Sonstige Rechte

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Credits: BSI

Netzpolitik.org: Das geplante Gesetz gegen digitale Gewalt handelt von weit mehr als digitaler Gewalt. Justizminister Marco Buschmann will umfassend Auskunftsansprüche ausweiten: auf Urheberrechtsverletzungen, Messenger und private Inhalte. (Fefe dazu.)

Das Ministerium Für Wahrheit informiert: Urheberrechtsverletzungen sind jetzt „digitale Gewalt“. Warum nicht gleich „Hassrede“? (Wer hat diese bescheuerten Begriff eigentlich erfunden?)

Das geplante Gesetz gegen digitale Gewalt zielt aber nicht nur auf digitale Gewalttäter. Es regelt „alle Fälle einer rechtswidrigen Verletzung absoluter Rechte“. Unter absolute Rechte fallen „sonstige Rechte“, unter anderem auch Immaterialgüterrechte wie „geistiges Eigentum“.

Es wird wieder so sein wie immer und wie schon bei der so genannten „Online-Durchsuchung“. Diejenigen, die jetzt Gesetze mit immer öfterem Komparativ fordern, haben keinen blassen Schimmer, worum es technisch überhaupt geht und wie das durchzusetzen sei. Und die anderen, die das wissen, jammern über die pöhse Politik, statt die auszulachen und ihnen mitzuteilen, dass sie damit höchstens Klein Fritzchen kriegen, aber sonst niemanden.

Natürlich sind die neuen Gesetze gegen das Böse im Internet wie eine Schrotflinte. Man schießt blind drauflos und hofft, dass jemand getroffen wird.

Im Gesetzentwurf steht der wunderschöne Satz: Die Identität des Verfassers einer rechtswidrigen Äußerung kann aber regelmäßig nur ermittelt werden, wenn zuerst der Telemedienanbieter die IP-Adresse herausgibt und der Internetzugangsanbieter dann in einem zweiten Schritt Auskunft gibt, wem diese IP-Adresse zum Zeitpunkt der Äußerung zugeordnet war.

Quod erat demonstrandum: Die Vorratsdatenspeicherung, reloaded, revisited. Sie versuchen es so oft, bis es irgendwann versehentlich durchkommt.

Bei offensichtlichen [!] Rechtsverletzungen soll das Gericht den Diensteanbieter bereits durch eine einstweilige Anordnung verpflichten können, Auskunft über die Bestands-und Nutzungsdaten eines Verfassers zu erteilen.

Das ist schiere Willkür und natürlich auch fehlende Normenklarheit, wird also vom Bundesverfassungsgericht in die Tonne getreten werden. Technisch allerdings geht das – die Infrastruktur mussten die Provider auf eigene Kosten anschaffen.

Man darf also Hausdurchsuchungen zum Beispiel wegen einer Restaurant- oder Hotelkritik erwarten, die dem Besitzer nicht gefällt.




Glitter

glitter

Ich empfehle die polnische Netflix-Serie Glitter. (Polnisch brokat bedeutet funkeln.) Das Publikum sollte sich durch den Teaser nicht abschrecken lassen: Im polnischen Sopot des Jahres 1976 suchen drei entschlossene Frauen inmitten gesellschaftlicher und politischer Veränderungen nach Liebe und (finanzieller) Unabhängigkeit. Der Text hört sich eher wie eine Seifenoper an, und die bla bla „Veränderungen“ sind bloßes Geschwurbel. Unter uns Altgriechen: Die meinen Pantha rhei.

Polnische Filme? Ich kann mich an keinen erinnern, den ich je gesehen hätte, und wenn ich Das Grab im Wald kenne, dann habe ich es vergessen. Steht aber auf meiner To-watch-Liste. Unsere Nachbarn sind bekanntlich nicht woke und beim Thema, wie Hans seine Grete bekäme und das filmisch umzusetzen wäre, ein wenig altbacken. (Ich wollte nur das Wort einmal benutzen.) Will sagen: Im ehemaligen Ostblock bezahlt die Frau nie die Restaurant-Rechnung selbst, und ihr werden die Türen aufgehalten, auch in der feuilletonistischen Version.

Da die filmkritische Leserschaft jetzt missbilligend die Stirne runzelt (wegen fehlender Normenklarheit): Die Emanzipation der Frau würde vermutlich „die Emanzipation des schönen Geschlechts“ genannt und noch ein Handkuss dazu angeboten. Ich kann mich daran erinnern, als ich 1982 in Malbork im Kino war, zeigte man irgendeinen Hollywood-Film, (dessen Titel ich vergessen habe) bei dem es um eine frustrierte Ehefrau ging, die aus ihrem langweiligen Alltag und den erdrückenden Normen, was von einer Frau erwartet wurde, nur so entfliehen könnte, dass sie „verrückt“ wurde. Also ungefähr die Rolle der Laura Brown im grandiosen Filmdrama „Hours“. Die Pointe: Die ohnehin nur wenigen Zuschauer im Nach-Solidarność-Polen fanden das langweilig und verließen nach und nach vorzeitig den Kinosaal, bis ich zum Schluss fast alleine da saß.

Übrigens steht auf meiner To-Do-Liste noch: Schmuggeln der Werke Karl Marxens nach Polen.

Warum ausgerechnet die 70-er Jahre in Polen? Weil damals, zehn Jahre nach Deutschland und Frankreich, auch in Polen zaghaft ausprobiert wurde, anders zu leben als der Mainstream es vorsah. Also nicht #meetoo moralingeschwängert und durchgeheuchelt, sondern ganz real: Wie soll eine Frau unabhängig sein, wenn sie kein Geld verdienen kann, ausser sie zöge es vor, sich mit miesen schlecht bezahlten Jobs knapp über Wasser zu halten? Man ahnt es schon: Wer Sex-Szenen im Film mag, kommt auf seine Kosten.

Allerdings ist das Niveau besser als man denkt: „Glitter“ ist kein Voyeur-Film oder ein Krimi, der meistens im Bordell spielt. Man [sic] muss sich immer fragen: Was wäre die Alternative? Man sieht es den Heldinnen an, dass sie an sich und der Welt zweifeln und dass irgendwo immer ein Haken ist.

Die Schauspielerinnen dominieren die Story: Magdalena Popławska gibt die MILF mit dem wissenden Lächeln und der zynischen Attitüde (und hat auch ein nicht ganz knitterfreies Privatleben). Matylda Giegżno, oft in kurzen Hosen, soll die Instagram- und TikTok-Mädels ansprechen und ist auf Jede-Menge-Spaß-und-Saufen aus. Wiktoria Filus ist die Schöne, die jeder haben will, aber nicht wirklich kriegt, weil sie das Spiel durchschaut. Die Kerle spielen alle Nebenrollen – das ist für Filme aus Osteuropäer eher die Ausnahme.

But what the three of them struggle against is that not only are men blocking their path, but they’re not taken seriously because they’re using sex work to help them earn enough to achieve their dreams. In den 70-ern! Im erzkatholischen Polen! Die bis jetzt nur spärlichen Rezensionen sind ganz angetan.

Angenehm auch, dass die Figuren nicht durch „diverse“ Zwänge aus Wokistan ruiniert werden. Es tauchen nicht überall Maximalpigmentierte auf, obwohl sie in der (historischen) Realität gar nicht vorkommen. Es muss auch nicht unbedingt schwuler Sex gezeigt werden, wenn das nicht Thema ist. Man ist froh, dass der interessante Plot nicht von Hollywood aufgegriffen wurde, sondern von einem Eingeborenen. Ich musste erst mühsam googeln, weil ich dachte, dass der Regisseur weiblich sein müsse, weil Frauen mehr auf die Details achten.

Ich bin noch nicht bis zum Schluss gekommen, aber wenn ich nicht ständig herumzappe, sondern am Ball Film bleibe, ist das die Ausnahme und ein Gütesiegel.

glitter




The Bird is Free and Speech

schnitzler
Hassredner (Symboldbild)

Der Musk sollte auch Facebook kaufen und alles das, was mit „unabhängigen Faktenprüfern“ verseucht ist. Ich kann eine klammheimliche Freude nicht verhehlen, wenn ich mir das Zähneknirschen unserer deutschen Zensurfreunde vorstellen. Twitter oder: der Trump kommt wieder? Der darf einfach so propagandisieren?

Ja, sollte er können. Das kann man aber hierzulande nicht sagen, weil man dann alle Nazis ausser Mutti jenseits den qualitätsmedialen Mainstreams steht, ja schon fast sozial geächtet ist.

Wait a minute: In Deutschland ist es jetzt strafbar, „einen Völkermord oder Kriegsverbrechen zu leugnen oder zu verharmlosen“. Was bedeutet im Detail“ verharmlosen? Der Staat nutzt sein Gewaltmonopol, um bestimmte Meinungen zu unterdrücken? Ach so, wir sind den Deutschland, wo selbst die so genannten Linken dazu applaudieren…

Hätte ich überflüssiges Geld, würde ich einen guten Anwalt beauftragen, das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht wegzuklagen wegen fehlender Normenklarheit.

Es ist lustig zu sehen, wen Musk bei der Übernahme Twitters zuerst gefeuert hat – vor allem die, die sich in der Vergangenheit durch Zensur gegen missliebige politische Meinungen „Hassreden“ bemerkbar gemacht gehaben, etwa Parag Agrawals oder Vijaya Gadde, die dafür sorgte, dass Trump bei Twitter rausgekegelt wurde und die schon beim bloßen Namen Musks zu Tränen erschüttert war.

Mal sehen, wie das weitergeht. Der Unterhaltungswert ist jedenfalls gesichert.

Was ich heute nicht kommentiere:

– Darf ich etwas meinen oder verlinken über eine Abspaltung von der DKP aka Jüdäische Befreiungsfront oder über die Diskussion kommunistischer russischer Politsekten, ob der Krieg im Donbass zu verurteilen oder gutzuheißen sei? Oder „verharmlose“ ich etwas, wenn ich nur ganz leise vor mich hinmurmele: Die sind alle bekloppt?

– Der Tagesspiegel diffamiert im schönsten Blockwart-Deutsch: „der für rechte Provokationen bekannte Kabarettist Uwe Steimle“. Der harmlose Steimle: Den kann man nicht aushalten? Man darf ihm keine Auftritte im deutschen Fernsehen mehr bieten? Ist der Meinungskorridor schon enger als eine Schießscharte?

– Unser Verteidigungsministerin will einem engen Mitarbeiter einen lukrativen Posten zuschustern.

Eine private E-Mail zeigt, wie RBB-Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus offenbar einen Kollegen kaltstellen und den Ehemann der Berliner Umweltsenatorin Bettina Jarasch befördern wollte – zunächst ohne Ausschreibung.

parag agrawal




What ist to be done (?)

cat reading Lenin

– Ich sage nur – und wiederhole mich: Normenklarheit.
Der Verfassungsgerichtshof hat die aktuelle Bußgeldvorschrift außer Kraft gesetzt. Aber nur das. Ansonsten wurde der Antrag eines Berliner Rechtsanwalts, eine „Einstweilige Verfügung“ zu erlassen, abgeschmettert. (Sehr geehrte Juristen: Das ist besser und verständlicher als „der Antrag auf Erlass einer“ usw..)

„Die Vorschrift versetzt die Bürgerinnen und Bürger nicht in ausreichender Weise in die Lage, zu erkennen, welche Handlung oder Unterlassung bußgeldbewehrt ist. Diese mangelnde Erkenntnismöglichkeit kann gerade rechtstreue Bürgerinnen und Bürger veranlassen, sich in ihren Grundrechten noch weiter zu beschränken, als es erforderlich wäre, um keine Ordnungswidrigkeit zu begehen.“

Ich bin dafür, solche Urteile auf Latein zu verfassen. Die wären dann kürzer, vermutlich auch logischer, und übersetzt werden müssen sie allemal. Deutsch ist einfach keine Sprache für Juristerei.

– Was zu Tieren: Der letzte Alligator, der (!) Hitler lebend gesehen hat, ist jetzt gestorben. In Englisch klingt das sehr süffisant:
„Saturn the alligator had an eventful life. He was born in Mississipi, USA, in 1936 before being taken to Germany, where he lived in the Berlin Zoo. This wasn’t the ideal time to grow up in Germany, even if you’re largely unaware of what’s going on by virtue of being an alligator. (…) In July 1946, Soviet soldiers took Saturn from Berlin to Moscow zoo, where he lived out the rest of his life, with zookeepers describing him as „a very peaceful character“ apart from one incident „in 1970, when he almost bit off the arm of a young guard who was too inexperienced and tried to feed him out of his hand.“

By the way: Elefanten können weniger gut saufen als der Homo sapiens.

New York Times: „How the Taliban Outlasted a Superpower: Tenacity and Carnage“. Zum Gruseln, aber es war zu erwarten.

Ein ähnliches Frauenbild wie die Taliban scheinen die Mexikaner zu haben.

– Zum Schluss: Nehmt dies, Trump-Basher aus dem deutschen Feuilleton! „People in Republican states are moving more, buying more, and suffering less unemployment“. Ach?!




Unter Vollpfosten

„Zweifelhafte Posts sollen zudem für alle Nutzer sichtbar als ‚umstritten‘ gekennzeichnet werden können.“ (Tagesschau)

Die sind alle völlig irre. Zum Glück wird irgendjemand klagen, und das Bundesverfassungsgericht wird die Sache wegen fehlender Normenklarheit in die nächste Tonne kloppen. Lustig wird sein, wer für die geplante Zensur sein wird. Da fallen mir auf Anhieb viele Vollpfosten ein.




Unseren täglichen Medienkonsum gib uns heute

Guanajuato

Guanajuato, Mexiko (1979) – und gar kein Zusammenhang mit dem unten Geschriebenen

Uruguay gewinnt gegen Philipp Morris. Ich habe mir, wenn es so bleibt, vorgenommen, bei meiner nächsten Riese nach Südamerika auch am Rio de la Plata vorbeizuschauen – und im Gran Chaco. Vielleicht von da aus nach Bolivien? Umgekehrt ging es – in Tarabuco standen morgens LKWs, die Mitfahrer nach Paraguay suchten.

Harald Martenstein schreibt über „rhetorische Ausweichmanöver“.

In der Taz schreiben „kritische Muslime“. Das ist für mich Bullshit. Wer höhere Wesen verehrt, ist nicht „kritisch“, sondern nicht satifaktionsfähig. Man kann mit Relgiösen nicht rational diskutieren – wie sollte das funktionieren?

Das neue Sexualstrafrecht sei Unsinn und verfassungswidrig, sagt eine Strafrechtlerin. Sehe ich auch so. Fehlende Normenklarheit. Sollte man wegklagen.

Telepolis über „Staatsverbrecher“. Auch lesenswert.

Sport (Vorsicht, Faceboook) ist immer gut. Leider bin ich nicht so gut wie die Dame.




Unangemessen und anstössig

anstößig

Gegen das gesunde Volksempfinden war ich schon immer allergisch, vor allem dann, wenn es von den gutmeinenden pseudolinken LichterkettenträgerInnen formuliert wird. Das sind diejenigen, die noch Anfang des vorigen Jahrhunderts „Heime für gefallene Mädchen“ gegründet hätte.

Wer Bilder verbietet, glaubt an die Macht derselben. Der reformatorische Bildersturm im 16. Jahrhundert war die Großmutter aller Verbote, die heute seitens der Political Correctness gefordert werden. Man verkennt, dass Bilder an sich überhaupt nichts bewirken, weil mediale Rezeption nicht auf antropologischen Konstanten beruht, sondern auf einem a priori hergestellten kulturellen Konsens, der aber nicht bewusst sein muss.

Das Verbot „sexistischer“ Werbung ist nicht anderes als primitive Magie: „die Zuordnung von bestimmten Kräften an Gegenstände Ereignisse oder Lebewesen, die diese normalerweise nicht besitzen. Durch Rituale, Beschwörungen (etwa mittels Zaubersprüchen), Gebete, oder Invokationen sollen diese Kräfte wirksam auf die Umwelt übertragen werden, um das Tun, Wollen und Schicksal anderer Menschen willentlich zu beeinflussen.“

Durch Bilderverbote wird die Welt besser? Das stimmt schon seit dem Neolithikum nicht.

Auf der Website des Berliner Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg (via Werbewatch Wien) erfahren wir, was die Kriterien für „sexistische, diskriminierende oder frauenfeindliche Werbung“ seien: Wenn

a) Frauen oder Männer auf abwertende Weise dargestellt werden;
b) die Gleichwertigkeit der Geschlechter in Frage gestellt wird;anstößig
c) Unterwerfung oder Ausbeutung [nicht kritisch] dargestellt oder zu verstehen gegeben wird, dass Gewalt oder Dominanzgebaren tolerierbar seien;
d) die Person in rein sexualisierter Funktion als Blickfang dargestellt wird, insbesondere dürfen keine bildlichen Darstellungen von nackten weiblichen oder männlichen Körpern ohne direkten inhaltlichen Zusammenhang zum beworbenen Produkt verwendet werden.
e) eine entwürdigende Darstellung von Sexualität vorliegt oder die Person auf ihre Sexualität reduziert wird;
f) Personen abgewertet werden, die nicht den vorherrschenden Vorstellungen über Zugehörigkeit zu einem Geschlecht entsprechen (z.B. intersexuelle, transgender Menschen).
g) Werbung für sexuelle Dienstleistungen darf, soweit sie rechtlich zulässig ist, die Würde von Menschen, insbesondere von SexdienstleisterInnen, KonsumentInnen oder PassantInnen, nicht verletzen. Körper und insbesondere weibliche oder männliche Sexualität dürfen nicht unangemessen dargestellt werden. Dabei ist auch besonders auf die Platzierung und das jeweilige Umfeld des Werbesujets zu achten.

Man muss hier gar nicht erst beginnen, nach der Normenklarheit im juristischen Sinn zu suchen. Man muss nur die Begriffe aneinanderreihen: „in Frage stellen“, „tolerierbar“, „vorherrschenden Vorstellungen“, „unangemessen.“ Das ist der Appell an das gesunde Volksempfinden; in den USA würde man schlicht „anstößig“ sagen. BEEP. Die „Kritierien“ sind reine Willkür.

Erotik oder was man dafür hält findet immer im Kopf des Betrachters statt. Der eine denkt bei Bananen an Südfrüchte, die andere an Oralsex. Nicht zufällig sind Fesselspiele beim Sex, werden sie auf Bildern dargestellt (vgl. Fotos oben und unten), für deutsche Jugendschutzwarte anstößig und jugendgefährdend (ja, ich habe hier ein entsprechendes „Gutachten“), weil diese angeblich den „vorherrschenden Vorstellungen“ (aka dem gesunden Volksempfunden), wie Sex abzulaufen habe, widersprächen.

Sex und Moral kommen bei den aufstiegsorientierten Mittelschichten, die den öffentlichen Diskurs prägen (Alice Schwarzer ist ein Beispiel) immer dann vor, wenn es darum geht, die eigene soziale Position nach oben und unten zu verteidigen. In Zeiten der Krise und der verstärkten Klassenkampfs, wer wieviel vom gesellschaftlichen Reichtum bekommt, propagieren die Mittelschichten Anpassung, Opportunismus und Pädagogik, also Verhaltensdressur.

anstößig

Ich zitiere mich selbst aus der Jungle World vom 01.07.1998 (!): „Die Experten in hochkomplexen Systemen sind dafür da, einem Milieu einleuchtend zu erklären, daß das Böse aus dem jeweils anderen Milieu stammt. Die Experten weisen Schuld zu und aktivieren und entlasten das Milieu, das jeweils bezahlt.

Oder (25.02.2007): „Man will, dass die, die den eigenen sozialen Status potentiell bedrohen, sich an Regeln halten, die man selbst aufgestellt hat. Nur die Mittelschichten fordern von allen anderen, sich an Regeln zu halten, weil sie ‚Angst vor dem Absturz‘ (Barbara Ehrenreich) haben. Wer aufsteigen will, muß die Werte der Gesellschaft verinnerlichen und sich selbst kontrollieren. Beherrsche dich, und nicht etwa andere! Der klassische Radfahrer tritt nach unten, aber fordert gleichzeitig, daß die da oben das nicht tun. Sie sollen ihn dafür belohnen, daß er sich an die Regeln hält.“

Der Diskurs gegen „sexistische“ Werbung und der gegen „Gewalt“ sind zwei Seiten derselben (protestantischen) Medaille.




Leistungs“schutz“recht, reloaded [Update]

Das so genannte „Leistungsschutzrecht“ ist zwar mit den Stimmen der üblichen DAUs im Bundestag verabschiedet worden, aber es muss ja noch durch den Bundesrat. Ich empfehle den Piraten eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht nicht wegen des Inhalts, sondern wegen eines Verstoßes gegen den gesetzlich verlangten Grundsatz der Normenklarheit.

Auf mich hört ja niemand. Alle Pappnasen wissen es wie gewohnt besser. Aber ich würde recht behalten, wenn jemand klagte und sich auf den Zwang zur Rechtsbestimmtheit beriefe.

[Update] Don Alphonso sagt, was zum Thema gesagt werden muss. Mehr ist nicht nötig.




Das spontane Distanzierungs-Syndrom (SDS) oder: Soll der Besitz von Kinderpornografie straffrei bleiben?

Falkvinge

Rick Falkvinge, der Gründer der schwedischen Piratenpartei, hat einige Thesen formuliert, wie der Besitz von Kinderpornografie im nächsten Jahrzehnt juristisch gewürdigt werden sollte. Fazit: Um den sexuellen Missbrauch von Kindern besser zu bekämpfen, sollte der Besitz von Kinderpornografie nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.

This article argues that our current laws on the topic are counterproductive, because they protect child molesters instead of bringing them to justice, they criminalize a generation of normally-behaving teenagers which diverts valuable police resources from the criminals we should be going after, and they lead to censorship and electronic book burning as well as unacceptable collateral damage to innocent families. Child abuse as such is not condoned by anybody, and this article argues that current laws are counterproductive in preventing and prosecuting it.

Falkvinge schreibt zu Recht, dass es sich um ein „toxisches“ Thema handele. In Deutschland ist die öffentliche und mediale Hysterie gesetzt: Schaum vor dme Mund per default. Quod erat demonstrandum: Die deutschen Medien sind noch nicht einmal in der Lage, sein Anliegen korrekt wiederzuheben. (erfreulich unaufgeregte Ausnahme ist die Süddeutsche). Nur Udo Vetter hat sich aus juristischer Sicht nüchtern mit dem Thema auseinandergesetzt.

Ich stimme Udo Vetter in einigen Punkten nicht zu. Falkvinge hat jedoch in fast allen Punkten recht. Ich habe jedoch keine Lust, dieses schmierige Thema hier lang und breit abzuhandeln. Es ist auch unwichtig. wie Udo Vetter richtig sagt: Es gibt keinen relevanten Markt für Kinderpornografie, mit dem jemand Gewinne machen könnte, obwohl alle Hysteriker das immer behauptet haben.

Udo Vetter: „Dazu muss einleitend gesagt werden: Was gemeinhin als Kinderpornografie umschrieben wird, sollte auch dokumentierter Kindesmissbrauch genannt werden.“ Das ist korrekt. Man muss aber hinzufügen, dass die Definition dessen, was „Kind“ ist, nach deutscher Gesetzeslage in das subjektive Empfinden verlagert wird. Es gibt keine Normenklarheit.

Rechtsanwalt Dr. Helmut Graupner (Wien) schreibt auf pornoanwalt.de dazu:
Eine neue EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Kinderpornografie sieht nicht nur Internetsperren vor, sondern verpflichtet die 27 Mitgliedstaaten auch zur Kriminalisierung von Erotika mit Erwachsenen. Verboten wird nicht nur Pornografie, sondern jede Darstellung sexueller Vorgänge.
Vielfacher Kritik begegnete der EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Kinderpornografie und der sexuellen Ausbeutung von Kindern (2004/68/JI), den die damals noch 15 Mitgliedstaaten 2004 verabschiedet haben. Denn die Altersgrenze für absolut verbotene ‚Kinder’pornografie wurde mit diesem Rahmenbeschluss auf 18 Jahre festgesetzt, ohne zwischen Kindern und Jugendlichen zu unterscheiden. Mündige und heiratsfähige 17jährige Jugendliche wurden gleich behandelt wie 5jährige Kinder. In das Verbot einbezogen wurde auch Pornografie mit DarstellerInnen, die wie unter 18 Jahre aussehen.

Wer sieht warum wie „unter 18 Jahre“ aus? Das soll „Normenklarheit“ bei einem Gesetz sein?

Man muss sich zum Beispiel nur die Argumentation des Oberlandesgerichts Hamburg durchlesen:
Das Amtsgericht geht – rechtlich zutreffend – davon aus, die automatische Abspeicherung und Aufrufbarkeit der Dateien im Internet-Cache begründe objektiv Besitz im Sinne des § 184 b Abs. 4 StGB; es sieht jedoch den Nachweis eines diesbezüglichen Besitz(begründungs)-willens für nicht geführt.
Das Amtsgericht folgt dem Sachverständigen darin, dass „durchschnittlich erfahrene Internetnutzer“ (Hervorhebung durch Senat) die Existenz und Funktion des Internet-Cache kennen, verkennt allerdings, dass bei einem Internetnutzer, der sich jahrelang gezielt der Internet- und Computertechnologie zum Aufsuchen und Speichern von kinderpornographischen Dateien bedient hat und dem die Totallöschung früher gespeicherter Dateien gelungen ist, die Existenz und Funktion des Internet-Caches bekannt sein dürfte. Die vom Angeklagten mit dem Aufruf zum Betrachten kurzfristig in den Arbeitsspeicher geladenen Dateien enthalten (ebenso wie deren automatisch gespeicherte Version im Internet-Cache auf der Festplatte des Computers) Darstellungen, die auf einem Datenspeicher festgehalten sind, und sind damit Schriften im Sinne von § 11 Abs. 3 StGB.
Nach der Rechtsprechung sind Dateien, die auf Datenspeichern – wozu auch Arbeitsspeicher gehören – festgehalten sind, selbst Datenspeicher und stehen somit Schriften gleich. (…)
Schon wer bewusst und gewollt Seiten mit kinderpornografischem Inhalt aus dem Internet aufruft und auf dem Bildschirm seines Computers betrachtet, unternimmt es, sich den Besitz von kinderpornografischen Schriften (hier: Daten) zu verschaffen. Nicht erforderlich zur objektiven und subjektiven Tatbestandserfüllung sind ein Plan, die Datei manuell abzuspeichern, oder ein Wissen um die automatische Abspeicherung der Datei im so genannten Internet-Cache.

Jemand, der versehentlich auf eine japanische Hentai-Anime gesurft ist, weil er gar nicht wusste, was das ist, macht sich strafbar, obwohl er vielleicht schockiert weggezappt ist, weil es nach Ansicht des Gerichts nicht darauf ankommt, dass „durchschnittlich erfahrene Internetnutzer“ von einem Cache (Zwischenspeicher) des Browsers gar nichts wissen. Und woher will ein Gericht wissen, ob jemand „bewusst“ und „gewollt“ auf eine Website gelangt?

Und mit dieser Rechtsauffassung sind die Piraten zufrieden?

Es gibt auch in der deutschen Piratenpartei das spontane Distanzierungs-Syndrom (SDS, also known as Exorzismus auf der Basis protestantischer Gewissenserforschung).

Hiermit distanziere ich mich ausdrücklich von der StVO | von Falkvinge und allen unter dem Scheibenwischer | im Internet angebrachten Gegenständen | Texten. Wenn Sie sich diesem Fahrzeug | meinem Rechner nähern, stimmen sie damit diesem Haftungsausschluss automatisch zu.

Schlömer und die anderen Distanzierungs-Groupies kann man nur mit Tucholsky korrekt beschreiben: Deutsch bleibt deutsch, da helfen keine Pillen.




Verfahren gegen linken Buchladen eingestellt

Pressemitteilung der Partei „Die Linke“:
„Die gestrige Einstellung des Strafverfahrens gegen den Betreiber des Buchladens ‚oh 21‘ weist die Staatsanwaltschaft in die Schranken. Diese hat in den letzten Monaten eine Reihe von Ermittlungsverfahren gegen verschiedene linke Buchläden eingeleitet. Der Vorwurf lautet Beihilfe zur Anleitung zu Straftaten und Verstoß gegen das Waffengesetz. Dieser Vorwurf beruht allein darauf, dass in diesen Buchläden einschlägige Zeitschriften und Flugblätter ausliegen. Immer wieder wurden deshalb Läden wie oh 21, Schwarze Risse oder ‚M99‚ [„Berliner Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf M99“ B.S.] polizeilich durchsucht.

Die Auffassung der Staatsanwaltschaft, Buchhändler könnten für die Inhalte aller bei ihnen ausliegenden Bücher und Materialien strafrechtlich verantwortlich gemacht werden, konnte sich gestern vor Gericht nicht durchsetzen. Dies bestätigt die bisher geltende Rechtsprechung.

Von Buchhändlern zu verlangen, sämtliche Inhalte der von ihnen vertriebenen Schriftstücke zu kennen und dafür auch noch persönlich haftbar zu sein, ignoriert den Charakter des Strafrechts als Ultima Ratio beim Schutz konkreter Rechtsgüter. (…) Wenn nicht einmal die Gerichte einen Anlass sehen, gegen die Buchläden vorzugehen, sollte die Staatsanwaltschaft von einem solchen Vorgehen absehen. Das Strafrecht dient nicht der Legitimation polizeilicher Präventionstätigkeit und der Ausforschung von Milieus.“

(Auch in Pressemitteilungen kann man Links setzen, Linke!)

Das wird natürlich trotzdem weitergehen. Der hübsche Paragraf „Verstoß gegen das Waffengesetz“ ist so vage formuliert („fehlende Normenklarheit, würde das Bundesverfassungsgericht formulieren), dass er sich hervorragend dafür eignet, Leute einzuschüchtern, deren politische Meinungen ein paar Berliner Staatsanwälten schlicht nicht in den Kram passt. Das Verfahren ist die Strafe; die Kosten für lächerliche Ermittlungsverfahren zahlt der Steuerzahler. Ich weiß, wovon ich rede….




Auch Rassismus ist eine Meinung

Und wieder ein schönes Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungsfreiheit (via Verfassungsblog): Ein Gericht hatte einem Neonazi eine „Weisung“, also eine Auflage zur „Führungsaufsicht“ aka Bewährungsauflage gegeben, die so typisch deutsch ist, dass es vor Leitkultur nur so trieft:

„Dem Verurteilten wird verboten, rechtsextremistisches oder nationalsozialistisches Gedankengut publizistisch zu verbreiten, insbesondere durch Veröffentlichungen im Verlag ‚Deutsche Stimme‘, in den ‚Nachrichten‘ der ‚Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG)‘ oder über den ‚Freundeskreis UN e.V‘.“

Einem Verurteilten wird verboten, seine politische Meinung zu äußern. Man sollte erwarten, dass Demokraten sich entrüsten. Nicht so in Deutschland. Meinungsfreiheit gilt nur für die, die eine richtige Meinung haben – so ist hierzulande der Standard. Das Bundesverfassungsgericht denkt etwas anders darüber:

„Dieser Eingriff ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. (…) Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet. Es findet gemäß Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen. Hierunter fällt auch die Weisungsbefugnis im Rahmen der Führungsaufsicht gemäß § 68b Abs. 1 Nr. 4 StGB, da dieser keine inhaltsbezogene Meinungsbeschränkung zum Gegenstand hat, die sich von vornherein nur gegen bestimmte Überzeugungen, Haltungen oder Ideologien richtet (…). Auch im Übrigen bestehen an der Verfassungsmäßigkeit des Instituts der Führungsaufsicht keine grundsätzlichen Zweifel.“

Das ist zwar ärgerlich – aber damit kann man eventuell noch leben.

„Die angegriffene Weisung ist unbestimmt und schon deswegen unverhältnismäßig. (…) Das dem Beschwerdeführer auferlegte Publikationsverbot erstreckt sich allgemein auf die Verbreitung von nationalsozialistischem oder rechtsextremistischem Gedankengut. Mit dieser Umschreibung ist weder für den Rechtsanwender noch für den Rechtsunterworfenen das künftig verbotene von dem weiterhin erlaubten Verhalten abgrenzbar und damit im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch nicht hinreichend beschränkt. Schon bezüglich des Verbots der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts lässt sich dem Beschluss des Oberlandesgerichts nichts dazu entnehmen, ob damit jedes Gedankengut, das unter dem nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürregime propagiert wurde, erfasst sein soll oder nur bestimmte Ausschnitte der nationalsozialistischen Ideologie, und falls letzteres der Fall sein sollte, nach welchen Kriterien diese Inhalte bestimmt werden können. Erst Recht fehlt es dem Verbot der Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts an bestimmbaren Konturen. Ob eine Position als rechtsextremistisch – möglicherweise in Abgrenzung zu ‚rechtsradikal‘ oder ‚rechtsreaktionär‘ – einzustufen ist, ist eine Frage des politischen Meinungskampfes und der gesellschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzung“.

Eben – das Wort der Woche für Lichterkettenträger. Niemand kann eindeutig und all gemein gültig bestimmen, was „rechtsextremistisch“ ist. Deswegen kann man auch nichts verbieten – unter Juristen nennt man das „fehlende Normenklarheit„. Der Gesetzgeber darf nur Gesetze machen, aus denen klar hervorgeht, was erlaubt und was verboten ist.

„…ist die angegriffene Entscheidung verfassungsrechtlich nicht tragfähig. Indem sie dem Beschwerdeführer für fünf Jahre uneingeschränkt jede publizistische Verbreitung rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts verbietet, hindert sie ihn unabhängig von besonderen Situationen, in denen eine erhöhte Gefährdung zur Begehung von Straftaten besteht, generell an einer elementaren Form der Meinungsverbreitung zu vielen oder potentiell auch allen den Beschwerdeführer interessierenden politischen Problemen. Im Ergebnis macht sie es damit dem Beschwerdeführer – abhängig von seinen Ansichten – in weitem Umfang unmöglich, überhaupt mit seinen politischen Überzeugungen am öffentlichen Willensbildungsprozess teilzunehmen. Dies ist mit der Meinungsfreiheit nicht vereinbar.“




Die nächste VDS kommt bestimmt….

bvg

BVG tritt Vorratsdatenspeicherung in die Tonne…..Argument: Transparenz, Rechtsschutz und Normenklarheit müssen gewährleistet sein, seien es aber nicht. Die VDS ist prinzipiell möglich, aber nur bei Gefahr für Leib und Leben oder den Bestand des Staates. „Es gelten die gleichen Anforderungen wie für die Online-Durchsuchung“, sagt Papier.

Geheimdienste und Polizei dürfen aber auch in Zukunft nicht präventiv auf Daten zu greifen. Der Staat darf übrigens auch in Zukunft nicht direkt auf die Daten zugreifen, es darf also keine „Superbehörde“ geben.

Pressemeldung des Bundesverfassungsgerichts: „Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof kommt nicht in Betracht, da es auf einen möglichen Vorrang des Gemeinschaftsrechts nicht ankommt.“

[Das Urteil im Wortlaut]

Update: Hier ist die Liste derjenigen Mitglieder des Bundestags. die für die Vorratsdatenspeicherung gestimmt haben…




Keine Knöllchen und in die Tonne mit Erlässen

Pressemeldung des Bundesverfassungsgerichts: „Zur Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (…) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kann zwar im überwiegenden Allgemeininteresse eingeschränkt werden. Eine solche
Einschränkung bedarf aber einer gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht und verhältnismäßig ist. Der als Rechtsgrundlage herangezogene Erlass des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern, stellt aber keine geeignete Rechtsgrundlage für Eingriffe in dieses Recht dar. Bei dem Erlass handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift und damit um eine verwaltungsinterne Anweisung.“ Im Klartext: Verwaltungsakte- und -vorschriften sind keine Gesetze.

Snlass: „Die eingelegten Rechtsmittel gegen den Bußgeldbescheid, mit denen der Beschwerdeführer insbesondere rügte, dass die Video-Aufzeichnung des Verkehrsverstoßes mangels konkreten Tatverdachts ohne ausreichende Rechtsgrundlage angefertigt worden sei, hatten keinen Erfolg. Als ausreichende Rechtsgrundlage für die vorgenommene Geschwindigkeitsmessung wurde von den Gerichten der Erlass zur Überwachung des Sicherheitsabstandes nach § 4 StVO des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juli 1999 angesehen.“ Diesen Erlass können sie jetzt in die Tonne treten.




Die Gesinnungsjustiz und Online-Anleitungen zum Bombenbau

TNT

Focus Online titelt selbstredend boulevardesk. „Gesetzentwurf: Bombenbastler in den Knast“,. Das stimmt zwar so nicht, hört sich aber im rechtskonservativen Polit-Jargon, der Focus auszeichnet, gut an. Auch der Wiesbadener Kurier formuliert nur Quatsch mit Sauce über das Hysterie-taugliche Thema „Bombenbauanleitungen im Internet: „Wer zufällig auf einer entsprechenden Internetseite landet, muss also nicht mit der Polizei rechnen“. Aha. Wer nicht zufällig auf eine derartige Website stößt, bei dem steht die Polizei auf der Matte? Und wie erfährt die vorher davon? Wie doof muss man, Kollege Martin Rücker, eigentlich sein, um so etwas zu schreiben? Bei dem intellektuellen Niveau dieser Journaille wundert mich gar nichts mehr.

Heise sagt alles Wesentliche zum Thema. Die Politik hat das Gesetz bewusst so gemacht – „auf Kante genäht“ -, dass es vermutlich vom Bundesverfassungsgericht gekippt würde, falls jemand als Betroffener klagte (ich kündige es hiermit im Fall der Fälle an). Die Chancen steht hervorragend – jemand sollte Frau Zypries vielleicht nahelegen, sich mit dem juristischen Terminus Normenklarheit zu beschäftigen. Bestraft werden sollen jetzt Gedankenverbrechen.

„Eine Bestrafung drohe künftig auch Personen, die eine Anleitung zum Bombenbau ins Internet stellen oder diese herunterladen. Aber auch hier müsse der Vorsatz nachgewiesen werden, dass dadurch eine Straftat vorbereitet werden soll. So solle der Download einer solchen Bauanleitung aus ‚jugendlicher Neugier‘ straffrei bleiben. Auch die Veröffentlichung sei nur dann strafbar, wenn sie die Bereitschaft anderer Internet-Nutzer fördert, eine terroristische Straftat zu begehen. Die Veröffentlichung auf einer neutralen Website soll deshalb anders bewertet werden als in einem islamistischen oder rechtsradikalen Internet-Forum.“

Aha. Neonazis werden also anders bestraft als Linke oder Stinknormale? Das soll rechtsstaatlich sein? Die Reaktionäre von der Evangelischen Allianz dürften online über Schwarzpulver fachsimpeln, ähnlich weltanschaulich vernagelte Muslime aber nicht? Die Richter in Karlsruhe werden sich kaputtlachen oder weinen ob der Dreistigkeit der Macher dieses Gesetzes und der Ignoranz der verblödeten Mitlaufer im Bundestag, die so einen Schrott verabschieden. Ja, wir sind wieder auf dem Weg zur Gesinnungsjustiz.

Da Burks‘ Blog ein „neutrales“ Blog ist und niemand hier terroristische Straftaten fördern will, ja der Betreiber sogar dringend davon abrät, diese zu begehen, vielmehr potenzielle Terroristen streng ermahnte und notfalls verwarnte, erführe er von derartigen Plänen, ist es erlaubt, auf den Wikipedia-Eintrag über Hohlladungen hinzuweisen, weil das Grundwissen über Sprengchemie auch im Chemie-Unterricht indirekt und pädagogisch wertvoll behandelt wird, und diesen zu zitieren:

„Eine kegelförmige Metalleinlage mit nach vorn gerichteter Öffnung wird mit möglichst brisantem Sprengstoff umgeben. Der Zünder sitzt an der Rückseite der Ladung. Wird die Ladung gezündet, so bildet sich – von der Spitze des Metallkegels ausgehend – ein Stachel aus kaltverformtem Metall, der mit sehr hoher Geschwindigkeit das Ziel durchdringt, gefolgt von einem langsameren „Stößel“, der die Hauptmasse bildet.“

Juristisch wäre das jetzt ein kompliziertes Problem, da es bei mir nicht nur keine Online-Durchsuchungen geben kann, sondern auch keine Durchsuchungen meiner Gedanken. Wie will man wissen, ob ich böse oder gute Absichten mit meiner hier praktizierten staatsbürgerlichen Aufklärung hege? Auch müssen die Sätze: „Sehr geehrte TerroristInnen! Bitte suchen Sie sich bei Wikipedia die entsprechenden Absätze über Hohlladungen und Zünder heraus und kombinieren Sie diese mit den Details des obigen Screenshots oder der „Lerneinheit Pikrinsäure!“ vermutlich als Satire genommen werden.. Und Satire darf bekanntlich alles. Mir vergeht aber beim Thema das Lachen – es ist eher zum Gruseln. Ein Haufen Irrer.




Verfahren zur Herstellung von Zündsätzen für Sprengkapseln, Zündhütchen und Geschosszündungen

Wie ich hier schon angekündigt hatte, werde ich mich in Zukunft ausführlicher der Frage widmen, welche Informationen zum Thema Sprengchemie öffentlich zugänglich sind, um die Absurdität des verschärften Waffengesetzes und dessen fehlende Normenklarheit zu erläutern. Heute dokumentiere ich ein Patent aus der Kaiserzeit, patentiert ab dem 8. Dezember 1912. Der Inhaber des Patents, der Wissenschaftlier C. Claessen, wird auch auf der Website Military Explosives ausführlich zitiert sowie in dem (noch) nicht verbotenen Buch „Angewandte Chemie“ (2008 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim).

patent




Vorratsdatenspeicherung | Juristisches

Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2006 (2 BvR 2099/04) (ohne Literaturangaben)

(…) Das Fernmeldegeheimnis schützt in erster Linie die Vertraulichkeit der ausgetauschten Informationen und damit den Kommunikationsinhalt gegen unbefugte Kenntniserlangung durch Dritte.

Als Folge der Digitalisierung hinterlässt vor allem jede Nutzung der Telekommunikation personenbezogene Spuren, die gespeichert und ausgewertet werden können. Auch der Zugriff auf diese Daten fällt in den Schutzbereich des Art. 10 GG; das Grundrecht schützt auch die Vertraulichkeit der näheren Umstände des Kommunikationsvorgangs.

Dazu gehört insbesondere, ob, wann und wie oft zwischen welchen Personen oder Endeinrichtungen Telekommunikationsverkehr stattgefunden hat oder versucht worden ist. Andernfalls wäre der grundrechtliche Schutz unvollständig; denn die Verbindungsdaten haben einen eigenen Aussagegehalt. Sie können im Einzelfall erhebliche Rückschlüsse auf das Kommunikations- und Bewegungsverhalten zulassen. Häufigkeit, Dauer und Zeitpunkt von Kommunikationsverbindungen geben Hinweise auf Art und Intensität von Beziehungen und ermöglichen auf den Inhalt bezogene Schlussfolgerungen. (…)

Die freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist von dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.

Das Grundrecht dient dabei auch dem Schutz vor einem Einschüchterungseffekt, der entstehen und zu Beeinträchtigungen bei der Ausübung anderer Grundrechte führen kann, wenn für den Einzelnen nicht mehr erkennbar ist, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Die Freiheit des Einzelnen, aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu entscheiden, kann dadurch wesentlich gehemmt werden.

Ein von der Grundrechtsausübung abschreckender Effekt fremden Geheimwissens muss nicht nur im Interesse der betroffenen Einzelnen vermieden werden. Auch das Gemeinwohl wird hierdurch beeinträchtigt, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist. (…)

Bei den Verbindungsdaten handelt es sich um personenbezogene Daten, die einen erheblichen Aussagegehalt besitzen können und deshalb des Schutzes durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) bedürfen.

Telekommunikation hat mit der Nutzung digitaler Übertragungsgeräte an Flüchtigkeit verloren und hinterlässt beständige Spuren. Durch die Digitalisierung fallen nicht nur bei den Diensteanbietern, sondern auch in den Endgeräten der Nutzer ohne deren Zutun vielfältige Verbindungsdaten an, die über die beteiligten Kommunikationsanschlüsse, die Zeit und die Dauer der Nachrichtenübertragung sowie teilweise auch über den Standort der Teilnehmer Auskunft geben und regelmäßig über den jeweiligen Kommunikationsvorgang hinaus gespeichert werden. Die Menge und der Aussagegehalt anfallender Verbindungsdaten lassen ein immer klareres Bild von den Kommunikationsteilnehmern entstehen. Auf Grund der Konvergenzen der Übertragungswege, Dienste und Endgeräte kommt es in der Telekommunikation in zunehmendem Maße zu einer Komprimierung des Informationsflusses. Die Endgeräte, vor allem Mobiltelefon und Personalcomputer, dienen nicht nur dem persönlichen Austausch, sondern zunehmend auch der Abwicklung von Alltagsgeschäften, wie dem Einkaufen oder dem Bezahlen von Rechnungen, der Beschaffung und Verbreitung von Informationen und der Inanspruchnahme vielfältiger Dienste. Immer mehr Lebensbereiche werden von modernen Kommunikationsmitteln gestaltet. Damit erhöht sich nicht nur die Menge der anfallenden Verbindungsdaten, sondern auch deren Aussagegehalt. Sie lassen in zunehmendem Maße Rückschlüsse auf Art und Intensität von Beziehungen, auf Interessen, Gewohnheiten und Neigungen und nicht zuletzt auch auf den jeweiligen Kommunikationsinhalt zu und vermitteln – je nach Art und Umfang der angefallenen Daten – Erkenntnisse, die an die Qualität eines Persönlichkeitsprofils heranreichen können.

4. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt vor jeder Form der Erhebung personenbezogener Informationen. Ein Durchsuchungsbeschluss, der – wie hier – zielgerichtet und ausdrücklich die Sicherstellung von Datenträgern bezweckt, auf denen Telekommunikationsverbindungsdaten gespeichert sein sollen, greift in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ein.

5. Beschränkungen des Art. 2 Abs. 1 GG bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht.(…)

Ich frage mich, ob die Herrschaften, die das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen haben, jemals in eines der Urteile des Bundesverfassungsgerichts hineingesehen haben. Die Richter werden ihnen die Vorratsdatenspeicherung in kleine Fetzen zerreißen und auf den traurigen Resten vornehm herumtrampeln, bevor sie in die Tonne fliegen.