Cringe Zeichen irgendwo hinsetzen

djv berlin
Quelle: Instagram-Account des DJV Berlin

Wikipedia: Mit Stand 2022 ist Instagram das am meisten genutzte soziale Netzwerk unter jungen Menschen in Deutschland. Einer der häufigsten Kritikpunkte an der Plattform ist, die psychische Gesundheit junger Menschen negativ zu beeinflussen. Weitere Kritikpunkte sind beispielsweise Zensur und Überwachungskapitalismus.

Ach Wikipedia. Wer wen (Lenin) kritisiert, würde ich gern wissen, sonst glaube ich gar nichts. Gegenfrage: Welches „soziale Netzwerk“ zensiert nicht? Dann habe wir noch „Überwachungskapitalismus“. Welche Kapitalismen gibt es denn sonst noch? Etwa den überwachungsfreien Kapitalismus? Eine herrschende Klasse, die darauf verzichtet, die Untertanen zu beobachten und auszuspionieren? Vielleicht ist das in Tuvalu oder Niue so, weil man dort sowieso jeden sehen kann, wenn man auf eine Palme klettert, aber sonst nirgendwo – also ein weißer Schimmel.

Nun zu uns, DJV Berlin! Rein PR-mäßig ist da noch sehr viel Luft nach oben. Wenn man auf Instagram erfolgreich sein will, dann braucht man Katzenvideos und halbnackte Weiber großartige Kunst oder Inhalte. Inhalte! Völlig abgedroschene Textbausteine wie „Flagge zeigen“, „Zeichen setzen“ oder „Farbe bekennen“ sind keine Inhalte, sondern sinnfreies Herumgesülze von Sprechblasenfacharbeitern.

Unter dem Motto #Fairnessfunkt, der bundesweiten Aktion des DJV, haben heute auch die Beschäftigten der Deutschen Welle am Standort Berlin (Foto) und beim Berliner Deutschlandradio in einer aktiven Mittagspause ein klares Zeichen für faire und angemessene Tarifverträge im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesetzt.

41 Wörter. Der zweite Teil des Verbs zum Schluss. Mark Twain dazu: „In einer deutschen Zeitung setzen sie ihr Verb drüben auf der nächsten Seite hin; und ich habe gehört, dass sie manchmal, wenn sie eine oder zwei Spalten lang aufregende Einleitungen und Paranthesen dahergeschwafelt haben, in Zeitnot geraten und in Druck gehen müssen, ohne überhaupt bis zum Verb gekommen zu sein.“

Merke: Die deutsche Presseagentur (dpa) sieht neun Wörter pro Satz als Obergrenze für die optimale Verständlichkeit an. Und ihr? Ein Journalistenverband, der nicht verständlich schreiben kann?

Der Deutsche Journalisten-Verband hatte die festangestellten und freien Journalisten der öffentlich-rechtlichen Sender und der Deutschen Welle zu einem gemeinsamen #Aktionstag aufgerufen, daran beteiligte sich auch die Gewerkschaft ver.di.

Wait a minute. Zwei Gewerkschaften, und dann ein Bild mit neun Leuten, wenn ich richtig gezählt habe? Wie kommt denn das bei der instagramigen Jugend rüber? Schlecht und cringe. Es gibt übrigens genau so wenig „faire Tarifverträge“ wie „faire Löhne“. Die Höhe des Lohns ist ein Resultat des Klassenkampfes. Just saying.

Und dann haben wir noch: In einer gemeinsamen Schalte haben die Journalisten über die Aktivitäten an ihren Standorten informieren. [Sic]

Soll das ein deutscher Satz sein? Das klingt eher nach Trappatoni. Wolf Schneider hat übrigens „Aktivitäten“ ausdrücklich verboten, da „Aktivität“ schon die Summe mehrerer Aktionen sei, das Wort nicht des Plurals bedürfe.

Was ist eine „Schalte“? Insidersprech? Klassismus?

radio

Wir geben zurück in die angeschlossenen Funkhäuser.

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Kommentare

4 Kommentare zu “Cringe Zeichen irgendwo hinsetzen”

  1. Godwin am April 16th, 2024 10:22 pm

    Sprechblasenfacharbeiter*INNEN bitteschön ☝️

    Aktionstag – auf Insta
    meine Fresse – das ist schon völlig sinnfrei

    aktiven Mittagspause
    Oxymoron?

    Zwei Gewerkschaften, und dann ein Bild mit neun Leuten
    immerhin – 4,5 Leute pro Gewerkschaft
    zeigt aber m.E. wie tot und überflüssig viele Gewerkschaften in der aktuellen Situation sind.
    Man braucht schon Leute vom Schlage eines Weselsky
    https://www.youtube.com/watch?v=2jUUfgxeJO8

  2. blu_frisbee am April 17th, 2024 12:58 pm

    Wenn man Gesellschaft für Gemeinschaft hält über die eine Transzendentalie Gerechtigkeit wacht
    dann reicht Klage.
    Die Herrschaft möge ihr Unrecht einsehen.

    In der Märchenwelt helfen Wünsche.

    Sowas wird Journalist.

    Das System vergibt Rollen, Personen bewerben sich.
    Wenn alle die man kennt der selben Religion angehören wirds schwer mit Atheismus.
    „…Ausgang aus selbstverschuldeter Unmündigkeit“

  3. ... der Trittbrettschreiber am April 17th, 2024 1:19 pm

    @ Godwin

    Das generische Maskulinum schleicht sich so langsam durch die Hintertür wieder ein.
    Heute Morgen erst sprach ein Radio-Moderator mit einer Autorin über das Rezeptionsempfinden ‚beim Lesenden‘. Er wollte ‚beim Leser‘ vermeiden – erwies den GenderfreundInnen aber einen BärInnendienst. Die Bayern innen und draußen dürften sich freuen…hx.

    Ich wünsche einen UUuuhhps- plopp- und zischreichen Tag.

    PS: Es gibt noch Hopfen.

  4. nOby am April 17th, 2024 4:39 pm

    Das ist Angst!

    Du gehst immer davon aus das die deutschen Journalisten in einer Art von heilen Welt leben. Das mag für die ganz großen Guns dieses Gewerbe gelten, also die vom ÖRR und von DIE WELT. Aber nicht für den Rest. Die haben Angst.

    Das kannst Du hier nachlesen. Dort lese ich:

    Die Zahl der Fälle von körperlichen Angriffen ist von 56 Fällen im Jahr 2022 auf 69 Fälle im vergangenen Jahr gestiegen, so das Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (EPCMF) in seiner jährlichen Langzeitanalyse. In Berlin hat es mit 25 Fällen die meisten gegeben. Im Jahr zuvor führte Sachsen noch die Liste der Länder an.Demonstrationen sind der gefährlichste Arbeitsplatz für Journalisten. 77 Prozent der bekannt gewordenen Fälle haben sich dort ereignet – davon 40 Prozent bei pro-palästinensischen Versammlungen.

    Wer Angst hat macht Fehler. Siehe FOCUS online. In den Kommentaren ist es zu einer Art von Sport geworden den FOCUS in Sachen Rechtschreibfehler zu korrigieren. Neu ist es nicht nur Rechtschreibfehler zu korrigieren, sondern auch die Bedeutung von Wörtern. Das wird tatsächlich von FOCUS als Kommentar veröffentlicht und landet nicht im Abfalleiner der Moderation.

    Eine Ausnahme scheint Dunja Hajali vom ZDF zu sein. Die hat scheinbar vor nix und niemanden Angst.

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