador.

[Update] Nach einem Hinweis des vulkanaffinen Publikums: Es ist vermutlich der Antisana (5.704 m).




Verdammt lang her

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Hier noch ein Bick vom ecuadorianischen Vulkan Tungurahua (5,023 m), den ich zwischen dem 12.und 14.12.1979 bestiegen habe. Es muss ganz am Anfang des Aufstiegs sein, wenn man das Panorama mit den anderen Fotos vergleicht.

Ich muss mal zu Potte kommen mit den alten Dias Fotos von meinen Reisen 1979/80, 1981/82, 1984 und 1998: Es ist immer noch eine dreistellige Zahl, die ich noch nie veröffentlicht habe.

Und was mache ich, wenn ich alle online habe? Die Nachgeborenen auf Instagram darauf hinweisen? Books on demand mit 2500 Fotos? Wer soll das bezahlen? Wie sehen denn Fotos in E-Books aus? Und wie groß wird das, unter einem Terabyte?

Dieses Jahr steht unter dem Motto „Verdammt lang her“. Inspiriert durch die Fotos nahm ich bekanntlich Kontakt zu einer meiner Exxen auf, die ich seit 34 Jahren nicht mehr gesehen hatte und fütterte sie mit Kuchen und mit Schweinefleisch süß-sauer ab. Dann wird mich in Kürze eine andere Ex für ein paar Tage besuchen, und wir werden etwas Schönes und/oder Kultiviertes zusammen machen.

Apropos verdammt lang her und „etwas Schönes“: Auf einem anderen Foto erkannte ich ein Mädel eine Frau (ganz links), die wir damals mehrfach in Südamerika wieder getroffen haben, in Kolumbien, Ecuador und Peru oder Bolivien (oder war es sogar Barbados?). Ich fand sie recht schnuckelig, aber sie war mit einem nervtötenden Macker zusammen, sie prügelten sich und brüllten sich an, dass man es überall hörte. Es war unmöglich, mit ihnen zusammen zu reisen.

Jahre später bekam ich einen Anruf von ihr in Berlin. Sie hatte sich von ihrem Kerl getrennt und war unterwegs nach Brasilien als Entwicklungshelferin. Sie hätte noch eine Nacht in Deutschland, ob ich sie nicht besuchen kommen wolle in Gatow in der DED-Zentrale? Das tat ich. Mir wird immer noch warm ums Herz, wenn ich daran denke. Was wohl aus ihr geworden ist? G., wenn du das hier liest, in Brasilien oder wo auch immer auf der Welt: melde dich mal! Mir ist gerade danach (nein, nicht noch mal zusammen auf den Tungurahua).




Nicht vergnatzt, nur kalt

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Nein, ich war nicht vergnatzt, es war auf dem Vulkan Tungurahua nur saukalt – immerhin waren wir dort, wo das Foto Ende 1979 aufgenommen wurde, 3.800 Meter hoch. Am nächsten Tag bin ich die fehlenden 1.200 Höhenmeter bis zum Krater allein aufgestiegen. (Wenn ich meine Schuhe auf dem Foto heute ansehe, wird mir fast schlecht – mit Halbschuhen auf einen Fünftausender…)

Mein damaliger Reisebegleiter ist vor einigen Jahren verstorben, obwohl er jünger als ich war. Das erinnert einen daran, was bleiben wird, online und offline, und was nicht.




Tal vez el cóndor volará

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Aufstieg zum Vulkan Tungurahua, Ecuador 1979, bisher unveröffentlicht ( vgl. Aufstieg zum Tungurahua, 08.05.2011)

In Ecuador tobt eine Art Revolution, Generalstreik, Ausnahmezustand, Militäreinsatz – wie man das so kennt. Interessant ist, dass die Revolte nicht nur vom städtischen Bürgertum getragen wird, sondern vor allem von den indianischen indigenen Verbänden wie der Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador (CONAIE). Die ersetzen vor allem in den Andenstaaten die klassischen Organisationsformen des Proletariats. (Nur in Bolivien ist beides weitgehend identisch – auch mit traditionell weitaus stärkerer Militanz: Bergarbeiter sind immer extrem gut organisiert und die Speerspitze, wenn es um etwas geht.) Damit ist garantiert, dass auch das „Land“ einbezogen ist. Eine „Revolución Ciudadana“ würde schnell in sich zusammenbrechen.

Ich bin heute froh, dass ich die Reisen durch Lateinamerika damals – vor vierzig Jahren – gemacht habe. Heute wäre das kaum noch so möglich, außer man machte einen großen Bogen um alles, was nach Klassenkampf aussieht. Dazu empfehle ich noch einmal den Film „Und dann der Regen“ von Icíar Bollaín. Besser kann man das Dilemma auch eines politisch interessierten Reisenden nicht beschreiben.

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Markt von Otavalo, Ecuador 1979, bisher unveröffentlicht (vgl. Otavaleños, 15.01.2011)




Vulkanismus

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Der Vulkan Cotopaxi in Ecuador ist ausgebrochen. Leider fällt mir nicht mehr ein, welchen der Vulkane ich fotografiert habe, als ich 1979 den Tungurahua (5,023 m) bestiegen habe. Frage an die Ecuador-Spezialisten: Ist der Berg im Hintergrund der Chimborazo (was ich annehme) oder der Cotopaxi? ich meine mich erinnern zu können, dass ich nach Westen fotografiert habe.




Project Xanadu, reloaded

Dieser Artikel erschien am 20.06.2008 in Telepolis.

Was ist und zu welchem Ende betreiben wir Online-Journalismus? Wie setzt man Links, warum und wohin? Medienkritische Anmerkungen zu Regeln, die längst hätten formuliert werden müssen.

Theodor Holm Nelson prägte 1965 den Begriff Hypertext. Seine Mission, formuliert im Project Xanadu, ist immer noch aktuell, aber im deutschen Online-Journalismus weitgehend unbekannt: „We have fought for a world of deep electronic documents“. Ein Text, ist er online verfügbar, wird besser und informativer, wenn er Hyperlinks enthält.

Der nicht-lineare Hypertext verknüpft verschiedene Informationen mit Hyperlinks, so dass ein logisches Netz entsteht, das tendenziell unendlich wird. Für journalistische Texte ist das eine nie dagewesene Chance: Hypertext kann die Menge notweniger Informationen verkürzen, indem lexikalisches Wissen auf eine Metaebene – „hinter“ den eigentlichen Text – verschoben wird. Gleichzeitig vervielfacht sich die optionale Informationsmenge des Textes, da die Rezipienten auch die Metaebene und deren weitere Verknüpfungen zu Kenntnis nehmen können. Rolf Schulmeister behauptet in seinem Standardwerk „Grundlagen hypermedialer Lernsysteme“, das menschliche Gehirn funktioniere ähnlich vernetzt wie ein Hypertext. In seinem Text „Verstrickt in Petri-Netzen – Hypertext und Hypermedia“ nennt er das die „kognitive Plausibilitätshypothese“: „Es geht um die Frage, ob das Leseverhalten mit der Struktur des Textes korrespondiert und ob sich diese Korrespondenz kognitiv auswirkt“. Die assoziative Struktur eines Hypertextes entspräche eher der Funktionsweise des menschlichen Denkens als lineare Texte.

Hypertext

Heise.de und Telepolis waren bei Texten, die man als „Online-Journalismus“ bezeichnen kann, die Vorreiter. Im Artikel über „Telepolis 10 Jahre„) wird ohne falsche Bescheidenheit verkündet: „Wussten Sie schon, dass Telepolis 1996 zu den ersten Internet-Magazinen Deutschlands gehörte und seitdem eine Vorreiterrolle im Online-Journalismus einnimmt?“ Perfekt wäre es gewesen, die dort erwähnte geheimnisvolle „Technik-Analyse ACTA 2004“ durch einen Link näher zu erläutern, damit man nicht selbst eine Suchmaschine bemühen muss. Wenn man erfährt, „dass anfangs Artikel zu Echelon oder Icann unter Slashdot.org verlinkt wurden“, erwartet man ebenfalls Links, die hier leider fehlen. Oder sie wurden nur deshalb nicht gesetzt, weil man den Lesern das nostalgische Gefühl älterer Heise.de-Artikel gönnen wollte wie in dem vom Dezember 1996 , als die Links noch nicht anklickbar waren, sondern ausgeschrieben wurden.

Warum die meisten deutschen Medien insbesondere das World Wide Web nicht adäquat nutzen, sondern oft nur den gedruckten Text ohne Links online stellen, kann kaum vernünftig beantwortet werden. „Unser Content Management System kann das nicht“ ist noch eine der ernsthaftesten Antworten. Man darf vermuten, dass eher irrationale Gründe eine Rolle spielen: Die – empirisch unbegründete – Angst, die Leser könnten andere Angebote attraktiver finden und so die Klickraten senken, die Hausjuristen könnten die Stirne runzeln, wenn man vom eigenen seriösen Angebot in weniger als fünf Klicks auf nackte Busen gelangt, oder das Landgericht Hamburg könnte einen „Content-Anbieter“, der es wagt, andere Angebote zu verlinken, für das gesamte Internet haftbar machen.

Blogger verlinken in der Regel ihre Quellen. Das macht den Reiz und die Qualität professioneller Blogs aus. Online-Journalismus, wenn man ihn ernsthaft betreibt, hat einen weitaus höheren Anspruch als der klassische Print-Journalismus: Er lädt die Leser ein, die Thesen der Autoren anhand der Quellen, die diese angeben und verlinken, zu überprüfen. Sie stellen sich fast in Echtzeit der Kritik. Online-Journalismus verlangt oft eine härtere und intensivere Recherche als die üblichen Artikel in der Tagespresse. Wenn man von wenigen Ausnahmen absieht, gibt es diesen Journalismus in Deutschland noch nicht.

Erst sehr zaghaft beginnen die so genannten Leitmedien, in ihrer Online-Ausgabe Links zu setzen, leider oft nur auf das eigene Angebot – wie die Scientologen. Aktuelles Beispiel ist Spiegel online in einem Beitrag über die Raumsonde Phönix: Mehr als ein Dutzend Links, die Hälfte davon gleich doppelt, aber alle verweisen auf andere Artikel bei Spiegel online. Das mag daran liegen, dass man das eigene Angebot für unübertrefflich hält oder an der Idee, den Werbekunden zahllose Klicks anbieten zu wollen. Das ist aber kein Online-Journalismus, sondern nur ein selbstreferenzielles System.

Ein paar Links machen aber noch keinen anspruchsvollen journalistischen Hypertext. Wissenschaft.de schreibt in einem Artikel („Nukleares Feuer in der Tiefe„, 17.05.2008) über Geowissenschaften: „Dort unten, an der Grenze zwischen Erdkern und Erdmantel, könnten sich große Mengen Uran, Thorium und Plutonium stark genug konzentriert haben, um eine atomare Kettenreaktion in Gang zu halten…“ Der Link hinter „atomare Kettenreaktion“ verweist auf den betreffenden Wikipedia-Artikel „Nukleare Kettenreaktionen“. Man kann voraussetzen, dass Leser, die sich auf wissenschaft.de umsehen, ungefähr wissen, was man sich unter der Spaltung des Atomkerns vorstellen muss. Wer es jedoch vergessen hat oder sich spontan sachkundig machen will, findet in dem verlinkten Artikel weitere Hinweise, etwa auf den Wiikipedia-Text zur Kernspaltung. Noch sinnvoller sind erläuternde Links zu Begriffen, die kaum jemand auf Anhieb kennt. Wissenschaft.de erwähnte vor fünf Jahren in einem anderen Text die „funktionelle Kernspintomographie“ und verlinkte den Begriff damals auf ein Projekt der Universität Mainz. Heute wäre der entsprechende Wikipedia-Artikel zum Thema informativer.

Was genau in einem Text per Link zusätzlich erläutert wird, richtet sich nach dessen Inhalt, nach dem Medium, in dem er erscheint und nach der durchschnittlichen Leserschaft. „Frau Meier mag Zwergpudel, Herr Müller eher Shar Peis“ ist ein Satz, der je nach Kontext unterschiedliche Links haben kann. Da journalistische Texte aus sich selbst heraus verständlich sein sollten, würde man in einem Printmedium „Shar Pei“ ergänzen durch „den traditionellen chinesischen Wachhund“, da außer Hundezüchtern kaum jemand die Rasse kennen wird. In einem Hundeliebhaber-Fachmagazin könnte der Zusazt eventuell entfallen. Online ist es einfacher, einen Shar Pei zu erwähnen: Der Link erklärt alles, und der Artikel ist ohne die Erklärung kürzer. Falls Frau Meier eine private Website besäße, vielleicht mit Bildern ihrer Hunde, sollte die verlinkt werden. Wenn das Thema „Hunderassen“ sind, sollte hingegen ein Link zu Zwergpudeln im Allgemeinen gesetzt werden.

Ein lexikalischer Link erklärt, was ein Begriff bedeutet und ist somit optional: Der Leser entscheidet, ob er das Wort kennt oder ob er es sich näher erläutern lassen möchte. Letzeres bietet der Autor als zusätzlichen Service des Textes an, weil er davon ausgeht, dass seine Informationen Rezipienten mit unterschiedlichem Wissenstand interessieren. Die Links ähneln hier den klassischen Fußnoten eines wissenschaftlichen Werkes. Ihr rein lexikalischer Charakter suggeriert aber, dass die Masse der Leser schlechter informiert ist als der Autor. Das trifft aber nicht immer zu.

Das gilt auch für einfache Texte, die sich bemühen, den Leser nicht intellektuell zu überfordern. Die britische „Sun“, die Mutter aller Boulevard– und Krawall-Zeitungen, berichtet in schlichten Worten über die bevorstehende Hochzeit Jessica Albas. Der Text bietet kaum Ansatzpunkte für Links – mit einer Ausname: „Jessica’s dad, Mark, spoke exclusively to Latina magazine“. Der hier fehlende Link bietet nicht mehr Informationen als die „Sun“, nur dass Vater Alba seine Tochter für ein „beautiful girl“ hält, was niemanden überraschen wird. Von der „Sun“, die in der Regel brutalstmöglichst vor nichts zurückschreckt, könnte man aber zum Beispiel einen Link zu Google Maps erwarten, damit man das „Beverly Hills courthouse under a canopy of green silk foliage and white flowers“ von oben betrachten kann. Leider wird man enttäuscht.

Neben der Funktion eines jederzeit per Mausklick verfügbaren Lexikons hat ein Hypertext zwei weitere Metaebenen – die der Quellenangaben und eine stilistische Ebene. Letztere bedeutet: Der Text kann zum Beispiel durch Links ironisch gebrochen werden. Hinter einem Link auf „Flotter Dreier“ in einem Text muss sich nicht immer das verbergen, was man erwartet. Wer über den Boxer Myke Tyson schreibt, kann, da dieser ohnehin keine eigene Website hat, einen Link zu dessen psychologischen Gutachten anbieten – das ist vielleicht interessanter als eine Aufzählung der Kämpfe. Ein Link, der informiert und zusätzlich überrascht, macht den Text interessanter.

Wie man wohin welche Links in journalistischen Texten setzt, ist im Einzelfall schwierig, muss aufwändig recherchiert werden und ist nicht so einfach, wie manche Blogger sich das vorstellen. In journalistischen Texten hat die Praxis von Wikipedia nichts verloren, jedes Wort, das im Online-Lexikon auftaucht, zu verlinken. Das machte einen Text unleserlich. Falsch wäre ein Satz wie im Wikipedia-Artikel über Sexualität: „Im weiteren Sinn bezeichnet Sexualität die Gesamtheit der Lebensäußerungen, Verhaltensweisen , Empfindungen und Interaktion von Lebewesen in Bezug auf ihr Geschlecht. Niemand wird die Links hinter „Lebewesen“ oder „Geschlecht“ anklicken.

Wie viele Links ein Text benötigt und ab wann er unleserlich wird, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Es gelten zwei einfache Regeln: 1. Der Text muss auch ohne Links lesbar, verständlich und informativ sein. 2. Links sind immer optional, im Zweifel sollte eher ein Link gesetzt als darauf verzichtet werden. Ausnahmen bieten „Wimmelbilder“ wie ein eher folkloristischer Artikel des Autors in Telepolis über die „Merkbefreiung“ im Usenet: Das Thema wäre so in einem Holzmedium gar nicht möglich. Man erwartet auch nicht, dass die Leser alles anklicken. Die zahlreichen Links werden nur für die überschaubare Gruppe derjenigen interessant sein, die in den neunziger Jahren schon im Usenet aktiv waren – ein Beispiel für einen „special interest“-Thema.

Regel: Quellen müssen ausnahmslos verlinkt werden.

Quellen sind andere Medien, Websites, Online-Lexika, Postings in Foren – alles, was man nicht selbst recherchiert, sondern abgeschrieben, kopiert oder umgeschrieben hat.

Wikipedia darf verlinkt werden, auch wenn manche Einträge nicht unbedingt seriös sind. Wikipedia sollte vor allem dann verlinkt werden, wenn man selbst kaum recherchiert hat. Spiegel online übernahm zum Beispiel im Sommer 2004 ganze Passagen aus der Online-Enzyklopädie, mit einem kleinen schöpferischen Eigenanteil, aber ohne die Quelle zu erwähnen. Dumm ist nur, dass das meistens irgendwem auffällt.

Medien müssen dann verlinkt werden, wenn den Lesern nicht zugemutet werden kann, diese selbst zu finden. Ein Link zu Zeit.de, stern.de oder welt.de muss nicht sein, es sei denn, ein konkreter Artikel ist gemeint. Die chinesische Nachrichtenagentur xinhua.cn in Mandarin kann man aber nicht erraten, auch ist die Top Level Doman cn nicht jedem geläufig. Die iranische Nachrichtenagentur IRNA sollte immer verlinkt werden, auch wenn kein spezielles Dokument gemeint ist, zumal auch eine englische Ausgabe angeboten wird. Bei dpa trifft das nicht zu, weil jeder den URL leicht finden kann und weil deren Nachrichten auf der Website nicht angeboten werden. Falsch ist also: „Die Nachrichtenagentur dpa meldet, es sei dieses oder jenes geschehen. Da die dpa keine einzelnen Meldungen auf ihrer Website anbietet, können diese auch nicht verlinkt werden. Richtig jedoch wäre die Ausnahme: „Der dpa-Europadienst liefert täglich 300 Meldungen aus aller Welt in deutscher Sprache.“ Das Kürzel dpa kann auch zu Missverständnissen Anlass geben: Nicht jeder weiß, dass die Deutsche Nachrichten-Agentur mit der bekannten dpa rein gar nichts zu tun hat.

Die Neue Zürcher Zeitung offerierte zum Beispiel im Februar 2005 einen langen Artikel über „Terror-Websites“ und schaffte es, keinen einzigen Link anzubieten, obwohl sogar die Titel wie „Al-Majalla al-Islamiya“ teilweise genannt wurden. Das ist kein seriöser Online-Journalismus, sondern nur gedrucktes Papier, das auf einem Monitor abzurufen ist. Wer derartige Quellen nicht verlinkt, setzt sich als Journalist dem Verdacht aus, nicht in der Lage zu sein, diese zu finden oder – noch schlimmer – schlicht zu faul zu sein, um diese zu recherchieren.
Hypertext

Wenn ein Artikel nicht exakt verlinkt werden kann, weil er nur in einer Datenbank vorhanden oder nur für registrierte Leser zugänglich ist, sollte die Startseite der Zeitschrift oder das Mediums, in dem er erschien, verlinkt werden. Vorbildlich ist Netzpolitik.org (20.05.2008): „China bemüht sich wohl um Offenheit in Bezug auf das Erdbeben vom 12.5. in Sichuan. Doch so ganz freiwillig und eilfertig ging das nicht, wie die Howard French in der New York Times zu berichten weiß: Earthquake Opens Gap in Controls on Media.“ Der erste Link zu einem Wikipedia-Artikel fasst die Nachrichten und relevante wissenschaftliche Quellen über das Erdbeben zusammen. Einen besseren Überblick kann man im Netz nicht finden. Der zweite Link bei netzpolitik.org führt zur Login-Maske für die Abonnenten der New York Times. Man kann den zitierten Artikel nicht einsehen, wenn man nicht registriert ist. Der Link verweist aber darauf, dass es möglich ist. Er ist informativer als der bloße Link zur Hauptseite der Zeitung und somit korrekt.

Solche einfachen Beispiele für Service-orientierten Online-Journalismus findet man in deutschen Medien leider nur sehr selten. Falsch ist zum Beispiel: „Selbst moderates Rauchen in der Schwangerschaft verändert das Verhalten von Babys auf dramatische Weise, melden amerikanische Ärzte jetzt in der Zeitschrift „Pediatrics“ (Spiegel online, 02.07.2003). Richtig wäre: „in der Zeitschrift „Pediatrics„. Falsch: „Der Fernsehsender SCTV meldet, der 35-jährige Idris sei bereits vor zwei Wochen in Medan auf Sumatra gefasst worden.“ (Netzeitung, 30.06.2003). Richtig: „Der Fernsehsender SCTV meldet…“ Falsch: „Das Unfallopfer sei nur halb bei Bewusstsein und unfähig gewesen zu sprechen, sagte der Beamte dem Rundfunksender „Radio New Zealand“ (Spiegel online , 01.07.2003). Richtig: „dem Rundfunksender „Radio New Zealand„. Falsch: „Omar äußerte sich auch in einem E-Mail-Interview mit der pakistanischen Zeitung „The Dawn“.“ (Focus online. Richtig: „mit der pakistanischen Zeitung „The Dawn“ „.

Auch fremdsprachige Quellen sollten verlinkt werden. Falsch ist: „Wir müssen den größten Nutzen aus der Nähe des Wahltermins in Spanien im kommenden März ziehen“, zitierte die norwegische Tageszeitung „VG“ heute aus dem Dokument.“ (, 13.03.2004). Richtig: „zitierte die norwegische Tageszeitung ‚VG‚.“ Es ist nicht ausgeschlossen, dass einige der Leser die Sprache verstehen und gern das Original läsen. In diesem Fall kann man den betreffenden Text auch finden, wenn man kein Wort Norwegisch versteht.

Definitiv verboten sind irreführende Floskel wie „im Internet gibt es“, wenn nur ein spezieller Dienst gemeint ist. Focus formulierte: „‚Ein Großteil der Straftaten findet aber in anderen Regionen des Netzes statt.‘ So werden in den 80 000 Foren des Usenets und den 15 000 Diskussionsrunden im Internet Relay Chat (IRC) nicht nur alle denkbaren Themen diskutiert, sondern auch illegale Bilder getauscht, Waffen, Drogen und raubkopierte Software angeboten.“ Die Zahlenangaben über Newsgroups und IRC-Foren sind natürlich Unfug. Man darf aber lobend erwähnen, dass hier andere Dienste im Internet genannte werden, die für dessen „dunklen“ Seiten wesentlich wichtiger sind als das World Wide Web. „Usenet“ (es muss nicht immer Wikipedia sein) und IRC hätten verlinkt werden müssen. Wenn Leser auf etwas hingewiesen werden, das sie vermutlich noch nicht wissen, sollte man ihnen es optional per Link erläutern.

„Im Internet“ ist keine korrekte Angabe. Man schreibt in der Printausgabe einer Zeitung nicht „in einer Tageszeitung wurde gemeldet“, sondern nennt Ross und Reiter. Auch „laut Agenturangeben“ ist als Quelle zu wenig; man kann das ohne Informationsverlust entweder weglassen oder sollte die Agentur nennen.

Regel: Ortsangaben in einem Artikel müssen, wenn möglich und wenn diese eine relevante Rolle spielen, verlinkt werden.

Keinen Link erwartet man in Sätzen wie: „Bundeskanzlerin Merkel traf heute in Berlin mit Horst Köhler zusammen“. Dem durchschnittlichen Leser darf zugemutet werden, einen deutschen Ortsnamen mit einem Punkt und der Länderkennung de selbst in das Adressfeld des Browsers einzugeben. Ausnahmen: Nicht alle Orte oder gar Ortsteile haben eine Website – wie zum Beispiel Unterneger. Grieben auf Hiddensee ist unter dem URL grieben-hiddensee.de zu finden, grieben.de ist aber eine Rechtsanwaltskanzlei. Hier ist ein Link Pflicht, damit die Leser nicht selbst mühsam suchen müssen.

Falsch ist: „Wenige Minuten nach dem Seebeben war allerdings eine drei Meter hohe Flutwelle auf die Insel Simeuleu getroffen, teilte das indonesische Militär mit.“ (Spiegel online, 29.03.2005.) Man sollte – außer von eingefleischten Indonesien-Fans, nicht verlangen, dass jemand die Insel kennt, zumal sie von Spiegel online auch noch falsch geschrieben wurde: Sie heißt Simeuluë. In diesem Fall muss man sich entscheiden, ob für die Leser nur die geografische Lage interessant sein könnte oder ob sie eventuell mehr Informationen wollen. Es spricht nichts dagegen, zwei verschiedene Links zu demselben Begriff im Artikel unterzubringen. Der Nachteil für die Leser ist, dass sie nicht sofort genau wissen, wo sie diese zusätzlichen Informationen finden können.

Google Earth sollte nicht verlinkt werden, obwohl das möglich ist, da das die Installation der Software voraussetzte. Wer im Internet auf einem Organizer, einem Handy-Display oder auf einem alten Rechner surft, wird Google Earth nicht benutzen wollen und können. Besser bei Ortsangaben sind Links auf die Angebote maps.google.com oder wikimapia.org. Wikimapia funktioniert nicht ohne Javascript. Google Maps bietet ohne eingeschaltetes Javascipt noch eine Übersichtskarte an, ist also vorzuziehen, da sicherheitsbewusste Surfer gefährliche Scriptsprachen per default ausgestellt haben. Bei Städten wie Berlin, die auf ihrer Website in eigenes Stadtplanangebot haben, ist dieses vorzuziehen.

Deutsche Städte- und Ortsnamen sollten aber in Artikeln nur dann verlinkt werden, wenn damit eine zusätzliche Information verknüpft ist. Falsch wäre: „Der Regierende Bürgermeister von Berlin„. Richtig: Der Regierende Bürgermeister von Berlin. Bei internationalen Ortsangaben entscheidet die Informationswert der verlinkten Seite. Beispiel: Bei einem Vulkanausbruch wie dem des Tungurahua oder des Llaima ist ein Link auf den deutschen oder englischen Wikipedia-Artikel gesetzt. Die Leser möchten aber nicht selbst recherchieren müssen, wenn über die Orte berichtet wird, die in Mitleidenschaft gezogen wurden. Es ist nicht selbstverständlich, dass diese bei Wikipedia erwähnt werden. Beim Tungurahua ist das in der Regel Baños; beim Llaima war es beim letzten Mal Carahue.

Zu einer der wichtigsten Aufgaben des Online-Journalismus gehört es, im Interesse der Leser zu recherchieren, wie seriös und zuverlässig die verlinkten Quellen sind. Das gilt selbstredend auch für Links, die man eventuell von Wikipedia übernommen hat: llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch.co.uk steht zwar im Guiness-Buch der Rekorde als „the world’s longest valid Internet domain name“, der Link führt aber nicht mehr zur Website des walisischen Ortes.

Puerto Cabezas in Nicaragua, auch bekannt als Bilwi, ist ebenfalls ein Problem: Der Wikipedia-Artikel zu Bilwi enthält keinerlei relevante Informationen, die englische Version zu Puerto Cabezas bietet noch nicht einmal einen Link zu einer offiziellen Website der Stadt. Der Link von der spanischen Version zu pto-cabezas.com/ lässt Zweifel daran aufkommen, ob es sich nicht nur um eine kommerzielle Website handelt, zumal sie in Florida registriert worden ist. In derartigen Fällen muss man sich fragen, ob nicht ein Link zu einer anderen Website – wie hier etwa die des Peace Corps über Bilwi -, mehr Sinn macht.

Kompliziert sind Themen, in denen die im Netz vorhandenen Quellen mehr verraten als die Personen, die genannt werden, vielleicht wollen. Interessante – und für das Niveau der Recherchen bezeichnende – Beispiele waren die Artikel über Neonazis im mecklenburgischen Ort Jamel. Die Schweriner Volkszeitung berichtete schon am 14.10.2003, die Frankfurter Rundschau am 06.11.2003, die taz am 17.10.2003 („Abgebrannte Häuser, aufgespießte Hühner, Wehrsportübungen“), die Jungle World am 05.11.2003, die Süddeutsche am 07.11.2003; Spiegel online holte das Thema am 16.08.2007 zum Teil wortgleich wieder hervor („Abgefackelte Häuser, aufgespießte Haustiere, vertriebene Neubürger“), ohne die vorherigen Artikel mit einem Wort zu erwähnen. Im zweiten Teil des Artikels wir der Musiker Horst Lohmeyer genannt, der mit seiner Familie in Jamel wohnt. Lohmeyer wirbt online für seinen Forsthof – der Link sollte in einem Artikel daher nicht fehlen. Man kann sich das Anwesen von oben per Google Maps ansehen. Der Spiegel-Autor hat vermutlich nicht danach gesucht, sonst hätte er schon während der Recherche mit dem Interview-Partner diskutieren müssen, wieviel an privaten Informationen der von sich preisgeben wollte. Im Vergleich aller online auffindbarer Artikel zum Thema wird auch die Praxis fragwürdig, Namen nicht zu nennen: Spiegel Online schreibt „Sven K., 30, Abrissunternehmer, polizeibekannter Neonazi.“ Dass der Mann Sven Krüger heißt, findet man mit wenigen Mausklicks.

Regel: Es spricht nichts dagegen, einen Eintrag in einem Online-Telefonbuch und andere private, aber öffentliche zugängliche Informationen zu verlinken. Beispiel: „Vorsitzender des Brandenburger Fachausschusses „Onliner“ des DJV ist Jörg Rittweger aus Schopfheim, der auch sonst sehr aktiv ist.“

Regel: Links zu Eigennamen sollten zu Websites mit den meisten seriösen und kritischen Angaben zur Person führen. Das muss nicht deren private Website sein. Beispiel: Die Website des mecklenburgischen Innenministers Lorenz Caffiers ist nicht barrierefrei, die privaten Informationen können nicht von jedem abgerufen werden. Zudem fehlt dort der Hinweis, dass Caffier sich selbst in einem Interview als „Blockflöte“ bezeichnete. Das und mehr findet man im Wikipedia-Eintrag über ihn.

Welt online schreibt am 21.05.2008: „Der umstrittene Auftritt der Rapperin Reyhan Sahin alias Lady Bitch Ray bei ‚Schmidt & Pocher‘ hat nun auch die Aufsichtsgremien der ARD auf den Plan gerufen. Therese Wieland, die für die katholische Kirche im Rundfunkrat des Südwestrundfunks sitzt, beschwerte sich in einem Brief an SWR-Intendant Peter Boudgoust.“ Der Text ist ein gutes Beispiel dafür, wie man es nicht machen und wie Online-Journalismus nicht verstanden werden sollte. Der Wikipedia-Eintrag über die Musikerin enthält zahlreiche informative Links. Warum Welt online nicht in der Lage ist, einen Link dorthin zu setzen, um auch die Leser zu informieren, die Lady Bitch Ray noch nicht kannten, ist unerklärlich. Man möchte auch wissen, wer noch im Rundfunkrat) des SWR sitzt. These Wieland war oder ist laut einer Pressemeldung Vorsitzende des Vereins Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Diözese Rottenburg-Stuttgart und fühlt sich daher vermutlich nicht zuständig für libertinäre Ideen zu Sex & Drugs & Rock & Roll. Über Boudgoust existiert sogar ein Eintrag bei Wikipedia.

Regel: Auch Websites mit strafrechtlich relevanten oder nicht „jugendfreien“ Inhalten können und sollen verlinkt werden.

Die Aufgabe von Journalisten ist es nicht, Informationen zu verheimlichen oder dem Publikum vorzuenthalten. Die paternalistische Attitude, nur pädagogisch wertvolle kleine Häppchen anzubieten und den Lesern zu suggerieren, sie seien sittlich nicht reif für die Realität im Netz, ist albern, obwohl das den Mainstream immer noch beschreibt. Die Kriegsbilder des berühmten Maler Francisco de Goya sind unstrittig Kunst und würden sogar von den übervorsichtigen deutschen Medien verlinkt werden. Links zu historischen oder aktuellen Kriegsgräueln gelten in Deutschland – nicht bei Online-Medien in den USA! – aber als tabu. Einen rational nachvollziehbaren Grund dafür gibt es nicht – außer einer im 21. Jahrhundert obsoleten moraltheologischen Attitude und einer allgemeinen Angst vor dem Link an sich.

Links in journalistischen Artikeln sind nach der aktuellen Rechtsprechung nicht strafbar. Nach § 86 StGB gelten Verbote von Symbolen u.a. nicht, wenn „die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.“ Der im Netz mittlerweile berühmte Rechtsstreit „Heise versus Musikindustrie“ ist noch nicht endgültig entschieden.

Für Tim Berners-Lee,, den Erfinder des WWW , bedeutet ein Link „Normale Hypertext Links implizieren nicht, daß das Dokument, auf das verwiesen wird, Teil ist von, bestätigt wird von, bestätigt, eine verwandte Urheberschaft oder Bedingungen für die Weiterverbreitung hat wie das Dokument, das den Verweis (Link) enthält.“ (zitiert nach odem.org).

Falsch und unjournalistisch ist daher die Gepflogenheit von Spiegel online (29.04.2008), die Quelle im World Wide Web zu kennen, den genauen Fundort aber bewusst zu verschweigen: „Im Internet ruft der deutsche Islamist Eric B., der in Pakistan oder Afghanistan vermutet wird, Gesinnungsgenossen zum Dschihad auf.“ „Im Internet“ kann heißen: In einer Newsgroup im Usenet, in einem WWW-Forum, auf einer Website, im Internet Relay Chat, in einer Mailingliste. Die Angabe ist zu ungenau, um noch einen informationellen Wert zu haben. Besser wäre hier gewesen, schlicht „rief öffentlich dazu auf“ zu schreiben. „Im Internet“ suggeriert auch, dass der Autor irrig „Internet“ für einen Synonym für „World Wide Web“ hält oder seine Informationen schlicht irgendwo abgeschrieben hat.
Hypertext

Regel: Falls der Betreiber einer Website für den Inhalt eines Artikels wichtig ist, sollte der konkrete Whois-Eintrag verlinkt werden.

Besonders lächerlich sind fehlende Links, wenn der Artikel verkündet, dass eine neue Website existiere, deren URL aber nicht verraten wird: „Die tamilischen Rebellen in Sri Lanka haben am Montag ihren eigenen Fernsehsender gestartet. Wie Rebellensprecher Daya Master der BBC sagte, soll NTT (National Television of Tamileelam) dabei helfen, die tamilischen Sichtweisen zu vermitteln.“ (Netzeitung, 01.08.2005). Der Tamilen-Sender (nttes.tv) ist schnell zu finden. Kompliziert wird es jedoch, wenn, wie in diesem Fall, mehrere Domains existieren – in diesem Fall nttes.tv und tvttn.com („You are not authorized to view this page.“). Nttes.tv wurde über godaddy angemeldet; der Whois-Eintrag führt eine Firma in KwaZulu-Natal, Südafrika an. Der Whois-Eintrag zu Tvttn.com bietet jedoch die interessante Information, dass der Ansprechpartner Sellathurai Sireetharan in der Rue Emile Zola in Paris sitzt – und dessen E-Mail-Adresse.

Regel: Verlinkt wird diejenige Quelle, die für die jeweiligen Leser den größten Informationswert hat – hier die Website nttes.tv. Falls ein Online-Artikel über die Medien der Guerilla in einem Medienmagazin oder auf der Website einer journalistischen Fachzeitschrift erschiene, wäre der Link zum Whois-Eintrag sinnvoller, da der einen Ansatzpunkt zu weiteren Recherchen enthält. In diesem Beispiel erwartet man auch mehr Informationen zum „Rebellensprecher“. Seriös wäre es gewesen, die Originalmeldung der BBC als Quelle zu verlinken – mit dem Risiko, dass die Leser merken, dass der Artikel der Netzeitung die englische Quelle ohne eigene Recherchen nur übersetzt, also schlicht abgeschrieben hat. Perfekt wäre heute auch ein zusätzlicher zusätzlicher Link zur Asian Tribune (16.07.2006): „Who is this Daya Master?“

Oft ist für die Recherche im Internet die Wayback Machine ein unersetzliches Hilfsmittel. Mit archive.org kann man zum Beispiel nachweisen, dass die Domain volkermord.com noch vor einigen Jahren eine Neonazi-Website war. Auch der langjährige Kampf um die Domain sieg-heil.de lässt sich nur mit einem Link zu archive.org dokumentieren. Leider gibt es Ausnahmen: Der Hochstapler Magnus Becker schaffte es mit seinem vorgeblichen „Weiße Rose Jugendbündnis“ bis in die Tagesschau (11.12.2000). Er heimste sogar einen Preis bei den Netd@ys 1997 ein. In diesem Fall funktioniert archive.org nicht, da der heutige Inhaber der Domain www.weisse-rose.org den Zugriff der Wayback Machine blockiert. Detaillierte Informationen bekäme man nur über den kostenpflichtigen Dienst historical whois records.

Wenn ein Autor nicht richtig recherchiert, kann es sein, dass ein seriöses Medium unseriöse Angebote empfiehlt. Der Sender RBB zum Beispiel verlinkte und empfahl ausdrücklich das Portal gomopa.net. Eine Recherche mit einer Suchmaschine zeigt in wenigen Minuten, dass der verantwortliche Autor offenbar überhaupt nicht überprüft hat, wer hinter der Website steht. Umgekehrt wäre der Artikel der FAZ „Für Lehrer und Zecken verboten“ (08.05.2002) über den vorgeblichen „ethischen Hacker“ Christoph Kastius, der angeblich „die gefälschte Steinhäuser-Seite sperrte“, sicher so nicht erschienen, hätten die FAZ-Redakteure nach Links gesucht, um ihren Artikel zu verbessern, etwa den auf seine Biografie und seine Krankenakte im Usenet.

Am 20. Mai brannte die Berliner Philharmonie. Fotos, wie stern.de sie anbietet, sind selbstverständlich – niemand will darüber nur ein paar dürre Zeilen lesen. Auch ein Video, wie auf der Website von Focus online, ist immerhin ein gut gemeinter Ansatz, obwohl Filme in Briefmarkengröße eher einen symbolischen Charakter haben. Zum journalistischen Service gehört es aber, in diese aktuellen Meldung online einen Link zu einer Webcam anzubieten. Man möchte es live brennen und qualmen sehen und vielleicht auch später noch einmal nachschauen, ob das Gebäude noch steht.

Regel: Multimedia-Elemente sollten möglichst barrierefrei verlinkt werden. Wer das nicht berücksichtigt, auch bei den Links, schließt gut fünf Prozent aller Surfer von seinen Angeboten aus, verärgert sie oder verlangt danach, die Sicherheitseinstellungen des Browsers neu zu konfigurieren. Wer zum Beispiel die Website der Warner Brothers verlinkt, sollte darauf hinweisen, dass diese mit einem sicheren Browser gar nicht angesehen werden kann. Man muss in einem solchen Fall nach Alternativen suchen. Links zu virtuellen Orten in der 3D-Welt Second Life können mit SLurl („location based linking in Second Life“) verlinkt werden. Der Nachteil: Viele Browser zeigen SLurl nicht an.

Regel: Postings im Usenet können zitiert und einzeln verlinkt werden.

Auch wenn die Newsgroups des Usenet heute nicht mehr so populär sind wie noch vor zehn Jahren, sind sie bei manchen Themen immer noch eine Quelle. Wer sich scheute, einen Link zum so genannten „Enthauptungsvideo“ aus dem Irak zu setzen, könnte ein Posting in der Newsgroup alt.religion.islam vom 11.05.2004 verlinken, in dem die damals verfügbaren Quellen genannt wurden. Userprofile, wie sie groups.google.com anbietet, können etwas über die Seriösität zitierter Personen aussuchen. Wer sich mit Internet-Folklore beschäftigt, kommt am berühmtem Kremvax-Hoax aus dem Jahr 1984 im Usenet nicht vorbei. Der Urheber Piet Beertema, der die sinnige domain godfatherof.nl besitzt, hat das Posting zwar auf seiner Website , man möchte aber gern auch das Original sehen – eine Zeitreise in das Internet, als es das World Wide Web noch nicht gab. Ein korrektes Zitat samt Link aus dem Usenet ist zum Beispiel: „Wau Holland schrieb am 05.02.1998 in der Newsgroup thur.test. ‚Dies ist eine kontextrekursive ungueltige Anmerkung‘.“

Wer über die kubanische Parteizeitung Granma berichtet und sich fragt, wem die Domain gehört, kann zum Beispiel einen Link zu einem Tracerouting-Service anbieten, der in Kombination mit einer Whois-Datenbank wie ARIN beweisen könnte, dass die Kommunisten in Havanna kanadischen Firmen offenbar mehr trauen als US-amerikanischen.

Links zu Buchtiteln sind dann problematisch, wenn sie damit für kommerzielle Seiten werben. Ein eleganter Ausweg ist, wenn es nur um die bibliografischen Angaben oder einen Autor geht, ein direkter Link zum Bestand einer Bibliothek, am einfachsten zu finden über die Katalogübersicht des Karlsruher Virtuellen Katalogs (KVK).

Wie mühsam es ist, einen Mainstream-Journalisten dazu zu bringen, das Internet ernst zu nehmen und in einem Online-Artikel einen Mherwert für die Leser zu schaffen, zeigt der Artikel Albrecht Udes im Zeit-online-Blog: „Sehr schade, wenn ZEIT online Artikel aus der ZEIT übernimmt und dabei die Zeit fehlt, auch simpelste externe Links herauszusuchen.“ Das wundert nicht: Professioneller Online-Journalismus ist anstrengender als Print. Ude schreibt über einen Text, der die Kennzeichnung von Lebensmitteln zhum thema hat: „Das Stück wimmelt nur so von zitierten Experten und Organisationen, die sicherlich viele Leser interessieren würden. (…) Wie kann so etwas in einem Onlinemedium unverlinkt bleiben? Es hat mich gerade (mitgestoppt) 36 Sekunden gekostet, auf diese Website der VZ HH zu kommen: Industrie mogelt bei Nährwertkennzeichnung – Wir decken die Tricks auf (Das kann man kaum als Recherche bezeichnen, das ist eine bessere Fingerübung).“ Aber das scheint für die meisten Journalisten schon zu aufwändig.

Der Unterschied zwischen Online-Journalismus und Blogs liegt tendenziell im Haltbarkeitsdatum der Links. Für ein Blog ist es nicht unbedingt wichtig, dass die Links nach einem Jahr noch funktionieren. Ein journalistischer Text im Archiv eines Online-Mediums, dessen Links ins Leere führen, ist ärgerlich. Beispiel: In einem Telepolis-Artikel des Autors über den „Erlkönig“ und dessen mythologischen Hintergründe sind nach sechs Jahren viele Links ungültig. Eine aktualisierte Version ergibt zum Teil ganz neue und andere Informationen. Das Problem ist prinzipiell unlösbar.

Regel: Links in journalistischen Artikel, die nicht nur tagesaktuell sind, sollten so gewählt werden, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, sie auch nach längerer Zeit noch nutzen zu können. Eine Linksammlung zu einem Thema ist besser als ein einzelner Link.

Man kann eine Wette abschließen: Wer in fünf Jahren die Prinzipien des Online-Journalismus nicht beherrscht, immer noch keine Links setzt und sich nicht der direkten Konfrontation mit kritischen Lesern aussetzen will, der hat verloren. Das Gute wird sich durchsetzen. Wenn William Shakespeare Online-Journalist wäre, würde er König Richard III. heute laut rufen lassen: Einen Link, einen Link! Ein Königreich für einen Link!