Von Barinas über Maporal nach Palmarito, revisited

Barinas

Ich kann mein Posting „Llanos“ (26.03.2023) ergänzen. Ich war in einer preiswerten Unterkunft in Barinas abgestiegen, wo genau, kann ich leider nicht mehr nachvollziehen. Ich hatte meinen Coleman Peak 1 Multi-Benzinkocher] dabei, der hier schon oft lobend erwähnt wurde. Heute sieht das Nachfolgemodell natürlich anders aus, aber wenn ich noch einmal einen brauchte, wäre Coleman, auch wegen des Preis-Leistungsverhältnisses, erste Wahl. Ich sage nur: unkaputtbar! Getestet mit (nicht empfohlenen) Normalbenzin bei Minusgraden auf knapp 4.500 Höhenmetern!). Hier kochte ich mir – mit Blick auf den Hof – einen Kaffee. Die Herberge war in der Nähe eines Marktes.

Ich habe noch einmal in meinem Büchlein nachgesehen, in dem ich Notizen für meinen Roman gemacht hatte. Ich fand dort einen Eintrag über den Trip von Barinas nach Süden zum Rio Apure bzw. Palmarito mit der nicht geplanten Zwischenstation auf einer Ranch inmitten der Pampa Llanos.

reisetagebuch

Der Fluss, an dem uns der Fahrer absetzte, war der Rio Caparo Viejo, und das Kaff der Ort hieß Maporal. Bei Google gibt es sogar noch ein Foto der Fähre, mit der ich übersetzte – es scheint sich nicht viel geändert zu haben seit 1998. Die Ranch lag ungefähr auf halbem Weg zwischen Maporal und Palmarito. (Vielleicht hier?) Eine Straße scheint es immer noch nicht zu geben, deswegen war damals der Traktor nicht schlecht als Mitfahrgelegenheit.

Der Papagei wohnte auch in meiner „Pension“ in Palmarito. Ich bekam nur einen Platz für meine Hängematte, wurde aber überaus freundlich behandelt, vermutlich auch wegen der Empfehlung des Ranchers, mit dessen Leuten ich dort angekommen war. Auch in Palmarito war ich der einzige Ausländer…

papagei palmarito




Dschungelfieber, revisited

Serranía de la MacarenaSerranía de la MacarenaSerranía de la MacarenaSerranía de la MacarenaSerranía de la MacarenaSerranía de la Macarena

Über die Serranía de la Macarena im Osten Kolumbiens hatte ich hier schon mehrfach geschrieben (zum Beispiel auf meinem alten Blog „Dschungelfieber“, 27.01.2004, „Das Cucaracha-Massaker“, 28.01.2004).

Das oberste Bild ist ungefähr nördlich von Caño Amarillo gemacht worden. Wir haben in der Hütte eine Nacht verbracht.

Wir sind damals 1982 von Vistahermosa nach Westen durch den Dschungel marschiert und haben drei Tage lang keine Ortschaft gesehen. Wichtigste Frage: die Orientierung. In den Kneipen des Weilers sagte man uns, es gebe am Rand der Berge ein paar bewohnte Häuser und mehrere kleine Fincas. Wir würden nicht verlorengehen. Nach rund zwölf Stunden hätten wir den Rand des Gebirges erreicht. Wir sollten uns unbedingt den riesigen Wasserfall ansehen, irgendwo da oben in den Bergen. Ein campesino, der dort arbeitete, würde in ein paar Tagen per Pferd dort hinreiten. Es gebe auch einen Weg, der an manchen Stellen schwer zu finden sei… Der Bauer – wohl eher ein schlichter Landarbeiter – war schnell aufgespürt. Er würde uns auf halber Strecke einholen, sagte er. Und dann sähe man weiter…

So geschah es. Damals operierte in exakt dieser Region schon die Guerilla FARC. Ich war damals jung und naiv; heute schlage ich die Hände über dem Kopf zusammen, was ich mich getraut habe. Ob der campesino nur ein Landarbeiter war oder ein Guerilla inkognito? Ich weiß es nicht.

Endlich eine Lichtung – wir sind dreizehn Stunden unterwegs. Ein paar offenbar verlassene Häuser; der campesino und sein Pferd warten schon auf uns. Im Hintergrund ragen die Bergzinnen der Sierra in den Abendhimmel – unser morgiges Ziel. Und wieder tut der Coleman-Ofen seine Pflicht. Die heisse Suppe und das Brot schmecken wir ein Festmahl in einem Fünf-Sterne-Restaurant. Apropos Brot: Wie schützt man Brot vor Ameisen und Cucarachas? Ameisen sind süchtig nach Eiweiß, sterben aber sofort, wenn sie davon kosten – Eiweißvergiftung mit Ansage: man muss nur ein Ei in der Nähe des Brotes aufschlagen. Schaben sind widerstandsfähiger und schlauer. Sie essen schlicht alles. Einige von ihnen können auch fliegen und sind äusserst hartnäckig. Eine wohl verpackte Plastiktüte, an einem Bindfaden aufgehängt, ist für sie kein Problem. Die Tüte wird gleich mit verspeist und ist morgens so löchrig wie ein Käse. Da hilft nur, den Faden mit Benzin zu tränken (auch gut gegen Ameisen) und die Tüte von aussen ebenfalls. Das Brot riecht dann nicht so gut, aber es ist wenigstens morgens noch da.

Am Abend das übliche romantische Ritual: ein kleines Lagerfeuer, Hängematte, Zigarette für die Raucher, man erzählt sich Geschichten. Die Grillen lärmen noch. Millionen von Glühwürmchen schwärmen umher, und Milliarden von Moskitos ärgern sich über das Feuer und belagern das Moskitonetz – vergeblich, wenn es richtig aufgehängt und befestigt ist. Eine Nacht im Dschungel – schöner als jede Kneipentour in Berlin oder vor der Glotze…

Ameisen, Ameisen, Ameisen – die wahren Herren des Urwaldes. Vor allem die Blattschneiderameisen (Atta colombica): die lieben Tierchen verputzen die Blätter eines ganzen Baumes in kurzer Zeit. Futter für ihre Pilzzuchten. Kaum ein Blatt, das dem nicht Stücke fehlen, säuberlich herausgeschnitten. Die strahlend schönen Orchideen und anderen Blumen lassen sie offenbar in Ruhe.

Immer wieder Flussläufe, die die Ebene durchziehen wie ein Spinnennetz. In der Regenzeit wäre vermutlich die gesamte Gegend für Fußgänger unpassierbar. Gegen Mittag: wieder eine Hütte. Eine Frau beäugt uns misstrauisch, als tauchte ein Otavaleno aus Ecuador im bayerischen Wald auf. Was wir denn in Gottes Namen suchten? Wasser zuallererst – es sind mindestens vierzig Grad im Schatten. Das ist eine einfach zu lösendes Problem: wir sollten zum baño gehen. Das „Bad“ sei nicht weit entfernt. Sie zeigt mit der Hand den Weg entlang.

Zuerst hören, dann sehen wir den Wasserfall [Cascadas de Caño union]. Er stürzt sich rund fünfzig Meter in die Tiefe, quer über das Tal. Ein sehr schönes Badezimmer haben die Leute hier. Man kann nur sitzen und staunen und sich erfrischen. Das Rauschen übertönt die Stimmen. Ein Paradies mitten im Dschungel. Eine Art Badezimmertür gibt es auch – ein umgestürzter Baumriese versperrt den Weg. Man muss klettern oder sich unten hindurchquetschen. Ein ungutes Gefühl ist garantiert: wenn der Stamm plötzlich verrutschte, wäre jeder platt wie eine Flunder.

Wovon die Siedler leben, ist unklar. In der Sierra de la Macarena sind Drogenlabore versteckt. Und die Herren narcotraficantes stören Gesetze ökologischer Art wenig. Robert Mykle schreibt: „Why is the Sierra de la Macarena so important? The Macarena is the convergence point of six major ecological and geological forces, each exerting its own unique pressure on the local flora and fauna. The end result is a high rate of mutation. The Sierra de la Macarena has Kolumbienbeen called a biological hothouse. And this biological hothouse is on fire. The Sierra de la Macarena is in danger of being burnt away. This singular world with a huge warehouse of biodiversity waiting to be unlocked is about to be lost forever.“

Wer den Dschungel nicht kennt, für den ist alles nur grün, gesprenkelt mit den bunten Farbtupfern der Orchideen und anderer Blumen. Der Urwald ist jedoch von unendlicher Vielfalt. Manchmal wird es dunkel, fast wie in der Nacht, wenn die Bäume eng zusammenrücken, den Pfad zwischen ihren mächtigen Wurzeln zusammenpressen, dass er fast unsichtbar wird. Das Laubdach wölbt sich über den Wanderern und hält die Sonne auf wohltuender Distanz. Undurchdringlicher Bambus, so dick wie ein Oberschenkel, versperrt den Weg. Eine Machete kann nichts ausrichten, oder man schuftete sich zu Tode.

Dann ist der Pfad verschwunden. Haben wir uns verlaufen? Es ist nicht jedermanns Sache, sich mit einem Haumesser in brütender Hitze den Weg freizuschlagen. Zwischen den Blättern erblicken wir nach einer halben Stunde das Tal – dort soll eine Finca sein. Und dann kommt auch der Trampelpfad wieder zum Vorschein, wo auch immer er in de Zwischenzeit gewesen sein mag. Es ist nichts Aufregendes geschehen – kein Puma oder andere unhöfliche Tiere haben den Weg gekreuzt. Um im Urwald einer Schlange Auge und Auge zu begegnen, muss man schon großes Glück haben – oder Pech, je nach Art der Schlange. Schlangen „hören“ den Tritt des Menschen und gehen ihm normalerweiser aus dem Weg. In Kolumbien gibt es Regenwürmer, die größer sind als die Schlangen in Deutschland…




Hotel Comercio, Lima

burks in Limahotel comercio limaburks in Lima

Da sitze bzw. liege ich im „Hotel“zimmer in Lima, Peru, am 29. Februar 1984. Es war der erste Tag einer Reise von ca. sieben Monaten durch Peru und Bolivien.

Das extrem preisgünstige, aber gemütliche „Hotel“ Comercio gibt es heute nicht mehr. Es lag auf der Ecke der Jirón Áncash mit der Jirón Carabaya, ganz zentral mit Blick auf den Plaza de Armas und den Präsidentenpalast – ich habe sogar den Blickwinkel des Fotos in der Mitte wiedergefunden. Auf dem Balkon (Foto Mitte) steht meine damalige Freundin.

Aus meinem Reisetagebuch: „In Lima haben wir uns wohlgefühlt, was natürlich auch am Hotel lag. Die Terroristenhysterie ist selbst in den Stadtvierteln außerhalb (hier war es Rimac) zu spüren. Ein Tankwart will mir kein Benzin verkaufen, weil er denkt, dass ich eine Bombe bauen will.

Das, was in den Zeitungen steht, kriegen wir relativ wenig mit. Das Wetter in den Anden muss katastrophal sein, jedenfalls werden jede Menge Erdrutsche etc. gemeldet. In Puno ist Lebensmittelknappheit wegen eines Eisenbahnerstreiks, von Ayacucho ganz zu schweigen. (…)

Die Eckkneipe an der Iglesia San Francisco ist noch so wie früher. aber ansonsten fühlt man sich wie bei Leydicke – peruanische Mittelklasse und Gringos.

Am ersten Tag im Comercio stecken wir beinahe das Hotel in Brand, B. pumpt zu viel Luft in den Ofen [Coleman Peak 1 Multi-Benzinkocher] – oder es liegt am mangelnden Sauerstoff. Die Flammen schlagen aus allen Löchern, und die Zeitung, auf der der Ofen steht, brennt auch schon. Ich trage den Ofen auf den Balkon und verbrenne mir ziemlich das Handgelenk….“




Stilleben mit Luxusartikeln

glentauchers

Ich habe mir noch Nachschub geholt – ab jetzt bin ich Fan der Glentauchers Distillery. Ein kundiger Leser schrob schrieb hier: „Problem bei den Tauchers ist, soweit mir bekannt, gibts keine Originalabfüllung, zumindest keine außerhalb der Destillerie, deswegen landet der Stoff bei einigen unabhängigen Abfüllern oder wird in Blends verklappt“.

Darauf habe ich einen gewohnt sachkundigen Verkäufer beim Drogendealer meines Vertrauens angesprochen. Der antwortete: Sie hätten bei Glentauchers ein eigenes Fass gekauft (und das vorher getestet). Wenn das leer ist, kriegen sie ein neues, aber das ist natürlich dann ein etwas anderer Whisky. Von diesem Fass haben sie noch rund 40 Flaschen da, aber die konnte ich natürlich nicht alle aufkaufen. Jedenfalls schmeckt das Gesöff (destilled 1. May 2008) großartig.

Wie das medienkundige Stammpublikum weiß, werbe ich für nichts und niemanden (ausser, dass die Bücherlinks auf Amazon gehen, aber man muss ja nicht klicken). Es gibt drei Ausnahmen (ich kriege nichts dafür): Erstens Glentauchers (siehe oben), zweitens für Benzinöfen von Coleman (vgl. Loblied auf einen Ofen, 07.01.2004) und drittens für bestimmte Schuhe von Adidas. Alle, die ich dort gekauft habe, waren erstklassig (aber auch nicht billig) – im Gegensatz zu anderen Marken, die ich zum Teil auch getestet und nach wenigen Monaten weggeworfen habe, weil sie auseinanderfielen oder Risse bekamen.

Und wer von euch hat denn einen Stiefelknecht? (Außer denen natürlich, die sich vorwiegend zu Pferd fortbewegen.)




Keine Sollbruchstelle

Feuerzeug

Mein Globetrotter-Benzinfeuerzeug habe ich 1984 gekauft – und es funktioniert immer noch, übrigens genau so wie mein Coleman-Benzinofen. Diese Dinge scheinen keine eingebaute Sollbruchstelle zu haben.




Tweet of the day 58

Gabriella Coleman ‏@BiellaColeman Is feminism making us fat? http://aje.me/XsSxvv via @AJEnglish




Granada – die fette Rosine

GranadaGranadaGranadaGranadaGranadaGranadaGranadaGranadaGranadaGranadaGranadaGranadaGranada

Wikipedia: „Granada ist die drittgrößte Stadt des mittelamerikanischen Staates Nicaragua, sie liegt 47 km südlich der Landeshauptstadt Managua an der Westküste des Nicaraguasees, sie ist auch Sitz des gleichnamigen Departamentos. Die im kolonialistischen Stil erbaute Stadt wird auch La gran Sultana (die große Rosine, umgangssprachlich die fette Rosine] genannt. Die Stadt liegt am Fuße des 1344 m hohen Vulkans Mombacho.“ Die Fotos habe ich im November 1981 gemacht. Auf dem obersten Foto ist im Hintergrund die weiße Kathedrale Granadas zu erkennen.

Granada gilt als konservativ, die Stadt war die letzte, die die Guerilleros der Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSNL) während der Revolution 1979 einnehmen konnten.

Eine Attraktion in Granada sind die Stadthäuser in kolonialem Atrium-Stil – also ein Innenhof, der von einstöckigen Gebäuden umrahmt wird. Wenn ich mir ein Haus in südllichen Gefilden bauen würde, es würde genau so aussehen. Ich weiß gar nicht, ob es die damals populären Pferde-Droschken noch gibt. Auf Wikipedia habe ich nichts gefunden.

Ich hatte in Granada ein Problem zu lösen. Ich habe es am 07.01.2004 schon beschrieben: „Loblied auf einen Ofen“.

Granada, 16.12.1981. Eine quirlige, alte, ja in Teilen vornehme Stadt, in der man spürt, dass die Sandinistische Revolution hier nie Fuß fasste. Die Plätze atmen südlichen Flair, im Hintergrund überragen Vulkane die prächtigen und blendend weißen Häuser und den großen Binnensee. Granada: die älteste Kolonialstadt in ganz Zentralamerika, gegründet 1524 und lange „Hauptstadt“ von Neu-Spanien. Im 17. Jahrhundert wurde sie mehrere Male durch französische und englische Piraten geplündert.

Der Gegensatz zwischen arm und reich reicht bis auf den Friedhof. Die Armen begnügen sich mit verwitterten Holzkreuzen, die von Gebüsch und Unkraut überwuchert werden. Die Mittelklasse hat sich kleine Denkmäler gebaut, und die ganz Reichen prahlen noch im Tod mit ganzen Häusern, die von Marmorfiguren bewacht werden, als hätte das irgendeine Bedeutung.

Ich treibe mich wieder in den Stadtvierteln herum, deren Strassen zu einem einzigen Markt zusammengewachsen sind. Hier verkauft man Dinge, von denen ich nicht weiß, wozu sie gut sind. Ich habe ein Problem, und das zu lösen ist wahres Reisen – nicht die Besichtigung alter Kirchen, exotischer Gegenden, Museen, Bars – nein, die kleinen Dinge sind es, die den Reiz des Reisens ausmachen, die Dinge, für die man in das alltägliche Leben eintauchen muss, von dem der normale Tourist nie etwas erfährt. Ich kann mich heute, nach mehr als zwanzig Jahren, noch daran erinnern, das die Benzinzufuhr für meinen Coleman-Benzinofen nicht mehr funktionierte – die Leitung hatte einen Knick.

[Werbeblock] Ja, ich mache Werbung für die Firma: dieser kleine Ofen hat mich in zwanzig Länder begleitet und hat sogar auf mehr als 5000 Metern Höhe funktioniert, wenn auch stotternd, und hat mich fast nie im Stich gelassen. Er ist heute mehr als 30 Jahre alt – und mit ihm könnte ich immer noch jedes Gericht kochen. [/Werbeblock]

Ich brauchte eine Dichtung. Doch in ganz Granada hatte noch niemand einen derartigen Benzinofen gesehen, geschweige denn Ersatzteile dafür. Ja, man kannte Gringos, die Kocher für Gas besessen hatte – aber Benzin? Man schicke mich von einer Werkstatt in die andere. Ich lernte vermutlich alle Automechaniker Granadas kennen, eine Schweißerei und zahlreiche Kleinbetriebe, deren Geschäftsidee sich mir nicht auf den ersten Blick erschloss. Niemand war unfreundlich. Alle hörten sich meine Geschichte mit dem größten Interesse an. Man überlegte gemeinsam, begutachtete das Teil von allen Seiten, bewunderte es, kramte in zahllosen Kästen, fragte alle Nachbarn, um dem ausländischen Gringo zu helfen.

Irgendwann, am zweiten Tag, kam ein heller Kopf auf die Idee, ein Teflonband zu nehmen, wo auch immer er das gefunden hatte. Das war die Lösung. Es kostet ein paar Pfennige. Und ich musste den Ofen bis zur letzten Schraube in alle Einzelteile zerlegen, was mich ein paar Stunden beschäftigte – und wiederum zu Kontakten zu den anderen Gästen der Pension Cabrera führte, in der wir wohnten.

Zeit für den Abschied von Nicaragua. Wir verpassen wegen einer falschen Auskunft den direkten Bus nach Rivas. Wir wollen über die Panamericana zur Grenze nach Costa Rica. Der Lokalbus ist so voll, dass noch nicht einmal ein Huhn hineingepasst hätte.

Dann verabschiedet uns die Sandinistische Revolution mit einem Grenzübertritt à la DDR, mit dem Original-realsozialistischen Tresen, hinter dem die Pässe verschwinden und nicht wieder auftauchen. Irgendwann, nach ein paar Stunden Warten, verliere ich die Geduld und brülle ein wenig herum. Es stellt sich heraus, dass etwas typisch Lateinamerikanisches geschehen ist. Der zuständige Grenzbeamte wusste nicht, was er mit einem Einreisestempel machen sollte, der in einem Ort ausgestellt worden war, den er nicht kannte: Leimus an der Grenze zu Honduras, an der Mosquitia. Anstatt zu fragen und sich somit eine Blöße zu geben, ließ man die Pässe einfach liegen. Irgendwie würde sich das Problem schon von selbst lösen. In diesem Fall in Form eines zornigen Gringos, der seinen Pass endlich wiederhaben, weil er nicht an der Grenze übernachten wollte.

Adios Nicaragua, que te vayas bien!




Frischer Fisch aus Charlotteville

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Die Fotos habe ich 1982 in Charlotteville an der Man-O-War-Bay auf Tobago (Republic of Trinidad and Tobago, Kleine Antillen) gemacht – der idyllischste Ort, in dem ich jemals war. Hotels gab es nicht, nur einige private Zimmer, Die würdevolle Dame mit Handtasche war unsere Wirtin Miss Nicholson. Der Thunfisch, den ich mit meinem Coleman-Benzinofen zubereite, schwomm zwei Stunden vorher noch im Meer. Die Blondine unten am Strand ist meine damalige Reisebegleiterin.




Geek-Anthropologin

Ich empfehle bekanntlich selten Websites. Ich mache es wie deutsche Medien, die nicht wollen, dass die wohlwollenden Nutzerinnen und geneigten Nutzer woanders hinsurfen als zu ihnen. Deswegen setzen sie auch keine Links ins berüchtigte weltweite Internet. Aber ich wiederhole mich….

Heute empfehle ich Gabriella Coleman: „Wolfe Chair in Scientific and Technological Literacy, McGill University, Department of Art History & Communication Studies – Anthropology of digital media, hackers and the law“, die mir als „Geek-Anthropologin“ per Mail vorgestellt wurde.

Den Beruf hätte ich auch gern. Vielleicht sollte ich mich jetzt einfach „Geek-Anthologe“ nennen? Das macht echt was her.




Berlin Wall 2.0

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Liebe wohlwollenden Leserinnen und geneigte Leser! Heute erzähle ich euch eine kleine Geschichte darüber, wie das Mediengeschäft funktioniert. Ich habe einen kleinen Artikel niemandem verkaufen können, was nicht verwundert, denn so interessant ist er nicht. Aber wofür habe ich mein Blog?

Im Avastar las ich: „Nach dem Prinzip ‚Geschichte zum Anfassen‘ bauten Conny Colman und Bacoo Balut historische Stätten, wie die Umgebung entlang der Berliner Mauer, einen Grenzübergang und eine Wohnsiedlung in Marzahn nach.“ Die „Eröffnungsfeierlichkeiten“ seien am 13. August. Man muss wissen, dass der „Avastar“ die BILD-Zeitung für Second Life ist und auch von Springer publiziert wird. Man darf also vermuten, dass mindestens die Hälfte gelogen oder frei erfunden ist. Oder: Als seriöser Journalist darf man sich auf nichts verlassen und muss jedes Wort überprüfen.

Ich habe also meinen Avatar auf den Weg geschickt. In der SL-internen Suche fand ich nichts. Ich musste auf meine Kontakte in Second Life zurückgreifen. Conny Colman (Realname: Jo Fabian) war mein erster Vermieter in Second Life – im Januar 2007. Ich habe ihn gefragt, wo die Sim sei und bekam auch eine Antwort – neben der SIM „Preussen“. Dennoch: Ich kam nicht hinein in die virtuelle DDR. Coleman: „Der Auftraggeber möchte erst eröffnen, wenn auch die Hardware im RL Museum steht und die ist noch nicht soweit“. Der Auftraggeber bestreitet das.

Ich konnte also nur virtuell über die Mauer gucken. Ganz wie im realen Leben: Dort hatte ich Einreiseverbot in die DDR (wegen Linksabweichung von der Ewigen Wahrheit des Kommunismus). Das Gefühl kannte ich: Den Kalten Kriegern in Berlin, die die Parole „geht doch rüber“ brüllten, konnte ich immer entgegnen: Die lassen mich nicht, und ich wollte auch gar nicht.

Die Recherche ergab, dass die virtuelle Mauer ein Projekt des real existierenden DDR-Museums in Berlin ist – „von der Jury für den European Museum of the Year Award 2008 nominiert.“ Die Falschmeldung des Avastar wurde mehrfach übernommen. Der Direktor des Museums, Robert Rückel, schrieb mir auf Anfrage. „Die Sim ist noch nicht eröffnet. Die Informationen des Avatars waren Falschinformationen der Agentur, mit der wir zusammenarbeiten, die eigenmächtig gehandelt hat. An einem traurigen Jubiläum wie dem 13. August, hatten wir niemals vor, die Sim zu eröffnen. Auf der Sim werden eine Plattenbausiedlung nachgebaut und einige Elemente der DDR-Diktatur implementiert. Ziel der Sim ist es, SL-Usern auf spielerische Art und Weise Wissen über die Geschichte zu vermitteln. Dafür ist es natürlich ganz wichtig, dass es überall Informationen zu den Objekten und den Hintergründen gibt – da diese noch fehlen, ist die Sim derzeit noch gesperrt. Ich hoffe, das wir bald dazu die notwendige Zuarbeit der Programmierer bekommen, damit die Sim in Kürze eröffnet werden kann. Näheres erhalten Sie dann pünktlich zur Eröffnung.“

Hätte ich die Story einer Berliner Zeitung verkaufen können, hätte ich nicht viel mehr recherchieren müssen. Aber ich gehe jede Wette ein, dass die Berliner Medien im November, wenn das Gelände wirklich freigeschaltet werden wird, schlicht die unkritischen Pressemeldungen abdrucken. Dazu muss man nicht recherchieren; und dazu muss man einem freien Journalisten, der sich die Mühe macht, eigene Screenshots zu liefern, kein Honorar bezahlen.